Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie
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Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie
Eine dogmengeschichtliche Untersuchung zum Problem der Normenhierarchie in den deutschen Staatsordnungen im frühen und mittleren 19. Jahrhundert (1818-1866)
Schriften zur Verfassungsgeschichte, Vol. 62
(2000)
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Abstract
Der Grundsatz des Vorrangs der Verfassung und hier insbesondere die Verfassungsbindung des Gesetzgebers stellen - so selbstverständlich uns diese Prinzipien heute auch erscheinen mögen - höchst komplexe und in ihren politischen und rechtlichen Voraussetzungen vielschichtige Rechtsfiguren dar, die sich in Deutschland vollständig erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts durchsetzen konnten. Noch die maßgebliche Kommentierung von Gerhard Anschütz zur Weimarer Reichsverfassung hielt an dem Satz fest, daß die Verfassung nicht über der Legislative, sondern »zur Disposition derselben« stehe. Auch gilt als gesichert, daß im Deutschen Reich nach 1871 ein Vorrang der Verfassung nicht anerkannt war. Welche Grundüberzeugungen dagegen die Zeit des deutschen Frühkonstitutionalismus prägten, erscheint bislang als nicht sicher beantwortet. Die Untersuchung Schmidts will diese Lücke schließen. Es zeigt sich hier zum einen, daß ein deutlich ausgeformter hierarchischer Vorrang in der Struktur der Verfassungen nicht angelegt war und daß sich auch eine überwiegende Mehrheit im Schrifttum und unter den Richtern zu einer klaren Anerkennung des Vorrangprinzips nicht durchringen konnte. Zum anderen wird aber auch deutlich, daß es durchaus Ansätze zu normhierarchisch konsequenten Lösungen gab - sowohl im positiven Verfassungsrecht selbst als auch in der Literatur und in der Praxis der Gerichte.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 1 | ||
Inhaltsverzeichnis | 5 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 10 | ||
Einleitung | 13 | ||
A. Vorrang der Verfassung als Grundprinzip moderner Verfassungsstaatlichkeit | 13 | ||
B. System der konstitutionellen Monarchie in Deutschland | 16 | ||
C. Thematische Eingrenzung und Gang der Untersuchung | 18 | ||
Teil 1: Voraussetzungen und Grundlagen: Das nordamerikanische Modell | 22 | ||
A. Die besondere Quelle: Verfassungsschöpfung als Ausübung von Volkssouveränität („constituent power“) | 23 | ||
B. Besondere Erschwerungen der Verfassungsänderung: Ausbildung der verfassungsändernden Gewalt („amending power“) | 28 | ||
C. Besondere Sicherungen und Garantien: Verfassungsschutz durch Gerichte („judicial review“) | 31 | ||
Teil 2: Strukturelle Analyse der deutschen konstitutionellen Verfassungen: Entstehungsweise und normimmanente Merkmale einer höheren Geltungskraft | 41 | ||
A. Ausgangsfragen | 41 | ||
B. Verfassungsschöpfungsprozeß | 43 | ||
C. Regeln über eine erschwerte Abänderbarkeit der Verfassungen | 47 | ||
I. Allgemeine Grundsätze | 47 | ||
II. Ständische Zustimmung unter qualifizierten Abstimmungsmehrheiten | 50 | ||
III. Notwendigkeit wiederholter Abstimmungen und Zeitintervalle | 52 | ||
IV. Erhöhte Quoren | 53 | ||
V. Einschränkungen des ständischen Initiativ- und Beratungsrechts | 54 | ||
VI. Eingeschränkte Möglichkeiten und Wirkungen von Verfassungsänderungen während der „Regierungsverwesung“ | 55 | ||
VII. Föderale Sperrminoritäten in der bundesstaatlichen Verfassung | 56 | ||
VIII. Resümee | 56 | ||
D. Vorgaben an den Gesetzgeber: Rechtserzeugungsregeln | 59 | ||
E. Sonstige Merkmale einer höheren Stabilität der Verfassungen | 63 | ||
I. Ausdrückliche Bindungs- und Kollisionsregeln | 64 | ||
II. Eidesleistungen auf die Verfassung | 70 | ||
III. Rechtliche Verfahren und Institutionen zur Sicherung der Verfassung | 73 | ||
1. Verfassungsbeschwerde | 74 | ||
2. Ministeranklage und Staatsgerichtsbarkeit | 76 | ||
3. Verfassungsklage als „Normenkontrollverfahren“ | 79 | ||
4. Begleitregelungen zur „Gewähr der Verfassung“ | 82 | ||
IV. Bundesstaatliche Garantien | 83 | ||
F. Exkurs: Die belgische Verfassung von 1831 | 84 | ||
G. Zusammenfassung | 89 | ||
Teil 3: Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Doktrin: Anerkennung und Begründung von Hierarchiekonzepten in der Staatsrechtslehre | 92 | ||
A. Annäherungen an das Problem der Normenhierarchie im Frühkonstitutionalismus und im Vormärz | 93 | ||
I. Terminologische Erfassung und Beschreibung der neuen Verfassungswerke | 93 | ||
II. Die Verfassung als autonome Normenordnung: Abschichtungskriterien für die Begründung eigenständigen und vorrangigen Verfassungsrechts | 99 | ||
1. Normimmanente Kriterien: Regeln über erschwerte Abänderbarkeit und „besondere Bürgschaften“ | 100 | ||
2. Inhaltliche und thematische Kriterien: Die Verfassung als rechtliche Grundordnung des Staates | 104 | ||
3. Naturrechtliche Kriterien I: Theorie vom Verfassungsvertrag | 106 | ||
4. Naturrechtliche Kriterien II: Verfassungsnormen als „Positivierung des Naturrechts“ | 108 | ||
5. Genetische Kriterien: Der besondere rechtliche Ursprung der Verfassung | 110 | ||
6. Zusammenfassung | 113 | ||
III. Die Verfassung als höherrangige Normenordnung: Wesen der hierarchischen Ordnung von Verfassung und Gesetz | 114 | ||
1. Die Verfassung als Rahmenordnung für den Gesetzgeber | 115 | ||
2. Verfassungswidrigkeit von Gesetzen: Normkollisionen und deren rechtliche Folgen | 117 | ||
3. Dogmatische Ansätze zu einem Modell vom Vorrang der Verfassung | 122 | ||
a) Robert von Mohl | 122 | ||
b) Carl von Rotteck | 125 | ||
c) Carl Theodor Welcker | 126 | ||
4. Zwischenbilanz | 126 | ||
IV. Zusammenfassung und Analyse: Grenzen der Durchsetzung eines frühkonstitutionellen Konzeptes vom Vorrang der Verfassung | 127 | ||
1. Der rechtliche Rahmen: Eigenarten deutscher Verfassungen und deutscher Verfassungsrezeption | 129 | ||
a) Schwache Ausprägung struktureller Vorrangmerkmale | 129 | ||
b) Rückgriff auf traditionelle überpositive Hierarchievorstellungen | 130 | ||
c) Betonung des Vereinbarungscharakters | 131 | ||
d) Fortbestand vorkonstitutionellen Rechts | 132 | ||
e) Betonung programmatischer und organisatorischer Funktionen | 132 | ||
f) Untergeordnete Bedeutung zentraler Fundamentalnormen? | 134 | ||
2. Der politisch-strukturelle Rahmen: Vorrang der Verfassung und dualistischer Staatsaufbau | 135 | ||
B. Der Verfassungsentwurf der Paulskirche: Konzeption einer modernen vorrangigen Verfassung? | 137 | ||
I. Fragestellung | 137 | ||
II. Strukturen und Inhalte: Wesentliche Vorrangmerkmale der Frankfurter Reichsverfassung | 140 | ||
1. Verfassungslegitimation | 140 | ||
2. Verfassungsänderung | 142 | ||
3. Verfassungsgeltung: Grundrechtsbindung des Gesetzgebers und anderer staatlicher Gewalten | 145 | ||
4. Verfassungsgerichtsbarkeit | 148 | ||
5. Verfassungseide | 150 | ||
III. Zusammenfassung und Gesamtwürdigung | 151 | ||
C. Vorrang der Verfassung in der postrevolutionären Staatsrechtslehre: Perspektivenwechsel im konsolidierten Verfassungsstaat | 153 | ||
I. Verfassungspolitische und verfassungsrechtliche Situation nach 1848 | 153 | ||
II. Grundtendenzen in der Staatsrechtslehre: Konservative und liberale Verfassungsbegründungen | 155 | ||
III. Robert von Mohls rechtsdogmatische Pionierleistung: Theorie der Verfassung als „höhere Gattung von befehlenden Normen“ | 158 | ||
1. Die „Abstufung der Normen“ als verfassungsstaatliches Postulat: Systematische Bestandsaufnahme der Äußerungen Mohls zum Thema Normenhierarchie | 160 | ||
2. Auswertung: Erstes Hierarchiemodell für die Normenordnung des konstitutionellen Staates | 168 | ||
3. Gesamtbetrachtung: Mohls Hierarchiemodell im Kontext seines Rechts- und Staatsdenkens | 173 | ||
a) Hinwendung zum nordamerikanischen Staatsrecht | 173 | ||
b) Kritische Haltung gegenüber dem System des konstitutionellen Dualismus | 174 | ||
c) Begriff vom Rechtsstaat | 176 | ||
IV. Andere Thematisierungen der Normenhierarchie und des Vorrangs der Verfassung in der staatsrechtlichen Literatur | 178 | ||
1. Auf der Linie Mohls: Positive Stellungnahmen zum Vorrang der Verfassung | 178 | ||
a) Ludwig von Rönne: Die Verfassung als das „Gesetz aller Gesetze“ | 178 | ||
b) Eduard Lasker: Plädoyer für die „Herrschaft der Verfassung“ | 181 | ||
c) Joseph von Eötvös: Die Verfassung als „der Wille des Souverains“ | 182 | ||
d) Anton Vollert: Die Verfassung als der „am reiflichsten erwogene Wille des Regenten“ | 184 | ||
2. Grundthesen des herrschenden Gegenmodells: Abwertung der Geltungskraft der Verfassung und Gleichstellung mit dem Gesetz | 185 | ||
a) Die Verfassung beruht auf keiner anderen Autorität als das einfache Gesetz | 185 | ||
b) Die Verfassung ist nur Programmsatz für die Gesetzgebung, nicht schon „wirkliches Recht“ | 188 | ||
c) Die materielle Verfassungsmäßigkeit ist nicht Voraussetzung für die Gültigkeit eines Gesetzes und deshalb richterlich nicht überprüfbar | 189 | ||
d) Die Verfassung erlangt in Richtung gegen die Verwaltung nur eine beschränkte, auf die Bürgerrechte bezogene Geltungskraft | 192 | ||
3. Insbesondere: Der Vorrang der Verfassung als Thema in den Verhandlungen der Deutschen Juristentage 1862/1863 | 193 | ||
a) 3. Deutscher Juristentag in Wien (1862) | 194 | ||
b) 4. Deutscher Juristentag in Mainz (1863) | 198 | ||
V. Ergebnis | 202 | ||
Teil 4: Vorrang der Verfassung im Spiegel der Rechtsprechung | 205 | ||
A. Einleitung: Voraussetzungen und Möglichkeiten einer „Vorrang-Judikatur“ | 205 | ||
B. Die Praxis gerichtlicher Inzidentprüfungen von Gesetzen und Verordnungen am Maßstab der Verfassung | 206 | ||
I. Die „herrschende“ Rechtsprechung: Beschränkung der Kontrolle auf die verfassungsmäßige Publikation | 206 | ||
II. Auf dem Weg zu einer „Vorrang-Judikatur“: Prüfung und Nichtanwendung verfassungswidrigen einfachen Rechts | 210 | ||
1. Erste Ansätze einer richterlichen Normenkontrolle im Vormärz | 210 | ||
2. Rechtsprechung der kurhessischen Gerichte im Jahre 1850 | 212 | ||
3. Entscheidung des Hannoveraner Obergerichts zu Aurich vom 3. Oktober 1855 | 214 | ||
4. Zusammenfassung | 215 | ||
C. Ergebnis | 217 | ||
Teil 5: Gesamtwürdigung und Überblick über die weitere Entwicklung | 219 | ||
Zusammenfassende Thesen | 227 | ||
Literaturverzeichnis | 230 | ||
Sachverzeichnis | 250 |