Kündigung, Rücktritt und Suspendierung von multilateralen Verträgen
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Kündigung, Rücktritt und Suspendierung von multilateralen Verträgen
Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel, Vol. 135
(2001)
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Abstract
Daß sich im geltenden Völkerrecht multilaterale Verträge nicht nur wegen der Zahl ihrer Vertragsparteien von zweiseitigen Abkommen unterscheiden, kann mittlerweile als gesicherter Bestand des Völkerrechts gelten. Das Völkerrecht entwickelt sich mehr und mehr von einem Koordinationsrecht zu einem Kooperationsrecht, das vermehrt zum Regelungsinstrument des multilateralen Vertrages im Sinne einer internationalen Legislative greift. So wird auch im Rahmen dieser Arbeit davon ausgegangen, daß mehrseitige Abkommen, etwa zum Schutz der Menschenrechte oder der Umwelt, eine andere Rechtsnatur haben als zweiseitige Austauschverträge. Ausgehend von dieser These stellt sich die Frage, ob die Regeln des allgemeinen Rechts der Verträge zur einseitigen willkürlichen Vertragsbeendigung unterschiedslos anwendbar sind auf alle Verträge oder ob den verschiedenen Rechtsnaturen Rechnung getragen wird.Es stellt sich heraus, daß das allgemeine Recht der Verträge, so wie es in der Wiener Vertragsrechtskonvention kodifiziert ist, von Verträgen als Bündel korrespondierender Rechte und Pflichten im Sinne eines Austauschverhältnisses ausgeht. Die bisherigen Regeln können daher nicht immer den besonderen Rechtsnaturen multilateraler Verträge Rechnung tragen. Im Ergebnis kann daher festgestellt werden, daß das Allgemeine Recht der Verträge die Entwicklung zum Kooperationsrecht nur unvollständig nachvollzogen hat und nach wie vor eher Züge eines Allgemeinen Schuldrechts trägt.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
§ 1 Gegenstand der Arbeit | 13 | ||
Erster Teil: Geschichte und verschiedene Ausprägungen multilateraler Verträge in Völkerrechtsheorie und -praxis | 16 | ||
§ 2 Kategorisierung multilateraler Verträge | 16 | ||
§ 3 Das klassische Völkerrechtssystem nach dem Westfälischen Frieden: Bilateralismus | 17 | ||
I. Der Westfälische Friede und andere europäische Friedensschlüsse der klassischen Periode | 17 | ||
II. Der Bilateralismus im völkerrechtsgeschichtlichen Kontext | 19 | ||
III. Die Struktur des klassischen Völkerrechts im Spiegel der klassischen Völkerrechtslehre | 23 | ||
IV. Der Zusammenbruch des klassischen Systems als Kollaps eines Machtgleichgewichts auf der Basis des Bilateralismus | 24 | ||
§ 4 Die Evolution multilateraler Verträge als Regelungsinstrument im Völkerrecht seit dem Wiener Kongreß | 25 | ||
I. Das stabilisierte Mächtegleichgewicht in Europa als Folge beginnender Mehrseitigkeit in der Rechtsetzung | 25 | ||
II. Die weitere Evolution der Mehrseitigkeit als Folge der inhaltlichen Ausweitung des Völkerrechts | 26 | ||
§ 5 Die Unterscheidung zwischen rechtsetzenden und rechtsgeschäftlichen Verträgen nach Bergbohm und Triepel | 28 | ||
§ 6 Kritik an der Einteilung Triepels in der Völkerrechtslehre | 31 | ||
§ 7 Völkerrechtliche Rechtsprechung zur Rechtsnatur multilateraler Verträge | 32 | ||
I. The Wimbledon | 33 | ||
II. Der Oscar-Chinn-Fall | 34 | ||
III. Reparations for Injuries Suffered in the Service of the United Nations | 35 | ||
IV. Reservations to the Genocide Convention | 36 | ||
1. Das Mehrheitsvotum | 36 | ||
2. Die abweichenden Voten | 37 | ||
V. Der Barcelona Traction Case | 38 | ||
VI. Der Pfunders-Fall | 40 | ||
1. Der Sachverhalt | 40 | ||
2. Die Einlassungen der Parteien | 40 | ||
3. Das Votum der Kommission | 41 | ||
VII. Ergebnis der Rechtsprechungsanalyse | 42 | ||
§ 8 Die Arbeit in der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen | 44 | ||
I. Die vorbereitenden Arbeiten zur Kodifikation des Rechts der Verträge | 45 | ||
1. Die Lauterpacht-Reports | 45 | ||
2. Die Fitzmaurice-Reports | 47 | ||
a) Die Beendigung der Vertragsbindung nach einem Bruch des Vertrages durch eine andere Partei | 47 | ||
b) Die Verdrängung älterer Verträge durch später abgeschlossene Abkommen | 52 | ||
c) Die Aussetzung der Vertragserfüllung als Repressalie | 55 | ||
3. Die Waldock-Reports | 57 | ||
a) Die Zulässigkeit von Vorbehalten zu Verträgen | 58 | ||
b) Die Beendigung der Vertragsbindung nach einem Bruch des Vertrages durch eine andere Partei | 60 | ||
4. Zusammenfassung der Arbeit der Sonderberichterstatter | 62 | ||
II. Die Arbeit der Völkerrechtskommission auf dem Gebiet des Rechts der Staatenverantwortlichkeit | 63 | ||
1. Die Bestimmung des von einem Völkerrechtsbruch verletzten Staates | 64 | ||
2. Das Recht zur einseitigen Rechtsdurchsetzung durch Repressalien („countermeasures“) | 69 | ||
a) Riphagens Entwurf als Spiegelbild von Art. 5 | 70 | ||
b) Der Entwurf von Arangio-Ruiz | 71 | ||
3. Die Differenzierung zwischen völkerrechtlichem Delikt und völkerrechtlichem Verbrechen in Art. 19 des ersten Teils | 72 | ||
III. Die Arbeit der ILC an Regeln für Vorbehalte zu multilateralen Verträgen | 75 | ||
IV. Zusammenfassung der Arbeit der Völkerrechtskommission | 76 | ||
§ 9 Die Behandlung multilateraler Konventionen in der WVRK | 77 | ||
I. Die „Object-and-purpose“-Regel in Art. 19 (c) | 79 | ||
II. Die Anerkennung integraler Verträge in Art. 20 Abs. 2 | 79 | ||
III. Die Sonderregelung in bezug auf Gründungsdokumente internationaler Organisationen | 80 | ||
IV. Art. 60 – Rücktritt wegen Vertragsverletzung des anderen Teils | 81 | ||
§ 10 Fallbeispiel: Die Vertragsinstrumente zum völkerrechtlichen Schutz der Umwelt | 83 | ||
§ 11 Die Wirkungen multilateraler Verträge auf dritte Staaten | 89 | ||
I. Ausgangspunkt der Überlegungen | 89 | ||
II. Die „Pacta-tertiis“-Regel | 90 | ||
III. Mögliche Ausnahmen | 91 | ||
1. Das Urteil im North Sea Continental Shelf Case | 91 | ||
2. Statusverträge als territorial bezogene Regelungen „erga omnes“ | 93 | ||
a) Waldocks Regelungsentwurf in Art. 63 seiner „Draft Articles“ | 93 | ||
b) Statusverträge in der Völkerrechtspraxis | 96 | ||
(1) Der Status der Aalandinseln | 96 | ||
(2) Der territoriale Status von Südwestafrika (Namibia) | 98 | ||
(3) Der Antarktisvertrag | 100 | ||
3. Andere Verträge mit Wirkung „erga omnes“ | 106 | ||
a) Ausgangspunkt: Die sich wandelnde Rolle des Gemeinschaftsinteresses vor dem Hintergrund zunehmender Interdependenz | 107 | ||
(1) Die Definition des Allgemeininteresses | 109 | ||
(2) Die Definitionsmacht „erga omnes“ | 111 | ||
(3) Zur Vereinbarkeit dieser Definitionsmacht mit allgemeinen Strukturprinzipien des Völkerrechts | 112 | ||
(4) Die Staatenpraxis zu Ordnungsverträgen im Gemeinschaftsinteresse | 115 | ||
(aa) Objektive Wirkung der UN-Charta | 115 | ||
(bb) Die Seerechtskonvention von 1982 | 116 | ||
(cc) Das Straddling Stocks Agreement von 1995 | 118 | ||
(dd) Ergebnis der Bestandsaufnahme | 121 | ||
b) Verträge zum Schutze des Gemeinschaftsinteresses als objektive Rechtsetzung | 121 | ||
§ 12 Zusammenfassung: Idealtypische Einteilung multilateraler Verträge | 122 | ||
§ 13 Völkerrechtstheoretischer Hintergrund der Kategorisierung multilateraler Verträge | 129 | ||
Zweiter Teil: Die Anwendung der Beendigungsregeln auf multilaterale Verträge verschiedener Ausprägungen | 132 | ||
§ 14 Definition von Kündigung, Rücktritt und Suspendierung | 132 | ||
§ 15 Kündigung und Suspendierung des Vertrages wegen vorhergehender Vertragsverletzung einer anderen Partei: Art. 60 WVRK | 133 | ||
I. Dogmatische Begründung des Rechts | 134 | ||
II. Anerkennung des Rechts in Völkerrechtstheorie und -praxis | 135 | ||
III. Die Qualität der Vertragsverletzung | 138 | ||
IV. Die Regelungen für multilaterale Verträge im einzelnen | 139 | ||
1. Die hierzu vertretenen Auffassungen in der Völkerrechtslehre | 139 | ||
2. Die völkerrechtliche Judikatur | 142 | ||
3. Staatenpraxis bezüglich multilateraler Verträge | 144 | ||
4. Die Arbeit der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen | 146 | ||
a) Der Regelungsentwurf von Fitzmaurice | 146 | ||
b) Der Regelungsentwurf von Waldock | 148 | ||
c) Die Reaktionen in der ILC und im sechsten Komitee der Generalversammlung | 149 | ||
d) Der Kodifikationsentwurf der ILC | 150 | ||
e) Analyse | 152 | ||
f) Die Vervollständigung des Entwurfs zum Art. 60 WVRK | 156 | ||
g) Die Modifikation in Art. 60 Abs. 2 lit. c) | 156 | ||
h) Art. 60 Abs. 5 | 156 | ||
V. Zusammenfassende Betrachtung: Art. 60 WVRK als Reflexion der unterschiedlichen Erfüllungsstrukturen multilateraler Verträge | 162 | ||
VI. Die Anwendung von Art. 60 WVRK auf Verträge, die aufgrund des geschützten Gemeinschaftsinteresses über den Kreis der Vertragsparteien hinaus Wirkung entfalten | 163 | ||
§ 16 Beendigung der Vertragsbindung wegen grundlegender Änderung der Umstände – „clausula rebus sic stantibus“ | 165 | ||
I. Die hierzu vertretenen Standpunkte der klassischen und modernen Völkerrechtslehre | 166 | ||
II. Die völkerrechtliche Praxis zur „clausula“, insbesondere die Anwendung auf multilaterale Abkommen | 168 | ||
III. Der WVRK vorausgehende Kodifikationsentwürfe | 171 | ||
1. Der Harvard-Entwurf | 171 | ||
2. Die Arbeit der Sonderberichterstatter der ILC | 172 | ||
a) Der Regelungsentwurf von Fitzmaurice | 172 | ||
b) Der Entwurf von Waldock | 175 | ||
3. Die Beratungen im Plenum der Völkerrechtskommission | 176 | ||
4. Die Beratungen auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz | 177 | ||
IV. Die Anwendung der „clausula rebus sic stantibus“ auf multilaterale Verträge verschiedener Ausprägungen | 178 | ||
1. Allgemein | 178 | ||
2. Der Sonderfall des Europarechts | 182 | ||
V. Die Anpassung multilateraler Verträge trotz eingeschränkter Anwendbarkeit der „clausula“ | 183 | ||
1. Notstandsklauseln | 184 | ||
2. Vertragsrevision | 185 | ||
3. Rahmenkonventionen und Protokolle | 188 | ||
4. Bewertung | 188 | ||
VI. Ergebnis | 189 | ||
§ 17 Vertraglich vereinbarte Abweichungen von einem multilateralen Abkommen durch eine begrenzte Anzahl der Vertragsparteien | 190 | ||
I. Praxis und Lehre zu „Inter-se“-Modifikationen vor Verabschiedung der WVRK | 191 | ||
II. Die Regelung in Art. 41 WVRK | 194 | ||
III. Analyse | 195 | ||
IV. Rechtsfolge | 196 | ||
§ 18 „Inter se“ wirksame Suspendierungen multilateraler Verträge | 198 | ||
§ 19 Freie Kündigungsrechte | 198 | ||
I. Stillschweigendes Kündigungsrecht | 198 | ||
1. Die zu dieser Frage vertretenen Auffassungen in der Völkerrechtslehre | 199 | ||
2. Die vorbereitenden Arbeiten zur WVRK | 200 | ||
3. Die Beratungen auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz | 201 | ||
4. Staatenpraxis zum stillschweigenden Kündigungsrecht | 202 | ||
5. Analyse | 207 | ||
II. Ausdrückliches freies Kündigungsrecht | 209 | ||
1. Praxis zur EMRK | 209 | ||
2. Nordkoreas Kündigung des Nichtverbreitungsvertrages für Kernwaffen | 211 | ||
3. Analyse dieser Praxis | 213 | ||
§ 20 Aussetzung der Vertragsbindung als Gegenmaßnahme („countermeasure“) | 213 | ||
I. Aktivlegitimation zur Gegenmaßnahme: Das Konzept des verletzten Staates | 215 | ||
II. Self-contained Regimes | 216 | ||
III. Begrenzung der erlaubten Selbsthilfe | 219 | ||
IV. Zusammenfassung zur Aussetzung von Verpflichtungen im Wege der Gegenmaßnahme | 223 | ||
§ 21 Schlußbetrachtung | 225 | ||
Literaturverzeichnis | 229 | ||
Sachwortverzeichnis | 243 |