Materielle Anforderungen an das Entscheidungsverfahren in der Demokratie
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Materielle Anforderungen an das Entscheidungsverfahren in der Demokratie
Beiträge zur Politischen Wissenschaft, Vol. 100
(1997)
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Abstract
Ist es zulässig, über völlig verschiedene Themen in einer Abstimmung zu entscheiden? Diese Frage bildet den AnlaG für die vorliegende Untersuchung. Die Beschäftigung mit dem Problem führt zu weiteren, grundsätzlichen Fragen: Welche Bedingungen gelten für das Entscheidungsverfahren in der Demokratie? Kann man es weitgehend beliebig gestalten, oder sind strenge Anforderungen zu stellen? Diesen Themen ist bisher in der Staatsrechtslehre und der politischen Wissenschaft erstaunlich wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden. Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Bedingungen der Ausgestaltung demokratischer Entscheidungsabläufe ist daher geboten.Ausgehend von den Begriffen Entscheidung und Demokratie leitet der Verfasser her, daß das Mehrheitsprinzip das spezifisch demokratische Entscheidungsverfahren ist. Im Anschluß daran widmet er sich den Rahmenbedingungen demokratischer Entscheidungen. Dabei stellt sich heraus, daß ohne Rechtsbindung, insbesondere rechtliche Gleichheit, und ohne hinreichenden Diskurs auch eine Mehrheitsentscheidung nicht demokratisch legitimiert ist. Nach der Untersuchung der äußeren Seite wendet sich Jochum der inneren Seite des Verfahrens zu. Kernfrage hierbei ist, wie das Verfahren den demokratisch legitimierenden Zusammenhang zwischen dem Volk und der konkreten Entscheidung herstellt. Dieses wird an Hand von Beispielen dargestellt. Der Wille des Entscheidungsträgers muß sich aus der Entscheidung ergeben. Daraus folgt, daß Verfahren, die dies nicht gewährleisten, demokratisch nicht legitimierte Entscheidungen hervorbringen.Die Ausgestaltung von Entscheidungsverfahren in der Demokratie ist nicht beliebig. Es kommt nicht nur darauf an, daß ein Verfahren nach formalen Regeln abläuft, sondern auch, wie es abläuft. Damit wird die Einhaltung der materiellen Verfahrensbedingungen zum Unterscheidungsmerkmal für eine Demokratie. Das demokratische Entscheidungsverfahren wird in einer neuen Perspektive gezeigt, und es wird ihm in der Staatsrechtswissenschaft ein neuer, ihm gebührender Rang zugewiesen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 3 | ||
Inhaltsverzeichnis | 5 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 11 | ||
Einleitung | 15 | ||
Teil 1: Das demokratische Entscheidungsverfahren | 19 | ||
1. Abschnitt: Der Begriff der Entscheidung | 19 | ||
2. Abschnitt: Der Begriff der Demokratie | 23 | ||
A. Die Unmöglichkeit einer allgemeinen und umfassenden Begriffsbestimmung der Demokratie | 23 | ||
B. Hinreichende Kennzeichnung des Demokratiebegriffs durch einzelne Institutionen | 24 | ||
C. Das Grundprinzip der Demokratie: Legitimation der Herrschaft durch das Volk | 26 | ||
I. Freiheit und Gleichheit als Grundlage demokratischer Herrschaft | 26 | ||
II. Die gleichberechtigte Teilhabe aller an der Staatsgewalt | 27 | ||
III. Die Idee der Identität von Herrschenden und Beherrschten | 28 | ||
IV. Kein wörtliches Verständnis des Identitätsbegriffes: Die Unmöglichkeit der direkten Demokratie | 29 | ||
V. Die organisatorischen Bedingungen der Identität: Repräsentation und Mehrheitsprinzip | 31 | ||
1. Der Grundsatz der Repräsentation | 31 | ||
2. Das Mehrheitsprinzip | 33 | ||
VI. Die Folge des Identitätsgedankens für den demokratischen Staat: Legitimation aller Staatsgewalt durch das Volk | 34 | ||
3. Abschnitt: Das Mehrheitsprinzip als das Entscheidungsverfahren mit der höchsten demokratischen Legitimationskraft | 36 | ||
A. Die Legalität des Mehrheitsprinzips | 37 | ||
B. Die Legitimität des Mehrheitsprinzips | 38 | ||
I. Legalität der Mehrheitsentscheidung als hinreichende Bedingung für die Legitimität | 38 | ||
1. Legitimation durch Verfahren | 38 | ||
2. Kritik: Verfahren allein keine Legitimationsgrundlage | 39 | ||
3. Ergebnis: Keine Legitimation ohne materiale Rechtfertigung | 40 | ||
II. Mögliche materielle Gründe für die Geltung des Mehrheitsprinzips | 41 | ||
1. Die Überlegenheit der Mehrheit | 41 | ||
2. Mehrheit gleich Gesamtwillen | 42 | ||
3. Die Mehrheitsentscheidung als ökonomische Optimierung | 42 | ||
4. Die Legitimation der Mehrheitsregel durch die Zustimmung aller | 43 | ||
5. Begründung des Mehrheitsprinzips mit einem Verfassungskonsens | 43 | ||
6. Die Mehrheitsentscheidung als die relativ richtigste oder vernünftigste | 44 | ||
7. Die Rechtfertigung des Mehrheitsprinzips in der Demokratie: relativ größte Chance von Vernünftigkeit, Teilhabe und Befriedung | 47 | ||
III. Ergebnis zu B | 50 | ||
C. Die Legitimationskraft anderer Entscheidungsverfahren | 51 | ||
I. Bereiche, in denen nicht nach dem Mehrheitsprinzip entschieden wird | 51 | ||
1. Im Bereich der Gesetzgebung | 52 | ||
2. Im Bereich der Exekutive und Jurisdiktion | 53 | ||
II. Keine Legitimation ohne Mehrheitsentscheidung | 55 | ||
D. Ergebnis zum 1. Teil | 56 | ||
Teil 2: Materielle Anforderungen des demokratischen Prinzips an die Rahmenbedingungen von Entscheidungsverfahren | 58 | ||
1. Abschnitt: Voraussetzungen demokratischer Mehrheitsentscheidungen | 58 | ||
A. Rechtliche Gleichheit als Voraussetzung legitimer Mehrheitsentscheidungen in der Demokratie | 59 | ||
B. Zusätzliche Bindungen an das Recht als weitere Voraussetzung legitimer Mehrheitsentscheidungen in der Demokratie | 60 | ||
I. Erforderlichkeit weiterer rechtlicher Bindungen des Mehrheitsprinzips | 60 | ||
1. Gefahren einer Herrschaft ohne Bindungen: Tyrannei der Mehrheit | 60 | ||
2. Institutionen als hinreichender Schutz vor der Tyrannei der Mehrheit | 61 | ||
3. Keine Demokratie ohne Rechtsstaat | 62 | ||
II. Rechtliche Bedingungen demokratischer Legitimation durch Mehrheit | 64 | ||
1. Begrenzung durch Verfahrensregeln | 64 | ||
2. Bindung an die Grundrechte | 65 | ||
C. Hinreichender Diskurs als Bedingung einer legitimen Mehrheitsentscheidung | 67 | ||
I. Die Notwendigkeit des öffentlichen Diskurses | 68 | ||
1. Das Ideal eines öffentlichen Diskurses | 68 | ||
2. Die Kritik am Modell des öffentlichen Diskurses | 70 | ||
3. Die realen Grundlagen der Kritik | 70 | ||
4. Der Diskurs unter den Bedingungen der modernen Massengesellschaft | 71 | ||
a) Die wachsende Dezentralisierung des öffentlichen Diskurses | 71 | ||
b) Die Rolle der Medien im Diskurs | 74 | ||
c) Die Bedingungen eines funktionierenden Diskurses in der modernen Massengesellschaft | 75 | ||
5. Ergebnis zu I. | 76 | ||
II. Die Ergebnisoffenheit des Diskurses | 76 | ||
III. Ausnahmen vom vorherigen öffentlichen Diskurs | 77 | ||
1. Entscheidungen ohne Diskurs? | 77 | ||
2. Der nichtöffentliche Diskurs | 78 | ||
IV. Ergebnis zu C | 79 | ||
2. Abschnitt: Die Übertragbarkeit der materiellen Voraussetzungen legitimer Mehrheitsentscheidungen auf andere Entscheidungsverfahren | 80 | ||
A. Rechtliche Gleichheit | 80 | ||
B. Die Bindung an das Recht | 81 | ||
C. Vorheriger öffentlicher Diskurs | 81 | ||
D. Ergebnis zum 2. Abschnitt | 83 | ||
Ergebnis zum 2. Teil | 83 | ||
Teil 3: Materielle Anforderungen des demokratischen Prinzips an die Ausgestaltung des Entscheidungsverfahrens | 85 | ||
1. Abschnitt: Der entscheidungsberechtigte Personenkreis | 86 | ||
A. Die Notwendigkeit einer Abgrenzung der berechtigen Personen | 86 | ||
B. Eingrenzungskriterien für den entscheidungsberechtigten Personenkreis | 87 | ||
I. Die Eingrenzungskriterien für die Aktivbürgerschaft | 87 | ||
II. Die Eingrenzungskriterien für die vom Volk gewählten Vertreter | 88 | ||
1. Nur die “Besten” als Vertreter des Volkes | 89 | ||
2. Die Problematik einer Eliteauswahl | 90 | ||
3. Ergebnis: Im Wesentlichen gleiche Anfordungen an passives und aktives Wahlrecht | 91 | ||
III. Die Abgrenzungkriterien für andere staatliche Ämter und Entscheidungsgremien | 93 | ||
1. Kompetenz als einziges Kriterium | 93 | ||
2. Verbot anderer Kriterien | 95 | ||
C. Ergebnis zum 1. Abschnitt | 96 | ||
2. Abschnitt: Die durch das Entscheidungverfahren vermittelte inhaltliche Legitimation | 97 | ||
A. Der Legitimationszusammenhang zwischen Entscheidung und Volk | 97 | ||
I. Das Grundschema: Die staatliche Entscheidung als Antwort auf eine Fragestellung | 97 | ||
II. Weitergehende Rationalitätsanforderungen | 98 | ||
1. Der entscheidungstheoretische Ansatz | 99 | ||
2. Die weitgehende Unbrauchbarkeit des entscheidungstheoretischen Ansatzes für demokratische Entscheidungsverfahren | 100 | ||
III. Die materielle Legitimationsvoraussetzung demokratischer Entscheidungen: Klare Erkennbarkeit des Willens des Entscheidungsträgers | 103 | ||
IV. Ergebnis zu A | 105 | ||
B. Der Legitimationszusammenhang zwischen Wählern und Gewählten und die sich daraus ergebenden Folgen für die Ausgestaltung des Wahlverfahrens | 106 | ||
I. Der Legitimationszusammenhang bei Parlamentswahlen | 106 | ||
1. Bedeutung des Parlaments im demokratischen Staat: Repräsentation des Volkes | 107 | ||
2. Der Begriff der Repräsentation und die Folgen für die Anforderung an die Wahlentscheidung | 108 | ||
a) Das klassische Repräsentationsverständnis: Volksvertretung durch unabhängige Abgeordnete | 109 | ||
b) Gestaltwandel in der Parteiendemokratie: Die Parlamentswahl als Plebiszit über eine politische Richtung | 110 | ||
c) Die Bedeutung der Repräsentation im modernen Staat: Volksvertretung durch Parteien und unabhängige Abgeordnete | 111 | ||
aa) Das parteienstaatliche Element der Repräsentation | 112 | ||
bb) Das persönliche Element der Repräsentation | 113 | ||
d) Die Fragestellung der Parlamentswahl: Auswahl der Abgeordneten und Bestimmung der Grundrichtung | 114 | ||
3. Die Konsequenzen für die Ausgestaltung des Wahlverfahrens | 115 | ||
a) Die Richtungsentscheidung | 116 | ||
aa) Die Bedeutung des Wahlsystems für den Legitimationszusammenhang | 116 | ||
bb) Die Bedeutung der Gestaltung der Wahlvorschläge für den Legitimationszusammenhang | 118 | ||
b) Die Personalentscheidung | 120 | ||
aa) Der Erwerb der Parlamentsmitgliedschaft | 121 | ||
bb) Der Verlust der Parlamentsmitgliedschaft: Mandatsverlust bei Parteiwechsel? | 122 | ||
II. Der Legitimationszusammenhang bei der Wahl eines einzelen Amtsträgers | 124 | ||
1. Die Volkswahl des Staatsoberhaupts | 125 | ||
2. Die Wahl des Regierungschefs durch das Parlament | 127 | ||
3. Die Wahl von Einzelpersonen in ein Kollegium am Beispiel der Wahl der Bundesverfassungsrichter | 128 | ||
III. Ergebnis zu B | 132 | ||
C. Der Legitimationszusammenhang zwischen Entscheidung und Entscheidungsträger bei Sachentscheidungen (Beschlüssen) und seine Folgen für die Ausgestaltung des Verfahrens | 133 | ||
I. Der Legitimationszusammenhang bei Gesetzesbeschlüssen des Parlaments und seine Folgen für die Ausgestaltung des Verfahrens | 134 | ||
1. Die Bedeutung des Gesetzes: entscheidendes Mittel zur Konfliktlösung | 134 | ||
2. Folgerungen für den Gesetzesbeschluß | 137 | ||
a) Anforderungen an den Willensbildungsprozeß | 137 | ||
b) Anforderungen an das Verfahren der Abstimmung | 140 | ||
c) Die Legitimationsanforderungen in qualitativer Hinsicht: Unterschiede in den Anforderungen zwischen einfachen und verfassungsändernden Gesetzen | 147 | ||
II. Der Legitimationszusammenhang bei der Aufgabendelegation vom Gesetzgeber auf die Regierung | 149 | ||
1. Die Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen nach Art. 80 Abs. 1 GG | 150 | ||
2. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG als Ausdruck des demokratischen Legitimationserfordernisses | 151 | ||
3. Der inhaltliche Legitimationszusammenhang bei der Aufgabendelegation | 152 | ||
4. Der funktionelle Legitimationszusammenhang | 153 | ||
III. Ergebnis zu C | 155 | ||
Schlußbetrachtung: Die materielle Bedingtheit des Entscheidungsverfahrens in der Demokratie | 157 | ||
Literaturverzeichnis | 160 | ||
Sachverzeichnis | 176 |