Geschichte und Gegenwart außergerichtlicher Erledigung von Strafsachen durch ehrenamtliche Schiedsinstanzen in den neuen Bundesländern
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Geschichte und Gegenwart außergerichtlicher Erledigung von Strafsachen durch ehrenamtliche Schiedsinstanzen in den neuen Bundesländern
Schriften zum Prozessrecht, Vol. 134
(1997)
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Abstract
Drei Wochen vor der deutschen Wiedervereinigung verabschiedete die Volkskammer der DDR auf einer ihrer letzten Tagungen das Gesetz über die Schiedsstellen in den Gemeinden. Anliegen dieses Gesetzes, welches auch nach dem 3.10.1990 in den neuen Bundesländern fortgilt, ist die Errichtung von Schiedsstellen als mit juristischen Laien besetzten Konfliktschlichtungseinrichtungen. In konzeptioneller Hinsicht wird bei ihnen sowohl an das tradierte deutsche Schiedsmannswesen als auch an die Schiedskommissionen des DDR-Rechts angeknüpft. Die Autorin untersucht das Schlichtungspotential der Schiedsstellen, insbesondere auf strafrechtlichem Gebiet. Dabei geht sie von der These aus, daß die Möglichkeiten und Grenzen außergerichtlicher Konfliktschlichtung in den neuen Bundesländern auf längere Zeit ganz wesentlich von den Erfahrungen bestimmt werden, die die Bürger vor 1990 mit den gesellschaftlichen Gerichten in der DDR gemacht haben.Im ersten Teil der Arbeit wird daher auf die Entstehung und Entwicklung der DDR-Schiedskommis- sionen eingegangen. Interessante Einblicke in die Tätigkeit und das Selbstverständnis der Kommissionen erbrachte eine von der Autorin durchgeführte schriftliche Befragung ehemaliger Schiedskornmissionsmitglieder. Daneben wurden alle Beschlüsse Jenaer Schiedskommissionen der Jahre 1985 bis 1990 analysiert. Diese beiden Untersuchungen sind - schon wegen der nahezu vollständigen Vernichtung von Schiedskornmissionsunterlagen im Zuge der Gerichtsumstrukturierung - heute nicht mehr wiederholbar. Erstmals veröffentlicht und ausgewertet werden ferner interne Materialien des DDR-Justizministeriums, die sich jetzt im Bestand des Bundesarchivs befinden.Diese umfangreichen historischen Betrachtungen bilden den Ausgangspunkt für die Untersuchungen zu Situation und Perspektiven der Schiedsstellen im zweiten Teil der Arbeit. Im Mittelpunkt steht dabei das in den §§ 40 ff. Schiedsstellengesetz vorgesehene Schlichtungsverfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Vergehen. Neben dem zentralen Problem der Streitschlichtung durch juristische Laien werden auch Fragen der Justizentlastung, der Gerichtsorganisation sowie der Finanzierung und Unterstützung dieser Konfliktlösungsinstitutionen erörtert. In die Darstellung eingeflossen sind auch Ergebnisse einer von der Autorin durchgeführten schriftlichen Befragung von Thüringer Schiedsper- sonen, welche u. a. soziodemographische Daten von Schiedspersonen sowie Einblicke in deren Einstellungen zu Straftaten, gerichtlicher Streitentscheidung und außergerichtlicher Streitschlichtung erbrachte.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 13 | ||
Einleitung | 19 | ||
Erster Teil: Die Schiedskommissionen – Konzeptionelle Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklung | 25 | ||
A. Zu den konzeptionellen Grundlagen | 25 | ||
I. Das Schiedsmannswesen als Ausgangspunkt | 25 | ||
1. Reorganisation des Schiedsmannswesens | 25 | ||
2. Bedeutungsverlust als Folge stalinistischer Strafrechtspolitik | 28 | ||
3. Reformüberlegungen | 32 | ||
4. Erste Übergänge zur “kollektiven” Arbeitsweise | 36 | ||
5. Die praktische Bedeutung der Schiedsmannstätigkeit | 39 | ||
II. Zur Herausbildung der konzeptionellen Vorstellungen | 42 | ||
1. Die ersten Vorschläge | 42 | ||
2. Vorläufiger Abbruch der Experimente | 46 | ||
3. Entwicklung bis zum Rechtspflegeerlaß vom 4.4.1963 | 49 | ||
4. Zusammenfassung | 52 | ||
III. Schiedskommissionen als Element der DDR-Strafrechtsreform | 53 | ||
1. Beginnende Umgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen | 53 | ||
a) Der Rechtspflegeerlaß vom 4.4.1963 | 53 | ||
b) Gesetz zur Änderung und Ergänzung strafrechtlicher und verfahrensrechtlicher Bestimmungen vom 17.4.1963 | 54 | ||
2. Schrittweiser Aufbau des Schiedskommissionssystems | 56 | ||
3. Stellung der Schiedskommissionen nach der DDR-Verfassung von 1968 | 60 | ||
4. Grundzüge der Strafrechtsreform von 1968 | 62 | ||
a) Überblick | 62 | ||
b) Einteilung der Straftaten in Verbrechen und Vergehen | 63 | ||
c) Einführung der Verfehlungen | 64 | ||
d) Zuständigkeit für Verfahren gegen Jugendliche | 66 | ||
5. Das Gesetz über die gesellschaftlichen Gerichte und die Schiedskommissionsordnung von 1968 | 68 | ||
B. Zuständigkeiten auf strafrechtlichem Gebiet | 71 | ||
I. Verfehlungen | 71 | ||
1. Überblick | 71 | ||
2. Beleidigung, Verleumdung, Hausfriedensbruch | 75 | ||
a) Die Tatbestände | 75 | ||
b) Probleme mit der ausschließlichen Zuständigkeit | 76 | ||
c) Bedeutungsverlust | 79 | ||
3. Eigentumsverfehlungen | 80 | ||
a) Die Tatbestände | 80 | ||
b) Konzeptionelle Probleme und praktische Bedeutung | 82 | ||
c) Neue Ahndungsmöglichkeiten bei Eigentumsverfehlungen in Form von Ladendiebstählen | 83 | ||
d) Letzte Veränderungen in den Jahren 1989/90 | 86 | ||
4. Exkurs: Ahndung von Ordnungswidrigkeiten | 90 | ||
a) Überblick | 90 | ||
b) Geringe praktische Bedeutung | 92 | ||
c) Novellierung der rechtlichen Regelung | 94 | ||
5. Zusammenfassung | 96 | ||
II. Vergehen | 97 | ||
1. Entwicklung des Übergabeprinzips | 97 | ||
a) Konzeptioneller Ansatz | 97 | ||
b) Praktische Probleme | 98 | ||
c) Auswirkungen der Strafrechtsreform | 100 | ||
2. Übergabevoraussetzungen | 100 | ||
a) Voraussetzungen gemäß § 28 Abs. 1 StGB-1968 | 100 | ||
b) Weitere Voraussetzungen? | 106 | ||
3. Anforderungen an die Übergabeentscheidung | 107 | ||
4. Differenzierte Ausgestaltung der Normen des Besonderen Teils | 110 | ||
5. Übergabepraxis | 113 | ||
C. Schiedskommissionsberatungen, Erziehungsmaßnahmen | 117 | ||
I. Vorbereitung der Beratung | 117 | ||
II. Durchführung der Beratung | 120 | ||
1. Teilnehmer | 120 | ||
a) Mitglieder der Schiedskommission | 120 | ||
b) “Gäste” | 123 | ||
c) Beschuldigter Bürger | 125 | ||
d) Geschädigter | 126 | ||
2. Beratungsdurchführung und Beschlußfassung | 127 | ||
a) Verfahren, Verhandlung oder Beratung? | 127 | ||
b) Beratungsablauf | 130 | ||
c) Beschlußfassung | 132 | ||
3. Besonderheiten der Arbeitsweise bei Jugendsachen | 133 | ||
III. Sanktionsmöglichkeiten | 136 | ||
1. Überblick | 136 | ||
2. Wiedergutmachung | 139 | ||
3. Entschuldigung, Rücknahme der Beleidigung | 141 | ||
4. Rüge | 143 | ||
5. Geldbuße | 145 | ||
6. Andere Verpflichtungen | 150 | ||
7. Einspruchsmöglichkeiten | 152 | ||
D. Schiedskommissionsmitglieder – Stellung und Arbeitsweise | 158 | ||
I. Überblick | 158 | ||
II. Zur Rechtsstellung der Kommissionsmitglieder | 163 | ||
III. Bemühungen um die fachliche Qualifizierung | 169 | ||
IV. Arbeitsweise | 175 | ||
1. “Wiederentdeckung” des Aussöhnungsprinzips | 175 | ||
2. Schwerpunktverlagerungen | 178 | ||
E. Die Schiedskommissionen – ein gescheitertes Experiment? | 180 | ||
I. Die Fragen | 180 | ||
II. Entwicklungen entgegen der ursprünglichen Konzeption | 181 | ||
III. Letzte Reformvorschläge | 183 | ||
IV. Zur angestrebten Entlastungswirkung | 185 | ||
Zweiter Teil: Situation und Perspektiven außergerichtlicher Schlichtung leichter Straftaten durch Schiedsstellen in den Gemeinden der neuen Bundesländer | 191 | ||
A. Das Schiedsstellengesetz vom 13.9.1990 | 191 | ||
I. Überblick | 191 | ||
II. Grundzüge und Ziele des Schiedsstellengesetzes | 199 | ||
III. Institutionelle und personelle Anknüpfung an die Schiedskommissionen | 202 | ||
IV. Behördenbezeichnung, örtliche Zuständigkeit | 207 | ||
V. Sachliche Zuständigkeit | 208 | ||
1. Überblick | 208 | ||
2. Das Schlichtungsverfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten | 209 | ||
3. Das Sühneverfahren vor Erhebung der Privatklage | 212 | ||
4. Das Schlichtungsverfahren zur außergerichtlichen Erledigung geringfügiger Vergehen durch Wiedergutmachung und TOA | 219 | ||
B. Das Schlichtungsverfahren nach §§ 40 ff. SchstG | 220 | ||
I. “Schlüsselstellung” des Staatsanwalts | 220 | ||
II. Voraussetzungen für die Übergabe einer Straftat | 224 | ||
1. Überblick | 224 | ||
2. Die übergabefähigen Vergehen | 225 | ||
a) Ausgangspunkt: Die Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SchstG | 225 | ||
b) Weitere Überlegungen | 228 | ||
3. Gesetzlich fixierte Anforderungen an den Beschuldigten | 235 | ||
a) Geringe Schuld des Täters | 235 | ||
b) Zustimmung des Beschuldigten | 237 | ||
c) Jugendliche Beschuldigte | 239 | ||
4. Fehlen des öffentlichen Interesses an der Erhebung der öffentlichen Klage | 242 | ||
5. Anforderungen an die Person des Geschädigten | 244 | ||
III. Das Prinzip der Übergabe von Vergehen | 247 | ||
IV. Beilegung des Konflikts durch Wiedergutmachung oder TOA | 253 | ||
V. Ergebnisse des Schlichtungsverfahrens und Auswirkungen auf das Strafverfahren | 258 | ||
1. Obligatorische Einstellung nach gelungenem Schlichtungsverfahren | 258 | ||
2. Der gescheiterte Schlichtungsversuch | 264 | ||
C. Die Schiedspersonen | 267 | ||
I. Juristische Laien als Konfliktschlichter | 267 | ||
II. Rechtsstellung | 274 | ||
1. Anforderungen an Bewerber für das Schiedspersonenamt und die Wahl der Schiedspersonen | 274 | ||
2. Zwangsweise Verpflichtung zur Schiedsstellentätigkeit? | 282 | ||
3. Zum Streit um die Funktionsbezeichnung | 286 | ||
4. Pflichten und Verantwortlichkeiten | 287 | ||
5. Fachliche Aufsicht und Unterstützung, Schulung und materielle Ausstattung | 290 | ||
III. Zur “kollektiven” Arbeitsweise | 293 | ||
IV. Soziodemographische Merkmale der Schiedspersonen Thüringens | 300 | ||
D. Die Schiedsstellen – Versuch einer Zwischenbilanz | 304 | ||
Anhänge | 313 | ||
Anhang 1 | 315 | ||
Statistische Daten zur Tätigkeit der Schiedsmänner, Sühnestellen, Schiedskommissionen und Konfliktkommissionen in der DDR | 315 | ||
Anhang 2 | 320 | ||
Offizielle Gesamtstatistiken des Ministeriums der Justiz der DDR über die Tätigkeit der Schiedskommissionen in den Jahren 1971 bis 1976 und 1979 | 320 | ||
Vergehen, Verfehlungen, Ordnungswidrigkeiten, Schulpflichtverletzungen, arbeitsscheues Verhalten sowie einfache zivilrechtliche und andere Rechtsverletzungen | 320 | ||
Anhang 3 | 335 | ||
Soziale Herkunft, Zugehörigkeit zu Parteien und Massenorganisationen sowie Alter der Schiedskommissionsmitglieder in den Jahren 1974, 1984 und 1989 | 335 | ||
Anhang 4 | 337 | ||
Übersicht über Inhalte der im damaligen Kreisgericht Jena aufgefundenen Schiedskommissionsbeschlüsse aus den Jahren 1985 bis 1990 | 337 | ||
Ergebnisse einer Aktenanalyse | 337 | ||
Anhang 5 | 339 | ||
Exemplarische Auszüge aus den Schiedskommissionsbeschlüssen der Stadt Jena der Jahre 1985 bis 1990 | 339 | ||
Anhang 6 | 348 | ||
Die Befragung von ehemaligen Schiedskommissionsmitgliedern der Stadt Jena | 348 | ||
1. Vorbemerkungen über Erhebungsprogramm, Methode und Durchführung der Untersuchung | 348 | ||
2. Anschreiben an die ehemaligen Schiedskommissionsmitglieder | 352 | ||
3. Fragebogen mit Antwortergebnissen | 353 | ||
4. Extrablatt zu den Ergebnissen der Befragung von 38 Schiedskommissionsmitgliedern in Jena | 367 | ||
Anhang 7 | 372 | ||
Die Befragung von Thüringer Schiedspersonen | 372 | ||
1. Vorbemerkungen zu Erhebungsprogramm, Methode und Durchführung der Befragung von Schiedspersonen in Thüringen | 372 | ||
2. Anschreiben an die Thüringer Schiedspersonen | 375 | ||
3. Fragebogen mit Antwortergebnissen | 377 | ||
4. Primärdaten der Schiedspersonenbefragung | 394 | ||
Anhang 8 | 409 | ||
Vergleich einiger Ergebnisse der KFN-Opferbefragung mit Antworten der Thüringer Schiedspersonen | 409 | ||
1. Vergleich ausgewählter Items der KFN-Opferbefragung mit den Ergebnissen der Schiedspersonenbefragung – Ermittlung der durchschnittlichen Strafhärte | 410 | ||
2. Vergleich der Ergebnisse der KFN-Opferbefragung mit den Antworten der Thüringer Schiedspersonen hinsichtlich der schwersten strafrechtlichen Reaktion auf vier vorgegebene Delikte | 411 | ||
Literaturverzeichnis | 415 | ||
Verzeichnis interner Materialien aus dem Bundesarchiv | 442 |