Kritik der Verbandsstrafe
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Kritik der Verbandsstrafe
Hamburger Rechtsstudien, Vol. 90
(1998)
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Abstract
Die Erfahrung verbandsbezogenen Unrechts läßt die Forderung nach Strafen gegen Verbände und insbesondere Unternehmen laut werden - und zwar über die bestehende Geldbußenregelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts und des europäischen Rechts hinaus.Der Verfasser untersucht, ob eine solche dem internationalen Trend folgende Verbandsbestrafung begründbar ist. Dabei erweist sich eine einheitliche Begründung von Individual- und Kollektivstrafe als unmöglich. Sie muß entweder für das gesamte Strafrecht auf eine subjektive Zurechnung und damit das Schuldprinzip verzichten. Oder es wird eine mit individueller Freiheit und Verantwortung gleichermaßen unvereinbare Reflexionsfähigkeit der Kollektivperson angenommen. Auch die Anknüpfung an Taten der Verbandsorgane oder -mitglieder gewährleistet die Einheit des Strafrechts nicht. Sie führt in zirkuläre "Zurechnungen" oder verstrickt sich in eine widersprüchliche Gemengelage von individueller und korporativer "Schuld". Die Verbandsstrafe muß daher ausschließlich durch Präventionszwecke legitimiert werden. Auch diese lassen sich nur gegenüber reflexionsfähigen Wesen verwirklichen, so daß die Verbandssanktion zielgerichtet und dem Schuldprinzip zuwider potentiell alle Mitglieder betrifft: die Strafwirkung gegenüber den Schuldigen ist nicht sichergestellt, es werden Unschuldige bestraft und Adressaten einer hinzutretenden Individualstrafe doppelt bestraft. Als individualstrafrechtliche Alternative wird insbesondere die Geschäftsherrenhaftung diskutiert.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 10 | ||
A. Einleitung | 15 | ||
B. Verbandskriminalität und bestehende Kollektivsanktionen | 21 | ||
I. Relativierung personaler Verantwortung im Kollektiv | 21 | ||
II. Nicht repressive Sanktionen: Sanktionslücken und Übergänge zur Strafe | 35 | ||
1. Maßnahmen ordnungsrechtlicher Gefahrenabwehr | 35 | ||
2. Gewinnabschöpfung und Einziehung | 36 | ||
III. Verbandsgeldbuße (§ 30 OWiG) | 40 | ||
IV. Die Unternehmensbebußung im Recht der Europäischen Gemeinschaften | 45 | ||
V. Die internationale Entwicklung zu verbandsstrafenden Sanktionen | 51 | ||
VI. Ergebnis | 54 | ||
C. Einheitliche Strafbegründung für alle Normadressaten | 55 | ||
I. Formale Straffähigkeit von Verbänden: abstrakte Rechtspersonalität | 56 | ||
1. Sinnlich erfahrbares Übel | 58 | ||
2. Rechtsstatusminderung | 60 | ||
3. Exkurs: Unternehmen als Täter oder Sanktionsadressaten | 62 | ||
a) Unternehmen als wirtschaftliche Einheit zwischen verschiedenen Rechtsträgern | 66 | ||
b) Rechtssubjektivität und die Zurechnung von Individualtaten | 77 | ||
c) Rechtsformübergreifende Bestrafung von Unternehmensträgern | 84 | ||
4. Ergebnis | 87 | ||
II. Normativismus und Natürlichkeit | 88 | ||
1. Das Fehlen eines “natürlichen Willens” | 88 | ||
2. Die Heilung des Mangels durch “Zurechnung” | 95 | ||
3. “Natürlichkeit” und “Zurechnung” unter den Bedingungen des Strafrechts | 112 | ||
a) Strafzwang und Straflegitimation | 116 | ||
aa) Strafzwang und Geltungsverlust | 116 | ||
bb) Moralische Geltungskonstitution und Geltungsverlust | 118 | ||
cc) Geltungskonstitution und Geltungsverlust im Recht | 119 | ||
dd) Geltungsrestitution (Vergeltung) | 120 | ||
b) Differenzierungen im Begriff der Zurechnung | 121 | ||
III. Die Gesamtperson: Kollektivsubjektivität und Repräsentation | 124 | ||
1. Allgemeine Kritik des Gesamtsubjekts | 125 | ||
2. Exkurs: “Ehre” und “Charakter” des Verbandes | 140 | ||
3. Organologische Repräsentation im Delikt | 145 | ||
a) Die Gesamtperson: Ihr Wollen und Handeln | 146 | ||
b) Rechtswidriges Verbandshandeln und der ultra-vires-Einwand | 150 | ||
c) Verdoppelung und Zerlegung: Korporative Objektivität und die unmittelbare Repräsentation im delinquierenden Organ | 162 | ||
aa) Das Grundmodell | 162 | ||
bb) Der immanente Widerspruch | 165 | ||
cc) Die Unhaltbarkeit genereller Exkulpation | 166 | ||
dd) Tendenzielle Mediatisierung | 172 | ||
d) Modellfunktion des § 31 BGB für das Strafrecht? | 175 | ||
IV. Ergebnis | 179 | ||
D. Eigenständige Verbandsstrafenbegründung und die Bestrafung Unschuldiger | 183 | ||
I. Strafrechtliche Nebensysteme | 184 | ||
1. Rein präventive Eingriffe: Das Maßregelmodell | 184 | ||
2. Repressive Zwangselemente und objektive Haftungsgrundlagen | 190 | ||
a) Präventionsnotstand und Veranlasserhaftung bei Schünemann | 196 | ||
b) Die umweltstrafrechtliche Verbandshaftung bei Heine | 200 | ||
c) Strafvereitelnde Strukturen bei Alwart | 209 | ||
d) Geldbußen | 211 | ||
II. Die Bestrafung Unschuldiger | 230 | ||
1. Die Argumente der Verbandsstrafenbefürworter | 232 | ||
2. Die konkrete Realisierung des Präventionszwecks | 235 | ||
3. Intendierte Übelszufügung als “mittelbare” Folge? | 242 | ||
4. Verzicht auf Pflichtenbeschreibung | 245 | ||
5. Der Umfang von Beteiligung und Betroffenheit | 249 | ||
6. Ökonomisches Risiko oder Bestrafung Unschuldiger? | 251 | ||
7. Differenzierter Anwendungsbereich der Argumente? | 255 | ||
8. Schicksalsgemeinschaft? | 257 | ||
9. Doppelbestrafung | 258 | ||
III. Ergebnis | 261 | ||
E. Personalisierte Organisationsverantwortung (Geschäftsherrenhaftung) und die Sicherstellung des Schuldausgleichs | 262 | ||
I. Strafrechtliche Personalisierung von Organisationsverantwortung | 262 | ||
1. Organisationsbezogene Zurechnung (Ledersprayentscheidung) | 264 | ||
2. Allgemeine Bedenken | 266 | ||
3. Die Geschäftsherrenhaftung | 271 | ||
a) Das Herrschafts- und Autoritätsmodell | 275 | ||
b) Das Gefahrmodell: Betriebsgefahr und funktionale Bedingtheit | 279 | ||
aa) Sachgefahren | 281 | ||
bb) Organisationsgefahr im gemeinsamen Handlungszweck | 287 | ||
cc) Abstrakte Organisationsgefahr und das Delegationsmodell | 291 | ||
c) Exkurs: Positivierte Garantenpflichten | 300 | ||
d) Auswege: Obhutspflichten und Nutznießerunrecht | 302 | ||
e) Ergebnis | 305 | ||
II. Die Sicherstellung des Schuldausgleichs | 305 | ||
1. Die Art der Sanktion | 306 | ||
a) Höchstpersönliche Betroffenheit durch Geldstrafen | 306 | ||
aa) Strafrechtliche Grenzen der Geldstrafenerstattung | 306 | ||
bb) Exkurs: Zivilrechtliche Grenzen der Geldstrafenerstattung | 308 | ||
b) Freiheits- und Berufsverbotsstrafen | 312 | ||
2. Die Gewährleistung öffentlicher und gleichmäßiger Bestrafung | 316 | ||
III. Ergebnis | 322 | ||
F. Schluß | 323 | ||
Literaturverzeichnis | 327 | ||
Sachwortverzeichnis | 349 |