Die Einrede des nichterfüllten Vertrages
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Die Einrede des nichterfüllten Vertrages
Zur historischen Entwicklung des synallagmatischen Vertragsvollzugs im Zivilprozeß
Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte, Vol. 34
(2000)
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Abstract
Untersucht werden die Begründung und Entwicklung des Prinzips, wonach der Vertragsschuldner nicht zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung gezwungen werden kann, solange ihm ein unerfüllter Anspruch auf die Gegenleistung zusteht. Im römischen Recht konnte keine Partei ihre Verurteilung mit der Begründung abwenden, sie habe die Gegenleistung noch zu erhalten. Wegen der ausstehenden Gegenleistung war sie darauf verwiesen, ihrerseits Klage zu erheben ("independence of actions"). Eine rechtsprinzipielle Einrede des nichterfüllten Vertrages war nicht anerkannt. In der Zeit Diokletians hat man die Ansprüche der Vertragsparteien in ihrer prozessualen Durchsetzung koordiniert, indem man den Richter zur Verurteilung auch des Klägers ermächtigte. Das justinianische Recht hat dann die Rechtsfigur der "Einrede des nichterfüllten Vertrages" eingeführt, indem man Ausnahmeentscheidungen des klassischen Rechts verallgemeinerte. Die mittelalterliche Rechtswissenschaft hatte diese im justinianischen Recht nur erst postulierte Einrede (exceptio non adimpleti contractus) in eine funktionierende Prozeßtechnik umzusetzen. Die Verurteilung zur Leistung "Zug um Zug" war dem justinianischen Recht fremd und konnte sich nur mühsam durchsetzen. In der deutschen Rezeptionsjurisprudenz ist man dazu übergegangen, die Erbringung der Gegenleistung als Voraussetzung für eine wirksame Klageerhebung anzusehen. Mit der Behauptung, die Gegenleistung stehe noch aus, rügt der Beklagte demnach eine unzureichende Klagebegründung; es handelte sich nicht mehr um eine regelrechte Einrede. Diese Lehre des usus modernus wird vom preußischen Allgemeinen Landrecht rezipiert. 1824 beginnt mit einem Aufsatz Heerwarts die Rückkehr zur Tradition des gemeinen Rechts: Das sächsische BGB verwirklicht die Einrede-Lösung, die vom Dresdner Entwurf und dann auch vom BGB übernommen wird.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsübersicht | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
Einleitung | 15 | ||
Erster Teil: Römisches Recht | 18 | ||
I. Das Recht des Formularprozesses | 18 | ||
1. Klagen gegen den Käufer trotz ausstehender Sachleistung | 18 | ||
a) Die exceptio mercis non traditae und ihr Funktionswandel vom prätorischen Edikt zum justinianischen Recht | 18 | ||
b) Die Zahlungspflicht des Käufers trotz ausstehender Sachübergabe | 21 | ||
2. Die Klage ex empto gegen den unbezahlten Verkäufer | 24 | ||
a) Die Abweichung der Justinianischen Kodifikation vom Rechtszustand zu Beginn der Kaiserzeit | 24 | ||
b) Die variae causarum figurae einer Verknüpfung der Käuferklage mit der Kaufpreiszahlung im klassischen Recht | 26 | ||
aa) Käuferklage eines dominus aus dem vom servus abgeschlossenen Kauf | 26 | ||
bb) Käuferklage des pupillus aufgrund eines negotium claudicans | 29 | ||
cc) Käufermehrheit kraft Erbgangs | 30 | ||
dd) Zwei Stellen Scaevolas | 38 | ||
c) Das begrenzte Bedürfnis für eine Retention der Kaufsache im Zivilprozeß aufgrund des Prinzips der Geldkondemnation | 40 | ||
d) Die Einseitigkeit der auf den Besitz an der Kaufsache gegründeten Retentionsbefugnis im Unterschied zur notwendigen Beidseitigkeit einer Einrede des nichterfüllten Vertrages aufgrund des Synallagma-Gedankens | 46 | ||
3. „Independence of actions": Zum Verhältnis von Käufer- und Verkäuferleistung im klassischen römischen Recht | 51 | ||
a) Die sofortige und unbedingte Zahlungspflicht des Käufers als „Gegenleistung" für die Sachzuordnung durch den Rechtsakt emptio venditio | 52 | ||
b) Die Sachleistungsunabhängigkeit der Kaufpreisklage im Kontext des weiteren Kaufrechts | 57 | ||
c) Der Sachbesitz der Kaufsache als Druck- und Sicherungsmittel zur Durchsetzung der Kaufpreisforderung | 60 | ||
d) Zur Überlagerung der unmittelbaren Austauschwirkung des Kaufakts durch das Modell des wechselseitig verpflichtenden Vertrages | 61 | ||
II. Die Richterbefugnis zur Klägerverurteilung in Kaiserkonstitutionen bis Justinian | 62 | ||
1. Die Befugnis des Richters zur Klägerverurteilung in C. 7. 45. 14 | 62 | ||
2. Die Konstitutionen aus dem dritten Jahrhundert | 63 | ||
3. Die Richterbefugnis zur Klägerverurteilung und das sogenannte funktionelle Synallagma | 67 | ||
III. Das Recht der Justinianischen Kodifikation | 69 | ||
Zweiter Teil: Die exceptio non adimpleti contractus im Mittelalter und in der Neuzeit | 76 | ||
I. Glossatoren | 76 | ||
1. Placentin | 76 | ||
2. Azo | 77 | ||
3. Glossa ordinaria | 79 | ||
a) Accursius geht mit Azo | 79 | ||
b) Die Annäherung von Konsensual- und Innominatrealkontrakt als Folge der Ansicht der Glossa Ordinaria | 82 | ||
c) Die Geltendmachung der ausstehenden Gegenleistung als Inhalt einer exceptio | 82 | ||
II. Kanonisten | 84 | ||
III. Jacobus de Ravanis | 88 | ||
IV. Kommentatoren | 90 | ||
1. Die Reaktion auf die Lehre des Jacobus Ravanis am Beispiel des Cinus de Pistorio | 91 | ||
2. Bartolus | 92 | ||
3. Baldus und die Verurteilung „Zug um Zug" | 93 | ||
4. Paulus de Castro: effektive (Vor-)Leistung oder bloßes (Vor-)Leistungsangebot? | 96 | ||
5. Rückblick auf Legistik und Kanonistik bis zum Ende des 14. Jahrhunderts | 96 | ||
V. Französische Renaissancejurisprudenz | 97 | ||
VI. Römisch-Holländisches Recht | 99 | ||
1. Grotius: Disparität in den Anforderungen an die Leistungsbereitschaft von Käufer bzw. Verkäufer als Vollstreckungsgläubigern | 99 | ||
2. Voet als Autor zur Beweislastfrage | 100 | ||
VII. Deutsche Rezeptionsjurisprudenz bis zum usus modernus | 101 | ||
1. Andreas Gaill als Vertreter der Kameralistik | 101 | ||
2. Zangers „De Exceptionibus" | 103 | ||
3. Benedikt Carpzov | 103 | ||
4. § 37 des Jüngsten Reichsabschieds (1654) | 105 | ||
5. Der Stand gegen Ende des 17. Jahrhunderts | 105 | ||
6. Der Usus modernus des 18. Jahrhunderts | 107 | ||
VIII. Christian Wolff als Vertreter der Naturrechtslehrer | 109 | ||
IX. Die Kodifikationen in Preußen, Österreich und Frankreich | 110 | ||
1. Preußisches ALR: Die erbrachte Gegenleistung als Klagevoraussetzung | 110 | ||
2. Österreich | 111 | ||
3. Frankreich | 111 | ||
Dritter Teil: Die Entwicklung im Deutschland des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts | 113 | ||
I. Die deutsche Literatur des neunzehnten Jahrhunderts | 113 | ||
1. Der Ausgangspunkt bei Glück, Gönner und Adolph Dietrich Weber | 113 | ||
2. Die Auslösung des Umschwungs durch Heerwart | 114 | ||
3. Keller | 117 | ||
4. Der endgültige Abschied vom iudicium duplex als prozessualem Mittel zur Verwirklichung der Gegenseitigkeit | 119 | ||
II. Die Gesetzgebungen im neunzehnten Jahrhundert | 121 | ||
1. Einleitung: Praxis und Sachstruktur der Verurteilung zur Leistung Zug um Zug | 121 | ||
2. Das sächsische BGB | 126 | ||
3. Der Dresdner Entwurf | 127 | ||
4. Die Reichs-Civilprozeßordnung von 1877 | 129 | ||
a) Entstehung | 129 | ||
b) Die Kontroverse um die Zug-um-Zug-Vollstreckung nach der CPO 1877 | 130 | ||
5. Bürgerliches Gesetzbuch | 133 | ||
a) Der Vorentwurf v. Kübels | 133 | ||
b) Erste Kommission | 134 | ||
c) Zweite Kommission | 138 | ||
d) Novelle zur CPO | 139 | ||
III. Das zwanzigste Jahrhundert | 140 | ||
1. Die Verurteilung Zug um Zug unter gleichzeitiger Feststellung von Annahmeverzug als rechtspraktische Fortentwicklung des Gesetzes | 140 | ||
2. Rechtsliterarische Stimmen gegen das Gesetz: Franz Leonhard, Karl Larenz und Josef Esser | 142 | ||
3. Gesetzgebung | 146 | ||
4. Die Einrede des nichterfüllten Vertrages in den Ordnungen zur Rechtsvereinheitlichung | 147 | ||
Literaturverzeichnis | 148 | ||
Namen- und Sachregister | 164 | ||
Quellenregister | 167 |