Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips aus verfassungsrechtlicher und strafprozessualer Sicht
BOOK
Cite BOOK
Style
Format
Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips aus verfassungsrechtlicher und strafprozessualer Sicht
Ein Beitrag zur funktionsorientierten Auslegung des Grundsatzes »nemo tenetur seipsum accusare«
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 110
(1998)
Additional Information
Book Details
Pricing
Abstract
Durch den grundlegenden Beschluß des BGH zur Frage der Verwertbarkeit einer ohne Belehrung erfolgten Beschuldigtenvernehmung ist die Diskussion um Wesen und Anwendungsbereich des nemo tenetur-Grundsatzes wieder entfacht worden. Ein neuer Problemschwerpunkt hat sich dabei infolge einer zunehmenden Verlagerung polizeilicher Ermittlungen auf verdeckte Informationserhebungsmethoden ergeben.Der Autor nimmt dies zum Anlaß, die unterschiedlichen Ansätze zur Inhaltsbestimmung des nemo tenetur-Prinzips einer grundlegenden Revision zu unterziehen. Im ersten Teil werden die Schwächen verfassungsrechtlicher Begründungsmodelle des nemo tenetur-Grundsatzes aufgezeigt. Der Verfasser legt dar, warum diese nicht geeignet sind, zur Lösung konkreter Einzelfragen beizutragen. Dreh- und Angelpunkt einer widerspruchsfreien Inhaltsbestimmung kann nur eine funktionale Interpretation des Grundsatzes sein. Im zweiten Teil werden unter Berücksichtigung kommunikationstheoretischer Modelle auf der einen und formaler Konzeptionen auf der anderen Seite die Grundlagen für eine funktionale, prozeßzielorientierte Auslegung gelegt. Im letzten Teil wird anhand einzelner Problemkreise auf Inhalt bzw. Grenzen der Aussage- und Mitwirkungsfreiheit eingegangen. Der Autor erörtert Fragen der Strafzumessung, Beweiswürdigung und -verwertung und zeigt die besonderen Anforderungen auf, die an eine Beweiserhebung durch Sachverständige oder private Dritte zu stellen sind.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 12 | ||
Einleitung | 17 | ||
I. Problemaufriß | 19 | ||
II. Gang der Untersuchung | 22 | ||
Teil I: Die Rechtsgrundlagen des nemo tenetur-Grundsatzes und ihr Einfluß auf dessen Inhaltsbestimmung | 24 | ||
§ 1 Die Europäische Menschenrechtskonvention und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte | 24 | ||
I. Art. 14 III lit. g IPBPR – ein allgemeines „privilege against selfincrimination“? | 24 | ||
II. Art. 6 I S. 1 MRK – eine Leitlinie für die Auslegung des nemo tenetur-Grundsatzes? | 26 | ||
§ 2 Möglichkeiten einer verfassungsrechtlichen Ableitung des nemo tenetur-Grundsatzes | 27 | ||
I. Der nemo tenetur-Grundsatz – ein absolutes Prinzip und Teil des „Unverfügbaren“ im Strafverfahren? | 31 | ||
1. Unzumutbarkeitserwägungen und Inhaltsbestimmung des nemo tenetur-Prinzips | 32 | ||
a) Der Unzumutbarkeitsgedanke als übergreifendes, regulatives Prinzip | 32 | ||
b) Der Unzumutbarkeitsgedanke als Bestandteil des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes | 35 | ||
2. Absolute Schranken durch Menschenwürde- oder Kernbereichskonzeptionen | 37 | ||
a) Menschenwürdeverletzender Charakter eines Mitwirkungszwangs im Strafverfahren | 37 | ||
b) Aussage- und Mitwirkungsverweigerung im Strafverfahren – eine absolut geschützte Entscheidung des Gewissens? | 43 | ||
II. Konsequenzen einer Ableitung des nemo tenetur-Grundsatzes aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit | 46 | ||
1. Die allgemeine Handlungsfreiheit | 46 | ||
2. Fallgruppen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts | 47 | ||
a) Der nemo tenetur-Grundsatz – ein durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung abgesichertes Informationsverfügungsrecht? | 49 | ||
aa) Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung | 49 | ||
bb) Komplementärfunktion des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung | 52 | ||
cc) Verdeutlichung der Komplementärfunktion des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung am Beispiel des Asylverfahrens | 55 | ||
III. Kern- und Abwägungsbereich des nemo tenetur-Grundsatzes | 60 | ||
IV. Einflüsse einer rechtsstaatsorientierten Betrachtung des nemo tenetur-Grundsatzes | 69 | ||
1. Das nemo tenetur-Prinzip als Grundsatz eines rechtsstaatlichen Verfahrens | 69 | ||
2. Die rechtsstaatlichen Unterprinzipien und ihr Einfluß auf die Auslegung des nemo tenetur-Prinzips | 74 | ||
a) Fairneßgebot und Inhaltsbestimmung des nemo tenetur-Grundsatzes | 74 | ||
b) Bedeutung des Gebots der Waffengleichheit für die Aussagefreiheit des Beschuldigten | 80 | ||
aa) Waffengleichheit und die Beweisbarkeit eines Verfahrensverstoßes bei Vernehmungen | 80 | ||
bb) Waffengleichheit und Grundsatz der Offenheit staatlicher Ermittlungen bei Eingriffen in den Normbereich des nemo tenetur-Grundsatzes | 82 | ||
(1) Parität des Wissens als Ziel der Verwirklichung von Chancengleichheit? | 82 | ||
(2) Beschränktes Gebot der Offenheit staatlicher Ermittlungen | 84 | ||
(3) Beschränktes Gebot offener Ermittlungen und Täuschungsverbot des § 136a StPO | 88 | ||
c) Die Unschuldsvermutung | 93 | ||
§ 3 Bestimmung der Schutzrichtung des nemo tenetur-Grundsatzes aus der Entwicklungsgeschichte des Anklageprozesses | 96 | ||
Teil II: Der Anspruchsinhalt des nemo tenetur-Grundsatzes bei funktioneller, am Schutzgegenstand orientierter Auslegung | 107 | ||
§ 4 Prozeßzielorientierte Betrachtung der Funktion des nemo tenetur-Grundsatzes | 107 | ||
I. Nemo tenetur-Grundsatz und Wahrheitsfindung im Prozeß | 108 | ||
II. Der nemo tenetur-Grundsatz aus der Sicht kommunikationstheoretischer Modelle | 113 | ||
III. Nemo tenetur-Grundsatz und das Ziel des Strafverfahrens, Rechtsfrieden zu schaffen | 115 | ||
§ 5 Aufgabe des nemo tenetur-Grundsatzes – Sicherung der personalen Freiheit der Willensentschließung | 121 | ||
Teil III: Die Umsetzung des nemo tenetur-Grundsatzes | 128 | ||
§ 6 Informations- und Belehrungsvorschriften zur Sicherung einer eigenverantwortlichen Entscheidung | 128 | ||
I. Die Fürsorgepflicht – eine unbrauchbare Grundlage für die Belehrung des Beschuldigten | 130 | ||
II. Der Zweck der Belehrung: Formalisierung der Kommunikation in Vernehmungen | 140 | ||
§ 7 Das Informationsrecht der §§ 136 I S. 1, 163a IV StPO | 143 | ||
§ 8 Strukturelle Defizite des Vernehmungsablaufs und ihr Einfluß auf die Aussagefreiheit | 148 | ||
I. Pflicht zur Angabe der Personalien und der persönlichen Verhältnisse | 148 | ||
II. Definitorische Unbestimmtheit des Beschuldigtenbegriffs | 153 | ||
1. Materielle oder formelle Beschuldigtentheorie – ein Gegensatz? | 155 | ||
2. Gesetzesanalogie zu § 397 I AO | 158 | ||
§ 9 Einfluß des Vernehmungszwecks auf Inhalt und Grenzen des nemo tenetur-Prinzips | 161 | ||
I. Zweck der Beschuldigtenvernehmung – Gewährung rechtlichen Gehörs | 161 | ||
II. Aussagefreiheit und Täuschungsverbot des § 136a StPO | 166 | ||
III. Vernehmungszweck und Recht des Beschuldigten auf einen geschlossenen Bericht | 172 | ||
IV. Vernehmungszweck und Anwesenheitsrecht eines Verteidigers | 173 | ||
§ 10 Fallgruppen des mittelbaren Aussagezwangs | 176 | ||
I. Überbewertung eines Geständnisses im Rahmen der Beweiswürdigung | 176 | ||
II. Aussagefreiheit des Beschuldigten und Einführung polizeilicher Vernehmungsprotokolle in die Hauptverhandlung | 178 | ||
III. Positive Äußerungsfreiheit des Angeklagten und mittelbare Sanktionierung des Aussageverhaltens | 185 | ||
1. Grenzen zulässiger Beeinflussung des Aussageverhaltens bei Lügen des Beschuldigten | 188 | ||
2. Sanktionierung des Prozeßverhaltens in Beweiswürdigung und Strafzumessung | 195 | ||
a) Bewußt unwahre Angaben zur Sache und ihre Berücksichtigung bei der Beweiswürdigung | 195 | ||
b) Das Aussageverhalten des Beschuldigten und Strafzumessungserwägungen des Gerichts | 197 | ||
aa) Das Geständnis im Rahmen der Strafzumessung | 197 | ||
bb) Strafschärfende Berücksichtigung qualifizierten Leugnens | 202 | ||
§ 11 Vernehmungsbegriff und Aussagefreiheit des Beschuldigten | 204 | ||
I. Formeller Vernehmungsbegriff | 205 | ||
II. Materieller Vernehmungsbegriff | 208 | ||
III. Verdeckte Vernehmungen des Beschuldigten | 210 | ||
IV. Vernehmung durch „private“ Dritte | 212 | ||
1. Zurechnungsgedanke und verdeckt handelnde Private | 214 | ||
2. Konsequenzen des materiellen Vernehmungsbegriffs beim Einsatz von Leuten | 218 | ||
V. Vernehmungsbegriff und präventive Zielsetzung des Vernehmungsbeamten | 221 | ||
VI. Die „vernehmungsähnliche Situation“ | 224 | ||
1. U-Haft-Fälle | 225 | ||
2. Die Lösung des Großen Senats zur Frage der rechtlichen Zulässigkeit verdeckter Vernehmungen des Beschuldigten mit Hilfe einer Hörfalle | 233 | ||
a) Hörfallen und Fernmeldegeheimnis | 234 | ||
aa) Einwilligungs- und Netzbereichslösung | 234 | ||
bb) Zurechnungsgedanke und Eingriffsbestimmung | 236 | ||
b) Einführung einer Subsidiaritätsklausel durch den Großen Senat | 237 | ||
§ 12 Zeitpunkt der Belehrung | 241 | ||
I. Befragungen im „Vorfeld“ der verantwortlichen Beschuldigtenvernehmung | 241 | ||
II. Das Vorgespräch | 243 | ||
III. Zulässigkeit und verfahrensrechtliche Folgen einer informatorischen Befragung | 246 | ||
1. Der Schutz des „verdächtigen“ Zeugen durch § 55 StPO – Ein ausreichendes Korrektiv in der Phase der „Verdachtsklärung“? | 251 | ||
a) Umfang und Ausübung des Auskunftverweigerungsrechts | 252 | ||
b) Substantiierungspflicht des Zeugen bei Glaubhaftmachung | 254 | ||
c) Lücken im Schutz des „verdächtigen Zeugen“ | 255 | ||
d) Anerkennung eines selbständigen Beweisverwertungsverbotes | 259 | ||
IV. Die Spontanäußerung | 269 | ||
§ 13 Garantie der negativen Mitwirkungsfreiheit | 277 | ||
I. Differenzierung nach der Handlungsqualität des erzwungenen Verhaltens | 277 | ||
II. Vollstreckungsrechtliche Erklärungsansätze: Vis compulsiva als Kennzeichen unzulässigen Zwangs | 280 | ||
1. Unzulässigkeit einer Beeinflussung der Willensbildung | 280 | ||
2. Differenzierung nach dem Handlungserfolg: Unzulässigkeit eines Zugriffs auf das Wissen des Beschuldigten | 283 | ||
III. Die Stellung des Beschuldigten als Augenscheinobjekt im Rahmen von §§ 81 und 81a StPO | 285 | ||
1. Die Pflicht zur Duldung der Beobachtung (§ 81 StPO) | 285 | ||
2. Die Pflicht zur Duldung körperlicher Untersuchungen (§ 81a StPO) | 286 | ||
3. Die Pflicht zur Duldung der Gegenüberstellung | 289 | ||
IV. Eigenverantwortliche Entscheidung zur Mitwirkung im Strafverfahren | 295 | ||
1. Belehrungspflicht im Rahmen der Mitwirkungsfreiheit | 295 | ||
2. Beschränktes Gebot der Offenheit staatlicher Ermittlungen bei Mitwirkungsverweigerungsrecht des Beschuldigten | 298 | ||
3. Der nemo tenetur-Grunsatz als Schranke eigener Ermittlungstätigkeit des Sachverständigen | 309 | ||
a) Belehrungspflicht des Sachverständigen oder seines Auftraggebers? | 310 | ||
b) Unverwertbarkeit von Zusatztatsachen | 315 | ||
§ 14 Verwertungsverbote zum Schutz der Aussagefreiheit | 318 | ||
I. Rügelast bei Verletzung der Belehrungspflicht | 325 | ||
II. Festlegung der Grenzen des Beweisverwertungsverbotes anhand von Fallgruppen? | 330 | ||
III. Heilung durch qualifizierte Belehrung | 336 | ||
IV. Die Widerspruchslösung – Heilung des Verfahrensfehlers durch Rügeverzicht | 342 | ||
V. Die Fernwirkung von Verwertungsverboten bei Verletzung des nemo tenetur-Grundsatzes | 346 | ||
Schlußbemerkung | 351 | ||
Literaturverzeichnis | 355 | ||
Sachregister | 376 |