Die Zeitlichkeit des positiven Rechts und die Geschichtlichkeit des Rechtsbewußtseins
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Die Zeitlichkeit des positiven Rechts und die Geschichtlichkeit des Rechtsbewußtseins
Momente der Ideengeschichte und Grundzüge einer systematischen Begründung
Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 183
(1998)
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About The Author
Stephan Kirste ist ordentlicher Universitätsprofessor für Rechts- und Sozialphilosophie an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg und Vorsitzender der Deutschen Sektion der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie. Zuvor war er Dekan der Deutschsprachigen Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften an der Deutschsprachigen Andrássy Gyula Universität Budapest. Er hat sich 2004 in Heidelberg habilitiert und erhielt die venia legendi für Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie, Verfassungsgeschichte der Neuzeit und Rechtssoziologie. Promoviert wurde er von der Juristischen Fakultät der Universität Freiburg. Er war 2006 Gastprofessor an der University of Virginia und ist seit 2001 Gastprofessor an verschiedenen Brasilianischen Universitäten. Neben zahlreichen Aufsätzen und Sammelbänden zu öffentlich-rechtlichen, rechtsphilosophischen, verfassungsvergleichenden und verfassungsgeschichtlichen Themen, sind 2010 seine »Einführung in die Rechtsphilosophie« und bei Duncker & Humblot eine Monographie zu Recht und Zeit erschienen.Abstract
Recht läßt sich nicht einfach in einer als absolut vorgestellten Zeit verorten. Es strukturiert vielmehr den rechtlich relevanten Zusammenhang von Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit, die temporale Dramatik der rechtlichen Prozesse sowie die Bezüge zu anderen sozialen und natürlichen Zeiten nach Wertungskriterien in einer eigenen rechtlichen Zeitordnung. Zeitgerechtigkeit, verstanden als Berücksichtigung und Zusammenordnung verschiedener Eigenzeitlichkeiten, wird so zur Leistung des positiven Rechts. Die Realisierung dieser normativen Zeitordnung hängt davon ab, daß das handelnde Bewußtsein diese Ordnung, die sich ihm als Vergangenheitsbindung darstellt, geschichtlich übernimmt und mit der eigenen Gegenwart und Zukunft vermittelt.Eine skizzenhafte Rekonstruktion der Ideengeschichte zeigt, daß der Antike die Vorstellung einer gerechten Naturordnung als einheitliche Grundlage von äußeren Bewegungen und damit Zeit und auch Recht selbstverständlich war. Ihr weiterer Gang bringt dann zum einen eine Verinnerlichung des Zeit- und Rechtsbewußtseins und zum anderen eine Ablösung einer objektiven Zeit von den sie konstituierenden Prozessen sowie die Verabstrahierung von Ewigkeit, die nicht mehr als Einheit der Zeitdimensionen, sondern als Negation der Zeit gesehen wird. Auch Recht fällt als positives in diese Zeitordnung oder hat als Naturrecht Teil an der Ewigkeit. Erst der deutsche Idealismus unternimmt dann wiederum den Versuch, in von der Vernunft geforderten zeitlichen Freiräumen (Kant) zu einer konkreten Zeitordnung zu kommen, die auch die Möglichkeit einer durch den Geist bestimmten rechtlichen Zeit eröffnet (Hegel). Dieser Ansatz wird dann etwa in Husserls Ausklammerung der objektiven Zeit oder auch Heideggers Zeitlichkeit des geschichtlichen Daseins massiv in Frage gestellt.Löst sich in diesen Auffassungen auch eine Eigenzeitlichkeit des Rechts in die Zeitlichkeit des Daseins auf, so geht in der Systemtheorie das Zeit- und Rechtsbewußtsein in der Selbstreflexion des autopoietischen Rechtssystems unter. Eine Theorie der rechtlichen Zeit wird demgegenüber sowohl die Möglichkeit einer Eigenzeitlichkeit des positiven Rechts als auch die Bedeutung von Rechts- und Zeitbewußtsein zu berücksichtigen haben.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einleitung | 15 | ||
Α. Fragestellung der Arbeit | 15 | ||
B. Zum Forschungsstand | 17 | ||
I. Recht und Zeit | 18 | ||
II. Recht und Geschichtlichkeit | 21 | ||
Erster Teil: Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit des Rechts in der Geschichte der Rechtsphilosophie | 24 | ||
A. Antike | 26 | ||
I. Ordnung und Zeit im Alten Ägypten | 29 | ||
II. Der Übergang zur griechischen Antike | 34 | ||
III. Anaximander (610 - 546 v. Chr.) | 36 | ||
IV. Heraklit (544 - 483 v. Chr.) | 40 | ||
V. Parmenides (ca. 540 - nach 480 v. Chr.) | 42 | ||
VI. Solon (ca. 640 - 560 v. Chr.) | 43 | ||
VII. Sophisten | 45 | ||
1. Protagoras (484 - 414 ν. Chr.) | 45 | ||
2. Gorgias (480 - 398 v. Chr.) | 46 | ||
3. Hippias (um 400 v. Chr.) | 47 | ||
VIII. Sokrates (ca. 470 - 399 v. Chr.) | 48 | ||
IX. Historik | 49 | ||
1. Herodot (484 - ca. 430 v. Chr.) | 51 | ||
2. Thukydides (ca. 460 - 400 v. Chr.) | 52 | ||
X. Platon (427 - 347 v. Chr.) | 54 | ||
1. Starrheit der Gesetze und Flexibilität des Staatsmannes | 55 | ||
2. Verfassungswandel (μεταβολή πολιτειών) | 60 | ||
a) Der Verfassungsverfall | 62 | ||
b) Menschliches Handeln und Verfall | 65 | ||
c) Die Bewegung der Lebewesen | 68 | ||
d) Piatons Zeitlehre | 69 | ||
e) Zeit und μεταβολή πολιτειών | 71 | ||
XI. Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) | 72 | ||
1. Die Dynamik des Rechts bei Aristoteles | 73 | ||
a) Zu den Formen des Rechts bei Aristoteles | 73 | ||
b) Beweglichkeit des Naturrechts | 75 | ||
aa) κίνησις und μεταβολή in der praktischen Philosophie des Aristoteles | 79 | ||
(1) Gewohnheit (ήθος) und Gesetz | 79 | ||
(2) Ganzheitlichkeit und Unbewegtheit der Lust (ήδονή) | 82 | ||
(3) Der Verfassungswandel (μεταβολή πολιτειών) | 84 | ||
(a) Verfassungsformen und Wandel | 84 | ||
(b) Verfassungswandel und Kreislauf | 86 | ||
bb) Bewegung, Wandel und Veränderung in der Prima Philosophia und der Naturphilosophie. | 90 | ||
(1) Die Grundbedeutung von Bewegung | 90 | ||
(2) Formen von Bewegung und Wandel | 92 | ||
(3) Natürliche und gewaltsame Bewegung | 93 | ||
(4) Arten der Bewegung der Wesen | 94 | ||
cc) Zusammenfassung und Beziehung der Bewegungslehre auf die Beweglichkeit des Naturrechts | 97 | ||
(1) Naturrecht | 98 | ||
(2) Gesetzesrecht | 103 | ||
(3) Verfassung | 104 | ||
2. Die Zeitlichkeit des Rechts bei Aristoteles | 105 | ||
a) Aristoteles' Zeitlehre | 106 | ||
b) Einige Aspekte der Zeitstruktur der Praxis | 111 | ||
c) Zusammenfassende Überlegungen zur Zeitlichkeit des politischen Rechts bei Aristoteles | 113 | ||
B. Mittelalter - Augustinus (354 - 430) | 116 | ||
I. Die Hierarchie der Gesetze | 117 | ||
II. Augustins Zeitauffassung | 121 | ||
1. Ewigkeit und Zeit | 122 | ||
2. Zeit | 124 | ||
3. Zeit und Ewigkeit | 128 | ||
4. Ewigkeit, Zeit und Geschichte | 130 | ||
C. Recht, Zeit und Geschichtlichkeit im Deutschen Idealismus | 134 | ||
I. Immanuel Kant | 134 | ||
1. Kants Zeitbegriff | 135 | ||
a) Die Zeit als reine Form sinnlicher Anschauung | 135 | ||
b) Objektivität und Konkretionen der Zeit | 141 | ||
aa) Transzendentale Apperzeption und Zeit | 141 | ||
bb) Schema und Zeit | 146 | ||
cc) Zeit in den Analogien der Erfahrung | 149 | ||
c) Zusammenfassende Bemerkung zu Kants Zeitbegriff | 151 | ||
2. Der Kontrast von Zeit und Sittlichkeit in der praktischen Philosophie | 153 | ||
a) Trennung von zeitlicher Naturkausalität und zeitloser Kausalität aus Freiheit | 154 | ||
b) Zeit und praktische Freiheit | 155 | ||
3. Recht und Zeit bei Kant | 163 | ||
a) Rechtsbegriff und Zeit | 163 | ||
b) Provisorischer und peremtorischer Besitz | 167 | ||
aa) Das Erlaubnisgesetz | 167 | ||
bb) Provisorische Verhältnisse im Allgemeinen | 170 | ||
cc) Der Übergang zu peremtorischen Verhältnissen | 172 | ||
c) Abschließende Bemerkungen zur Zeit des Rechts und der Geschichte bei Kant | 175 | ||
Exkurs zu Günther Winklers „Zeit und Recht" | 177 | ||
II. Georg Wilhelm Friedrich Hegel | 181 | ||
1. Grundzüge der Entfaltung des Zeitbegriffs in Natur- und Geistphilosophie | 183 | ||
a) Der Begriff der Zeit | 185 | ||
b) Die natürliche Zeit | 189 | ||
c) Die Zeit des Geistes | 194 | ||
aa) Der subjektive Geist | 198 | ||
bb) Der objektive Geist | 200 | ||
(1) Die Zeit der Weltgeschichte | 201 | ||
(2) Zeit und Geschichte der Philosophie | 204 | ||
2. Die rechtliche Zeit | 207 | ||
a) Dasein und Zeitlichkeit des freien Willens | 208 | ||
b) Zeit und abstraktes Recht | 210 | ||
aa) Zeit und Person | 211 | ||
bb) Zeit und Eigentum | 211 | ||
(1) Die körperliche Ergreifung | 213 | ||
(2) Die Formierung | 214 | ||
(3) Der Gebrauch | 215 | ||
c) Zeit und Gesetz | 218 | ||
d) Zeit und Verfassung | 227 | ||
3. Zusammenfassende Bemerkung | 230 | ||
D. Phänomenologie und Existenzphilosophie | 232 | ||
I. Phänomenologische Ansätze zum Problem von Recht und Zeit | 232 | ||
1. Husserls „Phänomenologie des inneren Zeitbewußtseins" | 233 | ||
a) Die Ausschaltung der objektiven Zeit | 233 | ||
b) Die Konstituierung der Zeit im Bewußtseinsstrom | 235 | ||
c) Die Zeitlosigkeit des Zeitflusses | 238 | ||
d) Intersubjektive und soziale Zeit bei Husserl? | 240 | ||
2. Gerhart Husserl zu Recht und Zeit | 242 | ||
a) Abstrakte und konkrete Zeit des Rechts | 243 | ||
aa) Zeitsein der Kunstwerke und des Rechts | 243 | ||
bb) Entzeitung des Rechts | 245 | ||
cc) Verzeitung des Rechts | 248 | ||
b) Die Typologie des Zeitmenschen | 252 | ||
II. Existenzphilosophische Ansätze | 255 | ||
1. Sein und Zeit | 255 | ||
a) Dasein als In-der-Welt-sein | 256 | ||
b) Die Zeitlichkeit des Daseins | 260 | ||
c) Die zeitliche Erstreckung des Daseins in umfassende Geschehenszusammenhänge | 266 | ||
aa) Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit | 266 | ||
bb) Innerzeitigkeit und öffentliche Zeit | 269 | ||
2. Recht und Zeit | 272 | ||
a) Der Ort des Rechts | 272 | ||
b) Maihofers Konzeption von der Zukunftsbezogenheit des Rechts | 274 | ||
c) Geschichtlichkeit der Existenz und Geschichtlichkeit des Rechts bei van der Ven | 276 | ||
d) Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit von Recht unter Berufung auf fundamentalontologisches Denken? | 277 | ||
e) Aussagen zur Zeitlichkeit und Geschichtlichkeit der Inhalte des Naturrechts | 279 | ||
f) Zu Recht und Gesetz im seynsgeschichtlichen Denken | 280 | ||
g) Zusammenfassende Bemerkung zu Recht und Zeit bei Heidegger | 285 | ||
3. Kurze Bemerkung zu Recht, Zeit und Geschichtlichkeit bei Jaspers | 286 | ||
E. Das Problem von Recht und Zeit in der Systemtheorie | 289 | ||
I. Systeme und Zeit | 289 | ||
1. Autopoietische Systeme | 289 | ||
2. Strukturen und Veränderung | 292 | ||
a) Strukturen | 292 | ||
b) Funktion von Strukturen | 293 | ||
c) Veränderung von Strukturen | 295 | ||
d) Drei Formen der Änderung von Strukturen | 295 | ||
aa) Anpassung | 295 | ||
bb) Ausgleich von Systemwidersprüchen | 296 | ||
cc) Morphogenese | 296 | ||
e) Temporalisierung von Komplexität | 297 | ||
3. Systemoperationen und Zeit | 298 | ||
a) Die Zeiten der Systeme | 298 | ||
b) Die Dimensionen der Zeit | 301 | ||
II. Rechtssystem und Zeit | 302 | ||
1. Rechtssystem | 302 | ||
a) Der Rechtscode und die Einheit des Rechtssytems | 303 | ||
b) Programme | 304 | ||
c) Positivität und Geltung | 305 | ||
aa) Positivität | 305 | ||
bb) Geltung | 307 | ||
cc) Rechtsänderung | 308 | ||
dd) Kontinuität und Diskontinuität im Rechtssystem | 309 | ||
ee) Temporalisierung von Komplexität und Hierarchien | 310 | ||
2. Die Funktion des Rechts in zeitlicher Hinsicht | 315 | ||
3. Kritische Anmerkungen | 318 | ||
a) Normbegriff | 318 | ||
b) Recht, Bewußtsein, Mensch | 320 | ||
Zweiter Teil: Vergegenwärtigung | 326 | ||
A. Problemstellung | 326 | ||
B. Der Weg der Verinnerlichung von Zeit und Recht | 336 | ||
C. Übergang | 349 | ||
Dritter Teil: Grundzüge einer Theorie der Zeitlichkeit des Positiven Rechts | 351 | ||
A. Die Zeitordnung des Rechts | 352 | ||
I. Entzeitlichung auf Zeit | 352 | ||
II. Ausgedehnte Gegenwart | 356 | ||
III. Gegenwärtige Zukunft | 357 | ||
1. Steuerung zukünftigen Verhaltens | 358 | ||
2. Ausgriff auf die Zukunft | 362 | ||
3. Zukunftsoffenheit | 363 | ||
4. Rückwirkung | 364 | ||
IV. Gegenwärtige Vergangenheit | 366 | ||
V. Hierarchie | 370 | ||
VI. Rechtliche Zeitregelungen | 371 | ||
1. Rechtliche Regelung von Zeitmessung und Zeitrechnung | 372 | ||
2. Rechtliche Bezugszeiten | 373 | ||
a) Zeitablauf | 374 | ||
b) Termine, Fristen, Perioden | 374 | ||
c) Änderung der Zeitrichtung | 378 | ||
d) Rechtliche Zeit ohne Ausdehnung in natürlicher Zeit: die „juristische Sekunde" | 378 | ||
VII. Synchronisierung | 379 | ||
VIII. Verzeitlichung | 384 | ||
IX. Zusammenfassung | 385 | ||
B. Zwei Einwände | 386 | ||
I. Zeitlosigkeit von Recht? | 386 | ||
II. Einwand der Geschichtlichkeit des Rechts | 390 | ||
1. Symmetrisierung: die Bedeutung des Rechtsbewußtseins | 390 | ||
a) Die Realität des Rechts als Geltung und als Aktualität | 390 | ||
b) Das Rechtsbewußtsein | 392 | ||
c) Symmetrisierung als Übernahme rechtlicher Verpflichtung in zeitlicher Hinsicht | 396 | ||
2. Geschichtlichkeit des Rechtsbewußtseins | 398 | ||
a) Zusammenfassende Bemerkung zu den bisher aufgetretenen Aspekten von Geschichtlichkeit | 399 | ||
b) Philosophische Aspekte der Geschichtlichkeit des Rechtsverstehens | 404 | ||
aa) Dilthey | 404 | ||
bb) Gadamer | 409 | ||
(1) Verstehen und Vorverständnis | 409 | ||
(2) Verstehen und Anwendung | 411 | ||
(3) Rechtliches Verstehen | 414 | ||
c) Rechtsphilosophische Gesichtspunkte der Geschichtlichkeit des Rechts | 415 | ||
aa) Grundfragen | 415 | ||
(1) Geschichtlichkeit als historische Abhängigkeit des Rechts | 416 | ||
(2) Der dynamische Begriff der Geschichtlichkeit des Rechts | 417 | ||
(3) Geschichtlichkeit als Mitte und der Bezug zum Menschen | 418 | ||
(4) Entwicklungsgeschichtlichkeit des Rechts | 419 | ||
bb) José Llomparts Konzeption der Geschichtlichkeit der Rechtsprinzipien | 425 | ||
cc) Arthur Kaufmann | 426 | ||
III. Abschließende Überlegungen | 429 | ||
Literaturverzeichnis | 436 | ||
Personenverzeichnis | 463 | ||
Sachverzeichnis | 468 |