Supranationalität als Verfassungsprinzip
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Supranationalität als Verfassungsprinzip
Normativität und Legitimation als Elemente des Europäischen Verfassungsrechts
Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht, Vol. 47
(1999)
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Abstract
Mit der Veröffentlichung wird versucht, eine gemeinsame normative Grundlage staatlicher und nichtstaatlicher Verfassungsbegriffe zu entwickeln. Obwohl Europa kein Staat werden soll, ist die Existenz eines normativen Europäischen Verfassungsrechts nicht ausgeschlossen. Eine Gleichsetzung von Verfassungsentwicklung und Staatswerdung ist abzulehnen. Trennt man den normativen Staatsverfassungsbegriff von seinen notwendigerweise staatsbezogenen Elementen, so kann ein abstrakter Bedeutungskern des normativen Verfassungsbegriffs gefunden werden: Verfassungsrecht stellt eine eigenständige Herrschaftsordnung auf und ist darauf gerichtet, diese Ordnung spezifisch zu begründen - zu legitimieren.Demokratie- und Legitimationsmodelle, die für die staatliche Ordnung entwickelt wurden, sind nicht unmittelbar auf den überstaatlichen Integrationsprozeß übertragbar. Die Originalität des supranationalen Herrschaftsmodells liegt in der Verbindung von Nichtstaatlichkeit mit Normativität und Legitimation. Herrschaftsausübung findet in Europa sowohl gegenüber den Mitgliedstaaten als auch gegenüber den Individuen statt. Daher sind auch Normativität und Legitimation im europäischen Rahmen nicht schlechter oder besser als im Nationalstaat, sondern unterliegen anderen Anforderungen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 15 | ||
Einführung: Die Forderung nach einer Verfassunggebung für Europa | 21 | ||
A. Welcher Verfassungsbegriff für das europäische Primärrecht? | 28 | ||
I. Der Verfassungsbegriff in seinen verschiedenen Inhalten – eine begriffliche Entwicklung | 29 | ||
1. Der deskriptive Verfassungsbegriff | 29 | ||
2. Der normative staatsbezogene Verfassungsbegriff: Legitimation von Herrschaft | 34 | ||
a) Die Vertragstheorien als Grundlage der normativen Staatsverfassung | 34 | ||
b) Die Verbindung von Verfassung und Verfassungsstaat | 35 | ||
3. Ungeschriebenes Verfassungsrecht | 38 | ||
4. Verfassung für Europa – notwendigerweise eine geschriebene Verfassung | 39 | ||
a) Der formale Aspekt der Schriftlichkeit – Die Forderung nach besserer Vermittelbarkeit | 39 | ||
b) Der materielle Aspekt der Schriftlichkeit – Errichtung einer rechtlich gesicherten Kompetenzordnung | 39 | ||
c) Verfassung als höchstrangige normative Aussage | 41 | ||
5. Zwischenergebnis | 43 | ||
II. Die unterschiedliche Verwendung des Verfassungsbegriffs für Europa | 44 | ||
1. Der Verfassungsbegriff als Ausdruck von Staatlichkeit | 46 | ||
a) Verfassunggebung als Schritt zur Staatlichkeit? | 46 | ||
b) Die Abhängigkeit des staatsbezogenen Verfassungsbegriffs von Staatlichkeitsmodellen | 47 | ||
aa) Die präföderalistische Forderung nach einer „Bundesverfassung“ | 47 | ||
bb) Europa als „Zweckverband“ | 50 | ||
cc) Europa als „Union“ | 51 | ||
dd) Zwischenergebnis | 54 | ||
c) Die Abhängigkeit des staatlichen Verfassungsbegriffs von staatlichen Verfassungsinhalten | 55 | ||
d) Die mangelnde Leistungsfähigkeit der Gleichsetzung von „Verfassung“ und „Staatsverfassung“ | 59 | ||
2. Nichtstaatliche Verfassungsverständnisse | 61 | ||
a) Die Verfassung der Völkergemeinschaft | 61 | ||
aa) Alfred Verdross | 63 | ||
bb) Rudolf Bindschedler | 65 | ||
cc) Alf Ross | 65 | ||
dd) Verfassungsrechtliche „checks and balances“ im Völkerrecht | 67 | ||
ee) Zwischenergebnis | 68 | ||
b) Die Rechtsprechung des EuGH zum Verfassungscharakter der Gemeinschaftsverträge | 68 | ||
aa) Die Verwendung des Verfassungsbegriffs für das Primärrecht | 69 | ||
bb) Der normative Anspruch der Verwendung des Verfassungsbegriffs durch den EuGH | 72 | ||
c) Die Resonanz auf die Rechtsprechung des EuGH zum Verfassungscharakter | 73 | ||
3. Bilanz: Die Notwendigkeit eines abstrakten normativen Verfassungsbegriffs | 75 | ||
III. Elemente eines abstrakten normativen Verfassungsbegriffs | 77 | ||
1. Verfassung als Grundentscheidung? | 77 | ||
a) Der dezisionistische Verfassungsbegriff Carl Schmitts | 77 | ||
b) Der notwendige Staatsbezug der Theorie Carl Schmitts | 78 | ||
2. Verfassung als Grundlage einer autonomen Rechtsordnung? | 80 | ||
a) Der notwendige Staatsbezug des Kriteriums der Herrschaftsbegründung | 81 | ||
b) Autonome Geltung der europäischen Herrschaft? | 82 | ||
aa) Die Kontroverse zwischen EuGH und BVerfG | 82 | ||
bb) Die Irrelevanz des Merkmals „autonome Geltung“ für den nichtstaatlichen Verfassungsbegriff | 85 | ||
(1) Keine Herrschaftsbegründung auf europäischer Ebene | 85 | ||
(2) Kooperation statt Konfrontation | 86 | ||
(3) Zwischenergebnis | 92 | ||
3. Normativität als Grundlage des Verfassungsbegriffs | 92 | ||
a) Die Herrschaftsordnung als Bezugsgegenstand von Verfassungsrecht | 93 | ||
b) Die Möglichkeit einer überstaatlichen Normativität | 94 | ||
aa) Rechtsunterworfenheit trotz Souveränität der Staaten | 94 | ||
(1) Normativität von Staatenverbindungen | 94 | ||
(2) Souveränitätsverzicht als Grundlage der rechtlichen Bindung | 95 | ||
bb) Recht und Herrschaft als Anknüpfungspunkte nichtstaatlicher Verfassungsbindung | 97 | ||
c) Die Ergänzung der Normativität durch Legitimation | 99 | ||
aa) Legitimation als Verfassungselement | 100 | ||
bb) Die Notwendigkeit verschiedener Legitimationsinhalte | 102 | ||
IV. Ergebnis | 104 | ||
B. Europa als Verfassungsordnung | 106 | ||
I. Europa – eine normative Ordnung? | 106 | ||
1. Die rechtliche Bindung der Staaten | 106 | ||
a) Eine historische Zäsur durch rechtliche Bindung | 107 | ||
b) Der gemeinsame Souveränitätsverzicht | 109 | ||
2. Dauerhaftigkeit und Unumkehrbarkeit der vertraglichen Einigung | 112 | ||
a) Dauerhaftigkeit? | 112 | ||
b) Unumkehrbarkeit? | 113 | ||
c) Irrelevanz theoretischer Austrittsmöglichkeiten | 114 | ||
3. Europa im Spannungsfeld zwischen rechtlicher und politischer Steuerung | 115 | ||
a) Eine funktionsfähige Herrschaftsordnung? | 115 | ||
aa) „Plan of government“ | 116 | ||
bb) Umfassender Geltungsanspruch des Herrschaftssystems | 117 | ||
b) Herrschaft des Rechts oder der Politik? | 119 | ||
aa) Herrschaft über die Verträge | 119 | ||
bb) Herrschaft im Vertragssystem | 121 | ||
(1) Rechtliche Steuerung im Vertragssystem | 121 | ||
(2) Politische Steuerung im Vertragssystem | 126 | ||
cc) Zwei Grundprinzipien der europäischen Rechtsordnung | 129 | ||
c) Gefahren für die europäische Normativität | 129 | ||
aa) Aufbrechen der kohärenten Strukturen | 130 | ||
bb) Politischer Ausgleich statt rechtlicher Steuerung | 131 | ||
cc) Eingeschränkte Funktion der Judikative | 131 | ||
d) Bilanz | 133 | ||
II. Europa – eine legitimierte Ordnung? | 136 | ||
1. Der Dualismus von Legitimationsträgern als Grundlage des supranationalen Herrschaftsmodells | 136 | ||
a) Staaten und Individuen als Elemente der Gemeinschaftsrechtsordnung | 136 | ||
b) Staatswerdung durch Einbeziehung der Individuen? | 140 | ||
c) Zwischenergebnis | 144 | ||
2. Zwei Legitimationsträger – zwei Legitimationskonzepte | 145 | ||
a) Formelle staatenbezogene Legitimation | 145 | ||
b) Formelle individuenbezogene Legitimation | 146 | ||
III. Problemfelder der supranationalen Verfassung | 147 | ||
1. Die gegenseitige Abhängigkeit von Legitimationsverfahren und Entscheidungsstrukturen | 147 | ||
2. Integration von Staaten und Individuen | 148 | ||
C. Stärkung europäischer Normativität und Legitimation | 151 | ||
I. Grundbedingungen staatenbezogener Legitimation in Europa | 151 | ||
1. Die Erhaltung der Dynamik der europäischen Idee | 151 | ||
2. Der offene Prozeß | 153 | ||
3. Die „Spill-over-Technik“ | 154 | ||
4. Zwischenergebnis | 155 | ||
II. Grundbedingungen individuenbezogener Legitimation | 156 | ||
1. Welches Demokratiekonzept für Europa? | 158 | ||
a) „Organische Einheit“ als Grundlage identitätsbezogener Demokratie | 158 | ||
b) „Staatsvolk“ als Grundlage staatsbezogener Demokratie | 159 | ||
c) „Bevölkerung“ als Grundlage situationsbezogener Demokratie | 161 | ||
d) Der Dualismus als Grundbedingung supranationaler Demokratie | 165 | ||
aa) Die Idee der Legitimationsvermittlung über ein Europäisches Parlament | 165 | ||
bb) Die Auffassung des Gerichtshofs zur Vermittlung demokratischer Legitimation über das Parlament | 167 | ||
cc) Die vertragliche Konzeption des Parlaments als Ausdruck des supranationalen Dualismus | 168 | ||
2. Demokratievermittlung ohne Homogenität? | 173 | ||
a) Die Forderung nach Homogenität als Demokratievoraussetzung | 173 | ||
b) Die Anknüpfung an das Homogenitätskriterium im Maastricht-Urteil und im Euro-Beschluß des BVerfG | 175 | ||
c) Homogenität oder Konsens? | 178 | ||
3. Zwischenergebnis: Der Konsens der Unionsbürger als Grundlage individuenbezogener europäischer Demokratie | 181 | ||
III. Vorschläge zur Verbesserung individuenbezogener Legitimation | 184 | ||
1. Die Verstärkung individuenbezogener Integrationsfaktoren | 184 | ||
a) Die inhaltliche Erweiterung der Freiheitsrechte im gegenwärtigen Gemeinschaftsrecht | 184 | ||
b) Die europaweite Gleichheitsverwirklichung durch das Gemeinschaftsrecht | 187 | ||
aa) Das Fehlen eines allgemeinen Gleichheitssatzes | 188 | ||
bb) Gleichheitsdefizite bei der politischen Mitwirkung | 189 | ||
c) Verstärkung europäischer Freiheit und Gleichheit | 192 | ||
d) Der Vorschlag, eine Kompetenzordnung nach Sachbereichen einzuführen | 196 | ||
e) Die vorgeschlagene Verbesserung der europäischen Wertordnung | 198 | ||
aa) Mangelnde Rechtsverbindlichkeit der Präambeln | 199 | ||
bb) Kein individuenbezogenes Gesamtsystem europäischer Werte | 200 | ||
cc) Die mangelnde Erfaßbarkeit europäischer Werte | 202 | ||
2. Die vorgeschlagene Verbesserung von Transparenz und Kommunikation | 203 | ||
a) Die Forderung nach Verbesserung der Transparenz | 203 | ||
b) Die Forderung nach Schaffung von Verbänden und Parteien | 204 | ||
c) Die Forderung nach einer Vereinheitlichung des Kommunikationssystems | 206 | ||
aa) Die mangelnde Einheitlichkeit von Kommunikation und Sprache | 206 | ||
bb) Erhaltung statt Beseitigung der Sprachenvielfalt | 207 | ||
3. Zwischenergebnis | 210 | ||
IV. Die gegenseitige Zuordnung von Staaten und Individuen als Basis europäischen Verfassungsrechts | 211 | ||
1. Normativitätsverlust bzw. Verstaatlichung als Konsequenz einer jeweils einseitigen Weiterentwicklung Europas | 211 | ||
a) Normativitätsverlust durch isolierten Ausbau der staatenbezogenen Legitimationsgrundlagen Europas | 212 | ||
b) Verstaatlichung durch isolierten Ausbau der individuenbezogenen Legitimationsgrundlagen Europas | 212 | ||
c) Die Unnötigkeit einer Entscheidung in der Finalitätsfrage | 215 | ||
2. Grundlage europäischer Normativität: Dynamik durch Recht | 215 | ||
3. Grundlage europäischer Legitimation: Die gegenseitige Zuordnung der beiden Legitimationsebenen | 216 | ||
D. Neukodifikation oder Vertragsfortschreibung? | 220 | ||
I. Die erneute Verfassungsinitiative des Europäischen Parlaments im Vorfeld der Maastricht-II-Verhandlungen | 220 | ||
II. Der Verfassungsentwurf des Institutionellen Ausschusses vom 9.2.1994 | 222 | ||
1. Einbau in den Maastricht-II-Reformprozeß | 223 | ||
2. Ziele und Grundsätze der Verfassunggebung | 223 | ||
3. Einzelne Reformvorschläge im Entwurf | 225 | ||
a) Die von der Union verbürgten Menschenrechte | 225 | ||
b) Die Zuständigkeiten der Union | 226 | ||
c) Die Weiterentwicklung des institutionellen Rahmens | 227 | ||
aa) Mehr Einfluß für das Parlament | 227 | ||
bb) Der Rat als Regierung der EU | 228 | ||
cc) Zurückstufung der Kommission | 229 | ||
d) Die Aufgaben der Union | 230 | ||
e) Differenzierte Integration, Beitritt und Inkrafttreten | 231 | ||
4. Wertung | 232 | ||
III. Der „Entwurf eines konsolidierten Vertrages über die Europäische Union“ im Auftrag des Europäischen Parlaments | 233 | ||
1. Grundzüge und methodischer Ansatz | 234 | ||
2. Der Aufbau des Vertragsentwurfs | 235 | ||
3. Wertung | 236 | ||
IV. Der Entwurf einer einheitlichen und vereinfachten Version der Verträge durch das Europäische Hochschulinstitut | 239 | ||
1. Grundzüge und methodischer Ansatz | 240 | ||
2. Ergebnisse | 240 | ||
3. Gesamtbewertung | 243 | ||
V. Der Beitrag des Vertrags von Amsterdam zur Reform des Primärrechts | 244 | ||
VI. Schlußfolgerungen | 250 | ||
Zusammenfassung | 255 | ||
Literaturverzeichnis | 259 | ||
Sachverzeichnis | 279 |