Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik
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Verwaltung, Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsschutz in der Deutschen Demokratischen Republik
Schriften zur Rechtsgeschichte, Vol. 103
(2003)
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Abstract
Der Verfasser zeichnet die Entwicklungslinien des Verwaltungsrechts in der SBZ/DDR nach, wobei er die nunmehr zugänglichen Archivbestände für den gesamten Zeitraum von der Kapitulation bis zur Wiedererlangung der deutschen Einheit heranzieht. Ziel der im Bereich der Zeitgeschichte des Rechts angelegten Arbeit ist es, Rechtsentstehung, Rechtsvermittlung und Rechtsdurchsetzung im Kontext der jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Lage zu erforschen. Dabei wird untersucht, welche Bedeutung dem Individualrechtsschutz im Verwaltungsrechtssystem der DDR in unterschiedlichen Phasen Ihres Bestehens zugebilligt wurde und welche - juristischen oder historisch-politischen - Faktoren seine Entwicklung jeweils förderten oder hemmten.Joachim Hoeck beleuchtet die politischen Rahmenbedingungen, verwaltungsrechtswissenschaftlichen Vorgaben und die Ausgestaltung des verwaltungsrechtlichen Normenmaterials und verdeutlicht so Konstanten und wiederkehrende Phänomene. So läßt sich - ganz abseits aller ideologischen und dogmatischen Erwägungen - erkennen, daß die Haltung der SED zur Institution der Verwaltungsgerichtsbarkeit offenbar ganz maßgeblich von den Beziehungen zum westlichen Teil Deutschlands beeinflußt wurde: Je angespannter die deutschlandpolitische Situation war, desto stärker wurde das Bedürfnis der SED-Führung, sich von der Bundesrepublik auch institutionell abzugrenzen.Ein kompletter Verzicht auf jegliches Instrumentarium zur Gewährleistung von Verwaltungsrechtsschutz hätte indes weder dem Rechtsbewußtsein der DDR-Bürger ausreichend Rechnung getragen, noch die aus anderen (z. B. volkswirtschaftlichen) Gründen gebotene Kontrolle der objektiven Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns hinlänglich gewährleistet. Die Staats- und Parteiführung mußte somit funktionale Äquivalente zur traditionellen Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Verfügung stellen. Um veränderten gesellschaftlichen Grundlagen und Zielsetzungen gerecht zu werden, wurde das Instrumentarium zur Ausfüllung des Rechtsschutzvakuums in den verschiedenen Phasen des Bestehens der DDR jeweils unterschiedlich ausgestaltet und variiert.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 16 | ||
Einleitung | 19 | ||
Erster Teil: Die Sowjetische Besatzungszone | 24 | ||
1. Abschnitt: Justizpolitische Rahmenbedingungen und Institutionen der Rechtssetzung | 24 | ||
I. Der Alliierte Kontrollrat | 24 | ||
II. Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) | 27 | ||
III. Die Deutsche Zentralverwaltung für Justiz (DJV) | 31 | ||
1. Entstehungsgeschichte | 31 | ||
2. Aufgaben und Kompetenzen | 33 | ||
3. Justizpolitische Ausrichtung | 38 | ||
a) Justizreform durch Justizabbau – Der Einfluß Eugen Schiffers | 40 | ||
aa) Justizpolitiker in der Weimarer Republik | 41 | ||
bb) Präsident der Deutschen Zentralverwaltung für Justiz | 47 | ||
b) Die Justizkonzeption der Kommunisten und ihre Umsetzung | 49 | ||
aa) Justizpolitischer Einfluß der KPD/SED in der DJV | 49 | ||
bb) Ideologische Grundzüge einer kommunistischen Justizkonzeption | 56 | ||
cc) Grundsätze der Gesetzgebung und Gesetzesanwendung (1946) | 62 | ||
dd) Erste Äußerungen zur Frage der Verwaltungsgerichtsbarkeit | 67 | ||
2. Abschnitt: Wiedereinführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Thüringen | 70 | ||
I. Die thüringische Landesverwaltungsordnung | 70 | ||
1. Entstehungsgeschichte | 70 | ||
2. Regelung des Verwaltungsrechtsschutzes | 72 | ||
3. Gerichtsorganisation und Stellung des Richters | 73 | ||
II. Die Rechtsprechung des thüringischen OVG | 76 | ||
3. Abschnitt: Ansätze zur Wiedereinführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Zonenmaßstab | 81 | ||
I. Das Kontrollratsgesetz Nr. 36 über Verwaltungsgerichte | 81 | ||
II. Umsetzung des Kontrollratsgesetzes Nr. 36 in der SBZ | 88 | ||
1. Vorbereitung einer Verwaltungsgerichtsordnung auf der Justizländerkonferenz am 28.11.1946 | 89 | ||
a) Verwaltungsgerichtsstaat oder Justizstaat? | 90 | ||
b) Generalklausel oder Enumerationsprinzip? | 99 | ||
c) Die „Lehre vom justizfreien Hoheitsakt“ | 102 | ||
d) Einbeziehung eines „Vertreters des öffentlichen Interesses“ | 107 | ||
e) Gesamtbewertung | 110 | ||
2. Übergang der Gesetzgebungsinitiative auf die Kommunisten | 111 | ||
a) Rechtspolitischer Kurswechsel der SMAD | 111 | ||
b) Verwerfung der DJV-Entwürfe durch die SMAD | 112 | ||
c) Steuerung des Gesetzgebungsvorhabens durch das Zentralsekretariat der SED | 117 | ||
III. Zusammenfassung des ersten Teils | 126 | ||
Zweiter Teil: Niedergang des Verwaltungsrechts und Substituierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Ära Ulbricht | 129 | ||
1. Abschnitt: Verwaltung und Verwaltungsrechtsschutz in der Gründungsverfassung | 129 | ||
I. Der Verwaltungsrechtsschutz gemäß Artikel 138 der Gründungsverfassung | 129 | ||
1. Entstehung und Wesen der Gründungsverfassung | 129 | ||
2. Verfassungssystematischer Kontext der Regelung | 135 | ||
a) Das Prinzip der Gewalteneinheit | 136 | ||
b) Der Grundsatz der Einheit von Beschlußfassung, Durchführung und Kontrolle | 138 | ||
c) Das Dogma der Interessenidentität und Konsequenzen für das Grundrechtsverständnis | 143 | ||
d) Das Prinzip der sozialistischen Gesetzlichkeit | 149 | ||
II. Die sozialistische Verwaltung der DDR | 154 | ||
1. Theoretische Grundlagen | 154 | ||
2. Revision der territorialen Verwaltungsstrukturen | 157 | ||
III. Verwaltungsrechtsschutz durch andere Staatsorgane | 160 | ||
1. Rechtsschutz gegen hoheitliche Maßnahmen durch die Zivilgerichtsbarkeit | 163 | ||
2. Die Gesetzlichkeitsaufsicht durch die Staatsanwaltschaft | 168 | ||
3. Das förmliche Rechtsmittelverfahren | 171 | ||
IV. Ansätze der Verwaltungsrechtswissenschaft zur Schaffung eines Systems des öffentlichen Rechtsschutzes | 174 | ||
1. Der Gegenstand des sozialistischen Verwaltungsrechts | 174 | ||
2. Rechtsnormen und Verwaltungsanweisungen | 177 | ||
3. Möglichkeiten der Kontrolle von Individualakten | 179 | ||
V. Die Babelsberger Konferenz und die Liquidierung der Verwaltungsrechtswissenschaft | 185 | ||
2. Abschnitt: Theoretische Grundlagen des Eingabenwesens | 194 | ||
I. Wurzeln des Eingabenrechts | 194 | ||
1. Das Eingabenwesen als Petitionsrecht in historischer und vergleichender Sicht | 194 | ||
2. Die marxistisch-leninistische Tradition des Eingabenrechts | 198 | ||
II. Entwicklung der gesetzlichen Grundlagen des Eingabenwesens | 201 | ||
1. Überblick | 201 | ||
2. Die „Verordnung über die Behandlung der Vorschläge und Beschwerden der Bürger“ | 204 | ||
a) Entstehungshintergrund und Einfluß der sowjetischen Verwaltungsrechtswissenschaft | 204 | ||
b) Regelungsgehalt | 205 | ||
aa) Der Eingabenbegriff der Beschwerdeordnung | 205 | ||
bb) Politische Funktion des Eingabenrechts | 207 | ||
cc) Vorschlags- und beschwerdeberechtigter Personenkreis | 209 | ||
dd) Zuständigkeit | 210 | ||
ee) Verfahren der Eingabenbearbeitung | 211 | ||
ff) Entscheidungsfristen | 213 | ||
gg) Dokumentation und Analyse | 213 | ||
c) Stellungnahme | 214 | ||
3. Der Eingabenerlaß des Staatsrates von 1961 | 217 | ||
a) Entstehungshintergrund | 217 | ||
aa) Praktische Bewährung der Beschwerdeordnung | 217 | ||
bb) Interne Reformüberlegungen auf der Ebene des ZK der SED | 225 | ||
cc) Die „Programmatische Erklärung“ des Staatsratsvorsitzenden vom 4. Oktober 1960 | 237 | ||
b) Inhaltliche Veränderungen des Eingabenerlasses von 1961 | 240 | ||
aa) Neuausrichtung des Eingabenrechts | 241 | ||
bb) „Rechtsweggarantie“ | 242 | ||
cc) Zuständigkeit | 244 | ||
dd) Verfahren der Eingabenbearbeitung | 244 | ||
ee) Eingabenanalyse | 246 | ||
3. Abschnitt: Zur Praxis des Eingabenwesens | 248 | ||
I. Das Eingabenrecht auf der Ebene der „örtlichen Organe der Staatsmacht“ und Volkseigenen Betriebe | 254 | ||
1. Funktionärsversagen | 256 | ||
2. Willkürliche Eingabenerfassung | 259 | ||
3. Mangelnde Einbindung der Volksvertretungen in die Eingabenbearbeitung | 260 | ||
4. Ungenügende Verallgemeinerung positiver Erfahrungen | 261 | ||
5. Vorsätzliche Manipulation bei der Eingabenanalyse | 261 | ||
6. Zusammenfassung: Wirksamkeit des Eingabenrechts | 263 | ||
II. Das Eingabenrecht auf der Ebene des Staatsrats | 265 | ||
1. Vorzugsbehandlung der Eingaben an zentrale Staatsorgane | 266 | ||
2. Staatspolitische Funktionen des Eingabenwesens | 269 | ||
a) Erziehungsfunktion | 270 | ||
b) Signalisierungs- und Legitimierungsfunktion | 276 | ||
III. Das Eingabenrecht aus der Perspektive der Bürger | 278 | ||
1. Inhaltliche Schwerpunkte der Eingaben | 279 | ||
a) Eingaben mit überwiegend eigennützigem („egoistischem“) Charakter | 279 | ||
aa) Wohnraumversorgung | 282 | ||
bb) Reiseverkehr | 286 | ||
cc) Handel und Versorgung | 290 | ||
b) Eingaben mit überwiegend gesamtgesellschaftlichem („kollektivistischem“) Charakter | 291 | ||
2. Eingaben als Instrument der Justizkontrolle | 297 | ||
a) Eingaben an das Oberste Gericht (OG) | 297 | ||
aa) Strafrecht | 299 | ||
bb) Andere Rechtsgebiete | 301 | ||
b) Eingaben an die Staatsanwaltschaft | 302 | ||
aa) Eingaben gegen Entscheidungen und Maßnahmen der Staatsanwaltschaft und der Untersuchungsorgane | 303 | ||
bb) Eingaben gegen Entscheidungen und Maßnahmen anderer Staats- und Wirtschaftsorgane, Einrichtungen, Betriebe und Genossenschaften | 305 | ||
c) Eingaben an das Ministerium der Justiz | 307 | ||
aa) Kritik am Verhalten der Mitarbeiter der Justizorgane | 309 | ||
bb) Eingaben zur Vermeidung von Rechtskonflikten | 310 | ||
cc) Eingaben zur Rechtsanwendung und zu rechtlichen Regelungen | 311 | ||
dd) Einzelfallkontrolle durch das Ministerium der Justiz nach Beendigung des Instanzenzugs | 313 | ||
ee) Eingaben zur Überprüfung von Verwaltungsakten | 318 | ||
4. Abschnitt: Experimente mit Formen externen Verwaltungsrechtsschutzes in der Ära Ulbricht | 320 | ||
I. Rechtspolitische Grundlagen | 321 | ||
1. VII. Parteitag der SED – Neubestimmung der Rolle des Staates und des Rechts | 321 | ||
2. Die Verfassung vom 6. April 1968 | 324 | ||
a) Der Charakter der Staatsratsverfassung | 324 | ||
b) Aussagen der Verfassung zum Verwaltungsrechtsschutz | 327 | ||
II. Entstehung des Eingabenerlasses von 1969 | 329 | ||
1. Die Tätigkeit der Kommission Gerlach | 329 | ||
2. Erfahrungsaustausch mit der Sowjetunion | 331 | ||
a) Rechtsgrundlagen des Eingabenwesens in der Sowjetunion | 332 | ||
b) Eingabenpraxis in der Sowjetunion | 333 | ||
III. Veränderungen im Bereich des klassischen Eingabenwesens (§§ 1–18) | 336 | ||
IV. Das Verfahren vor den Beschwerdeausschüssen (§§ 19 ff.) | 340 | ||
1. Erste Modelle Ende der fünfziger Jahre | 341 | ||
2. Rechtsentwicklung im Flächenversuch – Die Tätigkeit der Experimentalausschüsse | 343 | ||
3. Konzeptionelle Ausgestaltung der Beschwerdeausschüsse | 344 | ||
a) Die Beschwerdeausschüsse als Organe der örtlichen Volksvertretungen | 344 | ||
b) Entscheidungskompetenzen der Beschwerdeausschüsse | 347 | ||
c) Kriterien der Rechtmäßigkeitskontrolle | 349 | ||
d) Verhältnis des Beschwerdeverfahrens zum Rechtsmittelverfahren | 351 | ||
4. Praxis der Beschwerdeausschüsse | 355 | ||
a) Juristische Qualifikation der Ausschußmitglieder | 355 | ||
b) Umfang und Schwerpunkte der Inanspruchnahme | 358 | ||
c) Mißachtung der Zuständigkeitsvorschriften | 362 | ||
d) Aufdeckung von Verstößen gegen die sozialistische Gesetzlichkeit | 364 | ||
5. Das Ende der Beschwerdeausschüsse | 366 | ||
V. Stellungnahme | 368 | ||
Dritter Teil: Renaissance des Verwaltungsrechts | 371 | ||
1. Abschnitt: Rehabilitierung der Verwaltungsrechtswissenschaft | 371 | ||
I. Die Situation nach der Babelsberger Konferenz | 371 | ||
II. Wiederkehr des Verwaltungsrechts als Organisations- und Leitungsrecht | 374 | ||
III. Ausgestaltung des Verwaltungsrechts als „Besonderer Teil“ des Staatsrechts | 376 | ||
2. Abschnitt: Intensivierung der verwaltungsrechtswissenschaftlichen Diskussion in der Ära Honecker | 383 | ||
I. Auswirkungen des Machtwechsels auf die Verwaltungsrechtswissenschaft | 383 | ||
II. „Kanonisierung“ des Verwaltungsrechts durch das Lehrbuch von 1979 | 385 | ||
III. Gegenentwürfe und weiterführende Ansätze der Verwaltungsrechtswissenschaft | 387 | ||
1. Abgrenzung des Verwaltungsrechts von andern Rechtszweigen | 387 | ||
2. Vereinheitlichung des Verwaltungsverfahrens | 390 | ||
a) Regelnormen und Aufgaben | 391 | ||
b) Rechtsanwendung und Rechtsverwirklichung | 394 | ||
c) Gewährleistung subjektiver Rechte der Bürger durch das Verwaltungsverfahren | 396 | ||
3. Gerichtlicher Verwaltungsrechtsschutz | 399 | ||
3. Abschnitt: Das Gesetz über die Zuständigkeit und das Verfahren der Gerichte zur Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen vom 14.12.1988 (GNV) | 402 | ||
I. Entstehungshintergrund | 403 | ||
1. Rechtsvergleichende Impulse | 403 | ||
2. Außenpolitische Zwänge | 412 | ||
II. Die Vorbereitung des Gesetzeserlasses | 417 | ||
III. Probleme bei der gerichtlichen Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen | 421 | ||
1. Zuständigkeit der Kreisgerichte und fehlender Instanzenzug | 421 | ||
2. Gegenstände gerichtlicher Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen | 423 | ||
3. Logistische Probleme bei der Erweiterung des Justizapparats | 425 | ||
a) Prognostizierter Verfahrensanfall | 426 | ||
b) Auswirkungen auf die Juristenausbildung | 427 | ||
IV. Wirkungslosigkeit des GNV in der Praxis | 429 | ||
V. Ausstrahlungswirkung des GNV auf die Gesamtrechtsordnung der DDR | 432 | ||
VI. Revolution und Harmonisierung | 437 | ||
Zusammenfassung | 440 | ||
Literatur- und Quellenverzeichnis | 444 | ||
Personenverzeichnis | 481 | ||
Sachverzeichnis | 483 |