Fahrunsicherheit oder Blutalkoholgehalt als Merkmal der Trunkenheitsdelikte -
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Fahrunsicherheit oder Blutalkoholgehalt als Merkmal der Trunkenheitsdelikte -
zugleich ein Beitrag zur Rechtsentwicklung
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 127
(2000)
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Abstract
Die Autorin untersucht die für alkoholisierte Kraftfahrzeugführer geltenden Sanktionstatbestände (§ 24a StVG, §§ 315c und 316 StGB) im Hinblick auf dogmatische Widersprüchlichkeiten und Anwendungsprobleme in der Praxis. Im ersten Teil wird die geschichtliche Entwicklung der Trunkenheitsdelikte nachgezeichnet und vor allem das Spannungsfeld zwischen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Blutalkoholforschung und rechtlicher Wertung gesetzlich vorgegebener Tatbestandsmerkmale aufgezeigt.Im zweiten Teil folgt eine kritische Analyse der gegenwärtigen Rechtslage. Aufgrund der entscheidenden Bedeutung des Blutalkoholgehaltes orientiert sich die Darstellung an den von Gesetz und Rechtsprechung für rechtserheblich erklärten "Eckwerten" der Blutalkoholkonzentration. Als Grundproblem des gegenwärtigen Regelungssystems erweist sich dabei vor allem der Umstand, daß die Strafvorschriften an das normative Merkmal der Fahrunsicherheit anknüpfen, während § 24a StVG allein auf das Erreichen gesetzlich festgeschriebener Blutalkoholwerte abstellt. Bei unterhalb des sog. Grenzwertes der absoluten Fahrunsicherheit liegenden Blutalkoholkonzentrationen bereitet der forensischen Praxis bereits der Nachweis des objektiven Vorliegens von Fahrunsicherheit erhebliche Probleme, die zu einer kaum noch zu überblickenden Rechtsprechungsvielfalt geführt haben. Auf der Grundlage der heutigen Erkenntnisse der Blutalkoholforschung erweist sich jedoch vor allem der Nachweis der subjektiven Tatbestandsseite als besonders schwierig. Da mit steigender Alkoholbeeinflussung neben den physischen Leistungseinbußen anerkanntermaßen auch erhebliche Persönlichkeitsveränderungen verbunden sind, mißlingt trotz hoher Blutalkoholkonzentrationen häufig der Nachweis einer für die Beurteilung der eigenen Fahrsicherheit und damit für die Vorsatzbildung ausreichenden Kritik- und Selbsteinschätzungsfähigkeit des Fahrzeugführers.Auf der Basis der vorangegangenen Untersuchungen wird im letzten Teil der Arbeit ein umfassender Vorschlag zur Neuregelung des gesamten Sanktionsrechts für alkoholisierte Kraftfahrzeugführer unterbreitet, in dem unter Verzicht auf das Tatbestandsmerkmal der Fahrunsicherheit an bezifferte Blutalkoholwerte als objektive Bedingungen der Strafbarkeit angeknüpft wird.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 14 | ||
Einleitung | 19 | ||
Teil 1: Die Rechtsentwicklung der Alkoholbestimmungen im Verkehrsstrafrecht | 23 | ||
A. Die geschichtliche Entwicklung bis 1945 | 23 | ||
I. Das Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3.5.1909 | 23 | ||
1. § 4 KFG – Entziehung der Fahrerlaubnis | 24 | ||
2. Die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte | 25 | ||
II. Die Kraftfahrzeugverordnung i. d. F. vom 10.5.1932 | 26 | ||
1. § 17 KVO – Verbot der Fahrzeugführung im Zustand alkoholbedingter Fahrunsicherheit | 26 | ||
2. § 51 RStGB – Zurechnungsunfähigkeit | 27 | ||
3. Actio libera in causa | 29 | ||
III. Das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24.11.1933 | 30 | ||
1. § 330a StGB – Vollrauschtatbestand | 30 | ||
2. § 51 StGB – Verminderte Zurechnungsfähigkeit | 32 | ||
3. § 81 a StPO – Körperliche Untersuchung, Blutprobe | 32 | ||
IV. Die Reichsstraßenverkehrsordnung vom 28.5.1934 | 33 | ||
1. § 1 II RStVO | 34 | ||
2. § 25 RStVO | 35 | ||
V. Die Straßenverkehrs- und die Straßenverkehrszulassungsordnung vom 13.11.1937 | 35 | ||
1. § 2 StVZO – Eingeschränkte Zulassung | 36 | ||
2. § 1 StVO – Grundregeln | 36 | ||
VI. Die Bedeutung der Blutalkoholkonzentration bis 1945 | 37 | ||
1. Das Blutalkoholbestimmungsverfahren nach Widmark | 37 | ||
2. Der Beweiswert der Blutalkoholkonzentration in der Rechtsprechung | 38 | ||
B. Die Rechtsentwicklung nach 1945 | 40 | ||
I. Das erste Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19.12.1952 | 41 | ||
1. § 315a – Verkehrsgefährdung | 41 | ||
2. Das Verständnis des Begriffs der Gemeingefahr in Rechtsprechung und Literatur | 43 | ||
3. Der Vorschlag eines abstrakten Gefährdungsdeliktes | 46 | ||
4. Weitere Neuregelungen | 48 | ||
II. Der Beweiswert der Blutalkoholkonzentration in der Rechtsprechung nach 1945 bis zum Urteil des BGH vom 5.11.1953 (BGHSt 5, 168) | 49 | ||
1. Terminologische Unsicherheiten | 49 | ||
2. Die Rechtsprechung des BGH | 51 | ||
3. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und die Ansicht der Literatur | 53 | ||
4. Die Bedeutung des Sachverständigengutachtens | 54 | ||
III. Die Einführung der „absoluten“ Fahrunsicherheit bei 1,5‰ durch das Urteil des BGH vom 5.11.1953 (BGHSt 5, 168) | 55 | ||
1. Darstellung | 55 | ||
2. Stellungnahme | 57 | ||
3. Reaktion von Rechtsprechung und Literatur | 59 | ||
IV. Das Gutachten des Bundesgesundheitsamtes aus dem Jahre 1955 | 60 | ||
1. Methoden zur Blutalkoholbestimmung | 60 | ||
2. Blutalkoholkonzentration und Fahrunsicherheit | 62 | ||
3. Stellungnahme | 63 | ||
4. Reaktion von Rechtsprechung und Literatur | 65 | ||
5. Die Denkschrift der Deutschen Gesellschaft für gerichtliche und soziale Medizin aus dem Jahre 1961 | 67 | ||
V. Die ersten zwei Teilgutachten des Bundesgesundheitsamtes aus den Jahren 1962 und 1963 | 69 | ||
1. Empfehlung eines Gefahrengrenzwertes in Höhe von 0,8‰ | 69 | ||
2. Empfehlung eines Grenzwertes der absoluten Fahrunsicherheit in Höhe von 1,2‰ | 71 | ||
3. Reaktion von Rechtsprechung und Literatur | 72 | ||
VI. Das zweite Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 26.11.1964 | 74 | ||
1. Das Gesetzgebungsverfahren | 75 | ||
2. § 316 StGB – Trunkenheit im Verkehr | 77 | ||
3. § 315c StGB – Gefährdung des Straßenverkehrs | 77 | ||
4. Sonstige Neuregelungen | 79 | ||
VII. Das dritte Teilgutachten des Bundesgesundheitsamtes aus dem Jahre 1966 | 80 | ||
1. Darstellung | 80 | ||
2. Reaktion von Rechtsprechung und Literatur | 81 | ||
3. Stellungnahme zum Gesamtgutachten | 82 | ||
VIII. Die Herabsetzung des Grenzwertes auf 1,3‰ durch den Beschluß des BGH vom 9.12.1966 (BGHSt 21, 157) | 84 | ||
1. Darstellung | 84 | ||
2. Reaktionen und Stellungnahme | 86 | ||
3. Die Rückwirkungsproblematik | 88 | ||
IX. Die Einführung des § 24a StVG durch das Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 20.7.1973 | 93 | ||
1. Das Gesetzgebungsverfahren | 94 | ||
2. Der Sicherheitszuschlag im Rahmen des § 24a SVG | 97 | ||
3. Maßgeblichkeit der Körperalkoholkonzentration auch beim Grenzwert der absoluten Fahrunsicherheit (BGHSt 25, 246) | 99 | ||
X. Die „Legalisierung“ der Rechtsprechung zur Frage zweifelhafter Schuldunfähigkeit bei der Rauschtat | 100 | ||
XI. Das Gutachten des Bundesgesundheitsamtes aus dem Jahre 1977 | 102 | ||
XII. Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Promillegrenzen | 103 | ||
XIII. Die Herabsetzung des Grenzwertes auf 1,1‰ durch den Beschluß des BGH vom 28.6.1990 (BGHSt 37, 89) | 109 | ||
1. Vorankündigung Salgers, Reaktionen und Entscheidungsgründe | 109 | ||
a) Herabsetzung des Grundwertes auf 1,0 Promille | 109 | ||
b) Das Gutachten des Bundesgesundheitsamtes zum Sicherheitszuschlag aus dem Jahre 1989 und dessen Herabsetzung auf 0,1 Promille | 113 | ||
c) Der Grenzwert der absoluten Fahrunsicherheit als Beweisregel | 118 | ||
2. Reaktion von Rechtsprechung und Literatur | 121 | ||
XIV. Reformüberlegungen im Gefolge der Wiedervereinigung | 124 | ||
XV. Ergänzung des § 24a StVG um eine gesonderte 0,5-Promillegrenze | 125 | ||
C. Zusammenfassung | 128 | ||
Teil 2: Die gegenwärtige Rechtslage | 130 | ||
A. Sanktionierung alkoholisierter Kraftfahrzeugführer de lege lata | 130 | ||
I. Die äußeren Tatbestände des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts | 131 | ||
1. Blutalkoholkonzentrationen bis 0,3 ‰ | 133 | ||
2. Blutalkoholkonzentrationen von 0,3‰ bis 1,1‰ – §§ 316, 315c I Nr. 1 a StGB | 134 | ||
a) Führen eines Fahrzeugs | 134 | ||
b) Alkoholbedingte Fahrunsicherheit | 136 | ||
aa) Feststellung nach den Grundsätzen der relativen Fahrunsicherheit | 137 | ||
bb) Stellungnahme | 143 | ||
c) Konkrete Gefahr i.S.v. § 315c StGB | 145 | ||
aa) Gefährdungsgrad | 146 | ||
bb) Ursachenzusammenhang | 149 | ||
3. Blutalkoholgehalt von 0,5 bis 0,8 ‰ und 0,8 bis 1,1 ‰ | 151 | ||
a) Anwendungsbereich des § 24a StVG | 151 | ||
b) Führen eines Kraftfahrzeugs | 154 | ||
4. Blutalkoholgehalt über 1,1‰ | 157 | ||
a) Beweisgrenzwert für Kraftfahrzeugführer | 157 | ||
b) Beweisgrenzwerte für andere Verkehrsteilnehmer | 158 | ||
II. Der subjektive Tatbestand | 162 | ||
1. Fahrunsicherheit als Bezugspunkt des Vorsatzes | 162 | ||
a) Vorsatzfeststellung auf der Grundlage der h.M. | 163 | ||
b) Alternative Ansätze | 169 | ||
aa) Abstellen auf die Trinkmenge | 170 | ||
bb) Trinken in Fahrbereitschaft | 172 | ||
cc) Fahrunsicherheit als Begleitwissen | 172 | ||
dd) Die Position Schnebles | 177 | ||
c) Stellungnahme | 180 | ||
2. Fahrunsicherheit als Bezugspunkt des Fahrlässigkeitsvorwurfs | 183 | ||
a) Inhalt des Fahrlässigkeitsvorwurfs nach der h.M. | 183 | ||
b) Stellungnahme | 185 | ||
3. Gefahrengrenzwerte des § 24a StVG als Bezugspunkte des subjektiven Tatbestandes | 191 | ||
III. Schuldrelevante Blutalkoholkonzentrationen (ab 2,0‰) | 193 | ||
1. §§ 20, 21 StGB | 193 | ||
2. actio libera in causa | 197 | ||
3. Der Vollrauschtatbestand – § 323a StGB | 201 | ||
a) Rauschbegriff | 202 | ||
b) Die im Rausch begangene Tat | 204 | ||
4. Ergebnis | 209 | ||
B. Zusammenfassung | 210 | ||
Teil 3: Neuregelung der Sanktionstatbestände für alkoholisierte Kraftfahrzeugführer | 213 | ||
A. Verfassungsrechtliche Aspekte des Reformbedarfs | 213 | ||
I. Verfassungsmäßigkeit der Strafnormen | 213 | ||
II. Verfassungskonformität der Anwendung der Vorschriften durch die Strafgerichte | 216 | ||
1. Analogieverbot | 217 | ||
2. Willkürverbot | 219 | ||
3. Rückwirkungsverbot | 219 | ||
4. Zusammenfassung | 221 | ||
B. Reformvorschlag | 221 | ||
I. Bestimmung der Gefahrengrenzwerte | 222 | ||
1. Absolutes Alkoholverbot | 222 | ||
2. Einheitlicher Gefahrengrenzwert | 228 | ||
a) Einheitlicher Grenzwert im Ordnungswidrigkeitenrecht | 228 | ||
b) Einheitlicher Grenzwert im StGB | 231 | ||
3. Die Grenzwerte im einzelnen | 233 | ||
a) Grundwert und Sicherheitszuschlag | 234 | ||
b) Festlegung der strafbewehrten Gefährdungsgrenze | 236 | ||
aa) Höhe des Grenzwertes | 236 | ||
bb) Kreis der einzubeziehenden Verkehrsteilnehmer | 239 | ||
c) Festlegung der Höhe des bußgeldbewehrten Grenzwertes | 243 | ||
aa) Gefährlichkeit geringer Alkoholmengen | 244 | ||
bb) „Konsumsperre“ | 247 | ||
cc) Gedanke der Rechtsangleichung | 248 | ||
dd) Politische Durchsetzbarkeit | 249 | ||
4. Gesonderter Grenzwert der Atemalkoholkonzentration | 250 | ||
II. Sanktionsvoraussetzungen | 256 | ||
1. Bestimmung der Tathandlung | 256 | ||
a) Anknüpfung an Trinkmenge | 257 | ||
b) Vorverlegung des Gefahrenbereichs | 260 | ||
2. Die BAK-Werte als objektive Bedingung der Strafbarkeit | 262 | ||
3. Ergebnis | 270 | ||
III. Eingliederung der Neuregelung in die bestehende Gesetzessystematik | 271 | ||
1. Beibehaltung der rauschmittelbedingten relativen Fahrunsicherheit | 271 | ||
2. Einführung eines absoluten Verbotes ausgewählter Drogen in § 24a StVG | 273 | ||
3. Wegfall der alkoholbedingten relativen Fahrunsicherheit | 275 | ||
4. Wegfall des § 315c I Nr. 1 a StGB | 278 | ||
5. Verhältnis der Neuregelungen der §§ 316 StGB und 24a StVG zu §§ 315c I Nr. 1 b, Nr. 2 StGB und 2 I StVZO | 279 | ||
a) Wegfall des § 315c I Nr. 1 b StGB | 280 | ||
b) Verhältnis der Neuregelungen zu § 2 I StVZO | 282 | ||
6. Straf- und Bußgeldrahmen der Neuregelung | 282 | ||
7. Ergebnis | 283 | ||
Schlußbetrachtung | 285 | ||
Literaturverzeichnis | 288 | ||
Sachwortverzeichnis | 306 |