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Held-Daab, U. (1996). Das freie Ermessen. Von den vorkonstitutionellen Wurzeln zur positivistischen Auflösung der Ermessenslehre. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-48643-4
Held-Daab, Ulla. Das freie Ermessen: Von den vorkonstitutionellen Wurzeln zur positivistischen Auflösung der Ermessenslehre. Duncker & Humblot, 1996. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-48643-4
Held-Daab, U (1996): Das freie Ermessen: Von den vorkonstitutionellen Wurzeln zur positivistischen Auflösung der Ermessenslehre, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-48643-4

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Das freie Ermessen

Von den vorkonstitutionellen Wurzeln zur positivistischen Auflösung der Ermessenslehre

Held-Daab, Ulla

Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 706

(1996)

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Abstract

Die heutige Lehre vom Verwaltungsermessen schreibt Begriffe und Aussagen fort, die im Streit um die Bindung der monarchischen Exekutive an das konstitutionelle Gesetz und in der Auseinandersetzung um die Verwaltungsgerichtsbarkeit entwickelt wurden. Die vorliegende Arbeit fragt nach den Bedingungen und nach der Rechtfertigung dieser dogmatischen Kontinuität.

Die Gegenüberstellung von rechtlich nur begrenztem Verwaltungsermessen und rechtlich gebundenem richterlichen Ermessen wurzelt schon in der vorkonstitutionellen Staatsrechtslehre. Justiziable Grenzen des Verwaltungsermessens werden in der spätkonstitutionellen Diskussion um die Verwaltungsgerichtsbarkeit entfaltet. Fragestellung und Lösungsansätze werden durch das rechtsschutzpolitische Erkenntnisinteresse und das konstitutionelle Rechts- und Staatsverständnis bestimmt. Rechtsbindung wird nur als Gesetzesbindung, und diese nur als Vorrang des Gesetzes wahrgenommen. Auslegungsmethodische Standards werden durch den Vorbehalt administrativer Sachverhaltswürdigung unterlaufen.

Eine immer weiter ausdifferenzierte Ermessensfehlerlehre muß die Verkürzung der Rechtsbindung ausgleichen. Damit und mit der Lehre vom unbestimmten Rechtsbegriff gelingt es zwar, den Rechtsschutz auszuweiten. Die Ermessensdogmatik bleibt aber von Unstimmigkeiten und Brüchen gekennzeichnet. Das überholte Modell logisch eindeutig determinierter Rechtsanwendung bildet ihre methodische Grundlage. Ihr staatstheoretischer Hintergrund sind vorkonstitutionelle Gewaltenteilungsvorstellungen und das Bild einer vorrechtlich begründeten Staatsgewalt.

Erst die positivistische Ermessenslehre Kelsens und Merkls befreit die rechtswissenschaftliche Methode vom Einfluß konstitutioneller Rechts- und Staatslehre, indem Ermessen als notwendiger Spielraum bei der Normkonkretisierung begriffen wird. Die herrschende Lehre hat die Auseinandersetzung mit diesem Ansatz bis heute versäumt. Sie nachzuholen, würde erlauben, die Diskussion auf die Probleme der Auslegung vager Tatbestandsmerkmale und die Systematik möglicher Rechtsfehler zu konzentrieren und eine stimmige Ermessensdogmatik zu erarbeiten, die das Ermessen in der Lehre von der Rechtsanwendung auflöst.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 5
Inhaltsverzeichnis 7
Einleitung 13
Α. Die vor- und frühkonstitutionellen Wurzeln 20
I. Der Ermessensbegriff in der Reichspublizistik und der Territorialstaatsrechtslehre 21
1. Bedeutungsmerkmale des Ermessensbegriffs im allgemeinen und im juristischen Sprachgebrauch 21
2. Das Ermessen des Landesherrn in der Ausübung seiner Hoheitsgewalt 23
a) Voraussetzungen 23
aa) Abgrenzung zu ständischen Mitwirkungsrechten 24
bb) Abgrenzung zur Entscheidungszuständigkeit der Gerichte 25
aaa) Die Zuständigkeit der Reichsgerichte 25
bbb) Die Zuständigkeit der Territorialgerichte 30
(1) Die Zuständigkeit der Justizkollegien 30
(2) Die Kammerjustiz 34
cc) Materiellrechtliche Bezüge des Ermessensbegriffs 36
aaa) Ermessen als Gegensatz zur Rechtsbindung 37
bbb) Ermessen als Charakteristikum polizeilichen Handelns 39
b) Leitlinien und Grenzen der Ermessensausübung 41
aa) Klugheitsregeln und Kriterien der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit als Leitlinien der Ermessensausübung 42
bb) Positives Recht und Mißbrauch der Hoheitsgewalt als Grenzen des landesherrlichen Ermessens 43
aaa) Positivrechtliche Grenzen 43
bbb) Der Mißbrauch der Landeshoheit 44
3. Das richterliche Ermessen 47
II. Die Begriffsverschiebung zu Beginn des 19. Jahrhunderts 53
1. Ermessen als Kompetenz zur justizfreien politischen Entscheidung 53
a) Die Reduzierung des Privatrechtsbegriffs und die Argumentation mit der landesherrlichen Souveränität 54
b) Das Gewaltenteilungsargument 57
2. Ermessen als Gegensatz zur positivrechtlichen Bindung der Hoheitsgewalt 61
III. Die Kontinuität des Ermessensbegriffs im Frühkonstitutionalismus und unter der Paulskirchenverfassung 65
IV. Zusammenfassung 68
B. Die Entfaltung der spätkonstitutionellen Ermessenslehre 70
I. Die Ansatzpunkte: Rechtsstaatslehren und Verwaltungsgerichtsgesetze 70
1. Rechtsstaatlich begründete Ansätze zu einer Revision der Ermessenslehre 71
a) Lorenz v. Stein oder Das verfassungsmäßige Verwaltungsrecht 71
b) Otto Bähr oder Die Auslegungslehre im Dienst der Verwaltung 74
c) Friedrich Franz Mayer oder Ermessensgrenzen à la Française 79
d) Rudolf v. Gneist oder Die willkürfreie Maßbestimmung 84
e) Die gemeinsamen Perspektiven 88
aa) Das Rechtsstaatsargument als Surrogat verfassungsrechtlicher Forderungen 88
bb) Die Neubestimmung des Verhältnisses von Rechtsbindung und Ermessen 92
aaa) Das positive Recht als Ermessensgrenze 93
bbb) Die Reduzierung der Rechtsanwendungsfehler auf die Wortlautverfehlung 94
cc) Die Renaissance der Mißbrauchslehre 96
2. Das freie Ermessen als Grund für die Unzuständigkeit der Verwaltungsgerichte 99
a) Der Ausschluß verwaltungsgerichtlicher Ermessenskontrolle 102
b) Die Sonderstellung der Tatsachenkontrolle 110
II. Die Entwicklung zur herrschenden Ermessenslehre 113
1. Die konventionelle Verkürzung der Fragestellung 114
a) Die Identifikation von Rechts- und Gesetzesbindung 114
b) Die Konzentration auf das Verwaltungsermessen und die Rechtsschutzperspektive 116
c) Das Gesetz „nur" als Schranke des Verwaltungsermessens 117
aa) Die Identifikation von Gesetzesbindung und Gesetzesvorrang 118
bb) Die Verkürzung des Vorrangproblems durch die Kontinuität der Gewaltenteilungsargumentation 121
aaa) Das Gewaltenteilungsargument in der konservativen Lehre 122
bbb) Die Relativierung des Gewaltenteilungsarguments in der positivistischen Staatsrechtslehre 125
ccc) Der Dualismus von richterlichem und freiem Ermessen in der Lehre vom Verwaltungsakt 132
2. Schauplätze und Fortschritte der Diskussion 139
a) Vom Ermessenstatbestand zum unbestimmten Rechtsbegriff 140
aa) Unbestimmte Begriffe als Ermessenseinräumung 141
aaa) Das Argument der gesetzlichen Lücke 141
bbb) Das Argument impliziter gesetzlicher Delegation 146
ccc) Das „technische" Ermessen sachverständiger Tatsachenfeststellung und -würdigung 149
ddd) Zusammenfassung 156
bb) Die Lehre vom unbestimmten Rechtsbegriff 157
aaa) Unbestimmte Begriffe als Tatbestandsvoraussetzung bei der Regelung subjektiver Rechte 157
bbb) Die Konkretisierung unbestimmter Begriffe als Auslegungsproblem 160
ccc) An den Grenzen der Auslegung 165
ddd) Zusammenfassung 167
cc) Kompromisse und Kasuistik – Die Überbrückung des Auslegungsspielraums 167
aaa) Das Brüchigwerden des Dogmas vom eindeutigen Auslegungsergebnis 168
bbb) Walter Jellineks Drei-Sphären-Modell der Anwendung unbestimmter Tatbestandsmerkmale 170
ccc) Die Ausweichstrategien 172
(1) Die Verweislehren 172
(2) Die Begrenzung des Ermessens auf die Ermächtigung zur Zweckkonkretisierung oder Wertung 178
ddd) Zusammenfassung 181
dd) Zwischenergebnis: Die Tendenz zur Reduzierung des Ermessens auf die Rechtsfolgenwahl 183
b) Einschränkungen des Rechtsfolgenermessens 186
aa) Die Emanzipation des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus der Ermessensfehlerlehre 186
aaa) Der Ausgangskonsens: Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit als reine Ermessensfragen 186
bbb) Die Ungeeignetheit als Indiz der Ermessensüberschreitung durch Willkür – Die „Motivkontrolle" des Preußischen Oberverwaltungsgerichts 189
ccc) Eignung und Erforderlichkeit als Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Polizeiverfügung 193
(1) Die Stagnation der Rechtsprechung 193
(2) Die Lehre vom Übermaßverbot oder vom Grundsatz der verhältnismäßigen Abwehr 194
ddd) Zusammenfassung 199
bb) Entwicklung und Funktion der spätkonstitutionellen Ermessensfehlerlehre 201
aaa) Konkretisierungen und Rechtfertigungsversuche 202
(1) Die Ermessensüberschreitung als bösgläubige Dienstpflichtverletzung 203
(2) Die Ermessensüberschreitung als Verstoß gegen rechtliche Zweckbindungen 207
(a) Das Vorbild des excès de pouvoir 207
(b) Die Zweckbindung als „innere" Ermessensgrenze 208
(c) Die Zweckbindung als Grenze zur Zuständigkeits- oder Befugnisüberschreitung 210
(3) Die Ermessensüberschreitung als Fehler im Entscheidungsverfahren 212
bbb) Die Kompensationsfunktion der Ermessensfehlerlehre 220
ccc) Zusammenfassung 222
3. Die Bilanz der herrschenden spätkonstitutionellen Ermessenslehre 223
a) Die Dualismen 223
aa) Die Kontinuität der Gegenüberstellung von gebundenem richterlichen und freiem Verwaltungsermessen 224
aaa) Der Dualismus gebundener und freier Staatstätigkeit 224
bbb) Die Zuordnung zu den Staatsfunktionen 225
bb) Ermessen als Gegenstand rechtlicher Beschränkung oder als Restbereich legalen Entscheidungsspielraums 228
cc) Die Doppelbödigkeit der Fehlerlehre 230
b) Methodische Grundlagen und staatstheoretischer Hintergrund 232
aa) Die Entfaltung positivrechtlicher Bindungen auf dem Boden des dualistischen Rechtsanwendungsmodells 232
bb) Die Lehre von den zwei Seiten des Staates 234
III. Der positivistische Gegenentwurf 236
1. Das einheitliche Rechtsanwendungsmodell: Ermessen als notwendiger Konkretisierungsspielraum im Stufenbau der Rechtsordnung 237
2. Die Auflösung der Dualismen 241
a) Die Relativierung der Gegenüberstellung gebundener und freier Akte 241
b) Die Überwindung des Dualismus von gebundenem richterlichen und freiem Verwaltungsermessen 242
c) Die einheitliche Fehlerlehre 244
3. Die Identität von Staat und Rechtsordnung 246
4. Zusammenfassung 250
IV. Die versäumte Auseinandersetzung 250
C. Zusammenfassung und Ausblick 259
Literaturverzeichnis 264