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Freytag, N. (2003). Aberglauben im 19. Jahrhundert. Preußen und seine Rheinprovinz zwischen Tradition und Moderne (1815-1918). Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50158-8
Freytag, Nils. Aberglauben im 19. Jahrhundert: Preußen und seine Rheinprovinz zwischen Tradition und Moderne (1815-1918). Duncker & Humblot, 2003. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50158-8
Freytag, N (2003): Aberglauben im 19. Jahrhundert: Preußen und seine Rheinprovinz zwischen Tradition und Moderne (1815-1918), Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-50158-8

Format

Aberglauben im 19. Jahrhundert

Preußen und seine Rheinprovinz zwischen Tradition und Moderne (1815-1918)

Freytag, Nils

Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Vol. 22

(2003)

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Abstract

Mit Aberglauben untersucht der Autor Phänomene, welche nach vorherrschendem Verständnis im 19. Jahrhundert allerhöchstens eine untergeordnete Rolle spielten. Die dominierende historische Deutungsperspektive für diese Epoche folgt soziologischen Kategorien wie »Säkularisierung«, »Rationalisierung«, »Intellektualisierung« oder insgesamt einer »Modernisierung«. Eine wirkungsmächtige Metapher ist in diesem Kontext Max Webers Formel von einer »Entzauberung der Welt«. Aber allen säkularen Trends und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz blieben Religion und Kirchen prägende Kräfte. Und auch die Ohnmacht der Medizin gegenüber vielen Krankheiten ließ zahllose überkommene Deutungsmuster fortdauern. Gleichzeitig öffnete der Modernisierungsprozeß das Feld für neue Formen des Aberglaubens und der Magie, die mit scheinbar wissenschaftlichem Zugriff zunächst in bürgerlich-adeligen Kreisen Fuß faßten. So wurzelt die heutzutage vielfach beklagte magische Moderne fundamental im 19. Jahrhundert, dessen kennzeichnende und eigentümliche Mischung aus traditionellen und modernen Elementen sich in den Auseinandersetzungen um Aberglauben wie in einem Brennglas bündelt.

Ermittelt werden kulturelle und soziale Leitbilder der Gruppen, die Aberglaubenszuweisungen vornahmen, sowie derjenigen, die mit diesem Begriff diskreditiert werden sollten. Dabei sind drei wesentliche Ergebnisse hervorzuheben. Erstens fügt sich der Aberglaubensvorwurf in Volkskulturkonzepte, indem er sich für die aufgeklärten Kritiker als herausragendes kulturpolitisches Schlagwort erwies, um sich der eigenen religiösen, medizinischen oder wissenschaftlichen Normen zu vergewissern. Zweitens lassen sich vor- und antiaufklärerische Tendenzen im 19. Jahrhundert erstmals systematisch verfolgen. Wenn man Aberglauben als Problem ernst nimmt, dann setzte eine Breitenwirkung der Aufklärung nur langsam ein. Dieser Prozeß war zudem von vielen Rückschlägen und Verzögerungen begleitet. Drittens zeigen die Konflikte um den animalischen Magnetismus und den Spiritismus, daß Aberglauben eben nicht nur an überkommenen Werten gemessen werden kann. Das gilt insbesondere, wenn man in den Blick nimmt, daß sich die neuen (halb)wissenschaftlichen Verfahren phasenweise in die Wissenschaftslandschaft einfügten und an den Universitäten etablierten.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 5
Inhaltsverzeichnis 7
Abkürzungsverzeichnis 10
I. Einleitung 13
1. Abergläubisch-magische Bezeichnungen und Bedeutungen 18
2. Forschungsstand 21
3. Quellen und Gliederung 30
II. Rechtliche Grundlagen und juristische Diskussionen um Aberglauben 34
1. „Abergläubige Gaukeleyen" und „Gewinnsucht" im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten 35
2. „Öffentlichkeit" und „öffentliches Gesundheitswohl" im Rheinischen Recht 41
3. „Kurpfuscherei", „grober Unfug" und „freie Willensbildung": Die Strafgesetzbücher von 1851 und 1871 45
4. Volkskundliche Kriminalistik oder: Darf man Gespenster mißhandeln? 49
5. Kirchenrechtliche und -politische Grundlagen im Wandel zur Moderne 57
III. Populäre Frömmigkeit zwischen Einhegung und Unterdrückung 66
1. Religiöser Aberglauben in der Debatte: Relikt- und Regressionstheorien 69
2. Die Dominanz der Traditionen: Wallfahrten und Prozessionen 80
a) Vormärzliche Wallfahrten zwischen Eigenregie und defensiver Inszenierung 82
b) Tauziehen um „hergebrachte" Traditionen: Wallfahrten und Prozessionen bis zum Ersten Weltkrieg 98
3. Religiöse Mißbräuche und Umtriebe: „Vorkommnisse der finstersten Zeit blödesten Aberglaubens" 115
a) Der amtskirchliche Spagat im Ringen mit religiöser Abweichung 117
b) Staatliche Reaktionen zwischen Aufklärung und Unterdrückung 129
IV. Lektüren und Zensur abergläubischen Schrifttums 139
1. Lektüren oder: Gab es eine „magische Hausväterliteratur"? 141
2. Die Aufsicht auf Verbreitungsorte und -wege abergläubischer Literatur 147
3. Grundlagen der Kontrolle von Gelegenheitsschriften 156
4. Bildungs-, moral- und religionspolitische Zensur im Bemühen um Vergangenheit und Zukunft 164
a) Der „Wunderglauben des gemeinen Volkes" im Fadenkreuz aufklärerischer Zensur 165
b) Die Furcht vor unerwünschter Zukunft: Weissagungen und Prophezeiungen 176
5. Amtskirchliche Strategien im Umgang mit abergläubischem Schrifttum 190
V. Medizinische Konflikte um religiöse Heilmethoden, Laientherapeuten und Volksmittel 201
1. Die preußische Verwaltung und der Kampf gegen medizinischen Aberglauben 203
2. Medizinalpolizeiliche Perspektiven im Umgang mit Laientherapeuten 209
3. Die langwierige Lösung von Krankheiten aus ihrem religiösen Kontext 223
4. Heilungen durch „ungewöhnlich starken religiösen Eindruck" 234
5. Der medizinische Blick auf althergebrachtes Verhalten 244
VI. Verdächtige Neulinge. Animalischer Magnetismus, Hypnose und Spiritismus 252
1. Animalischer Magnetismus zwischen Wissenschaft und Aberglauben 253
a) Staatliche Perspektiven und Reaktionen 255
b) Wissenschaftliche Argumentationsmuster 266
c) Ärzte und ihre magnetische Therapeutik 276
2. Der fließende Übergang zu hypnotischen und suggestiven Therapien 281
3. Spiritistischer Geisterglauben zwischen Aberglauben und wissenschaftlichem Anspruch 295
4. Kirchliche Reaktionen auf „Neuen Aberglauben" 307
VII. Grenzfälle zwischen Volks- und Elitenkulturen 316
1. Die Charité-Karriere des Pferdeknechtes Johann Gottlieb Grabe (1824) 322
2. Die „Beschränktheit der Bewohner der Provinz am Rhein": Heinrich Mohr (1842/43) 333
3. Flesch und Kickertz - Die Blutschwitzerin und ihr Mentor (1873-1877) 344
4. Maria Funken und der Klopfgeist von Eckhausen (1890) 351
5. Wahrsagerin oder Phrenologin? Anna Schulten (1913/14) 357
VIII. Patienten, Publikum, Profite 363
1. Eine „innere heilige Kraft": Aberglauben und Geschlecht 364
2. Kommerzialisierung und Vergnügen 372
3. Laienheiler und bürgerliche Patienten 377
4. Ängste, der fremde Blick und das Eigene 384
5. Aberglauben zwischen Land und Stadt 392
IX. Bilanz 396
X. Quellen- und Literaturverzeichnis 405
1. Archivalische Quellen 405
2. Gedruckte Quellen (bis 1918) 415
3. Zeitgenössische Periodika und Publizistik 431
4. Wörterbücher, Lexika, Biobibliographische Hilfsmittel 431
5. Sekundärliteratur (nach 1918) 433
XI. Anhang 483
Personen- und Ortsregister 491