Leistungsfähigkeit und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips
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Leistungsfähigkeit und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips
Eine rechtsdogmatische und rechtspolitische Studie
Schriften zum Europäischen Recht, Vol. 73
(2001)
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Abstract
Der Autor widmet sich der Frage, inwieweit der Grundsatz der Subsidiarität in gegliederten Gemeinwesen als Maßstab für die Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Ebenen herangezogen werden kann. Dabei greift Wolfram Moersch weit über eine bloße Deutung der Art. 5 II EG und Art. 2 EUV hinaus. Von einem funktionalen Verständnis des Subsidiaritätsprinzips ausgehend, weist der Verfasser nach, daß diesen Grundsatz, der seine Wurzeln gleichermaßen im Liberalismus wie in der katholischen Soziallehre hat, unter anderem ein universeller und normativer Anspruch sowie eine Zielabhängigkeit kennzeichnen. Als auf eine Aufgabenverteilung von »unten nach oben« dringender Grundsatz steht der Subsidiaritätsgedanke in einem grundlegenden Spannungsverhältnis zu den Prinzipien der Gleichheit und des Zentralismus sowie zu dem Gemeinwohl- und Integrationsgedanken. Entgegen verbreiteter Ansicht besteht keine zwingende Verbindung zwischen den Organisationsprinzipien des Föderalismus und der Subsidiarität. Auch in der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung des deutschen Föderalismus hat das Subsidiaritätsprinzip bis heute keine entscheidende Rolle gespielt. Für den Prozeß der europäischen Integration, der vornehmlich durch seine offene Finalität, ein Anwachsen von Gemeinschaftsaufgaben und Mitgliederzahl sowie einen strikten Vorrang der Ökonomie gekennzeichnet ist, hat die Einführung des Subsidiaritätsprinzips als Kompetenzausübungsmaxime zu einem Zielkonflikt geführt, der sich nur durch eine Abkehr vom Streben nach Einheitlichkeit und der Einführung dispositiven Gemeinschaftsrechts, das nationales Recht primär ergänzt und nicht verdrängt, lösen läßt.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 13 | ||
Einleitung | 17 | ||
I. Zur Thematik | 17 | ||
II. Zielsetzung und Konzeption | 20 | ||
Erstes Kapitel: Zur metajuristischen Dimension des Subsidiaritätsprinzips | 23 | ||
A. Aussage, historische und philosophische Grundlagen des Subsidiaritätsprinzips | 23 | ||
I. Aussage | 23 | ||
II. Historische Grundlagen | 25 | ||
1. Die Problematik zeitlicher Fixierung | 25 | ||
2. Der Liberalismus | 26 | ||
a) Immanuel Kant und Wilhelm von Humboldt | 27 | ||
b) Robert von Mohl | 28 | ||
c) Georg Jellinek | 31 | ||
3. Die katholische Soziallehre | 35 | ||
B. Die Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips in politikwissenschaftlicher Perspektive | 39 | ||
I. Vorbemerkung | 39 | ||
II. Das Subsidiaritätsprinzip in der politikwissenschaftlichen Steuerungsdiskussion | 40 | ||
1. Der politikwissenschaftliche Steuerungsbegriff | 40 | ||
2. Polyzentrismus, Neokorporatismus, Delegation und Subsidiarität | 42 | ||
a) Korporatismus oder Neokorporatismus | 43 | ||
b) Delegation und Subsidiarität | 47 | ||
III. Fazit | 49 | ||
C. Ausprägungen und Merkmale | 51 | ||
I. Allgemeines | 51 | ||
II. Das Subsidiaritätsprinzip als Relationsgrundsatz | 51 | ||
III. Anwendungsvoraussetzungen | 54 | ||
1. Bestehen eines Konkurrenzverhältnisses | 54 | ||
2. Bezogenheit auf individualistische Systeme | 55 | ||
IV. Die Ambivalenz des Subsidiaritätsprinzips und ihre Auflösung | 60 | ||
V. Merkmale | 63 | ||
1. Universalität und Normativität | 63 | ||
a) Die Universalität | 63 | ||
b) Die Normativität | 68 | ||
2. Die Dependenz des Subsidiaritätsprinzips von Zweck- und Zielvorgaben | 69 | ||
a) Das Subsidiaritätsprinzip in teleologischen Lehren | 69 | ||
b) Die Orientierungsfunktion von Ziel- und Zwecksetzungen | 71 | ||
aa) Die final-teleologische Handlungslehre | 72 | ||
bb) Zur rechtlichen Bedeutung von Gemeinschaftszwecken | 73 | ||
cc) Die funktionale Systemtheorie | 75 | ||
c) Der Bestimmtheitsgrad der Zwecksetzungen | 77 | ||
VI. Funktionen und Zeitgebundenheit des Subsidiaritätsprinzips | 79 | ||
1. Funktionen | 79 | ||
2. Zeitgebundenheit | 80 | ||
VII. Fazit | 82 | ||
Zweites Kapitel: Das Subsidiaritätsprinzip und die Rechtsordnung des Grundgesetzes | 85 | ||
A. Zum Stand der staatsrechtlichen Diskussion | 85 | ||
I. Methodologische Vorüberlegung | 85 | ||
II. Hauptthesen | 86 | ||
1. Die Annahme des Subsidiaritätsgrundsatzes als allgemeiner Verfassungsgrundsatz | 87 | ||
a) Thesen | 87 | ||
b) Kritik | 88 | ||
2. Ableitungen eines Verfassungsgrundsatzes der Subsidiarität aus konkreten Einzelbestimmungen des Grundgesetzes | 89 | ||
3. Allgemeine Verfassungs- und Rechtsgrundsätze als Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips | 90 | ||
4. Die Ablehnung einer verfassungsrechtlichen Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips | 92 | ||
III. Kritische Würdigung der staatsrechtlichen Diskussion | 93 | ||
1. Die Ableitung des Subsidiaritätsprinzips aus dem Menschenbild des Grundgesetzes | 93 | ||
2. Der Induktionsschluß von einzelnen Grundrechten auf einen Verfassungsgrundsatz der Subsidiarität | 96 | ||
B. Der föderalistische Staatsaufbau als allgemeiner Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips | 102 | ||
I. Die Bewertung im Schrifttum | 102 | ||
II. Die Offenheit des Föderalismusbegriffs | 104 | ||
III. Zur Unterschiedlichkeit der Föderalismuskonzeptionen der USA, der Schweiz und Österreichs | 106 | ||
1. Die Vereinigten Staaten von Amerika | 106 | ||
2 Die Schweizer Eidgenossenschaft | 108 | ||
3. Die Republik Österreich | 109 | ||
C. Der deutsche Föderalismus und das Subsidiaritätsprinzip | 112 | ||
I. Historische Entwicklung bis zum Grundgesetz | 112 | ||
1. Allgemeines | 112 | ||
2. Der Rheinbund | 114 | ||
3. Der Deutsche Bund | 115 | ||
4. Der Norddeutsche Bund | 116 | ||
5. Das Deutsche Reich | 120 | ||
6. Die Weimarer Reichsverfassung | 123 | ||
II. Würdigung der historischen Entwicklung des deutschen Föderalismus unter dem Gesichtspunkt des Subsidiaritätsgedankens | 126 | ||
1. Politische Rahmenbedingungen | 126 | ||
2. Föderalismuskonzeptionen in der deutschen staatstheoretischen Diskussion des neunzehnten Jahrhunderts | 128 | ||
III. Entstehung und Wandel des Föderalismus unter dem Grundgesetz | 134 | ||
1. Artikel 30 GG als Generalklausel der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern | 138 | ||
2. Die Beteiligung des Bundesrates an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes | 141 | ||
IV. Ursachen der Unitarisierung des Bundesstaates | 145 | ||
1. Historische Gründe | 145 | ||
2. Das Legitimationsdefizit des föderalen Prinzips | 146 | ||
3. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 149 | ||
4. Die unitarische Wirkung der Grundrechte | 152 | ||
5. Das Gleichheitspostulat als entscheidende Ursache bundesstaatlicher Unitarisierung | 156 | ||
V. Würdigung der These des Zusammenhangs von Föderalismus und Subsidiarität | 158 | ||
D. Das Institut der kommunalen Selbstverwaltung als Anwendungsfall des Subsidiaritätsprinzips | 163 | ||
I. Selbstverwaltung als organisatorische und kompetentielle Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips | 163 | ||
1. Der Außenbereich | 170 | ||
2. Der Innenbereich | 171 | ||
3. Fazit | 173 | ||
II. Selbstverwaltung und Demokratieprinzip | 175 | ||
III. Zum Verhältnis von Subsidiaritäts- und Demokratieprinzip | 178 | ||
E. Subsidiarität, Gleichheit und Integration | 180 | ||
I. Zum Grundsatz der Subsidiarität | 180 | ||
II. Zum Grundsatz der Gleichheit | 181 | ||
1. Die demokratische Gleichheit | 182 | ||
2. Die Rechtsgleichheit | 184 | ||
3. Die soziale Gleichheit | 185 | ||
4. Grenzen der Umsetzung subsidiärer Strukturen im Gleichheitsstaat | 188 | ||
III. Subsidiarität und Integration | 198 | ||
1. Integration als Staatsaufgabe | 198 | ||
a) Begriff und Funktion des Gemeinwohls | 200 | ||
b) Zur Orientierungsleistung des Gemeinwohlgedankens | 203 | ||
2. Würdigung des Verhältnisses von Integration und Gemeinwohl zur Subsidiarität | 209 | ||
F. Fazit | 210 | ||
Drittes Kapitel: Das Subsidiaritätsprinzip in der Europäischen Union | 214 | ||
A. Allgemeines | 214 | ||
B. Diskussion und Ausprägungen des Subsidiaritätsprinzips in der Rechtsordnung der Europäischen Union | 216 | ||
I. Vorbemerkung | 216 | ||
II. Zum Stand der Diskussion | 217 | ||
1. Schwerpunkte und Hauptargumentationslinien | 217 | ||
a) Das Subsidiaritätsprinzip als Postulat der deutschen Länder | 217 | ||
b) Subsidiarität als Kompromißformel | 226 | ||
c) Erwartungen und Befürchtungen gegenüber dem Subsidiaritätsprinzip | 228 | ||
2. Zur Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips vor dem Maastrichter Vertragswerk | 232 | ||
a) Hauptargumente und Begründungen | 232 | ||
aa) Das Prinzip begrenzter Einzelermächtigung | 232 | ||
bb) Das Einstimmigkeitserfordernis | 235 | ||
cc) Das Prinzip gegenseitiger Anerkennung | 237 | ||
dd) Einzelne Vertragsbestimmungen | 238 | ||
ee) Artikel 130 r Abs. 4 Satz 1 EWGV | 242 | ||
ff) Artikel 249 Abs. 3 EGV | 245 | ||
b) Zusammenfassende Würdigung | 246 | ||
III. Fazit | 247 | ||
C. Grundlagen des bisherigen Integrationskonzeptes | 250 | ||
I. Historische Ausgangslage | 250 | ||
II. Europäischer Bundesstaat als Ziel der Integration? | 258 | ||
III. Konsequenzen der Zieloffenheit des Integrationsprozesses | 266 | ||
IV. Der Primat der Wirtschaft | 271 | ||
1. Konzeption und Entwicklung der Gemeinschaftsverträge | 271 | ||
2. Struktur und Kompetenzordnung des EG-Vertrages | 274 | ||
V. Konsequenzen der wirtschaftlichen Ausrichtung der Integration | 277 | ||
VI. Fazit | 280 | ||
D. Merkmale des Subsidiaritätsprinzips im geltenden Gemeinschaftsrecht | 283 | ||
I. Universalität | 283 | ||
1. Die Anwendungsbeschränkungen des Art. 5 Abs. 2 EGV | 283 | ||
2. Abgrenzungs- und Definitionsprobleme | 284 | ||
a) Einordnung einzelner Politikfelder | 285 | ||
b) Zuordnungskriterien | 287 | ||
3. Würdigung | 289 | ||
a) Kritik der dargelegten Ansichten | 289 | ||
b) Ursachen der Definitionsprobleme | 293 | ||
c) Kriterien zur Bestimmung des Merkmals „ausschließliche Zuständigkeit“ | 295 | ||
II. Normativität und Justitiabilität | 303 | ||
1. Zum Stand der Diskussion | 303 | ||
2. Kritische Würdigung | 305 | ||
3. Die Pflicht zur Begründung | 309 | ||
4. Klagebefugnis und Darlegungslast | 311 | ||
a) Klagebefugte | 312 | ||
b) Darlegungslast | 317 | ||
5. Politische Probleme bei der Anwendung und Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips | 318 | ||
a) Anwendung und Reichweite des Art. 5 Abs. 2 EGV | 318 | ||
b) Zur konkreten Handhabung des Art. 5 EGV | 320 | ||
6. Fazit | 326 | ||
III. Zielabhängigkeit | 329 | ||
1. Ausgangslage | 329 | ||
a) Allgemeines | 329 | ||
b) Integration als übergeordneter Gemeinschaftstopos | 329 | ||
c) Kompetenzübertragungs- oder Kompetenzausübungsregel | 331 | ||
2. „Die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen“ | 333 | ||
a) Der grundlegende Zielkonflikt im Gemeinschaftsrecht | 333 | ||
b) Der Inhalt der Gemeinschaftsziele | 334 | ||
c) Die Definitionsbefugnis | 343 | ||
d) Die „Ebene der Mitgliedstaaten“ | 346 | ||
3. Fazit | 348 | ||
E. Das Verhältnis des Subsidiaritätsprinzips zu anderen Rechtsnormen und -prinzipien | 350 | ||
I. Das Europäische Gemeinschaftsrecht | 350 | ||
1. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EGV | 350 | ||
a) Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Subsidiarität und Proportionalität | 350 | ||
b) Das Verhältnis der Absätze 2 und 3 des Artikels 5 EGV | 353 | ||
2. Der Grundsatz der Gemeinschaftstreue in Artikel 10 EGV und die Auslegungsmaxime des „effet utile“ | 358 | ||
a) Artikel 10 EGV | 358 | ||
b) Die Auslegungsmaxime des „effet utile“ | 360 | ||
II. Artikel 23 des Grundgesetzes | 366 | ||
F. Vorschlag zur Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips im Recht der Europäischen Gemeinschaft | 371 | ||
I. Würdigung bisheriger Lösungskonzepte | 371 | ||
II. Lösungsvorschlag | 378 | ||
III. Begründung | 380 | ||
IV. Folgerungen für die Praxis | 382 | ||
G. Fazit | 385 | ||
H. Ausblick | 387 | ||
I. Zusammenfassung der Ergebnisse in Thesen | 391 | ||
Literaturverzeichnis | 394 | ||
Personen- und Sachverzeichnis | 437 |