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Wandres, T. (2000). Die Strafbarkeit des Auschwitz-Leugnens. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50055-0
Wandres, Thomas. Die Strafbarkeit des Auschwitz-Leugnens. Duncker & Humblot, 2000. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-50055-0
Wandres, T (2000): Die Strafbarkeit des Auschwitz-Leugnens, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-50055-0

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Die Strafbarkeit des Auschwitz-Leugnens

Wandres, Thomas

Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 129

(2000)

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Abstract

Deutschland mehr als ein halbes Jahrhundert nach Hitler: Rechtsextremisten marschieren auf, Nazi-Symbole werden gezeigt, Parolen skandiert. Noch mehr erschrecken die Gewalt- und Haßausbrüche, die sich gegen Ausländer und andere Minderheiten richten. Da scheinen sich die Aktivitäten der Auschwitz-Leugner, die sich selbst "Revisionisten" nennen, bruchlos einzufügen. Hierzulande hat man mit § 130 Abs. 3 StGB reagiert. Der Bestrafung revisionistischer Äußerungen als Beleidigung wird die Bestrafung als Volksverhetzung zur Seite gestellt. Der Autor widmet sich der Frage, ob die Strafbarkeit des Auschwitz-Leugnens mit straf- und verfassungsrechtlichen Grundprinzipien vereinbar ist.

Es wird erläutert, warum die Erkenntnisse der etablierten Zeitgeschichtsforschung der richtige Maßstab dafür sind, ob jemand im Bereich der Geschichte etwas leugnet. Der Stand der Zeitgeschichtsforschung zum Holocaust wird dargestellt, wobei der Schwerpunkt auf den umstrittenen Positionen liegt, den Streitpunkten. Thomas Wandres ergänzt die Erkenntnisse der Zeitgeschichtsforschung durch die Feststellungen, die bundesdeutsche Gerichte in den wenigen Strafverfahren gegen NS-Verbrecher getroffen haben. Der Autor liefert eine umfassende Darstellung des Auschwitz-Leugnens einschließlich der internationalen Verflechtung der "Szene". Danach lassen sich die Erscheinungsformen präzise abgrenzen, was eine praxisgerechte rechtliche Würdigung erleichtert. Eine Darstellung der Rechtslage in zwölf ausländischen Staaten schließt sich an.

Die bloße Geschichtsrevision ist, was ausführlich begründet wird, keine Ehrverletzung. Auch hat sie mangels agitatorischen Gruppenbezugs nicht das Potential, eine Pogromstimmung hervorzurufen. Daher kommt Wandres zu dem Ergebnis, daß keine Bestrafung als Beleidigung oder Volksverhetzung in Frage kommt. Hingegen stellt sich die "Auschwitz-Lüge" - verstanden als Behauptung, "die Juden" hätten die Geschichte verfälscht oder profitierten davon ungerechtfertigt - regelmäßig als Sammelbeleidigung dar und erfüllt zugleich den Volksverhetzungstatbestand. Das gilt erst recht, wenn an die NS-Rassenlehre (wieder-)angeknüpft oder eine aktuelle Pogromstimmung geschürt wird.

Dieses Konzept besteht die verfassungsrechtliche Prüfung. Auch hält es den Vorgaben der personalen Rechtsgutslehre stand, die im Gegenzug eine Bestätigung erfährt. Hingegen würde eine Bestrafung der bloßen Geschichtsrevision vor allem mit der Meinungsfreiheit über Kreuz geraten. Der Autor warnt davor, das Versagen der Strafjustiz bei der Ahndung der NS-Verbrechen durch blinden Eifer bei der Bestrafung der Auschwitz-Leugner wettzumachen, deren Umtriebe durch die Versäumnisse begünstigt wurden, wenn nicht sogar erst möglich geworden sind.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 5
Inhaltsverzeichnis 7
Abkürzungsverzeichnis 14
Einleitung 19
Erster Teil: Auschwitz-Leugnen als gesellschaftliches Phänomen 21
A. Einführung 21
I. Auschwitz und die Zeitgeschichtsforschung 24
1. Historisierung des Nationalsozialismus 25
2. Intentionalismus und Strukturalismus 28
3. Externe Verantwortungszuschreibung 32
4. Singularität des Holocaust 35
5. Unsicherheit der Quellenlage 39
6. Opferzahlen 43
7. Auschwitz-Erklärungen 46
II. Auschwitz und die bundesdeutsche Justiz 50
III. Geschichte als Identifikationsfaktor 54
1. „Bewältigung" der Vergangenheit 55
2. Vergangenheitspolitik und Volkspädagogik 62
IV. Auschwitz-Leugnen als internationales Phänomen 66
B. Erscheinungsformen 70
I. Eine kurze Geschichte des Auschwitz-Leugnens 71
II. Systematisierung der Erscheinungsformen 79
1. Bloßes Auschwitz-Leugnen 80
a) Geschichtskritik oder Geschichtsklitterung? 80
aa) Die Selbstetikettierung ernstgenommen 81
bb) Klare Fälle 82
cc) Weiteres Vorgehen 83
b) Methoden des radikalen Revisionismus 83
aa) Vom Detail aufs Ganze 84
bb) Hochrechnen, Herunterrechnen, Aufrechnen 85
cc) „Untaugliche", „fehlende" und „überlegene" Beweise 86
dd) Pauschale Fälschungsvorwürfe 90
c) Zusammenfassung und Systematisierung 91
2. „Auschwitz-Lüge" 93
3. Ableitung aktueller Konsequenzen aus dem radikal-revisionistischen Geschichtsbild 94
a) Anknüpfen an die nationalsozialistische Rassenideologie 94
b) Hervorrufen aktueller Pogromstimmung 95
C. Terminologie 96
I. Bisherige Bezeichnung der Erscheinungsformen 96
1. „Einfache Auschwitz-Lüge" 96
2. „Qualifizierte Auschwitz-Lüge" 97
II. Neue Bezeichnung der Erscheinungsformen 97
1. Bloße radikale Geschichtsrevision 98
2. Radikale Geschichtsrevision als Instrument persönlichkeitsbezogener Angriffe 98
3. Radikale Geschichtsrevision als Instrument schwerer Rechtsgutsgefährdungen 98
Zweiter Teil: Bisherige strafrechtliche Erfassung des Auschwitz-Leugnens 100
A. Einführung 100
I. Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes 100
1. Beleidigungsunrecht 102
a) Individualbeleidigung 102
b) Beleidigung mehrerer 103
aa) Kollektivbeleidigung 103
bb) Sammelbeleidigung 104
2. Volksverhetzungsunrecht 104
3. Strafprozessuale Besonderheiten 105
II. Gesetzgebungsgeschichte bis zum Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994 105
1. 1960 - Der Volksverhetzungstatbestand entsteht 106
2. 1985 - Das Antragsrecht der Beleidigungstatbestände wird modifiziert 110
3. 1994 - Die Spezialvorschrift § 130 Abs. 3 StGB wird geschaffen 113
B. Stand der strafrechtlichen Erfassung des Auschwitz-Leugnens 123
I. Die Rechtslage vor dem Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994 123
1. Rechtsprechung 123
a) Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) 123
b) Volksverhetzung (§ 130 a.F. StGB) 128
2. Literatur 129
a) Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) 130
b) Volksverhetzung (§ 130 a.F. StGB) 132
II. Das Verbrechensbekämpfungsgesetz 1994 134
1. Der Regelungsgehalt des neuen § 130 StGB 134
2. Die Reaktion auf den neuen § 130 StGB 139
C. Strafrechtliche Erfassung des Auschwitz-Leugnens im Ausland 142
I. Die Rechtslage in ausgewählten Staaten 142
1. Belgien 143
2. Dänemark 144
3. Frankreich 145
4. Großbritannien 148
5. Kanada 149
6. Luxemburg 150
7. Niederlande 151
8. Österreich 152
9. Schweden 153
10. Schweiz 154
11. Tschechien 155
12. USA 156
II. Unterschiede und Gemeinsamkeiten 157
Dritter Teil: Neukonzeption der strafrechtlichen Erfassung des Auschwitz-Leugnens 160
A. Die Rechtsgutslehre als „strafrechtliches Verfassungsrecht" 161
I. Überblick über den Stand der Rechtsgutslehre 163
II. Die personale Rechtsgutslehre als Maßstab „richtiger" Strafgesetze 167
1. Individualrechtsgüter 169
2. Universalrechtsgüter 170
3. Sonderfälle 172
III. Zusammenfassung und Stellungnahme 174
B. Strafbarkeit des Auschwitz-Leugnens 177
I. Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) 177
1. Geschütztes Rechtsgut 177
a) Handlungs-und Verletzungsobjekt 179
b) Inhaltsbestimmung 180
aa) Schwerpunkt im Faktischen 181
bb) Schwerpunkt im Normativen 182
cc) Integration der beiden Aspekte des Ehrbegriffs 184
2. Tatbestandsmäßige Handlung 184
a) § 185 StGB (Beleidigung i.e.S.) 186
aa) Bloße radikale Geschichtsrevision 186
(1) Absprechen des Opferschicksals 188
(2) Inzidenter Lügenvorwurf 190
(3) Korrektur durch § 194 Abs. 1 StGB? 191
(4) Nachgeborene als Beleidigungsopfer? 192
(5) (Zwischen-)Ergebnis 194
bb) Radikale Geschichtsrevision als Instrument persönlichkeitsbezogener Angriffe 195
cc) Radikale Geschichtsrevision als Instrument schwerer Rechtsgutsgefährdungen 196
b) §§ 186 f. StGB (Üble Nachrede, Verleumdung) 196
aa) Historische Wahrheit 198
bb) „Geschichtsfälschung" 198
c) (Zwischen-)Ergebnis 200
3. Beleidigung von Personenmehrheiten 201
a) Kollektivbeleidigung 202
b) Sammelbeleidigung 203
aa) „Große" Gruppen 204
bb) Gesellschaftliche Minderheiten 204
4. Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) 207
5. Strafantrag (§ 194 StGB) 208
6. Ergebnis 209
II. Volksverhetzung (§ 130 StGB) 210
1. Geschütztes Rechtsgut 211
a) Originäre statt abgeleitete Inhaltsbestimmung 212
b) Öffentlicher Friede 213
aa) Gesellschaftsorientierter Friedensbegriff 214
bb) Gefahrorientierter Friedensbegriff 216
(1) Hypothetischer Polizeibeamter 218
(2) Doppelter Gefahrbegriff 221
c) Andere Rechtsgüter 222
d) Vorverlegung von Rechtsgüterschutz 224
aa) Konkretes Gefährdungsdelikt 224
bb) Abstraktes Gefährdungsdelikt 225
2. Tatbestandsmäßige Handlung 228
a) § 130 Abs. 3 StGB 228
aa) Abstrakter Gefährdungstatbestand 229
(1) Gesetzeswortlaut: „Leugnen" oder „Verharmlosen" nationalsozialistischer Völkermordhandlungen 229
(2) Einschränkende Auslegung bereits des Gefährdungstatbestandes 231
(3) Gesetzessystematik 233
(4) Genetische und historische Aspekte 234
(5) Teleologische Aspekte 235
(6) Korrektur durch weitergehende Ziele des Gesetzgebers? 237
(a) Sonderfall der Sammelbeleidigung 238
(b) Schutz der historischen Wahrheit 239
(c) Tabuschutz 242
(d) Resümee 244
(7) Reichweite der Tatbestandsalternative „Verharmlosen" 245
(8) (Zwischen-)Ergebnis 246
bb) Geeignetheit zur Friedensstörung 247
(1) Erscheinungsformen 2 und 3 249
(2) Erscheinungsform 1 251
(a) Totalleugnung des Holocaust 251
(b) Leugnung der Gaskammertötungen 253
(3) (Zwischen-)Ergebnis 255
b) § 130 Abs. 1 StGB 256
aa) Erscheinungsformen 1 und 3 256
bb) Erscheinungsform 2 257
cc) (Zwischen-)Ergebnis 259
3. Besonderheiten des Verbreitens von Schriften 260
4. Anwendung des § 86 Abs. 3 StGB 262
a) Mündliche Äußerungen und identifizierende schriftliche Darlegungen 262
b) Verbreiten von Schriften etc. 263
c) Resümee 263
III. Sonderproblem: Der Überzeugungstäter 264
1. Maßgeblicher Personenkreis 265
2. Juristische Konsequenzen 266
a) Tatbestands-, Rechtfertigungs- oder Schuldlösung 266
b) Strafzumessung 268
IV. Zusammenfassung und Konkurrenzen 269
C. Strafprozeß: Allgemeinkundigkeit des Holocaust 270
Vierter Teil: Verfassungsmäßigkeit des Strafrechts gegen das Auschwitz-Leugnen 275
A. Bestimmtheitsgebot, Art. 103 Abs. 2 GG 275
B. Meinungsfreiheit, Art 5 Abs. 1 GG 276
I. Schutzbereichsbestimmung 277
1. Werturteile 277
2. Tatsachenbehauptungen 278
a) Grundsatz der Nichteinbeziehung bewußt oder erwiesen unwahrer Tatsachenbehauptungen 278
b) Historische „Tatsachen"-Behauptungen 280
3. Resümee 284
II. Eingriff 285
III. Schranken 286
1. Art. 5 Abs. 2 GG 286
a) „Allgemeine Gesetze" 287
aa) Überblick 287
(1) Formale Kriterien 287
(2) Materiale Kriterien 288
(3) Kombination von formalen und materialen Kriterien 289
bb) Eigene Lösung 290
cc) Resümee 292
(1) Hier vertretene Lösung (Strafbarkeit der Erscheinungsformen 2 u. 3) 292
(2) Abzulehnende erweiterte Auslegung (Strafbarkeit der Erscheinungsform 1) 293
b) Recht der persönlichen Ehre 294
aa) Hier vertretene Lösung (Strafbarkeit der Erscheinungsformen 2 u. 3) 294
bb) Abzulehnende erweiterte Auslegung (Strafbarkeit der Erscheinungsform 1) 294
(1) Übliche Schrankenanwendung 294
(2) Spezifisch verfassungsrechtlicher Ehrbegriff? 295
2. Verfassungsimmanente Schranken 296
a) Staatssymbol „Auschwitz" 297
b) „Wehrhafte Demokratie" 298
c) Resümee 300
C. Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 Abs. 3 GG 300
I. Schutzbereich und Eingriff 300
II. Resümee 302
D. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Betrachtung 303
Zusammenfassung und Ausblick 304
Literaturverzeichnis 308
Sachwortregister 332