Das letzte Wort
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Das letzte Wort
Der Richter späte Gewalt
(2003)
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Abstract
Die Judikative wird bisher vor allem in ihrer Unabhängigkeit betrachtet, im Übrigen in den Einzelheiten ihrer Organisation und ihres prozessualen Wirkens. Es gilt jedoch, sie als solche systematisch vertiefend zu untersuchen: Ist dies eine »Verfassungsgewalt«? Das wird hier versucht, in der Begründung vor allem folgender Thesen:- Rechtsprechende Tätigkeit lässt sich in der Vielfalt ihrer Rechtswirkungen nicht erfassen. Funktional ist eine »Dritte Gewalt« nicht zu definieren.- Am nächsten kommt dem noch der Hinweis auf das »Letzte Wort«, das den Richtern vorbehalten ist. »Unabhängig« ist auch manch andere Staatsinstanz.- Die Gerichtsbarkeit ist wesentlich und vielfach »verschränkt« mit Legislative und Administrative, deren Entscheidungen sie verendgültigt.- Richterrecht ist notwendig; »Gesetz« ist für den Bürger das abschließende Richterwort.- Verfassungsgerichtsbarkeit ist eine Form der Judikative sui generis, etwas wie eine eingeschränkte Verfassungsgesetzgebung, verfassungssouverän im Sinne des Dezisionismus.- »Macht der Richter« gibt es als solche so wenig wie einen »Richterstaat«. Dem auf den Einzelfall gerichteten Richtertum ist (durch)brechend-flächendeckender Gewalteinsatz fremd. Richter handeln kaum je machtbewusst.- Gerichte sind Instanzen »moralisierender« Staatsgewalt. Doch aus Moral erwächst nicht Richtermacht.- Richterliche Gewalt kommt notwendig und überzeugend spät - oft zu spät. Dies nimmt ihr entscheidend Mächtigkeit, die sie mit Recht der Gründlichkeit opfert.- Richter brauchen nicht Reformen, sondern Ruhe.Aus dem Vorwort
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
A. Rechtsprechende Gewalt – Judikative als Verfassungs-Pouvoir | 13 | ||
I. Die Richter – nächste Gewalt beim Bürger, auch beim Volk? | 14 | ||
1. „Gewalt“ als Zwangsmacht | 14 | ||
2. Judikative als verdeckte Reservegewalt | 15 | ||
3. Richtermacht als „flächendeckende Gewalt“? | 16 | ||
II. Der „Richterstaat“ – historisch-dogmatische Bewusstwerdung einer Judikative als Gewalt | 18 | ||
1. Die Antike: Richtertum in „Staats-Dimension“ | 18 | ||
2. Feudalismus: Vom Richterkönigtum zum Aufstand der Legisten | 21 | ||
3. Die Bewusstwerdung der Richterlichen Gewalt im Konstitutionalismus | 24 | ||
4. Die Bewusstwerdung des Richterstaats in der Verfassungsgerichtsbarkeit | 27 | ||
5. Die Behandlung der „Richterlichen Gewalt“ in der Verfassungsdogmatik – fehlende Gewaltspezifik | 29 | ||
III. Judikative und „Gewalt als Verfassungsbegriff“ | 32 | ||
1. Funktionales oder organisatorisches Verständnis des Gewaltbegriffs | 32 | ||
2. Montesquieus Gewaltbegriff – funktional gedacht | 34 | ||
3. Das organhafte Verständnis der „Gewalt“ – Anleihe bei Parlament und Regierung | 35 | ||
4. „Den Richtern anvertraute rechtsprechende Gewalt“ – eine Verfassungstautologie? | 36 | ||
B. Funktionale Kriterien der rechtsprechenden Gewalt – das „Wesen des Richtens“ | 39 | ||
I. Judikative als Rechtsanwendung? | 39 | ||
1. Der Richter als „Normsprecher“? | 39 | ||
2. Rechtsanwendung auch durch andere Staatsorgane | 40 | ||
II. „Kontradiktorisches Verfahren“ – eine Besonderheit des Richtens? | 43 | ||
1. Gerichtliche Verfahrensgrundsätze als Verfassungsrecht | 43 | ||
2. Parlamentarische Kontradiktorietät | 44 | ||
3. Administrative Kontradiktorietät | 46 | ||
III. Rechtsprechende Gewalt als „Macht des Letzten Wortes“ | 47 | ||
1. Das „Letzte Wort“ des Richters – Recht der „endgültigen Antwort“ auf Rechtsfragen | 48 | ||
2. Die Unabänderlichkeit der Entscheidung – Richten für die Vergangenheit | 50 | ||
3. Richterliche Gewalt im Dialog mit anderen Rechts-Gewaltträgern | 55 | ||
4. Exkurs: Rückwirkung der Gesetze und Gerichtsbarkeit für die Vergangenheit | 58 | ||
5. Die Verfassungsgerichtsbarkeit – eine neue Dimension Richterlicher Gewalt | 59 | ||
6. Die Gerichtsbarkeit: in ihrem „Letzten Wort“ Verfassungssouverän? Eine dezisionistische Betrachtung | 63 | ||
IV. Die Judikative als „neutrale Gewalt“ | 67 | ||
1. Gerichtsbarkeit als Pouvoir neutre | 68 | ||
2. Richterliche Neutralität – auch anderer Verfassungsgewalten | 71 | ||
a) Parlament – eine „unbeteiligte“, richterliche Instanz | 71 | ||
b) Die richterähnliche Administrative im Rechtsstaat | 75 | ||
c) Das Staatsoberhaupt – traditioneller Pouvoir neutre | 77 | ||
V. Judikative: wesentlich unabhängige Staatsgewalt – die Unabhängigkeit richterlicher Tätigkeit | 79 | ||
1. Der Begriff der Unabhängigkeit | 79 | ||
2. Unabhängiges Entscheiden – eine Besonderheit gerade der Judikative? | 80 | ||
a) Unabhängigkeit und Autonomie | 81 | ||
b) Beamtliche Unabhängigkeit | 82 | ||
c) Besondere, unabhängige Staatsorgane | 84 | ||
d) Staatsoberhaupt | 85 | ||
e) Parlamentarische Unabhängigkeit | 86 | ||
3. Kritische Betrachtung der „sachlichen Unabhängigkeit“ der Richter: ihre Bindung an das Gesetz | 87 | ||
4. Persönliche Unabhängigkeit der Richter – ein Konstitutivkriterium der Dritten Gewalt? | 91 | ||
5. Richterernennung durch die Exekutive | 93 | ||
6. Gewählte Richter – unabhängig? | 96 | ||
7. Judikative Selbstrekrutierung | 99 | ||
8. Unabhängigkeit der Richter und Demokratie | 102 | ||
VI. Problematisches Ergebnis funktionaler Betrachtung: Richtertätigkeit in Gewaltenverschränkung oder als „offene Gewalt“ | 106 | ||
1. Ein komplexes – wenn überhaupt ein – Gesamtergebnis | 106 | ||
2. Gewaltenteilung in Gewaltenverschränkung? | 108 | ||
3. Verschränkung der Judikative mit der Legislative – das „Richterrecht“ | 109 | ||
4. Verschränkung der Zweiten und der Dritten Gewalt: Judikative als Verendgültigung der Administrative | 114 | ||
5. Judikative als „offene Gewalt“ | 117 | ||
C. Die organisatorische Einheit der Dritten Gewalt | 119 | ||
I. „Gewalt“: Notwendigkeit einer organisatorischen Einheit? | 119 | ||
II. Antihierarchische Wesenszüge richterlicher Entscheidungstätigkeit? | 121 | ||
1. Gerichtsbarkeit – ohne hierarchische Beamtenorganisation | 121 | ||
2. Die „angerufene“ Richterliche Gewalt – nicht als Gewalt organisiert? | 122 | ||
III. Verfahrensdifferenzierung gegen Gewalteinheit? | 123 | ||
IV. Unabhängigkeit – die organisatorische Einheit der Gerichtsbarkeit | 125 | ||
1. Der einheitliche Richterstatus | 125 | ||
2. Der Instanzenzug: Grundlage der einheitlichen Judikative | 126 | ||
3. „Gemeinsame Senate“ – organisatorische Selbstkoordinierung der Judikative | 128 | ||
4. Konzentration einer Gewalt in der Verfassungsgerichtsbarkeit | 129 | ||
V. Fazit: Organisationsrechtliche Einheit der Dritten Gewalt – und doch funktionale Uneinheitlichkeit | 132 | ||
D. Gerichtsbarkeit als Machtausübung – Richter und Macht | 135 | ||
I. Die Fragestellung: Richterliche „Gewalt“-Ausübung in Machtbewusstsein? | 135 | ||
1. Das Problem: Machtgewicht der Judikative | 135 | ||
2. Machtbewusstsein: eine politische oder (auch) rechtsdogmatische Kategorie? | 136 | ||
3. Was ist, wohin führt den Richter ein Machtbewusstsein? | 138 | ||
II. Gerichtsbarkeit und Macht: in antithetischer Spannung | 142 | ||
1. Der historische Primat der richterfreien Macht | 142 | ||
2. Rechtsanwendung als Machtausübung – Richter als Machtträger | 144 | ||
3. Gerichtsbarkeit – typisch delegierbare Macht | 146 | ||
4. Die Richter und der „Rückzug der Macht auf die Geschenke“ | 147 | ||
5. Der Richter als Machtverwalter, -erhalter? | 149 | ||
6. Die Erwartung an die Richter: Gerichtsbarkeit als „Machtbremse“ | 151 | ||
III. Die Machtferne des Richtens | 153 | ||
1. Die „Gegnerfreiheit“ der Judikative | 153 | ||
2. Richtertätigkeit: wesentlich in Kontinuität | 156 | ||
3. Die Richteraufgabe: Bewältigung des „machtfernen Einzelfalles“ | 160 | ||
4. Zeitlose Gerichtsbarkeit: von „lebenslanger richterlicher Bewahrung“ zur Überzeitlichkeit des Rechts | 166 | ||
5. Fazit: Rechtsprechende Gewalt – Gewalt in Machtferne | 169 | ||
IV. Der Richter zwischen dem Macht-Dienst des Legisten und einem „Richteraufstand“ | 172 | ||
1. Rechtsprechende Gewalt: unter die Macht gebeugt | 172 | ||
2. Der Jurist als Legist | 173 | ||
3. „Richteraufstand“ | 176 | ||
V. Der Richter als (nicht-)„öffentliche Person“ in der Öffentlichkeit der Demokratie | 178 | ||
1. Der Richter im öffentlichen Prozess | 178 | ||
2. Keine Machteignung der Judikative als einer nicht-öffentlichen Gewalt | 180 | ||
3. Gerichtsbarkeit: fern von allem Staatstheater | 181 | ||
4. Richter und Medien – verschränkte Gewalten zur Macht? | 183 | ||
VI. Gerichtsbarkeit: – gestaltungs(un)fähig? | 185 | ||
1. Gestaltung als Machtausübung | 185 | ||
2. Die Richter – ohne Gestaltungsgewalt | 186 | ||
3. Richter: die unflexible, planungsunfähige Rechtsgewalt | 188 | ||
4. ludex non calculat | 190 | ||
VII. Ein Epilog: Verfassungsrichter doch als Machtträger? | 192 | ||
1. Verfassungsgerichtsbarkeit: Richterliche Machtentscheidung über Recht? | 193 | ||
2. Verfassungsrichter: nicht die idealen „Machtträger im Recht“ | 195 | ||
3. Verfassung: eine Grundlage für Machtentscheidungen? | 197 | ||
VIII. Die Richter und die (Macht der) Moral | 199 | ||
1. Moralisierendes Richtertum | 200 | ||
2. Richterliche Individual- und Kollegialmoral | 202 | ||
3. Moralisierungen nach Instanz-Stufen | 205 | ||
4. Moralwirkungen nach Rechtsmaterien | 207 | ||
5. Der Richter und die politisierte Moral | 210 | ||
6. Gesetzgeberisches, administratives – und richterliches Moralisieren | 213 | ||
7. Moral als (Richter-)Macht? | 216 | ||
E. Die späte Macht der Judikative | 219 | ||
I. Rechtsentscheidungen: „Grundsätzlich außerhalb der Zeit“, „ohne Zeitgefühl“ | 220 | ||
1. Die Problematik „Recht und Zeit“ – nur punktuelle Rezeption der Zeit ins Recht | 220 | ||
2. „Verspätete Rechtsentscheidung“ – mit Blick auf die gesetzliche Rechtslage | 222 | ||
3. Verzögerung der Rechtsentscheidung: Rechtsrichtigkeit vor Rechtssicherheit | 225 | ||
II. Der Prozess – ein wesentlich zeitferner Vorgang | 227 | ||
1. Prozess als Ereignis – aus der Zeit gehoben | 228 | ||
2. Der Prozessstoff – „aus der Zeit herausgehoben“ | 230 | ||
3. Der „zeitlose gerichtliche Verfahrensablauf“ | 234 | ||
III. Das zeitlose Denken der Richter | 236 | ||
1. Neutralität: „Zeitdistanz“ | 236 | ||
2. Zeitlose Gründlichkeit des „letzten Wortes“ | 239 | ||
IV. Instanzenzug als Entzeitlichung | 243 | ||
1. Gerichtlicher Instanzenzug – Grundentscheidung für Rechtsrichtigkeit gegen Rechtzeitigkeit | 243 | ||
2. Höhere Instanz: Potenzierte Richtermentalität | 244 | ||
3. Instanzenzug – schwerwiegende Verspätung einer Gewalt | 245 | ||
4. Verspätender rechtsstaatlicher Instanzenzug: Misstrauen gegen die Dritte Gewalt | 246 | ||
V. Verfassungsgerichtsbarkeit als späte – weiter verspätende – Judikative | 247 | ||
1. Die Grundkonzeption der zeitnahen Verfassungskontrolle | 247 | ||
2. Die Verfassungsbeschwerde – Verfassungsgerichtsbarkeit als verspätende Gewalt | 248 | ||
3. Die unerträgliche Verspätung der Gesetzeskorrektur | 249 | ||
4. Ex-tunc-Wirkung verfassungsgerichtlicher Entscheidungen: aufgeholte Verspätung? | 250 | ||
5. Verfassungsgerichtliche Orientierungen späterer Gesetzgebung | 251 | ||
6. Von der „späten Gewalt“ zur „negativen Macht judikativer Verunsicherung“ | 252 | ||
VI. Faktischer Wirkungsverlust als Machtverlust der Gerichtsbarkeit | 254 | ||
1. Ökonomische Schnelllebigkeit – judikative Lebensferne | 254 | ||
2. Das rasche Menschenleben und die langsame Justiz | 255 | ||
3. Ausweichen – der Dritten Gewalt | 256 | ||
4. In schnelllebiger Zeit: Gerichtsbarkeit als Pouvoir inutile? | 258 | ||
VII. Gegensteuern – aus der Verspätung? | 259 | ||
1. Die Richter: eingerichtet in Ruhe | 259 | ||
2. Zeitnähe durch Gerichtsorganisation | 260 | ||
3. Zeitnähe durch Gesetzgebung | 262 | ||
4. Die Beteiligten – ein zeitliches Straffungspotenzial? | 263 | ||
VIII. Späte Gewalt – Schicksal und Machtverlust der Richter | 265 | ||
1. Fazit: Systemimmanente judikative Verspätung | 265 | ||
2. Späte Gewalt als Macht? | 266 | ||
F. Judikative als Gewalt in der gewaltenteilenden Demokratie? | 269 | ||
I. Dritte Gewalt – ein Pouvoir? | 269 | ||
1. Das Ergebnis der Betrachtungen | 269 | ||
2. Gerichtsbarkeit – eine zusammengeordnete Institutionenstruktur | 270 | ||
3. Dritte Gewalt – eine historisierende Überzeichnung | 271 | ||
4. Gewaltenteilung – auch in der Judikative problembeladen | 272 | ||
II. Judikative als „antipolitische Gegenkraft“ | 273 | ||
1. Gerichtsbarkeit als Verstärkung der Staatsgewalt | 273 | ||
2. Judikative als anti(partei)politische Kraft | 275 | ||
III. Ausblick: Gerichtsbarkeit auf dem Grat zwischen gemäßigter Staatsform und entarteter Demokratie | 277 | ||
1. Gerichtsbarkeit: Entscheidende Mäßigung der Volksherrschaft | 277 | ||
2. Richterart gegen Entartung der Staatsform | 278 | ||
Zusammenfassung der Ergebnisse | 282 |