Rechtsgespräch und kreativer Dissens
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Rechtsgespräch und kreativer Dissens
Zugleich ein Beitrag zur Bedeutung der Sprache in der interpretativen Praxis des Zivilprozesses
Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 200
(2001)
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Abstract
Dem Jehringschen "Kampf um's Recht" ist in der gegenwärtigen Dogmatik des Zivilprozesses eher ein Schattendasein beschieden. Zumeist wird das Streitige im zivilprozessualen Rechtsstreit nicht mehr ohne weiteres mit "Kampf" übersetzt - zu unrecht, wie Joachim Goebel anhand der Rechtsfigur "Rechtsgespräch" zeigen will. Es wird herausgearbeitet, daß das Rechtsgespräch nicht nur rechtlich vorgegeben ist, sondern daß es vom Gesetz als ein semantischer Kampf um das Recht konzipiert wird, in dem die Parteien in einem kreativen Dissens um das rechte Verständnis des Gesetzes ringen. Hierzu holt der Verfasser weit aus. Nachdem die sprachtheoretischen Grundlagen des Recht-Sprechens geklärt worden sind, setzt er sich mit den bisherigen Ansätzen zum Rechtsgespräch auseinander und thematisiert in sprachtheoretisch informierter Perspektive das Verhältnis von materiellem Recht und Prozeßrecht. Auf dieser Basis entwickelt er eine Theorie des Rechtsgesprächs. Mit dem Rechtsgespräch soll sowohl die Unparteilichkeit des Richters als auch das Rechtliche im Recht in der interpretativen Praxis des Prozesses gewahrt werden. Überlegungen zum Umfang und den Grenzen der richterlichen Verpflichtung zum Rechtsgespräch sowie zur Aufgabe der Rechtswissenschaft runden die Untersuchung ab.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsübersicht | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
Einleitung | 17 | ||
§ 1 Rechtsgespräch und der Kampf um's Recht heute | 17 | ||
I. These: Das Rechtsgespräch als ein semantischer Kampf | 18 | ||
II. Begrifflichkeit | 21 | ||
III. Rechtsdogmatische Einwände gegen eine gerichtliche Pflicht zum Rechtsgespräch | 22 | ||
IV. Weiteres Vorgehen | 24 | ||
Teil 1: Sprache – Rechtsgespräch | 26 | ||
Kapitel 1: Sprachtheoretische Skizzen | 26 | ||
§ 2 Sprache und Handeln: Versuch einer Skizze | 26 | ||
I. Nochmals: Warum ein Exkurs? | 26 | ||
II. Sprache als regelgeleitetes Handeln | 28 | ||
1. Regeln des Sprachgebrauchs | 29 | ||
2. Sprachspiel und Lebensform | 32 | ||
3. Verstehen als Fähigkeit einer korrekten Regelanwendung | 37 | ||
4. Sprachliche Regel und Regelformulierung | 39 | ||
III. Was soll Sprachtheorie leisten? – Kritik an Wittgenstein | 42 | ||
IV. Was bleibt: Die Frage nach der Vertrautheit von sozialen Praxen | 45 | ||
§ 3 Die Vertrautheit rechtlichen Sprechens im hermeneutischen Theorienkontext | 48 | ||
I. Die Analogizität von Sprache im Rahmen der Hermeneutik | 48 | ||
II. Hermeneutisches Praxisvertrauen | 49 | ||
§ 4 Unvertrautheit unserer Praxis als Phänomen der Zerstreuung von Sprache | 51 | ||
I. Differenz | 52 | ||
1. Dekonstruktion und Struktur | 52 | ||
2. Differenzen – Spuren – différance | 53 | ||
3. Entgrenzung – Zerstreuung | 55 | ||
II. Gegenangriff I: Die Kritik durch die Searlsche Sprechakttheorie | 56 | ||
1. Beherrschbarkeit des Sprachgebrauchs und Sprechakttheorie | 57 | ||
2. Das Problem des „more or less perfectly" | 57 | ||
III. Gegenangriff II: Derrida als Protagonist eines aporetischen Denkens? | 59 | ||
1. Widersprüchlichkeiten im Denken? | 60 | ||
2. Randgänge | 62 | ||
3. Verborgene Regeln | 63 | ||
4. Puralität und Vernunft | 65 | ||
§ 5 Rechtstheoretische Gegenentwürfe zum hiesigen Sprachverständnis | 66 | ||
I. Logische Semantik und juristische Methode | 67 | ||
1. Das Sprachmodell der Logischen Semantik | 67 | ||
2. Kritik | 69 | ||
II. Sprachanalytik und Rekurs auf den Willen des Gesetzgebers | 73 | ||
1. Der Autor als Einheit und Ursprung von Bedeutung | 73 | ||
2. Kritik | 74 | ||
III. Klassische Hermeneutik | 78 | ||
1. Überblick | 78 | ||
2. Die Klassische Hermeneutik: Emilio Betti | 79 | ||
3. Einfrieren von Sprache in der ,Sache Recht'? | 81 | ||
IV. Vermittlungen: Autor-Intention und Zerstreuung von Sprache? | 82 | ||
1. Unhintergehbarkeit der Individualität versus Unhintergehbarkeit der Sprache | 83 | ||
2. Sprachtheoretische Leerstellen des Rekurs auf Individualität | 84 | ||
V. Ergebnis | 86 | ||
Kapitel 2: Diskussion bisheriger Ansätze | 88 | ||
§ 6 Rechtsgespräch und Diskurstheorie des Rechts | 88 | ||
I. Theoretischer Focus: Konsens | 88 | ||
II. Recht und kommunikativen Handeln: Eine sinnvolle Verschränkung? | 90 | ||
1. Restriktionen des kommunikativen Handelns | 91 | ||
a) Diskurs und Lebensform | 92 | ||
b) Richterliche Entscheidung und praktische Richtigkeit | 93 | ||
2. Residualkategorie: Dissens und Institution | 95 | ||
a) Strategisches Handeln | 95 | ||
b) Welche Faktizität? | 97 | ||
c) Prozeß und Vergleich | 97 | ||
§ 7 Rechtsgespräch und zivilprozessualer Kampf | 98 | ||
I. Theoretischer Focus: Strategischer Dissens | 98 | ||
II. Die Heuristik des Kampfmodells | 99 | ||
§ 8 Rechtsgespräch und Wertungsjurisprudenz: Prozessuale Gerechtigkeit und materielle Prozeßleitung | 101 | ||
I. Theoretischer Focus: Die rechtsdogmatische Begründungstradition | 101 | ||
II. Das Verhältnis von richterlicher Fürsorge und Privatautonomie | 102 | ||
§ 9 Rechtsgespräch und Ineinssetzung von Privatautonomie und Recht | 103 | ||
I. Theoretischer Focus: Ineinssetzung von Privatautonomie und Recht | 103 | ||
II. Restriktionen und Residualkategorien eines idealistischen Ansatzes | 105 | ||
§ 10 Ergebnis zur Diskussion bisheriger rechtsdogmatischer Ansätze zum Rechtsgespräch | 107 | ||
I. Zusammenfassung | 107 | ||
II. Weiteres Vorgehen | 107 | ||
Teil 2: Rechtsgespräch – Interpretative Praxis | 109 | ||
Kapitel 3: Die interpretative Praxis des Zivilprozesses | 109 | ||
§ 11 Die Praxis des Recht-Sprechens | 109 | ||
I. Der implizite Focus der herrschenden prozessualen Rechtsanwendungslehre | 109 | ||
II. Die sprachtheoretische Verunsicherung des herrschenden Rechtsparadigmas | 112 | ||
1. Das Spiel um Bedeutung | 112 | ||
2. Regelskeptizismus? | 114 | ||
III. Recht und juristische Praxis | 116 | ||
1. Verweis des Rechts auf Praxis | 116 | ||
2. Verschwinden des Rechts in der reinen auctoritas? | 118 | ||
IV. Die Destabilisierung des Gebrauchs sprachlicher Regeln: Was dann? | 121 | ||
1. Blinde Macht versus reflektierte Macht des Recht-Sprechens | 121 | ||
2. „Reflexion" im Gebrauch sprachlicher Regeln | 122 | ||
3. Kontexte und ihre Überschreitung | 125 | ||
a) Versionen von Kontexten des Sprechens | 125 | ||
aa) Absoluter Kontext – partikularistischer Kontext | 126 | ||
bb) Der transformative Kontext des Recht-Sprechens | 128 | ||
b) Beispiele für die Vorstellung eines rigiden Kontexts richterlichen Sprechens | 130 | ||
c) Rechtfertigung oder Rhetorik? | 133 | ||
§ 12 Die Normativität des Rechts in der interpretativen Praxis zivilgerichtlicher Verfahren | 135 | ||
I. Das Gebot unparteilicher Normanwendung | 135 | ||
1. Angemessenheit und Norm | 136 | ||
a) Normbegründung und Normanwendung | 136 | ||
b) Unparteiliche Normanwendung I: Die Anwendung | 137 | ||
c) Unparteiliche Normanwendung II: Die Unparteilichkeit | 139 | ||
2. Unparteilichkeit als Aufruf zur Übersteigung von Lebensformen | 140 | ||
3. Unparteiliche Normanwendung III: Die Norm | 144 | ||
II. Produktive Unruhe im Rechtssystem | 145 | ||
1. Die Ordnungsleistung des Rechts: Schwankungen | 146 | ||
2. Ergänzung | 147 | ||
Kapitel 4: Rechtsgespräch und kreativer Dissens | 150 | ||
§ 13 Rechtsgespräch und interpretative Praxis des Zivilprozesses | 150 | ||
I. Rechtsgespräch als Konfrontation von Lebensformen | 150 | ||
1. Das Rechtsgespräch als Transfermedium zwischen Lebensformen | 150 | ||
2. Prozeßrecht als Informationsrecht | 152 | ||
3. Prozeßrecht und responsive Rationalität | 152 | ||
4. Die Kompetenz der Parteien | 154 | ||
II. Zivilprozeß und die gemeinsame Normbetroffenheit aller Bürger: Die interpretative Praxis des Rechts | 155 | ||
1. Zivilprozeß und das Projekt der Verfassung | 155 | ||
a) Unparteilichkeit in der Abfolge zivilgerichtlicher Verfahren | 155 | ||
b) Verflüssigungen | 156 | ||
c) Mechanismen zum Schutz der destabilisierenden Einstellung | 159 | ||
2. Rechtsgespräch und Demokratie | 160 | ||
§ 14 Exkurs: Zivilprozeß und Rechtswissenschaft | 161 | ||
I. Die Idee einer differenzorientierten Rechtswissenschaft | 162 | ||
1. Das destabilisierende Potential der Rechtswissenschaft | 162 | ||
2. Plädoyer für freirechtliches Denken und für eine Destruktion des Rechts? | 166 | ||
3. Überbordende Theorie? | 169 | ||
4. Jenseits von konservativistisch oder traditionsvergessen | 170 | ||
5. Absicherung | 171 | ||
II. Ergänzungen | 172 | ||
1. Die Betonung des Anderen | 173 | ||
2. Teilsystemspezifische Rechtsdogmatiken | 174 | ||
3. Verlust der Handlungs- und Entscheidungswissenschaft des Rechts? | 175 | ||
§ 15 Die normativen Implikationen der Wahl einer Sprachtheorie | 178 | ||
I. Alter Wein in neuen Schläuchen? | 178 | ||
II. Chancen | 180 | ||
§ 16 Rechtsgespräch und kreativer Dissens | 184 | ||
I. Jenseits diskursiver Idyllen und strategischer Kämpfe | 184 | ||
1. Das Rechtsgespräch als kreativer Dissens | 184 | ||
2. Residualkategorien? | 185 | ||
II. Die Implementation des Rechtsgesprächs im zivilprozessualen Rechtstext | 186 | ||
1. Diskussion möglicher zivilprozeßrechtlicher Grundlagen einer richterlichen Pflicht zum Rechtsgespräch | 187 | ||
a) § 504 ZPO, § 139 II ZPO, § 278 II 2 ZPO | 187 | ||
b) § 278 III ZPO | 188 | ||
c) §139 I ZPO | 188 | ||
d) § 278 I 1 ZPO | 189 | ||
e) Art. 103 I GG als Schutznorm | 189 | ||
2. Art. 103 I GG als grundlegende Verfahrensnorm – die materielle Prozeßleitung des Gerichts | 192 | ||
3. Umfang und Grenzen der zivilprozessualen Pflicht zum Rechtsgespräch | 193 | ||
a) Die Unbestimmtheit der richterlichen Pflicht zum Rechtsgespräch | 194 | ||
b) Rechtsgespräch und richterliche Unparteilichkeit | 196 | ||
c) Sonstige Kritik gegenüber der Rechtsfigur „Rechtsgespräch" | 197 | ||
d) Rechtsgespräch und Rechtmittel | 198 | ||
4. Ergebnis zur Dogmatik des Rechtsgesprächs | 198 | ||
Schlußbemerkung | 200 | ||
§ 17 Statt einer Zusammenfassung | 200 | ||
Literaturverzeichnis | 203 | ||
Personen- und Stichwortverzeichnis | 225 |