Abtreibung und die Grenzen des Strafrechts
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Abtreibung und die Grenzen des Strafrechts
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 104
(1997)
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Abstract
In der vorliegenden Untersuchung geht die Autorin der Frage nach, ob das Strafrecht für das Abtreibungsproblem zuständig ist.Hierfür wird zunächst die bisherige Auseinandersetzung um Grundlagen und rechtliche Umsetzung des Abtreibungsverbotes in Gegenwart und Geschichte rekonstruiert. Die Analyse wird durch einen argumentativen Dreischritt strukturiert, der die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Schwangerschaftsabbruch gekennzeichnet hat: Begründung des Rechtsgutes des ungeborenen Lebens; Annahme einer Schutzpflicht des Staates, die zusammen mit einer Gebär- und Fürsorgepflicht der Schwangeren gedacht wird; der Schritt von der Schutz- zur Bestrafungspflicht. Wenngleich die Verfasserin bei der Entschlüsselung der Debatte das jeweils Vernünftige in den verfeindeten Lagern aufzuspüren versucht, konstatiert sie bei den Befürwortern des strafrechtlichen Abtreibungsverbotes substantielle Begründungsmängel auf jeder der drei Argumentationsstufen.Im zweiten Teil beschäftigt sich die Autorin mit Modellen der Strafrechtstheorie und Rechtsphilosophie, die für eine weitgehende strafrechtliche Freistellung des Schwangerschaftsabbruchs plädieren: die Konzeption des rechtsfreien Raumes (Kaufmann), die Vorstellung vom Schwangerschaftsabbruch als Gewissensentscheidung (Dworkin), die Idee einer prozeduralen Rechtfertigung der Abtreibung (Hassemer). Die Verfasserin stellt diese Konzepte auf den Prüfstand der im ersten Kapitel herausgearbeiteten Begründungsanforderungen. Dabei werden im Ergebnis das Modell, das der Abtreibung eine Rechtfertigung versagt (Rechtsfreier Raum), und die Konzeption, die den Respekt vor der Entscheidung der Frau zur Abtreibung erst auf der Ebene der Rechtfertigung zum Ausdruck bringt (Prozedurale Rechtfertigung), verworfen, und auch der Ansatz Dworkins wird als theoretisch unzulänglich gekennzeichnet. Die kritisierten Konzepte werden von der Verfasserin gleichwohl konstruktiv gewendet. In der Beschäftigung mit ihren grundlegenden Annahme werden die Kriterien strafrechtlicher Unzuständigkeit nach und nach entwickelt. Dabei zeigt sich, daß es gerade die vernünftigen Meinungsverschiedenheiten zum Abtreibungsproblem sind, die diese in den strafrechtsfreien Raum im eigentlichen Sinne verweisen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Vorbemerkung | 9 | ||
Kapitel 1: Zur (verfassungs)rechtlichen Konstitution einer Bestrafungspflicht | 11 | ||
1. Einleitung: Kritische Betrachtung der gesellschaftlichen und rechtlichen Debatte | 11 | ||
2. Das Rechtsgut des ungeborenen Lebens | 13 | ||
2.1. Verfassungsdogmatische Anknüpfungspunkte | 14 | ||
2.2. Der strafrechtliche Rechtsgutsbegriff | 21 | ||
2.2.1. Die strafrechtsbegrenzende Kraft des Rechtsgutskonzepts | 22 | ||
2.2.2. Empirische Bedingungen der Kriminalisierung | 26 | ||
2.2.3. Zur Geschichte des Rechtsgutes der Abtreibungsstrafbarkeit | 31 | ||
2.2.3.1. Die leibliche Verbindung von Schwangerer und Fötus in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts | 31 | ||
2.2.3.2. Gesellschaftlich-technische Entwicklung und der Status des Fötus | 35 | ||
2.2.3.3. Die geheime Abtreibung | 39 | ||
2.2.3.4. Der offene Kindsmord | 44 | ||
2.2.3.5. Wahrheit des Fühlens | 51 | ||
2.2.4. Folgerungen für die Rechtsgutsfrage | 54 | ||
3. Zur Schutzpflicht des Staates für das ungeborene Leben | 57 | ||
3.1. Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts | 57 | ||
3.2. Schutzpflicht und verfassungsrechtliche Kontrolle | 59 | ||
4. Von der Schutzpflicht zur Gebär- und Fürsorgepflicht | 65 | ||
4.1. Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts | 66 | ||
4.2. Positive und negative Pflichten | 69 | ||
4.3. Verpflichtung für das ungeborene Leben | 75 | ||
5. Von der Schutzpflicht zur Bestrafungspflicht | 78 | ||
5.1. Ultima ratio und Pönalisierungspflicht (BVerfGE 39, 1) | 79 | ||
5.2. Strafrechtstheorie und Empirie | 82 | ||
5.3. Ultima ratio und Untermaßverbot (BVerfGE 88, 203) | 87 | ||
5.4. Exkurs: Postulate der Strafrechtsbegrenzung | 93 | ||
5.4.1. Verhältnismäßigkeit und Subsidiarität | 94 | ||
5.4.2. In dubio pro libertate | 96 | ||
5.4.3. Der fragmentarische Charakter des Strafrechts | 98 | ||
5.5. Folgerungen für die Bestrafungspflicht | 99 | ||
Kapitel 2: Grundlagen strafrechtlicher Unzuständigkeit | 101 | ||
1. Einleitung: Abtreibung ohne Indikation | 101 | ||
2. Schwangerschaftsabbruch und rechtsfreier Raum. Die Konzeption Arthur Kaufmanns | 102 | ||
2.1. Kennzeichen des rechtsfreien Raumes | 102 | ||
2.1.1. Kategorien des Tragischen – Das Gebot rechtlicher Zurückhaltung | 103 | ||
2.1.2. Die These vom Ausschluß der Rechtfertigung einer Abtreibung | 106 | ||
2.2. Kritik der These vom Auschluß der Rechtfertigung einer Abtreibung | 108 | ||
2.2.1. RGSt 61, 242 – Ethische Neutralität der Rechtfertigung | 111 | ||
2.2.2. Der Mignonette-Fall – Gerechtigkeit durch Verfahren | 114 | ||
2.2.3. Das Brett des Karneades – Selbsterhaltung als Rechtsproblem | 118 | ||
2.2.4. Zwischenergebnis | 125 | ||
2.3. Zur Kritik der Konzeption Arthur Kaufmanns | 127 | ||
2.3.1. Wissenschaftliche Unschärfe des Begriffs | 127 | ||
2.3.2. Logische Unmöglichkeit des rechtsfreien Raumes | 129 | ||
2.3.3. Rechtstheoretische Unmöglichkeit | 131 | ||
2.3.3.1. Der Einwand Radbruchs | 132 | ||
2.3.3.2. Bergbohms „rechtsleerer“ Raum | 133 | ||
2.3.3.3. Konkretisierung der Kritik | 135 | ||
2.4. Fazit | 136 | ||
3. Schwangerschaftsabbruch und Gewissensentscheidung | 136 | ||
3.1. Die Konzeption Dworkins | 137 | ||
3.2. Gewissensfreiheit und Tötungsverbot | 139 | ||
3.3. Abstufungen des Heiligen | 146 | ||
3.4. Zwang zu ethischer Reflexion | 148 | ||
4. Strafrechtsbegrenzung und Moralwidrigkeit | 151 | ||
4.1. Prozedurale Rechtfertigung | 151 | ||
4.1.1. Grundlagen der Konzeption Hassemers | 151 | ||
4.1.2. Das Verhältnis von substantieller und prozeduraler Rechtfertigung | 156 | ||
4.2. Kriminalisierung und Moralwidrigkeit | 161 | ||
4.3. Der Zusammenhang von Recht und Moral in der Abtreibungsfrage | 162 | ||
4.4. Schlußbemerkung: Moralische Pluralität und Strafrechtsbegrenzung | 164 | ||
Literaturverzeichnis | 169 |