Justitiabler Föderalismus
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Justitiabler Föderalismus
Zur Konzeption föderaler Kompetenzzuweisungen als subjektive Rechtspositionen
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht, Vol. 52
(2000)
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Abstract
Regieren bedeutet im modernen Staatswesen in erster Linie "Gesetze machen". Deutlich wird dies nicht nur an der zunehmenden Bedeutung der EU, die als "Rechtssetzungsgemeinschaft" Hoheitsgewalt fast ausschließlich auf dem Wege der Normgebung ausübt, vielmehr bezeugt auch umgekehrt der Bedeutungsverlust der Bundesländer, daß fehlende Gesetzgebungszuständigkeiten politisch nur kaum kompensiert werden können. Effektive föderalistische Ordnungsmodelle können aus diesem Grund nur dort angenommen werden, wo den dezentralen Teilebenen auch substantielle Normsetzungsbefugnisse verbleiben. Dies setzt aber nicht nur die Zuordnung von Kompetenzen voraus, sondern vielmehr auch die Möglichkeit, diese vor unbefugter Inanspruchnahme durch die Zentralebene zu verteidigen. Die Staatspraxis zu Art. 72 Abs. 2 GG a. F. hat dies nachdrücklich belegt. Nur ein justitiabler Föderalismus ist daher ein wirkungsvoller Föderalismus.Mit dem Vorschlag, föderale Kompetenzzuweisungsnormen als subjektive Rechtspositionen zu begreifen, zeigt der Autor einen Lösungsweg auf: Eingriffe in derartige Kompetenzpositionen unterliegen dem Übermaßverbot und werden so einer effektiven gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Denn der Kontrollmaßstab des Übermaßverbots ist von der Rechtsprechung konkretisiert und mit einem klaren Bedeutungsgehalt gefüllt worden. Im ersten Teil der Arbeit wird zunächst die theoretische Konzeption entwickelt. Anschließend analysiert Kenntner den materiellen Regelungsgehalt der Kompetenzzuweisungen für die Gemeinden und die Länder im Gefüge des Grundgesetzes. Schließlich unternimmt er einen rechtsvergleichenden Blick auf ausgesuchte ausländische Föderalsysteme und versucht, die entwickelte Konzeption auch auf die vertikale Kompetenzverteilung der Europäischen Union anzuwenden.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einführung | 13 | ||
1. Problemstellung | 13 | ||
2. Vorgehensweise und Konzeption der Arbeit | 16 | ||
Teil 1: Theoretische Konzeption | 18 | ||
A. Föderale Kompetenzzuweisungen als subjektive Rechtspositionen | 18 | ||
I. Lösungsansätze | 18 | ||
1. Restriktive Interpretation der Bundeskompetenzen | 18 | ||
2. Enge Auslegung von Ausnahmevorschriften | 19 | ||
3. Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder | 21 | ||
4. Kompetenzzuweisung als Beweislastverteilung | 24 | ||
II. Das Lösungsmodell Beweislastverteilung | 25 | ||
1. Anwendbarkeit von Beweislastregeln im Verfassungsprozeß | 26 | ||
a) Kein Ausschluß objektiver Beweislastregeln durch den Untersuchungsgrundsatz | 26 | ||
b) “Begründungspflichten”? | 27 | ||
c) Erstreckung der Beweislastregeln auf prognostische Tatbestandsmerkmale | 30 | ||
2. Beweislastverteilung im öffentlichen Recht | 32 | ||
3. Beweislastverteilungsgehalt von Kompetenzabgrenzungsnormen | 36 | ||
a) Kein zwingender Regelungsmechanismus | 36 | ||
b) Bündischer Entstehungszusammenhang | 37 | ||
c) Bewußte Entscheidung des Grundgesetzes | 38 | ||
d) Ergebnis | 39 | ||
III. Strukturelle Konzeption der Kompetenzverteilungsnormen | 40 | ||
1. Kompetenzbereiche als zugeordnete Rechtspositionen | 41 | ||
2. Kompetenzzuweisungen als subjektive Rechte | 43 | ||
3. Verengung der legitimen Ziele durch verfassungsunmittelbare Vorgaben | 47 | ||
a) Rechtfertigungsbedürftigkeit | 47 | ||
b) Verfassungsunmittelbare Vorgabe der zulässigen Zwecksetzung | 48 | ||
c) Erforderlichkeitskriterium | 50 | ||
4. Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsprinzips | 51 | ||
IV. Eingeschränkte gerichtliche Kontrolle? | 56 | ||
1. Legislative Entscheidungs- und Wertungsspielräume | 56 | ||
2. Legislative Prognosespielräume | 60 | ||
Teil 2: Bundesrepublik Deutschland | 65 | ||
B. Die Selbstverwaltung der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG | 65 | ||
I. Einleitung | 65 | ||
II. Rechtsnatur der den Gemeinden zugewiesenen Kompetenzen | 68 | ||
1. Keine grundrechtliche Verbürgung der kommunalen Selbstverwaltung | 68 | ||
2. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als institutionelle Garantie? | 71 | ||
a) Historische Entwicklung der Rechtsfigur der institutionellen Garantie | 71 | ||
b) Historische Auslegung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG | 74 | ||
c) Teleologische Auslegung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie | 76 | ||
d) Systematischer Zusammenhang | 80 | ||
e) “Versubjektivierung” der institutionellen Garantie | 81 | ||
f) Ergebnis | 83 | ||
3. Konsequenzen aus der dogmatischen Zuordnung | 86 | ||
a) Annahme einer “ausfüllungsbedürftigen Struktur” | 86 | ||
b) Abkehr vom Verhältnismäßigkeitsprinzip | 90 | ||
4. Ergebnis | 94 | ||
III. Gerichtliche Kontrolle der Kompetenzabgrenzung | 96 | ||
1. Die Konzeption der Rastede-Entscheidung des BVerfG | 96 | ||
a) Grundkonzeption | 97 | ||
b) Der Entzug von Angelegenheiten mit relevantem örtlichem Bezug | 101 | ||
c) Die gesetzgeberische Neubewertung einer Aufgabe als überörtlich | 106 | ||
aa) Überörtlichkeitsbewertung als materieller Aufgabenentzug | 106 | ||
bb) Einschätzungsprärogative | 109 | ||
cc) Kritik | 111 | ||
2. Zur Neukonzeption | 112 | ||
a) Materieller Gehalt von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG | 112 | ||
b) Verfassungsunmittelbare Vorgabe der Ausnahmevoraussetzungen | 114 | ||
c) Legislative Gestaltungsspielräume | 115 | ||
IV. Ergebnis | 117 | ||
C. Die konkurrierende Bundesgesetzgebung nach Art. 72 Abs. 2 GG | 119 | ||
I. Einleitung | 119 | ||
II. Rechtsnatur | 122 | ||
1. Historische Auslegung | 122 | ||
a) Anknüpfung an Art. 9 WRV | 122 | ||
aa) Konzeption schon in der Weimarer Zeit umstritten | 123 | ||
bb) Andere textliche Fassung | 124 | ||
cc) Andere Konzeption der rechtsstaatlichen Kontrolle | 126 | ||
dd) Ergebnis | 129 | ||
b) Der Wille des historischen Verfassungsgebers | 129 | ||
aa) Der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee | 129 | ||
bb) Der Parlamentarische Rat und das Memorandum der Alliierten Militärgouverneure | 132 | ||
cc) Sonderlage der Grundgesetzentstehung | 136 | ||
c) Der aktualisierte Wille des verfassungsändernden Gesetzgebers | 138 | ||
aa) Die Enquête-Kommission “Verfassungsreform” des Bundestages | 138 | ||
bb) Die Kommission “Verfassungsreform” des Bundesrates | 140 | ||
cc) Die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat | 141 | ||
dd) Die Verfassungsreform von 1994 | 145 | ||
ee) Ergebnis | 148 | ||
2. Der Wortlaut | 150 | ||
3. Systematische Auslegung | 151 | ||
4. Teleologische Interpretation | 154 | ||
5. Ergebnis | 157 | ||
III. Gerichtliche Kontrolle | 158 | ||
1. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 158 | ||
2. Lösungsansätze in der Literatur | 163 | ||
a) Aufrechterhaltung der Einschätzungsprärogative des Bundesgesetzgebers? | 163 | ||
b) Begründungspflichten und Darlegungslasten | 170 | ||
c) Erste Neuansätze | 171 | ||
3. Zur Neukonzeption der gerichtlichen Kontrolle | 174 | ||
IV. Ergebnis | 179 | ||
Teil 3: Weitere Föderalsysteme | 181 | ||
D. Föderale Kompetenzabgrenzungen in anderen Bundesstaaten | 181 | ||
I. Die Schweiz | 181 | ||
1. Föderale Grundstrukturen der Schweiz | 181 | ||
2. Kollisionsregelungen | 184 | ||
3. Kompetenzkonflikte | 186 | ||
a) Kompetenzüberschreitungen des Bundes | 186 | ||
b) Kompetenzüberschreitungen der Kantone | 187 | ||
c) Kompetenzzuordnung am Beispiel der Außenpolitik | 187 | ||
d) Kriterien der Kompetenzabgrenzung | 189 | ||
4. Aktuelle Entwicklung | 192 | ||
5. Ergebnis | 194 | ||
II. Österreich | 195 | ||
1. Die bundesstaatliche Verfassung | 195 | ||
2. Struktur der Zuständigkeitsverteilung | 197 | ||
a) Der Grundsatz der strikten Kompetenztrennung | 197 | ||
b) Die Kumulierung von Regelungen | 200 | ||
3. Kompetenzkonflikte | 202 | ||
a) Stellung und Bedeutung des Verfassungsgerichtshofes | 202 | ||
b) Die Verfassungsinterpretation der Kompetenzabgrenzungsregeln | 204 | ||
c) Bundesstaatsorientierte Auslegungsansätze | 207 | ||
4. Ergebnis | 209 | ||
III. Die Vereinigten Staaten von Amerika | 210 | ||
1. Das föderale System der USA | 210 | ||
2. Die Entwicklung bis zum New Deal | 213 | ||
3. Die New Deal Kontroverse | 216 | ||
4. Strukturelle Einordnung der Rechtsprechung | 220 | ||
5. Gegenbewegungen in der Rechtsprechung | 222 | ||
6. Die neueste Rechtsprechung im Fall Lopez | 224 | ||
a) Die Urteilsbegründung | 224 | ||
b) Die dissenting opinions | 227 | ||
c) Die concurring opinions | 229 | ||
d) Strukturelle Einordnung der Lopez-Entscheidung | 231 | ||
7. Ergebnis | 234 | ||
IV. Ergebnis | 235 | ||
E. Vertikale Kompetenzabgrenzung in der Europäischen Union | 238 | ||
I. Einleitung und Problemstellung | 238 | ||
1. Die föderale Struktur der EU | 238 | ||
2. Vermeidung föderalistischer Begrifflichkeiten | 240 | ||
3. Problemstellung | 242 | ||
II. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung | 243 | ||
1. Struktur der Kompetenzverteilung in der Europäischen Union | 243 | ||
2. Rechtsdogmatische Einordnung von Art. 3b (neu: 5) Abs. 1 EGV | 247 | ||
3. Gerichtliche Kontrolle | 249 | ||
a) Zur Konzeption als subjektive Rechtsposition | 249 | ||
b) Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs | 252 | ||
4. Problemlage der europäischen Kompetenzordnung | 258 | ||
III. Das Subsidiaritätsprinzip | 260 | ||
1. Rechtsdogmatische Einordnung | 261 | ||
a) Die inhaltliche Konzeption der tatbestandlichen Fassung des Art. 3b (neu: 5) Abs. 2 EGV | 261 | ||
b) Systematische Einordnung | 269 | ||
c) Rechtsverbindlichkeit | 275 | ||
2. Die gerichtliche Kontrolle | 278 | ||
a) Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs | 278 | ||
b) Die Auffassung der Kommission | 281 | ||
c) Der Amsterdamer Vertrag | 284 | ||
3. Die Konzeption als subjektive Rechtsposition | 286 | ||
a) Beweislastverteilungsgehalt des Art. 3b (neu: 5) Abs. 2 EGV | 286 | ||
aa) Beweislastverteilung im europäischen Gemeinschaftsrecht | 286 | ||
bb) Beweislastverteilung des Art. 3b (neu: 5) Abs. 2 EGV | 288 | ||
b) Der materielle Gehalt des gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips | 291 | ||
aa) Mitgliedstaatliche Kompetenzbereiche als subjektive Rechtspositionen | 291 | ||
bb) Widersprüchlichkeit zur bisherigen Integrations-Konzeption | 293 | ||
cc) Kein Widerspruch zur weiteren Integration | 295 | ||
dd) Politischer Wille zur Subsidiarität? | 297 | ||
IV. Ergebnis | 298 | ||
Ergebnis und Thesen | 301 | ||
Literaturverzeichnis | 307 |