Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal
BOOK
Cite BOOK
Style
Format
Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal
Dekonstruktion der Zweiteilungslehre und Rekonstruktion einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik unter besonderer Berücksichtigung subjektiver Wirksamkeitshindernisse
Schriften zum Strafrecht, Vol. 339
(2019)
Additional Information
Book Details
Pricing
About The Author
Sascha Holznagel studierte Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin und legte das erste Staatsexamen im August 2014 ab. Als Wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitete er von 2014 bis 2018 am Lehrstuhl von Prof. Dr. Tatjana Hörnle und seit 2016 am Lehrstuhl von Prof. Dr. Beatrice Brunhöber. Im November 2018 schloss er seine Promotion an der Humboldt-Universität ab und begann das Rechtsreferendariat am Kammergericht.Abstract
Seit mehr als 60 Jahren unterscheidet die deutsche Strafrechtslehre zwischen Einwilligung und Einverständnis. Beide Rechtsfiguren entfalten ihre Wirkung auf verschiedenen Deliktsebenen und sind verschieden hohen Anforderungen unterworfen. Diese Zweiteilung der Zustimmung mag zwar der Tradition entsprechen, aber die Arbeit zeigt auf, dass sie weder dogmatisch begründbar noch praktisch durchführbar ist. Auf der Grundlage einer differenzierten, den Interpersonalbezug berücksichtigenden Unrechtslehre, die sich vom tradierten Rechtsgutsbegriff löst, entwickelt die Arbeit eine einheitliche Zustimmungsdogmatik. Eingehend widmet sich die Darstellung dabei sog. Willensmängeln. Die Lösung zur Behandlung solcher Entscheidungsdefizite wird darin gesehen, Unwirksamkeitsurteil und Zurechnungsfrage zu trennen. Letztere erfordert eine normative Abgrenzung der Verantwortungsbereiche, für welche unter dem Leitgedanken der Entscheidungsherrschaft ein Kriterienkatalog entwickelt wird.»Consent as a Negative Element of Criminal Offence«In German criminal law, the consent of the victim can either be relevant as an element hindering the completion of the actus reus of the crime (»tatbestandsausschließendes Einverständnis«) or as a justificatory defense (»rechtfertigende Einwilligung«). However, this differentiation is neither dogmatically sound nor practically helpful. A unified theory of consent, based on a theory of wrongdoing which takes account of the interpersonal relations between offender and victim, should thus be established. Special attention has to be paid to the legal treatment of deficits in decision-making.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Danksagung | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einleitung | 13 | ||
Teil 1: Bestandsaufnahme der Zweiteilungslehre | 17 | ||
§ 1 Die Grundlegung durch Geerds | 17 | ||
I. Das Wesen von Einwilligung und Einverständnis | 21 | ||
1. Die Einwilligung als Unrechtsausschluss | 21 | ||
2. Das Einverständnis als Tatbestandsausschluss | 25 | ||
II. Die Abgrenzung von Einverständnis und Einwilligung | 28 | ||
1. Tatbestände mit ausdrücklich entgegenstehendem Willenselement | 30 | ||
2. Tatbestände mit einem kraft ihrer Natur entgegenstehendem Willenselement | 33 | ||
3. Zusammenfassung: Die Fälle des Einverständnisses nach Geerds | 37 | ||
III. Die Voraussetzungen von Einwilligung und Einverständnis | 41 | ||
1. Die Einwilligung | 41 | ||
a) Die Einwilligungsbefugnis und der Verletzte | 41 | ||
b) Der Gegenstand der Einwilligung | 45 | ||
c) Die Einwilligungsfähigkeit | 46 | ||
d) Die Erklärung | 47 | ||
2. Das Einverständnis | 50 | ||
a) Der Verletzte | 50 | ||
b) Die Willensfähigkeit | 51 | ||
c) Die Form | 53 | ||
IV. Zusammenfassung | 55 | ||
§ 2 Die ungebrochene Wirkmacht in der Lehre | 56 | ||
I. Die Suche nach Kriterien für eine Zweiteilung | 57 | ||
1. Handeln gegen den Willen aufgrund des Tatbestands | 57 | ||
2. Handeln gegen den Willen aufgrund von Deliktscharakter oder Unrecht | 58 | ||
3. Handeln gegen den Willen aufgrund des geschützten Rechtsguts | 59 | ||
4. Unterscheidung zwischen verhaltens- und objektsbezogener Autonomie | 60 | ||
5. Unterscheidung nach dem Bezugspunkt der Zustimmung | 60 | ||
6. Unterscheidung innerhalb der Einverständnisfälle | 61 | ||
7. Drei- statt Zweiteilung | 63 | ||
II. Die Bewertung der Kriterien | 64 | ||
III. Zweierlei Arten der Zustimmung mit zweierlei Voraussetzungen | 70 | ||
Teil 2: Dekonstruktion der Zweiteilungslehre | 77 | ||
§ 3 Die bisherige Kritik durch die Strafrechtslehre | 77 | ||
I. Fremdkörper im Rechtfertigungssystem | 79 | ||
II. Kein Aussagegehalt aus Sittenwidrigkeit nach § 228 StGB | 81 | ||
III. Die historische Bedingtheit der Zweiteilungslehre | 82 | ||
IV. Die widersprüchliche Durchführung der Zweiteilung | 83 | ||
V. Die Relevanz des Streits | 86 | ||
§ 4 Die Unmöglichkeit der Durchführung einer Zweiteilung | 89 | ||
I. Zusammenschau der bisherigen Ergebnisse | 89 | ||
II. Auslegung einer Auswahl an Tathandlungen | 92 | ||
1. Das Wegnehmen beim Diebstahl | 93 | ||
2. Das Eindringen beim Hausfriedensbruch | 98 | ||
3. Das Misshandeln bei der Körperverletzung | 101 | ||
4. Das Beschädigen bei der Sachbeschädigung | 103 | ||
III. Ergebnis: Die Unmöglichkeit einer Zweiteilung | 103 | ||
Teil 3: Grundlegung des Begriffsverständnisses | 105 | ||
§ 5 Das Verständnis von Schutzaufgabe und Unrecht | 105 | ||
I. Was das Strafrecht schützt – Rechte und Rechtsgüter | 106 | ||
1. Die Problematik des systemimmanenten Rechtsgutsbegriffs | 108 | ||
a) Rechtsgutsverständnis und Wirkgrund der Einwilligung | 116 | ||
aa) Das personale Rechtsgutsverständnis Roxins | 117 | ||
bb) Die Modellbeschreibung Rönnaus | 119 | ||
(1) Das Kollisionsmodell: Die Trennung von Wille und Rechtsgut | 119 | ||
(2) Das Integrationsmodell: Die Aufnahme des Willens ins Rechtsgut | 121 | ||
(a) Die Ausweitung des Strafrechtsschutzes | 122 | ||
(b) Die Entstehung von Strafbarkeitslücken | 124 | ||
(3) Das Basismodell: Das Rechtsgut als Basis personaler Entfaltung | 128 | ||
(4) Zwischenfazit: Das Fehlen eines zustimmenden Willens als hinreichender Grund der Unrechtsbegründung | 133 | ||
cc) Die Kritik am personalen Rechtsgutsverständnis | 134 | ||
(1) Kritikpunkt: Personenorientierung | 134 | ||
(2) Kritikpunkt: Gesetzeswortlaut | 137 | ||
(3) Überschneidungen der Modelle: Die Unterscheidung zwischen Mensch und Person als Schutzobjekt des Strafrechts bei Amelung | 139 | ||
dd) Zwischenfazit: Überschätzung der Leistungsfähigkeit des Rechtsgutsbegriffs | 143 | ||
b) Rechtsgutsverständnis und sog. Willensmängel | 144 | ||
aa) Die Lehre von der Rechtsgutsbezogenheit | 144 | ||
bb) Kritik | 146 | ||
2. Der Verzicht auf den Rechtsgutsbegriff | 150 | ||
3. Der Schutz der Rechte anderer gem. Art. 2 I GG als Aufgabe des Strafrechts | 151 | ||
II. Wovor das Strafrecht schützt – Unrecht und Rechtsverletzung | 155 | ||
1. Das scheinbare Schutzparadoxon | 156 | ||
2. Die bisherige dualistische Unrechtskonstruktion der Literatur | 158 | ||
a) Der Streit um die Anerkennung des Unrechtsdualismus | 158 | ||
b) Die inhaltliche Ausgestaltung von Handlungs- und Erfolgsunrecht | 161 | ||
aa) Keine Dichotomie zwischen subjektiver und objektiver Komponente | 161 | ||
bb) Keine Gleichsetzung von Erfolgsunrecht und Rechtsverletzung | 163 | ||
(1) Problem: Identität zwischen Erfolgs- und „Gesamt“-Unrecht | 164 | ||
(2) Problem: Gleichsetzung von Erfolg und Erfolgsunrecht | 166 | ||
3. Die doppelt-dualistische Unrechtskonstruktion | 170 | ||
a) Die Unterscheidung zwischen tat- und täterbezogener Unrechtskomponente | 170 | ||
b) Rechtsverletzung als Unrecht, Bewirken eines Eingriffs als Handlungsunrecht und Zustand des Eingriffs als Erfolgsunrecht | 172 | ||
c) Ein strafrechtliches Sphärenmodell zur Unrechtsbeschreibung | 181 | ||
III. Einordnung der Schutzaufgabe in den Deliktsaufbau | 186 | ||
1. Wertungs- und Unrechtsrelevanz des Tatbestands | 186 | ||
2. Verhältnis von Unrecht zu Tatbestand und Rechtswidrigkeit | 190 | ||
3. Zusammenfassung | 195 | ||
Teil 4: Rekonstruktion einer Zustimmungsdogmatik | 198 | ||
§ 6 Die Einordnung der Zustimmung in den Deliktsaufbau | 198 | ||
I. Das Verständnis der Zustimmung als Normalität | 199 | ||
II. Das Verhältnis der Zustimmung zum dualistischen Unrechtsbegriff | 200 | ||
1. Die Bestimmung des Eingriffs | 201 | ||
2. Die Bestimmung der Rechtsverletzung als Wertungsfrage | 202 | ||
3. Das Fehlen des Erfolgsunrechts infolge der Zustimmung | 203 | ||
4. Zwischenfazit: Die Zustimmung hindert die Entstehung von Unrecht | 206 | ||
III. Vergleich mit ähnlichen Ansätzen aus der Strafrechtslehre | 207 | ||
IV. Einwände gegen einen zweistufigen Aufbau von Eingriff und Verletzung | 209 | ||
1. Abstraktheit einer normativen Rechtsverletzung | 209 | ||
2. Rechtsverletzung und Rechtfertigung | 211 | ||
V. Ergebnis: Die Zustimmung als negatives Tatbestandsmerkmal | 212 | ||
§ 7 Die Voraussetzungen der Zustimmung | 213 | ||
I. Zustimmungsbefugnis | 215 | ||
1. Übertragung der Zustimmungsbefugnis auf Dritte | 216 | ||
2. Zustimmungsbefugnis mehrerer Berechtigter | 219 | ||
II. Tatbestand der Zustimmung | 221 | ||
1. Kundgabe der Zustimmung | 221 | ||
a) Einwilligung | 221 | ||
aa) Erfordernis der Willenskundgabe | 221 | ||
bb) Genügenlassen eines inneren Willens | 223 | ||
cc) Erfordernis einer Entscheidung des Rechtsinhabers | 226 | ||
b) Einverständnis | 230 | ||
c) Folgerungen für die Zustimmung | 231 | ||
2. Zeitpunkt der Zustimmung | 234 | ||
3. Gegenstand der Zustimmung | 236 | ||
a) Die Relevanz für sog. Risikoeinwilligungen | 240 | ||
b) Die Unrechtsrelevanz | 241 | ||
c) Die Verwechslungen der Lehre von der Erfolgsbezogenheit | 243 | ||
aa) Die Gleichsetzung von Erfolg und Rechtsgutsverletzung | 243 | ||
bb) Die Vermengung objektiver und subjektiver Voraussetzungen | 246 | ||
d) Der Eingriff in die Rechtssphäre als Zustimmungsgegenstand | 247 | ||
4. Bedingungen | 252 | ||
5. Widerruf der Zustimmung | 257 | ||
a) Anforderungen an den Widerruf: Kongruenzprinzip | 257 | ||
b) Bindungswirkung bzw. Unwiderruflichkeit der Zustimmung | 258 | ||
III. Wirksamkeit der Zustimmung | 264 | ||
1. Objektive Unwirksamkeitsgründe – Gesetzesschranken | 266 | ||
2. Subjektive Unwirksamkeitsgründe – sog. Willensmängel | 268 | ||
a) Kritische Vorbemerkungen | 269 | ||
aa) Die Verfehltheit der „Willensmängel“-Terminologie | 269 | ||
bb) Die Verfehltheit des Rückgriffs auf die Zivilrechtsdogmatik | 272 | ||
cc) Die Verfehltheit des Autonomie-Maßstabs | 273 | ||
b) Trennungsmodell bzw. Lehre der Verantwortungsbereiche: Trennung des Unwirksamkeitsurteils von der Zurechnungsfrage | 279 | ||
aa) Der Kerngehalt nach Amelung | 280 | ||
bb) Die Vorzüge | 281 | ||
cc) Die Systemkonsistenz in einer einheitlichen Zustimmungsdogmatik | 283 | ||
c) Konstitutionelles Defizit – Zustimmungsunfähigkeit | 286 | ||
aa) Problem: Einheitliche oder differenzierende Bestimmung | 287 | ||
bb) Inhaltliche Voraussetzungen | 289 | ||
d) Kognitives Defizit – Irrtum | 293 | ||
aa) Der Normalfall der Zustimmung: Kenntnis der eingriffsbezogenen Tatsachen | 293 | ||
(1) Keine Übertragung der Anforderungen des Eventualvorsatzes | 293 | ||
(2) Bezugspunkt des kognitiven Elements | 295 | ||
bb) Die Abweichung vom Normalzustand: Irrtum über eingriffsbezogene Tatsachen | 296 | ||
(1) Irrtümer bei der Entscheidungskundgabe | 297 | ||
(2) Irrtümer bei der Entscheidungsbildung | 298 | ||
(3) Sonderformen von Irrtümern | 301 | ||
(4) Zusammenfassung | 306 | ||
e) Voluntatives Defizit – Zwangswirkung | 306 | ||
§ 8 Die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche | 309 | ||
I. Die Ermittlung allgemeiner Wertungskriterien | 311 | ||
1. Verteilung von Verantwortung als Frage angemessener Risikoverteilung? | 311 | ||
2. Angemessenheit einer Verantwortungsverteilung anhand von Vertrauensschutz und Eigenverantwortlichkeit | 312 | ||
a) Kerngehalt | 312 | ||
b) Deliktssystematische Einordnung | 314 | ||
c) Zwischenfazit: Aspekte ohne Leitgedanke | 316 | ||
3. Erweiterter Kriterienkatalog | 317 | ||
a) Schutzzweckzusammenhang | 317 | ||
b) Zuständigkeit | 318 | ||
c) Plausibilität und Rationalität | 319 | ||
d) Vermeidemacht | 320 | ||
4. Entscheidungsherrschaft als zentraler Leitgedanke | 320 | ||
II. Konstitutionelles Defizit – Zustimmungsunfähigkeit | 323 | ||
III. Kognitives Defizit – Irrtum | 323 | ||
1. Die bisherigen Lösungsansätze | 323 | ||
a) Lehre der uneingeschränkten Unwirksamkeit | 324 | ||
b) Lehre der autonomen Entscheidung | 325 | ||
2. Die Lösung nach eigener Ansicht | 329 | ||
a) Differenzierung nach Zuständigkeit unter Berücksichtigung der Entscheidungsherrschaft | 330 | ||
aa) Verantwortungsverteilung kraft Zuständigkeit | 331 | ||
bb) Verantwortungsverteilung kraft Schutzzweck | 334 | ||
cc) Berücksichtigung des Interesses an der Person des Eingreifenden | 337 | ||
b) Verantwortung des Eingreifenden aufgrund überlegenen Wissens | 339 | ||
aa) Bisherige Lösungsansätze: Rechtsmissbrauch und Rechtsgutsbezogenheit | 339 | ||
bb) Entscheidungsherrschaft kraft überlegenen Wissens | 344 | ||
cc) Zusammenfassung | 346 | ||
c) Verantwortung für die Nichteinhaltung von Bedingungen | 346 | ||
aa) Einschränkungen aufgrund des Schutzzwecks der Norm | 348 | ||
bb) Sonderproblem: rechtswidrige und diskriminierende Bedingungen | 351 | ||
IV. Voluntatives Defizit – Zwangswirkungen | 357 | ||
1. Lösung mittels Zuständigkeit, Herrschaft und Interesse des Rechtsinhabers | 358 | ||
2. Behandlung von Dreieckskonstellationen | 361 | ||
§ 9 Tätervorsatz und Zustimmung | 363 | ||
I. Unkenntnis von einer Zustimmung | 363 | ||
II. Irrige Annahme einer Zustimmung | 365 | ||
Zusammenfassung der Thesen | 367 | ||
Literaturverzeichnis | 373 | ||
Personenregister | 387 | ||
Sachwortregister | 389 |