Das Menschenwürdekonzept der Europäischen Menschenrechtskonvention
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Das Menschenwürdekonzept der Europäischen Menschenrechtskonvention
Schriften zum Europäischen Recht, Vol. 190
(2020)
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Torben Bührer studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Göttingen und Kopenhagen mit Schwerpunkt auf dem Europa- und Völkerrecht. 2008 legte er die Erste Juristische Prüfung ab und erlangte mit Abschluss des Ergänzungsstudiengangs Rechtsintegration in Europa den Magister Legum Europae (MLE). Sein Referendariat am Kammergericht Berlin beendete er 2011 mit dem Zweiten Juristischen Staatsexamen. 2018 erfolgte die Promotion an der Universität Göttingen. Er war als Rechtsanwalt sowie als Lektor in einem juristischen Fachverlag tätig. Seit 2019 ist er Referent im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.Abstract
Insbesondere nach Ende des Zweiten Weltkriegs bildete sich die Menschenwürde als Rechtsbegriff heraus und fand Eingang in das Völkerrecht. Das deutsche Grundgesetz (GG) war die erste Verfassung, die die Menschenwürde an die Spitze der Verfassungsordnung stellte. In der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist die Menschenwürde hingegen nicht ausdrücklich benannt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) nimmt jedoch regelmäßig auf sie Bezug.Die Arbeit geht der Frage nach, welche Rechtsqualität die Menschenwürde im Konventionsrecht besitzt. Zudem wird eine positive Begriffsbestimmung vorgenommen. Dabei wird vor allem der völkerrechtliche Gehalt der Menschenwürde ebenso wie die Rechtsprechung des EGMR näher untersucht und ein Vergleich mit der Menschenwürde nach dem GG und auf der Ebene des EU-Rechts angestellt. Der Autor arbeitet grundlegend heraus, dass es sich bei der Menschenwürde um die gemeinsame Grundlage des internationalen Menschenrechtsschutzes, um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz und ein universelles Rechtsprinzip handelt. Der Menschenwürde kommt eine normative Doppelfunktion als objektivem Rechtsgrundsatz sowie als eigenständigem Grundrecht zu. Diese Annahme prägt nicht nur das Menschenwürdeverständnis des GG und des EU-Rechts, sondern auch das Menschenwürdekonzept der EMRK.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
A. Einleitung und Gegenstand der Untersuchung | 13 | ||
B. Von der Idee zum Recht – die Entwicklung der Menschenwürde zum Rechtsbegriff und ihr völkerrechtlicher Gehalt | 17 | ||
I. Eine kleine Ideengeschichte der Menschenwürde | 19 | ||
1. Die griechische Antike | 19 | ||
2. Die Lehren der Stoa, Marcus Tullius Cicero | 20 | ||
3. Die christliche Lehre in der Spätantike und im Mittelalter | 23 | ||
4. Die Renaissance und der Humanismus – Pico della Mirandola | 25 | ||
5. Frühe Neuzeit und Aufklärung | 27 | ||
6. Der Begriff der Würde bei Immanuel Kant | 29 | ||
7. Die Entwicklung des Würdebegriffs in der Moderne | 33 | ||
8. Zwischenergebnis | 36 | ||
II. Die Herausbildung des Rechtsbegriffs der Menschenwürde und sein universeller Gehalt | 37 | ||
1. Die Würde des Menschen in internationalen Verträgen und als Verfassungsbegriff | 39 | ||
a) Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 | 41 | ||
b) Die Genfer Abkommen von 1949 sowie die UN-Menschenrechtspakte von 1966 | 45 | ||
c) Weitere UN-Menschenrechtspakte | 47 | ||
d) Die Arbeiten der ILC zur Menschenwürde | 52 | ||
aa) Die draft articles on the protection of persons in the event of disasters | 53 | ||
bb) Die draft articles on the expulsion of aliens | 56 | ||
e) Regionale Menschenrechtspakte | 57 | ||
f) Die Menschenwürde als Verfassungsbegriff | 60 | ||
aa) Europäische Verfassungen | 61 | ||
bb) Die Verfassung der USA | 67 | ||
cc) Andere außereuropäische Verfassungen | 71 | ||
g) Die Menschenwürde als allgemeiner Rechtsgrundsatz | 76 | ||
h) Zwischenergebnis | 78 | ||
2. Die Menschenwürde als universelles Rechtprinzip | 85 | ||
a) Die Menschenwürde als Scharnier zwischen Moral und Recht | 86 | ||
b) Die Menschenwürde als Konstitutionsprinzip und die Verbindungslinien zu den Menschenrechten | 87 | ||
c) Die Menschenwürde als Grund und Konkretisierung der Menschenrechte | 92 | ||
d) Die Absolutheit des Menschenwürdesatzes | 96 | ||
3. Die Würde des Tieres nach Analogie der Menschenwürde | 99 | ||
III. Ergebnis | 102 | ||
C. Die Würde des Menschen nach dem Grundgesetz | 105 | ||
I. Die Neujustierung der Stellung des Staates gegenüber dem Menschen mithilfe der Menschenwürdegarantie | 108 | ||
II. Begriffsbestimmung vom Verletzungsvorgang her | 111 | ||
III. Die Menschenwürde als seinsgegebener Wert | 112 | ||
IV. Objektformel und Subjektqualität des Menschen | 114 | ||
1. Das Subjektprinzip als wesentliches Element der Würde des Menschen | 114 | ||
2. Das vom BVerfG zugrunde gelegte Menschenbild und die Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums | 116 | ||
V. Die Menschenwürde als „Wurzel aller Grundrechte“ und absolute Grenze staatlichen Handelns | 119 | ||
VI. Absolutheit und Unabwägbarkeit der Menschenwürdegarantie | 121 | ||
1. Die Konturierung der Reichweite der Unantastbarkeit | 122 | ||
a) Der Verweis des BVerfG auf das Sittengesetz | 123 | ||
b) Die Mikrozensus-Entscheidung des BVerfG | 124 | ||
c) Der Beschluss des BVerfG zu heimlichen Tonbandaufnahmen | 125 | ||
d) Das Urteil des BVerfG zum Luftsicherheitsgesetz | 126 | ||
e) Die Entscheidungen des BVerfG zum Großen Lauschangriff und zum BKA-Gesetz | 127 | ||
2. Kritik an der Rechtsprechung des BVerfG zur Absolutheit in der Literatur | 131 | ||
3. Stellungnahme | 136 | ||
VII. Die Menschenwürde als Konstitutionsprinzip und zugleich als anspruchsbegründendes Grundrecht | 140 | ||
1. Die objektiv-rechtliche Dimension der Menschenwürdegarantie | 140 | ||
2. Die subjektiv-rechtliche Dimension der Menschenwürdegarantie | 141 | ||
VIII. Ergebnis | 144 | ||
D. Die Würde des Menschen nach dem Recht der Europäischen Union | 146 | ||
I. Der Grundrechtsschutz auf Unionsebene | 146 | ||
1. Die Union als Wertegemeinschaft | 146 | ||
2. Die aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen entwickelten Unionsgrundrechte und die Rolle des EuGH bei deren Herausbildung | 148 | ||
3. Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union | 151 | ||
4. Die EMRK als Rechtserkenntnisquelle | 153 | ||
5. Die Menschenwürde im Gefüge multipolarer Grundrechtsverhältnisse | 156 | ||
a) Rang und Bedeutung der EMRK im deutschen Recht | 156 | ||
b) Die Rezeption der Rechtsprechung des EGMR zur Menschenwürde durch BVerfG und EuGH | 158 | ||
II. Funktion und normativer Charakter der Menschenwürdegarantie in der EU | 161 | ||
1. Die Menschenwürdegarantie als Fundament der Unionsgrundrechte | 162 | ||
2. Der Grundrechtscharakter von Art. 1 GRCh | 164 | ||
III. Die Würde des Menschen in der Rechtsprechung des EuGH | 165 | ||
1. Die Rs. P. ./. S. und Cornwall County Council | 166 | ||
2. Die Rs. Biopatentrichtlinie | 168 | ||
3. Die Rs. Brüstle sowie die Rs. Stem Cell | 171 | ||
4. Die Rs. Omega-Spielhallen | 173 | ||
a) Die Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl | 173 | ||
b) Die Entscheidung des EuGH | 175 | ||
aa) Die Menschenwürde als Teil des Rechtfertigungsgrundes der „öffentlichen Ordnung“ | 175 | ||
bb) Die Einordnung der Menschenwürde als Grundrecht | 176 | ||
cc) Die Berücksichtigung der „kulturellen Bedingtheit“ des Menschenwürdeschutzes | 178 | ||
IV. Ergebnis | 179 | ||
E. Die Würde des Menschen nach der EMRK im Lichte der Rechtsprechung des EGMR | 182 | ||
I. Die Rechtsquellen der Menschenwürde auf der Ebene des Europarats und in der EMRK | 182 | ||
1. Die Würde des Menschen auf der Ebene des Europarates | 182 | ||
a) Die Erwähnung der Menschenwürde | 184 | ||
b) Keine Erwähnung der Menschenwürde | 189 | ||
2. Die Satzung des Europarats, die Präambel der EMRK und die Bedeutung der AEMR von 1948 | 192 | ||
a) Der Verweis in der Präambel der EMRK auf die AEMR | 192 | ||
b) Die gemeinsamen Grundlagen von AEMR und EMRK | 195 | ||
3. Die Würde des Menschen in der Rechtsprechung des EGMR | 199 | ||
a) Das Folterverbot und das Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung aus Art. 3 EMRK | 200 | ||
aa) Die Menschenwürde in der Spruchpraxis der Europäischen Kommission für Menschenrechte (EKMR) | 201 | ||
bb) Die herausgehobene Stellung des Art. 3 EMRK im Konventionsrecht und seine absolute Geltung | 202 | ||
cc) Rs. Tyrer ./. Vereinigtes Königreich | 205 | ||
(1) Der Schutz der Menschenwürde als eigentlicher Schutzzweck des Art. 3 EMRK | 206 | ||
(2) Die absolute Geltung von Art. 3 EMRK und das Erfordernis eines gewissen Schweregrades | 208 | ||
(3) Die Ableitung einer staatlichen Pflicht zum Schutz der Menschenwürde | 213 | ||
(4) Die Wahrung der Selbstachtung und Selbstbestimmung als Elemente der Menschenwürde | 215 | ||
dd) Diskriminierungen als erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK – Rs. Smith und Grady ./. Vereinigtes Königreich und Rs. Moldovan ./. Rumänien (Nr. 2) | 216 | ||
ee) Die Menschenwürde als Hauptanknüpfungspunkt von Art. 3 EMRK – Rs. Pretty ./. Vereinigtes Königreich | 220 | ||
ff) Die Frage nach der Erforderlichkeit der Gewaltanwendung – Rs. Ribitsch ./. Österreich | 221 | ||
gg) Menschenwürdige Bedingungen in der Haft – Rs. Valasina ./. Litauen | 225 | ||
hh) Einzelhaft sowie Unterbringung in der Sicherheitszelle ohne Kleidung – Rs. Hellig ./. Deutschland, Rs. van der Ven ./. Niederlande und Rs. Ramirez Sanchez ./. Spanien | 226 | ||
ii) Demütigung und Brandmarkung – Rs. Yankov ./. Bulgarien | 231 | ||
jj) Haftbedingungen und positive Verpflichtungen – Rs. Kalashnikov ./. Russland | 232 | ||
kk) Fälle der Auslieferung und Ausweisung – Konkretisierung der positive obligations | 237 | ||
(1) Rs. Soering ./. Vereinigtes Königreich | 237 | ||
(2) Rs. M. S. S. ./. Belgien und Griechenland | 239 | ||
(3) Rs. Tarakhel ./. Schweiz | 243 | ||
(4) Rs. Khlaifia u. a. ./. Italien | 245 | ||
ll) Rettungsfolter und absoluter Schutz – Rs. Gäfgen ./. Deutschland | 247 | ||
mm) Rs. Svinarenko und Slyadnev ./. Russland | 249 | ||
nn) Rs. Bouyid ./. Belgien | 251 | ||
oo) Fragen sozialer Not – Rs. D. ./. Vereinigtes Königreich, Rs. Z. u. a. ./. Vereinigtes Königreich und Rs. N. ./. Vereinigtes Königreich | 253 | ||
b) Das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK | 257 | ||
aa) „The very essence of the Convention“ – Rs. Pretty ./. Vereinigtes Königreich | 257 | ||
bb) Weitere Entscheidungen zur Sterbehilfe – Rs. Koch ./. Deutschland | 261 | ||
cc) Die Verengung des margin of appreciation – Rs. Christine Goodwin ./. Vereinigtes Königreich | 262 | ||
dd) Die Betonung einer positive obligation zur Achtung der Menschenwürde – Rs. L. ./. Litauen; Rs. Dordevic ./. Kroatien | 266 | ||
ee) Weitere Fälle zu „identity“ im Zusammenhang mit der Menschenwürde | 267 | ||
c) Weitere Anknüpfungspunkte für die Menschenwürde in der Konvention | 271 | ||
d) Die zeitliche Dimension des Menschenwürdeschutzes: Pränataler und postmortaler Würdeschutz | 275 | ||
aa) Die Rs. Vo ./. Frankreich | 276 | ||
bb) Die Rs. Tysiac ./. Polen sowie die Rs. A, B und C ./. Irland | 279 | ||
cc) Die Rs. Evans ./. Vereinigtes Königreich und die Rs. Parrillo ./. Italien | 280 | ||
dd) Die Rs. Jäggi ./. Schweiz und die Rs. Elberte ./. Lettland | 281 | ||
4. Ergebnis | 283 | ||
II. Rechtsqualität und Bestimmung des normativen Gehalts des Menschenwürdesatzes in der EMRK | 288 | ||
1. Die Begriffsbestimmung vom Verletzungsvorgang her | 288 | ||
2. Möglichkeiten einer positiven Begriffsbestimmung | 290 | ||
3. Ansätze für eine positive Begriffsbestimmung – der Bedeutungsinhalt der Menschenwürde | 292 | ||
a) Der Rückgriff auf positive Definitionsansätze in der Literatur | 292 | ||
aa) Mitgift- bzw. werttheoretische Ansätze | 292 | ||
bb) Leistungstheoretischer Ansatz | 293 | ||
cc) Kommunikationstheoretischer Ansatz | 295 | ||
dd) Die fünf Komponenten der Menschenwürde nach Podlech | 296 | ||
b) Die Wesensmerkmale der Menschenwürde als Wesensmerkmale des ordre public européen | 299 | ||
aa) Freiheit und die Freiheit von Existenzangst | 300 | ||
(1) Die Menschenwürde als „Urgrund“ der Konventionsrechte und die individuelle Selbstbestimmung als ihre direkte Ausprägung | 300 | ||
(2) Anknüpfungspunkte für die Freiheit in der EMRK | 302 | ||
(3) Die Freiheit von Existenzangst | 304 | ||
bb) Demokratie | 306 | ||
cc) Rechtsstaatlichkeit | 309 | ||
dd) Die Gleichheit des Menschen und Solidarität | 312 | ||
ee) Ergebnis | 316 | ||
4. Die Funktionen der Menschenwürdegarantie | 317 | ||
a) Abwehrfunktion | 317 | ||
b) Schutzfunktion | 318 | ||
c) Die Menschenwürde als eigenständiges Grundrecht | 320 | ||
aa) Der eigenständige Schutzbereich der Menschenwürdegarantie | 320 | ||
bb) Der Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Menschenwürdeverletzung | 322 | ||
cc) Der Schutz des Menschenwürdekerns des jeweiligen Grundrechts | 324 | ||
F. Schlussbetrachtung | 330 | ||
Literaturverzeichnis | 338 | ||
Sach-/Personen- und Rechtsprechungsverzeichnis | 355 |