Der Gewissenstäter im kanonischen Recht
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Der Gewissenstäter im kanonischen Recht
Das kirchliche Sanktionsrecht im Lichte der Glaubens- und Gewissensfreiheit
Kanonistische Studien und Texte, Vol. 70
(2020)
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P. Martin Krutzler OCist, Dr. theol., LL.M. ist Mönch der Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz im Wienerwald und Dozent an der Phil.-Theol. Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz für das Fach Kirchenrecht.Abstract
Die vorliegende Untersuchung behandelt die Frage nach der Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer Rechtsfigur des Gewissenstäters im kanonischen Recht. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist der Kirche nicht nur als echtes Menschenrecht vorgegeben, sondern bildet zugleich eines ihrer Strukturprinzipien. Innerhalb dieses Kontextes lässt sich das normative Phänomen des Gewissenstäters ausmachen, welcher definiert wird als Katholik, der ein objektiv und subjektiv verpflichtendes, sanktionsbewehrtes Gesetz übertritt, weil ihm sein Gewissen eine der Norm entgegengesetzte Verhaltensanweisung gibt. Da die Rechtsfigur des Gewissenstäters innerhalb der Kanonistik insbesondere dann ein drängendes Problem darstellt, wenn im Zuge einer kirchlichen Sanktion Zwangscharakter und Besserungszweck aufeinandertreffen, ist sie als ein Phänomen zu begreifen, welches vor allem das kirchliche Sanktionsrecht berührt. Dessen Maßnahmen und Mittel sind daher vor dem Hintergrund der Glaubens- und Gewissensfreiheit zu evaluieren.»The Delinquent of Conscience within Canon Law. An Evaluation of the Sanctions in the Catholic Church in the Light of the Right to Freedom of Belief and of Conscience«The delinquent of conscience, here defined as the catholic who both objectively and subjectively breaks a mandatory law, albeit underpinned by sanctions, because his conscience dictates a behaviour contrary to the norm, has its place within Canon Law. The justification for such a legal concept is not only to be found in the right to freedom of belief and of conscience as a human right, but because it is a structural principle of a community of faith.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 12 | ||
Kapitel 1: Einleitung | 17 | ||
A. Gewissen – Mensch – Recht | 17 | ||
I. Das Gewissen als menschliches Existenzial | 17 | ||
II. Freiheit und Glaube | 19 | ||
III. Offensichtliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Forschungsfrage | 23 | ||
B. Ziel, Aufbau und aktueller Forschungsstand | 29 | ||
I. Ziel der Untersuchung | 29 | ||
II. Aufbau der Arbeit und aktueller Forschungsstand | 31 | ||
Kapitel 2: Kontext, Definition und Ausfaltung rder Rechtsfigur des Gewissenstäters | 38 | ||
A. Die Rechtsfigur des Gewissenstäters im staatlichen Recht | 38 | ||
I. Gustav Radbruch und die Rechtsfigur des Gewissenstäters | 38 | ||
II. Die Rolle des Gewissens im säkularisierten Staat | 41 | ||
III. Erkenntnisse aus der Betrachtung der Rechtsfigur des Gewissenstäters im staatlichen Recht | 44 | ||
B. Von der Tragweite des kanonischen Rechts | 47 | ||
I. Joseph Klein und die Kirche der freien Gefolgschaft | 50 | ||
1. „Skandalon. Um das Wesen des Katholizismus“ | 50 | ||
2. Die Begrenzung des Kirchenrechts durch die freie Gefolgschaft | 51 | ||
3. Die Freiheit des Glaubens | 55 | ||
II. Die Konvergenz von Glaube und Recht im rechtstheologischen Ansatz von Hans Barion | 59 | ||
1. Die rechtliche Transformierbarkeit des Glaubens | 59 | ||
2. Barions System des göttlichen Kirchenrechts | 62 | ||
3. Die Rechtsfigur des Überzeugungstäters bei Hans Barion | 65 | ||
III. Der Ertrag aus der Auseinandersetzung zwischen Joseph Klein und Hans Barion für eine Rechtsfigur des Gewissenstäters | 75 | ||
C. Die Rechtsfigur des Gewissenstäters im kirchlichen Recht | 81 | ||
I. Der „Gewissenstäter“ als „Rechtsfigur“ – Begriffsklärungen | 81 | ||
1. Die Beschränkung auf den „Gewissenstäter“ | 81 | ||
2. Der Gewissenstäter als Rechtsfigur im kanonischen Recht | 83 | ||
II. Die Definition der Rechtsfigur des Gewissenstäters im kirchlichen Recht | 84 | ||
III. Kontextualisierung der vorgelegten Definition | 88 | ||
1. Das Gesetz als allgemeine rechtsverbindliche Glaubensweisung | 89 | ||
2. Die communiale Ausrichtung des kirchlichen Gesetzes | 91 | ||
Kapitel 3: Die Gewissensfreiheit im kirchlichen Recht | 94 | ||
A. Das Gewissen im christlichen Kontext | 94 | ||
I. Frühformen des Gewissensbegriffs | 94 | ||
II. Omne, quod non est ex conscientia, peccatum est | 98 | ||
III. Die begriffliche Klärung des irrenden Gewissens | 101 | ||
IV. Die Krise des Gewissensbegriffs | 103 | ||
V. Der Gewissensbegriff zur Zeit des Zweiten Vatikanums | 105 | ||
VI. Das Verhältnis von Wahrheit und Gewissen | 110 | ||
B. Das Verhältnis Recht und Gewissen im Kirchenrecht | 115 | ||
I. Das Verhältnis von Gesetz und Gewissen nach Georg May | 116 | ||
II. Das Verhältnis von Recht und Moral | 119 | ||
III. Das Gewissen – ein unjuristisches Ding? | 121 | ||
IV. Die Einheit von forum internum und forum externum im kirchlichen Rechtsbereich | 123 | ||
V. Das Begriffspaar forum internum und forum externum im CIC/1983 | 129 | ||
VI. Was bedeutet die Begriffszuordnung von forum externum und forum internum für das Verhältnis von Gewissen und Recht? | 134 | ||
C. Das Gewissen im CIC/1983 | 135 | ||
I. Der Begriff „Gewissen“ im CIC/1983 | 135 | ||
II. Die Auslegung von c. 748 § 2 CIC/1983 | 136 | ||
1. Auslegung gemäß der im Text und Kontext erwogenen Wortbedeutung | 137 | ||
2. Entstehung, Zweck und Parallelstellen der Norm | 140 | ||
3. Die Reichweite von c. 748 § 2 CIC/1983 im geltenden Recht | 143 | ||
4. Ergebnis der Auslegung von c. 748 § 2 CIC/1983 | 146 | ||
5. Unterschiedliche Normen für unterschiedliche Aspekte der Freiheit | 147 | ||
a) Das Problem der Kirchengliedschaft im Lichte der Glaubens- und Gewissensfreiheit | 149 | ||
b) Konsequenzen für die Verortung der innerkirchlichen Freiheit des Glaubens und des Gewissens | 160 | ||
D. Das Menschenrecht auf Gewissensfreiheit | 162 | ||
I. Die Wiederentdeckung der Gewissensfreiheit in der Kirche | 162 | ||
II. Die Konfrontation der Kirche mit dem Grundrecht der Gewissensfreiheit | 165 | ||
III. Die Gewissensfreiheit im II. Vatikanischen Konzil | 170 | ||
1. Wahrheitsanspruch der Kirche und subjektives Gewissensurteil | 170 | ||
2. Ein innerkirchliches Grundrecht auf Gewissensfreiheit? | 172 | ||
3. Verbot des Zwanges durch rein menschliche Gewalt | 178 | ||
IV. Innere Religionsfreiheit oder Gewissensfreiheit? | 180 | ||
V. Menschenrechte in der Kirche | 182 | ||
1. Die Grund- und Menschenrechtsproblematik in der Kirche | 182 | ||
2. Die kontextuelle Prägung der Menschenrechte | 189 | ||
3. Die Verwirklichung von Menschenrechten in der Kirche | 192 | ||
a) Defizitäre Ansätze der Verwirklichung von Menschenrechten in der Kirche | 192 | ||
b) Die Notwendigkeit einer ekklesialen Prägung von Menschenrechten in der Kirche | 195 | ||
c) Innerkirchliche Menschenrechte als echte Individualschutzrechte | 197 | ||
VI. Das Menschenrecht auf Gewissensfreiheit als kirchliches Grundrecht | 200 | ||
1. Ursprung des Rechts | 201 | ||
2. Träger des Rechts | 202 | ||
3. Sachlicher Schutzbereich | 202 | ||
a) Der sachliche Schutzbereich der inneren Gewissensfreiheit | 203 | ||
b) Der sachliche Schutzbereich der äußeren Gewissensfreiheit | 207 | ||
c) Die Einschränkung der äußeren Gewissensfreiheit | 208 | ||
VII. Zusammenfassende Bemerkungen zum Grundrecht der Gewissensfreiheit in der Kirche | 209 | ||
Kapitel 4: Das kirchliche Sanktionsrecht im Lichte der Glaubens- und Gewissensfreiheit | 211 | ||
A. Das Sanktionsrecht der Kirche als Kontext der Rechtsfigur des Gewissenstäters | 211 | ||
I. Eröffnung der Problemstellung | 211 | ||
II. Strafrecht oder Sanktionsrecht – eine Begriffsklärung | 215 | ||
III. Die Legitimität kirchlicher Sanktionsgewalt | 218 | ||
IV. Die historische Entwicklung der kirchlichen Sanktionstypen | 226 | ||
1. Vom öffentlichen Bußsystem zur Ausprägung kirchlicher Sanktionen | 226 | ||
2. Zensur und Vindikativstrafe im CIC/1917 | 233 | ||
a) Die Zensur im CIC/1917 | 233 | ||
b) Die Vindikativstrafe im CIC/1917 | 235 | ||
3. Sanktionszwecke im CIC/1917 | 235 | ||
V. Zensur und Vindikativstrafe im CIC/1983 | 238 | ||
1. Die Zensur im CIC/1983 | 240 | ||
2. Die Sühnestrafe im CIC/1983 | 243 | ||
3. Exkurs: Die Disziplinarmaßnahme | 244 | ||
4. Sanktionszwecke im CIC/1983 | 247 | ||
5. Stimmen aus der Kanonistik zur Sanktionszwecklehre | 247 | ||
VI. Der Besserungszweck kirchlicher Sanktionen | 252 | ||
1. Der Besserungszweck der Zensur | 252 | ||
2. Der Besserungszweck der Sühnestrafe | 257 | ||
3. Auswertung der Sanktionszwecklehre in Bezug auf die Rechtsfigur des Gewissenstäters | 258 | ||
B. Übt die Kirche mit ihren Sanktionen Zwangsgewalt aus? | 259 | ||
I. Der Zwang im Recht der Kirche | 260 | ||
1. Äußere Zwangsgewalt – ein Teil des kirchlichen Rechtsbegriffs? | 264 | ||
II. Konzeptionelle Widersprüche bei der Verhältnisbestimmung von Besserung und Zwang | 266 | ||
III. Ansgar Grochtmanns Definition des Zwangs | 268 | ||
1. Worin liegt definitorisch das Wesen von Zwang? | 270 | ||
IV. Die Zensur als eine Maßnahme mit Besserungszweck und Zwangscharakter im CIC/1983 | 271 | ||
C. Theologische Erfassung des kirchlichen Sanktionsrechts im Lichte der Gewissensfreiheit | 272 | ||
I. Libero Gerosas These von der deklarativen Funktion der Exkommunikation | 273 | ||
1. Gerosas Ausgangsfrage bei der Untersuchung der Exkommunikation | 273 | ||
2. Die Begründung der These vom deklarativen Charakter der Exkommunikation | 273 | ||
3. Kritische Würdigung der These vom deklarativen Charakter der Exkommunikation | 280 | ||
II. Die Neueinteilung der Sanktionsmittel nach Klaus Lüdicke | 284 | ||
1. Die Verwerfung des Sanktionszwecks der Besserung | 285 | ||
2. Lüdickes Reformvorschläge zum kirchlichen Sanktionsrecht | 285 | ||
3. Würdigung der Vorschläge Klaus Lüdickes | 290 | ||
III. Ludger Müllers Unterscheidung nach Wesen und Funktion der Sanktionen | 294 | ||
1. Warum eine theologisch fundierte Unterscheidung der Sanktionen notwendig ist | 294 | ||
2. Zensuren sind keine Strafen | 296 | ||
3. Würdigung der Einschätzung Müllers über die Zensur und Sühnestrafe | 299 | ||
D. Einordnung der Rechtsfigur des Gewissenstäters in das kirchliche Sanktionsrecht | 301 | ||
I. Gerosas These als Ausgangspunkt | 302 | ||
II. Die Beachtung von Wesen und Funktion der Zensur | 303 | ||
1. Exkommunikation, Interdikt und Suspension als Maßnahmen deklarativen Charakters? | 303 | ||
2. Kriterien eines mit der Zensur sanktionsbewehrten Tatbestandes | 305 | ||
III. Die Zensur als Tatsanktion | 308 | ||
IV. Die Rechtsfigur des Gewissenstäters auf Ebene der Schuld | 312 | ||
1. Sünde und Delikt | 313 | ||
a) Auf dem Weg zu einer Zurechnungslehre im kirchlichen Sanktionsrecht | 314 | ||
b) Die Zurechnungslehre des CIC/1983 | 316 | ||
c) Die Vermutung der Zurechnung | 319 | ||
2. Das Problem des Nachweises einer subjektiven moralischen Schuld | 320 | ||
3. Das Problem der moralischen Zurechnung im Fall des Gewissenstäters | 321 | ||
a) Exkurs: Kann eine culpa praecedens eine sanktionsrechtliche Zurechnung begründen? | 322 | ||
4. Eine Entflechtung des sanktionsrechtlichen Schuldbegriffs | 324 | ||
5. Der Verzicht auf eine subjektive moralische Zurechnung | 327 | ||
6. Eine Differenzierung hinsichtlich der Sanktionsmaßnahmen | 328 | ||
Kapitel 5: Ergebnisse und Konsequenzen | 330 | ||
A. Zusammenfassung der Ergebnisse | 330 | ||
B. Ergänzungs- und Änderungsvorschläge für das kirchliche Sanktionsrecht | 335 | ||
C. Die Notwendigkeit einer Reform des kirchlichen Sanktionsrechts | 337 | ||
Quellen- und Literaturverzeichnis | 341 | ||
Stichwortverzeichnis | 379 |