Europas variable Rechtsordnung
BOOK
Cite BOOK
Style
Format
Europas variable Rechtsordnung
Eine Untersuchung zur Geltung und Wirkung des Europäischen Rechts
Schriften zum Europäischen Recht, Vol. 196
(2020)
Additional Information
Book Details
Pricing
About The Author
Andreas Hitzel studierte Rechtswissenschaft sowie Philosophie und kath. Theologie in Frankfurt am Main (Dr. iur.) sowie am King‘s College der University of Cambridge (LL.M.). Nach Abschluss des Ersten Juristischen Staatsexamens absolvierte er das Rechtsreferendariat mit Station bei einer US-amerikanischen Kanzlei in New York City. Seit Ablegung des Zweiten Juristischen Staatsexamens ist er als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main tätig.Abstract
Die Europäische Union definiert sich seit ihren Anfängen als Rechtsgemeinschaft, die nicht auf Gewalt oder Unterwerfung, sondern einzig auf der Kraft des Rechts gegründet ist - ein Konzept, das aufgrund einer Vielzahl an Krisen, die Europa in jüngster Zeit bestimmt haben, zunehmend in Zweifel gezogen wird. Die vorliegende Untersuchung nimmt dies zum Anlass, die Frage nach der Geltung und Wirkung des europäischen Rechts abseits tradierter Konzepte grundlegend neu zu stellen und vor allem zu seiner tatsächlichen politischen Struktur in ein realistisches Verhältnis zu setzen. Von diesem Grundgedanken aus entwickelt der Autor ein alternatives Verständnis vom europäischen Recht als einer variablen Rechtsordnung, das nicht eine postulierte Einheit, sondern die Frage nach dem richtigen Umgang mit Differenzen zum Ausgangspunkt nimmt und so angemessene Erklärungs- und Lösungsansätze zu aktuellen Problemen bereitstellt.»Europe's Variable Legal Order. A Study on the Validity and Effect of European Law«The concept of the European Union as a community based on the rule of law is increasingly being called into question, not least because of the suspicion of apparent breaches of law in the management of past crises. The author takes this as an opportunity to review traditional theories on the nature of European law and to develop an alternative understanding of European law as a variable legal order, which does not start from a postulated unity but from the question of how to deal with differences.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vowort | 7 | ||
Inhaltsübersicht | 9 | ||
Inhaltsverzeichnis | 11 | ||
§ 1 Einleitung | 17 | ||
I. Ausgangspunkt: Das Recht in der europäischen Krise | 17 | ||
II. Untersuchungsziel und Forschungsgegenstand | 28 | ||
III. Gang der Untersuchung und methodisches Vorgehen | 30 | ||
§ 2 Geltungsmangel: Über die Unmöglichkeit der verbindlichen Bestimmung eines Grundes für die Geltung des europäischen Rechts | 34 | ||
I. Herkömmlicher Ausgangspunkt der Rechtsgeltung: Vernunft und Gewalt | 35 | ||
1. Die Europäische Union als gewaltlose Rechtsgemeinschaft? | 35 | ||
2. Die Gewalt des Rechts und die Rechtsgemeinschaft | 37 | ||
a) Recht und Gewalt: Eine grundlegende Verhältnisbestimmung | 37 | ||
b) Die Gewalt einer „zwanglosen Rechtsgemeinschaft“ | 39 | ||
3. Vernunft und Gewalt als Faktoren im europäischen Recht: Das Problem der fehlenden Einheit | 40 | ||
II. Die Europäische Union und das europäische Recht als Produkt einer Rechtsquelle? | 43 | ||
1. Die Einheit in der Rechtsquelle: Die Europäische Union als Schöpfung des Rechts? | 45 | ||
2. Die Durchbrechung der Rechtsquellenhierarchie durch die nationalen Rechtsordnungen | 48 | ||
3. Das europäische Recht als heterarchisches Netzwerkrecht | 51 | ||
4. Die europarechtliche Dogmatik als Schöpferin einer einheitsstiftenden Rechtsquelle? | 53 | ||
III. Intersubjektivität als Erklärungsansatz für die Geltung des europäischen Rechts: Der Mittelweg als Lösung? | 58 | ||
1. Allgemeinverbindliche Ansprüche ohne Metaphysik: Über den Zusammenhang zwischen Legitimität, Gewalt und Rechtsgeltung unter den Bedingungen der Postmoderne | 58 | ||
2. Intersubjektivität als Garantin von Allgemeinverbindlichkeit? | 60 | ||
3. Die Voraussetzungen einer allgemeinverbindlichen intersubjektiven Geltungstheorie: Der ideale Diskurs | 62 | ||
4. Zu den Grundlagen des idealen Diskurses: Intersubjektivität als Verschleierung von Objektivität – die Wiederkehr von Vernunft und Gewalt in anderer Gestalt | 64 | ||
IV. Die Frage nach der Rechtsgeltung als Frage nach der Letztbegründung | 66 | ||
1. Die Rechtsgeltung als Fall des Münchhausen-Trilemmas | 66 | ||
2. Das Problem der Rechtsgeltung in der EU als wirkungsverschärfter Fall des Münchhausen-Trilemmas | 68 | ||
a) Rechtsquellenlehre: Abbruch des Begründungsverfahrens in einer obersten Norm und logischer Zirkel der Quellenmetapher | 68 | ||
b) Gewalt: Infiniter Regress der Gewaltverursachung | 70 | ||
c) Vernunft: Zirkel zwischen dem Anschluss an gesellschaftliche Wissensbestände und ihrer Strukturierung | 71 | ||
§ 3 Rechtskräfte: Das europäische Recht als Recht der schwachen Bindungen | 76 | ||
I. Ontologische Abklärung: Rechtsgeltung als zirkulierendes Symbol | 76 | ||
II. Die paradoxen Grundlagen des europäischen Rechtsprogramms: Der Mangel an Einheit und seine Auswirkungen | 79 | ||
1. Einheit als Voraussetzung einer geregelten Anschlussfähigkeit? | 81 | ||
a) Gemeinsames Wissen als Voraussetzung für geregelte Anschlussfähigkeit | 81 | ||
b) Der Mangel an gemeinsamen Wissen im europäischen Kontext und seine Folgen für das europäische Rechtsprogramm | 82 | ||
c) Das Wissen von der Paradoxie als einziges gemeinsames Wissen in Europa; seine Auswirkungen auf die operativen Vollzüge des europäischen Rechts | 83 | ||
2. Rechtskultur als bestimmender Faktor für die Rechtsgeltung | 84 | ||
III. Programmfehler: Das europäische Recht als „unscharfes Recht“ | 87 | ||
1. Dicke Bindungen als Grundlage jedes funktionierenden Rechtsprogramms | 87 | ||
2. Folgen der Bindungsschwäche des europäischen Rechts: Mangelnde Unterscheidungskraft und Prinzipienschwäche | 90 | ||
§ 4 Geltungskrise: Über die Wirkungen und Eigenschaften des europäischen Rechts in Fällen kognitiver Herausforderungen | 93 | ||
I. Ordnung und Form: Der Einfluss des europäischen Ordnungsmodells auf das europäische Recht | 96 | ||
1. Über die Rolle der Ordnung als Grundlage des Rechts | 96 | ||
2. Der Zusammenhang zwischen Ordnung und Form im Recht | 97 | ||
3. Formverluste in der Europäischen Union: Die Tendenz zu „weichen“ Steuerungsinstrumenten | 99 | ||
a) Soft Law makes bad cases: Über den zunehmenden Gebrauch von Nicht-Recht und Quasi-Recht zur Strukturierung Europas | 99 | ||
b) Verstetigter Anwendungsfall von Soft Law: Die Offene Methode der Koordinierung | 103 | ||
c) Institutionalisierter Formverlust: Unionsmethode statt Gemeinschaftsmethode – Politik statt Recht | 106 | ||
II. Einheit und Fragment: Folgen der Ordnung Europas für das europäische Recht | 108 | ||
1. Die Bedeutung des Prinzips der Einheit für die Rechtsordnung | 108 | ||
2. Das europäische Recht als uneinheitliches Fragment | 109 | ||
3. Die Fragmentierung des europäischen Rechts in der Eurokrise | 111 | ||
a) Die erste Griechenlandhilfe: Ausweichen ins nationale Privatrecht | 111 | ||
b) ESM-Vertrag: Quasi-europäisches Völkerrecht | 112 | ||
c) Europäischer Fiskalpakt: Europäisches Völkerrecht zur Implementierung ins nationale öffentliche Recht | 115 | ||
III. Semantische Ungewissheiten: Das europäische Recht als Recht fluider Bedeutungen | 116 | ||
1. Einheit und Formstrenge als Voraussetzungen für semantische Gewissheiten | 116 | ||
2. Das europäische Recht als Recht erhöhter Ungewissheiten | 118 | ||
3. Auflösungserscheinungen: Der Wandel von Bedeutungen im europäischen Recht in Anbetracht kognitiver Zwänge | 119 | ||
a) Art. 122 Abs. 2 AEUV und EFSM: Die Griechenlandkrise als unkontrollierbares, außergewöhnliches Ereignis | 121 | ||
b) Art. 123 Abs. 1 AEUV: Verbot unmittelbarer Staatsfinanzierung statt Verbot monetärer Staatsfinanzierung | 123 | ||
c) Art. 125 Abs. 1 AEUV: Vom Beistandsverbot zum Verbot der Beistandspflicht | 126 | ||
IV. Schlussfolgerungen: Das europäische Recht als „poietisches Unsystem“ | 132 | ||
§ 5 Fragmentverfassung: Das europäische Recht als variable Rechtsordnung | 134 | ||
I. Vorstellungen von Verfassungen in Europa und die Vorstellung von einer europäischen Verfassung | 134 | ||
1. Die Verfassung als europäisches Heilmittel: Der legitimistische Verfassungsbegriff Europas | 135 | ||
a) Verfassung als Garant der hierarchischen und autonomen Stellung Europas | 136 | ||
b) Verfassung als Legitimität evozierende Beschwörungsformel | 138 | ||
c) Grund für die Übertragung der Vorstellungen vom Verfassungsstaat auf Europa: Begründung eines europäischen Gesellschaftsvertrages | 139 | ||
2. Über den notwendigen Zusammenhang zwischen dem legitimistischen Verfassungsstaat und primordialen Bindungen | 142 | ||
a) Bindung kraft Vernunft? | 142 | ||
b) Das Erfordernis der „inneren Integration“ durch primordiale Bindungen und die Nation als Trägerin derselben | 144 | ||
c) Folge: Die Nation als notwendige Voraussetzung eines Verfassungsstaates | 147 | ||
3. Die fehlende europäische Primordialität und die aus ihr folgende Wirkungslosigkeit einer möglichen europäischen Verfassung | 149 | ||
a) Die fehlende europäische Nation | 149 | ||
b) Ersetzung der fehlenden europäischen Primordialität durch einen europäischen Gesellschaftsvertrag? | 151 | ||
c) Folge: Die förmliche europäische Verfassung als bloßer Etikettenwechsel ohne Einfluss auf den Integrationsprozess | 155 | ||
II. Notwendige Alternativen zum Konzept des Verfassungsstaates: Experimentelle und tastende Modelle – Netzwerk, Verbundordnung und Kollisionsrecht | 161 | ||
1. Das Ende der großen Legitimationserzählungen: Eine grundlegende Veränderung der Perspektive auf die Verfassung Europas | 161 | ||
2. Erste Folge: Die Entkoppelung von Staat und Recht und die Öffnung zum pluralen Rechtsnetzwerk | 165 | ||
3. Zweite Folge: Plurales Verfassungsrecht und die Notwendigkeit eines Verfassungskollisionrechts – Die Funktion einer europäischen Verfassung als „Netzwerk von Netzwerken“ | 168 | ||
a) Europa als Ensemble von horizontal fragmentierten Teilverfassungen | 168 | ||
b) Die Frage nach der Verfassung Europas als Frage nach dem Verhältnis zwischen den verschiedenen Teilverfassungen: Die Herstellung von Kompatibilitäten durch Kollisionsrecht | 172 | ||
c) Die europäische Verfassung als dezentrale Metaverfassung zur selbstsubversiven Begrenzung und wechselseitigen Kompatibilisierung der Teilverfassungen | 177 | ||
III. Folgen für das europäische Recht: Anpassung des Rechts an die Ordnung – variable Rechtsordnung statt Rechtsgemeinschaft | 181 | ||
1. Das Konzept der variablen Geometrie als Ausdruck und Folge der postmodernen Struktur Europas | 181 | ||
2. Konsequente Übersetzung in die Sphäre des Rechts: Die variable Rechtsordnung | 184 | ||
§ 6 Perspektivenwechsel: Folgen des Verständnisses von der variablen Rechtsordnung Europas für die Rechtspraxis – eine normative Verteidigung des faktischen status quo anhand dreier Beispiele | 188 | ||
I. Abkehr von starren Hierarchie- und Vorrangvorstellungen: Warum der OMT-Fall tatsächlich nicht „entschieden“ werden konnte | 188 | ||
II. Abkehr vom Gedanken des einheitlichen Rechtssystems: Warum die erste Griechenlandhilfe, der ESM-Vertrag und der europäische Fiskalpakt tatsächlich europäisches Recht sind | 192 | ||
III. Abkehr von der Vorstellung klarer semantischer Gewissheiten: Warum Art. 122 Abs. 2, 123 Abs. 1 und 125 Abs. 1 AEUV in der Eurokrise tatsächlich nicht verletzt wurden | 193 | ||
§ 7 Zusammenfassung und Ausblick | 197 | ||
Thesen | 203 | ||
Literaturverzeichnis | 205 | ||
Sachverzeichnis | 229 |