Die Kooperation von Unternehmen mit deutschen Strafverfolgungsbehörden
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Die Kooperation von Unternehmen mit deutschen Strafverfolgungsbehörden
Internal Investigations, Mitarbeiterinterviews und nemo-tenetur-Grundsatz
Schriften zum Strafrecht, Vol. 358
(2020)
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About The Author
Annika Hille studierte Rechtswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster. Nach dem Rechtsreferendariat im Oberlandesgerichtsbezirk Düsseldorf mit Stationen unter anderem in London, promovierte sie bei Prof. Dr. Helmut Frister an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Promotionsbegleitend arbeitete sie als juristische Mitarbeiterin in einer international tätigen Wirtschaftskanzlei im Bereich Wirtschaftsstrafrecht und Compliance. Seit 2018 ist sie dort als Rechtsanwältin tätig.Abstract
Internal Investigations gewinnen in der Praxis der Rechtsberatung immer größere Bedeutung und stehen im Fokus des Gesetzgebers. Für die sich dabei stellenden Rechtsfragen, insbesondere im Umgang mit Erkenntnissen aus Mitarbeiterinterviews, existieren bislang keine gesetzlichen Regelungen oder einheitliche Standards. Diese Arbeit untersucht das Spannungsverhältnis, welches sich aus einer noch strittigen arbeitsrechtlichen Auskunftspflicht von Mitarbeitern und der Weitergabe dieser Erkenntnisse durch das kooperierende Unternehmen an die ermittelnde Staatsanwaltschaft ergibt. Dabei werden verschiedene Lösungsansätze beleuchtet, um die sich aus dem Transfer der Erkenntnisse ins Strafverfahren ergebende Gefahr einer Umgehung der Selbstbelastungsfreiheit der Mitarbeiter aufzulösen. Die Autorin gelangt zu dem Ergebnis, dass zum Schutz der Mitarbeiter für verpflichtende selbstbelastende Angaben ein Beweisverwertungsverbot im Strafverfahren erforderlich ist.»The Cooperation of Companies with German Criminal Prosecution Authorities. Internal Investigations, Interviews with Employees and nemo-tenetur Principle«This thesis on Internal Investigations focuses on the conflict between the obligations of employees to provide information in interviews and the company’s transfer of this information to public prosecutors. To protect the employees’ right against self-incrimination in case of companies submitting incriminating information obtained in interviews to public prosecutors, the author suggests the inadmissibility of such information in criminal proceedings against the employees.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 15 | ||
A. Einleitung und Gang der Untersuchung | 21 | ||
B. Grundlagen der Internal Investigations und der Strafbarkeit von Unternehmen | 29 | ||
I. US-amerikanische Herkunft der Internal Investigations | 29 | ||
II. Internal Investigations als Ausprägung der Compliance | 34 | ||
1. Begriff der Compliance und der Internal Investigation | 34 | ||
2. Gesetzliche Grundlagen in Deutschland | 38 | ||
3. Vor- und Nachteile von Compliance-Systemen und Internal Investigations | 42 | ||
III. Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen nach deutschem Recht | 46 | ||
1. Bisherige Rechtslage | 47 | ||
2. Reformbestrebungen | 50 | ||
a) Verbandsstrafgesetzbuch-Entwurf NRW (2013) | 53 | ||
b) Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes (2017) | 56 | ||
IV. Erstes Zwischenfazit | 58 | ||
C. Mitarbeiterbefragungen im Rahmen von Internal Investigations | 60 | ||
I. Pflicht zur Teilnahme und Aussage durch den Mitarbeiter? | 60 | ||
1. Weisungsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO | 61 | ||
2. Unmittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) | 63 | ||
3. Mittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB | 66 | ||
4. Zwischenergebnis | 69 | ||
II. Ablauf von Mitarbeiterinterviews in der Praxis | 70 | ||
III. Grenzen der Auskunftspflicht | 74 | ||
1. Keine Geltung strafprozessualer Normen | 74 | ||
2. Nemo-tenetur-se-ipsum-accusare-Grundsatz | 78 | ||
a) Verfassungsrechtliche Grundlagen | 78 | ||
b) Inhalt des nemo-tenetur-Grundsatzes | 85 | ||
c) Geltung des nemo-tenetur-Grundsatzes bei der Mitarbeiterbefragung | 91 | ||
aa) Geltung der einfachgesetzlichen Ausprägungen des nemo-tenetur-Grundsatzes | 91 | ||
bb) Mittelbare Drittwirkung des nemo-tenetur-Grundsatzes | 92 | ||
3. Fair-trial-Grundsatz | 95 | ||
4. Zwischenergebnis | 95 | ||
IV. Auswirkungen auf die Auskunftsansprüche: Reichweite und Grenzen | 96 | ||
1. Kein generelles Auskunftsverweigerungsrecht | 97 | ||
2. Unmittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß § 666 BGB (i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) | 100 | ||
a) Interessenabwägung | 101 | ||
b) Problematik der Beweislastumgehung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG bzw. allgemeiner Beweislastregeln | 106 | ||
3. Mittelbarer Arbeitsbereich: Auskunftsanspruch gemäß §§ 242, 611a, 241 Abs. 2 BGB | 109 | ||
a) Generelle Zumutbarkeitserwägungen | 109 | ||
b) Interessenabwägung | 110 | ||
c) Problematik der Beweislastumgehung des § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG bzw. allgemeiner Beweislastregeln | 115 | ||
d) Anzeigepflicht hinsichtlich Taten von Arbeitskollegen? | 115 | ||
4. Zwischenergebnis | 116 | ||
V. Sonstige Rechte und Pflichten im Rahmen des Mitarbeiterinterviews | 117 | ||
1. Begleitung durch einen Rechtsanwalt | 120 | ||
2. Protokollierung des Interviews und Einsichtnahme | 121 | ||
3. Belehrungen des Mitarbeiters | 123 | ||
4. Zwischenergebnis | 124 | ||
VI. Sanktions- und Durchsetzungsmöglichkeiten | 124 | ||
1. Arbeitsrechtliche Sanktionsmöglichkeiten | 125 | ||
2. Zwangsweise Durchsetzung | 129 | ||
3. Materiell-rechtliche Zulässigkeit der Androhung von Sanktionen oder der zwangsweisen Durchsetzung nach § 240 StGB | 133 | ||
VII. Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse | 135 | ||
D. Herausgabe der Unterlagen durch das Unternehmen im Rahmen der Kooperation | 137 | ||
I. Kooperation in der Praxis | 139 | ||
II. Anforderungen an eine strafmildernde Kooperation | 142 | ||
1. Kooperation de lege lata | 143 | ||
2. Kooperation de lege ferenda | 147 | ||
3. Bezugspunkt der im Rahmen der Kooperation geleisteten Aufklärungshilfe | 148 | ||
4. Umfang der Kooperation | 149 | ||
III. Zulässigkeit der Herausgabe von Unterlagen durch das Unternehmen unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts | 151 | ||
1. Erforderlichkeit der Herausgabe von Unterlagen | 153 | ||
a) Offenbarungsverbot | 153 | ||
b) Anonymisierung von Unterlagen | 157 | ||
2. Angemessenheit der Herausgabe von Unterlagen | 158 | ||
3. Risiko der Beschlagnahme von Unterlagen durch Ermittlungsbehörden | 159 | ||
a) Beschlagnahme von Unterlagen im Gewahrsam eines Rechtsanwalts | 161 | ||
b) Beschlagnahme von Unterlagen im Gewahrsam des Unternehmens | 165 | ||
IV. Zwischenergebnis | 166 | ||
E. Beweisverwertungsverbot zugunsten selbstbelastender Aussagen des Mitarbeiters? | 167 | ||
I. Einführung der Beweise in die Hauptverhandlung | 171 | ||
1. Verlesung des Interviewprotokolls als Ersetzung oder Ergänzung der Aussage des Angeklagten | 171 | ||
2. Aussage der internen Ermittler und Ergänzungs- oder Ersetzungsmöglichkeit dieser durch Verlesung der Interviewprotokolle/Untersuchungsberichte | 172 | ||
3. Beweisgewinnung über Mitarbeiter als Zeugen | 176 | ||
II. Unselbstständiges Beweisverwertungsverbot aufgrund einer dem Staat zurechenbaren Internal Investigation | 176 | ||
1. Ausgangspunkt der Zurechnung: formales privates Handeln | 178 | ||
2. Die Zurechnung in der strafprozessualen Rechtsprechung | 179 | ||
a) Die Zurechnung (konkludent) bejahende Rechtsprechung | 180 | ||
b) Die Zurechnung ablehnende Rechtsprechung | 184 | ||
c) Sich aus der Rechtsprechung ergebende Kriterien | 185 | ||
d) Einordnung der Interviewsituation im Rahmen der Internal Investigation | 189 | ||
3. Die Zurechnung in der Literatur | 190 | ||
a) Übertragung von Zurechnungskonstruktionen | 191 | ||
aa) Verwaltungshelfer | 192 | ||
bb) Kausalität und objektive Zurechnung | 193 | ||
cc) Täterschaft und Teilnahme | 195 | ||
dd) Zwischenergebnis und Kategorisierung der Kriterien | 201 | ||
b) Einordnung der Konstellationen der Internal Investigations | 204 | ||
aa) Aktive Beeinflussung der Internal Investigation | 204 | ||
bb) Koordinierung und Absprache der Internal Investigations | 207 | ||
cc) Zurechnung aufgrund des Unterlassens eigener Ermittlungen | 208 | ||
dd) Zurechnung durch tatsächliche oder gesetzliche Anreizschaffung | 214 | ||
c) Zwischenergebnis | 219 | ||
4. Folgen der Zurechnung | 220 | ||
a) Maßstab für zuzurechnendes Handeln | 222 | ||
b) Voraussetzungen der §§ 136, 136a StPO | 224 | ||
aa) Vernehmungsbegriff | 224 | ||
bb) (Analoge) Anwendung und verbotene Vernehmungsmethoden nach § 136a StPO | 229 | ||
cc) Beschuldigtenstellung | 231 | ||
c) Verstoß gegen den nemo-tenetur-Grundsatz | 232 | ||
aa) Rechtsprechung und Literatur | 232 | ||
bb) Stellungnahme | 234 | ||
d) Zwischenergebnis | 235 | ||
5. Ergebnis zu den unselbstständigen Beweisverwertungsverboten (Zurechnung) | 235 | ||
III. Selbstständiges Beweisverwertungsverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG | 236 | ||
1. Dreistufen- bzw. Sphärentheorie | 237 | ||
2. Übertragung der Grundsätze des Gemeinschuldner-Beschlusses? | 239 | ||
a) Rechtsprechung zur Übertragbarkeit der Kriterien für ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot | 241 | ||
aa) Rechtsprechung zu arbeitsrechtlichen Auskunftsansprüchen | 242 | ||
(1) Erfordernis einer umfassenden Auskunftspflicht | 242 | ||
(2) Übertragung auf umfassende arbeitsrechtliche Auskunftspflichten | 244 | ||
bb) Rechtsprechung zu Auskunftsobliegenheiten | 244 | ||
(1) Grundsätzlich keine Übertragbarkeit auf bloße Auskunftsobliegenheiten | 245 | ||
(2) Ausnahmsweise ausreichender existenzvernichtender Nachteil? | 247 | ||
cc) (Steuerrechtliche) Rechtsprechung zum Erfordernis eines rechtlichen Zwangs | 248 | ||
dd) Rechtsprechung zur Übertragbarkeit auf bußgeld- und strafbewehrte umfassende Auskunftspflichten | 250 | ||
ee) Übertragbarkeit auf Offenbarungspflichten nach § 807 ZPO und auf zwangsweise durchsetzbare Auskunftspflichten | 251 | ||
b) Herausarbeitung der Kriterien und Übertragbarkeit auf Mitarbeiterinterviews | 253 | ||
aa) Übertragbarkeit bzw. Verallgemeinerungsfähigkeit der Kriterien des Gemeinschuldner-Beschlusses | 254 | ||
bb) Erfordernis einer umfassenden Auskunftspflicht | 257 | ||
(1) Problematik der privaten vertraglichen Pflicht | 258 | ||
(2) Stellungnahme | 260 | ||
cc) Auskunft durch private Interessen Dritter gerechtfertigt | 263 | ||
dd) Erfordernis einer erzwingbaren Auskunftspflicht | 263 | ||
(1) Ausreichen der Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung und Einschränkungskriterien | 264 | ||
(a) Positionen in Rechtsprechung und Literatur | 264 | ||
(b) Einschränkungsforderungen der Literatur bei ausreichender Erzwingbarkeit | 267 | ||
(c) Stellungnahme | 269 | ||
(2) Staatlich vermittelter Zwang | 271 | ||
(3) Rechtlicher oder faktischer Zwang? | 273 | ||
ee) Ausreichen einer nur subjektiv bestehenden umfassenden und erzwingbaren Auskunftspflicht? | 276 | ||
(1) Irrtum über das Bestehen oder die Reichweite der Auskunftspflicht | 276 | ||
(2) Täuschung über die Auskunftspflicht | 277 | ||
ff) Zwischenergebnis | 278 | ||
c) Kompensation des Eingriffs in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG durch ein Beweisverwertungsverbot | 278 | ||
aa) Keine Beeinträchtigung der Strafverfolgungsinteressen | 279 | ||
bb) Mittelbare staatliche Veranlassung des Beweistransfers und der Umgehung von Mitarbeiterrechten | 280 | ||
d) Dogmatische Grundlage des Beweisverwertungsverbots | 284 | ||
e) Zwischenergebnis | 285 | ||
3. Reichweite und Ausgestaltung des Beweisverwertungsverbots | 286 | ||
a) Freie Verwertbarkeit freiwilliger Auskünfte | 287 | ||
b) Dispositionsmöglichkeit des Mitarbeiters über Verwertbarkeit | 288 | ||
c) Fernwirkung | 290 | ||
aa) Annahme einer Fernwirkung | 292 | ||
bb) Ablehnung einer Fernwirkung | 292 | ||
cc) Stellungnahme unter Berücksichtigung hypothetischer Erwägungen | 293 | ||
d) Fortwirkung | 295 | ||
e) Vorauswirkung | 296 | ||
f) Zwischenergebnis | 298 | ||
4. Beweisverwertungsverbot auch im Kündigungsschutzprozess | 298 | ||
a) Rekapitulation der Problemstellung | 298 | ||
b) Beweisverwertungsverbote im Zivil-/Arbeitsrecht | 299 | ||
c) Problematik eines Beweisverwertungsverbots für rechtmäßig gewonnene Informationen | 302 | ||
d) Stellungnahme | 303 | ||
5. Ergebnis zum selbstständigen Beweisverwertungsverbot | 305 | ||
IV. Weitere Lösungsmöglichkeiten | 306 | ||
1. Beweisverwertungsverbot aus § 136a StPO (analog) | 306 | ||
a) Analoge Anwendung bei menschenrechtswidrigem Vorgehen oder bei Zurechnung | 306 | ||
b) Keine (horizontale) Drittwirkung des § 136a StPO in sonstigen Fällen | 307 | ||
2. Beweisverwertungsverbot aus einer Verletzung des fair-trial-Grundsatzes | 309 | ||
a) Rechtliche Verankerung und inhaltliche Ausgestaltung | 310 | ||
b) Folgen eines Verstoßes | 313 | ||
c) Anwendung des fair-trial-Grundsatzes auf die Mitarbeiterbefragung | 315 | ||
aa) Annahme eines Verstoßes gegen den fair-trial-Grundsatz beim Mitarbeiterinterview | 315 | ||
bb) Ablehnung dieses Lösungswegs | 318 | ||
cc) Eigene Bedenken gegen diesen Lösungsweg | 319 | ||
dd) Stellungnahme | 321 | ||
d) Ergebnis zum fair-trial-Grundsatz | 324 | ||
V. Beweisverwertungsverbote bei rechtswidriger privater Beweiserhebung | 324 | ||
VI. Zusammenfassung der Erkenntnisse zu den Beweisverwertungsverboten | 326 | ||
F. Reformbedarf und Erörterung des Beweisverwertungsverbots im VerbSG-E | 329 | ||
I. Allgemeine Ausführungen zum Beweisverwertungsverbot in § 18 Abs. 3 VerbSG-E | 331 | ||
II. Anknüpfungspunkt des Beweisverwertungsverbots | 332 | ||
1. Anknüpfungspunkte vergleichbarer Beweisverwertungsverbote | 333 | ||
2. Vorschlag zur Ergänzung einer Auskunftspflicht in § 18 VerbSG-E | 334 | ||
G. Ergebnis | 336 | ||
I. Abschließendes Fazit | 336 | ||
II. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse | 338 | ||
Literaturverzeichnis | 342 | ||
Stichwortverzeichnis | 370 |