Wissen, Zurechnung und Ad-hoc-Publizität
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Wissen, Zurechnung und Ad-hoc-Publizität
Untersuchungen über das Spar-, Giro- und Kreditwesen. Abteilung B: Rechtswissenschaft, Vol. 218
(2020)
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Christoph Breuer studierte Jura an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Erste Juristische Prüfung legte er 2013 ab. Zwischen 2013 und 2015 absolvierte Christoph Breuer das Referendariat mit Stationen bei der AHK für das südliche Afrika (Johannesburg) sowie einer Anwaltskanzlei in New York City. Nach dem Abschluss des zweiten Staatsexamens begann er 2016 seine Tätigkeit als wiss. Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl von Prof. Dr. Dirk A. Verse, M.Jur. (Oxford) in Mainz. Von 2019 bis 2020 war Christoph Breuer als Rechtsanwalt in einer internationalen Anwaltssozietät in Frankfurt a.M. tätig. Im Anschluss kehrte er als Mitarbeiter an den Lehrstuhl von Prof. Verse in Heidelberg zurück.Abstract
Die Untersuchung behandelt eine Reihe von Fragen, die nicht zuletzt durch den sog. Dieselskandal ins Zentrum kapitalmarktrechtlicher Diskussionen gerückt sind. Im Mittelpunkt steht die Frage, wann sich ein Emittent im Rahmen seiner Ad-hoc-Publizitätspflicht nach Art. 17 MAR und der zivilrechtlichen Haftung (§ 97 WpHG) zurechnen lassen muss, dass einzelne Organwalter oder Mitarbeiter des Unternehmens veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen kennen oder kennen müssen. Untersucht wird auch, ob bzw. welche organisatorischen Anstrengungen der Emittent unternehmen muss, damit relevante Insiderinformationen betriebsintern erkannt und an die zuständige Stelle weitergeleitet werden, und wie mit Insiderinformationen umzugehen ist, die nicht beim Emittenten selbst, sondern innerhalb einer anderen Konzerngesellschaft entstehen. Gegenstand der Arbeit ist ferner die Frage, ob der Emittent und seine Unternehmensangehörigen dem Kapitalmarkt auch eigenes (strafbares) Fehlverhalten offenbaren müssen.»Knowledge, Corporate Attribution and Public Disclosure of Inside Information«The thesis deals with the question of when an issuer, in the context of its obligation to publicly disclose inside information pursuant to Art. 17 MAR and Sec. 97 of the German Securities Trading Act (WpHG), can be held responsible for the knowledge of individual board members or employees. The study also addresses the problem of inside information which originate in other group companies and the question if the issuer and its members must contribute to a disclosure of their own (criminal) misconduct.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Geleitwort | 7 | ||
Vorwort | 9 | ||
Inhaltsübersicht | 11 | ||
Inhaltsverzeichnis | 13 | ||
§ 1 Einführung | 23 | ||
A. Problemaufriss | 23 | ||
B. Konkretisierung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands | 24 | ||
C. Gang der Untersuchung | 25 | ||
§ 2 Zurechnung und Art. 17 Abs. 1 MAR | 27 | ||
A. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR | 27 | ||
I. Kenntnis nicht notwendige Bedingung der Pflichtentstehung oder Pflichtverletzung | 28 | ||
II. Kennenmüssen als Mindestvoraussetzung der Pflichtverletzung | 31 | ||
III. Kenntnis als hinreichende Bedingung der Pflichtentstehung | 34 | ||
IV. Fazit: Nebeneinander von Organisationspflichten und der Zurechnung subjektiver Elemente | 37 | ||
B. Der unionsrechtliche Zurechnungsmaßstab | 38 | ||
C. Der für die Pflichtentstehung (zurechnungs-)relevante Personenkreis | 39 | ||
I. Keine Begrenzung auf Organwalter und andere Führungskräfte | 40 | ||
II. Die Verhaltens- und Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung | 44 | ||
1. Die Verhaltensabhängigkeit der Zurechnung subjektiver Elemente | 44 | ||
2. Die Aufgabenabhängigkeit der Zurechnung subjektiver und objektiver Beiträge | 47 | ||
3. Zurechnung subjektiver Elemente seitens nur „mittelbar“ zuständiger Gehilfen | 50 | ||
4. Keine ausschließlich normbezogenen Zurechnungsgrundsätze | 54 | ||
5. Kein Entgegenstehen des Art. 9 Abs. 1 MAR | 55 | ||
III. Zwischenfazit | 57 | ||
IV. Übertragung auf Art. 17 Abs. 1 MAR | 58 | ||
1. Ausgangspunkt | 58 | ||
2. Mitglieder des Vorstands | 59 | ||
a) Allgemeines | 59 | ||
b) Maßgeblichkeit jedes einzelnen Vorstandsmitglieds bei Gesamtgeschäftsführung | 60 | ||
c) Verbleibende Relevanz bei Delegation | 62 | ||
aa) Delegationsfähigkeit der Ad-hoc-Publizität | 62 | ||
bb) Verbleibende Relevanz bei horizontaler Delegation | 64 | ||
cc) Verbleibende Relevanz bei vertikaler Delegation | 67 | ||
d) Zwischenergebnis | 68 | ||
3. Mitglieder eines Ad-hoc-Publizitätsgremiums | 69 | ||
4. Sonstige nachgeordnete Mitarbeiter | 70 | ||
5. Mitglieder des Aufsichtsrats | 71 | ||
6. „Regelinsider“? | 73 | ||
7. Ad-hoc-Dienstleister und andere Dritte? | 74 | ||
V. Ergebnis | 75 | ||
VI. Parallelen im anglo-amerikanischen Rechtsraum | 76 | ||
1. Vorbemerkung | 76 | ||
2. Das britische und englische Recht | 76 | ||
3. Das U. S.-amerikanische Recht | 78 | ||
D. Erkennbarkeit der Qualität als Insiderinformation und objektiver Maßstab des „individuellen“ Wissenmüssens | 83 | ||
E. Die Organisationspflicht des Emittenten | 85 | ||
I. Vorbemerkung | 85 | ||
II. Echte Pflicht, nicht nur Obliegenheit | 85 | ||
III. Bedeutung neben allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Organisationspflichten | 87 | ||
IV. Voraussetzungen ordnungsgemäßer Organisation | 89 | ||
§ 3 Zurechnung und Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG | 92 | ||
A. Das für § 97 WpHG maßgebliche Zurechnungsrecht | 92 | ||
I. Bedeutung des Unionsrechts für die Pflichtverletzung nach § 97 Abs. 1 WpHG | 92 | ||
II. Keine Bedeutung des Unionsrechts für das Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG | 92 | ||
1. Fragestellung | 92 | ||
2. Stellungnahme | 94 | ||
a) Keine Eindeutigkeit der EuGH-Rechtsprechung | 94 | ||
b) Keine Übertragbarkeit von „Courage“, „Manfredi“ und „Muñoz“ | 96 | ||
c) Fazit | 98 | ||
B. Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG und Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung | 98 | ||
I. Ausgangspunkt | 98 | ||
II. Vom traditionellen Verständnis hin zur Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung | 100 | ||
III. Konkretisierung | 103 | ||
1. Vorbemerkung | 103 | ||
2. Echte Organisationspflicht oder zurechenbare „Individualpflicht“? | 104 | ||
3. Geltungsbereich des Zurechnungskonzepts außerhalb rechtsgeschäftlicher Kontakte | 108 | ||
IV. Folgen für das Verschulden nach § 97 Abs. 2 WpHG | 112 | ||
1. Folgen bei unterstellter Anwendbarkeit der Zurechnungsregeln | 112 | ||
2. Meinungsbild | 113 | ||
3. Stellungnahme | 115 | ||
a) Kein Entgegenstehen der Rechtsprechung zur Wissenszurechnung außerhalb rechtsgeschäftlicher Kontakte | 115 | ||
b) Aber: Bedenken gegen Begründung und Ergebnis der Wissenszurechnung kraft Organisationspflichtverletzung | 118 | ||
c) Keine Legitimation aufgrund der zugunsten der Wissenszurechnung vorgebrachten Argumente | 119 | ||
aa) Keine wertungsmäßige Gleichheit von Wissen und Wissenmüssen | 119 | ||
bb) Gleichstellungsargument | 121 | ||
cc) Verkehrs- und Vertrauensschutz | 123 | ||
dd) Angemessene Risikoverteilung | 125 | ||
d) Probleme im Zeitalter von „Big Data“ | 126 | ||
e) Keine tauglichen Kompromisse zwischen den Grundsätzen der Wissensorganisation und herkömmlichen Verschuldensgrundsätzen | 127 | ||
f) Fazit | 128 | ||
C. Verschuldenszurechnung zum Emittenten analog § 278 BGB | 128 | ||
I. Ausgangspunkt | 128 | ||
II. Das Erfordernis der Analogiebildung | 129 | ||
III. Die Voraussetzungen der Analogie | 132 | ||
IV. Die Wertung des § 278 BGB und ihre Übertragbarkeit | 133 | ||
V. Kein Entgegenstehen der §§ 31, 831 Abs. 1 Satz 2 BGB | 134 | ||
1. Historie und heutige Bedeutung des § 831 BGB | 134 | ||
2. Die Unterscheidung nach dem Pflichtadressaten als Kriterium für die Anwendbarkeit der §§ 31, 831 BGB | 138 | ||
3. Stützende Argumente aus der Diskussion um die deliktische Außenhaftung von Organwaltern | 142 | ||
VI. Zwischenfazit | 146 | ||
VII. Anwendung auf § 97 Abs. 2 WpHG | 146 | ||
§ 4 Besonderheiten im Unternehmensverbund | 149 | ||
A. Abgrenzung des Merkmals der Unverzüglichkeit vom Merkmal der unmittelbaren Betroffenheit des Emittenten | 149 | ||
B. Das unionsrechtliche Regime ad-hoc-publizitätsspezifischer Auskunftsrechte und -pflichten | 153 | ||
I. Meinungsbild zur gesellschaftsübergreifenden Informationspflicht des Emittenten | 153 | ||
II. Relevanz des Meinungsstreits | 157 | ||
III. Stellungnahme | 158 | ||
1. Der Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 MAR | 158 | ||
2. Art. 17 Abs. 1 MAR als geeignete Herleitungsbasis eines speziellen Auskunftsrechts | 159 | ||
3. Unionsweite Harmonisierung und Wirksamkeit der Ad-hoc-Publizität | 161 | ||
4. Sachfremdheit nationaler Regeln des Gesellschafts- und Konzernrechts zur Bestimmung des Pflichtumfangs | 163 | ||
5. Mit der Anwendung nationaler Vorschriften verbundene Probleme | 164 | ||
a) Nachteil und Nachteilsausgleich | 164 | ||
b) Auswirkungen auf den allgemeinen Informationsfluss im Konzern | 166 | ||
6. Gleichlauf der Ad-hoc-Publizität und der Regelpublizität | 168 | ||
7. Keine dem Auskunftsrecht entgegenstehenden Vorschriften | 168 | ||
a) Art. 14 lit. c) i. V. m. Art. 10 Abs. 1 MAR | 169 | ||
b) Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsleiter der anderen Gesellschaft | 170 | ||
c) Art. 17 Abs. 4 MAR | 171 | ||
IV. (Organisations-)Pflichten verbundener Gesellschaften? | 173 | ||
V. Keine rechtsträgerübergreifende Zurechnung | 175 | ||
VI. Fazit | 177 | ||
C. Emittenteneigenschaft beider Gesellschaften | 178 | ||
I. Veröffentlichungspflicht der Emittenten nach den allgemeinen Regeln | 178 | ||
II. Keine Besonderheiten für ad-hoc-publizitätsspezifische Auskunftsrechte und -pflichten | 180 | ||
III. Fazit | 182 | ||
D. Doppelmandate | 182 | ||
I. Verschwiegenheitspflichten als Zurechnungsschranke | 182 | ||
II. Kompetenzrechtliche Informationshindernisse als weitere Zurechnungssperre | 184 | ||
III. Einschränkung bei Doppelmandaten | 187 | ||
IV. Fazit | 189 | ||
§ 5 Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit | 191 | ||
A. Ausgangspunkt und Konkretisierung | 191 | ||
B. Meinungsbild | 192 | ||
C. Entwicklung der eigenen Position | 194 | ||
I. Maßgeblichkeit des Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRCh und deren Anwendbarkeit auf juristische Personen | 194 | ||
II. Der Umfang der Selbstbelastungsfreiheit | 197 | ||
1. Der EuGH | 197 | ||
2. Der EGMR | 199 | ||
3. Das BVerfG und der BGH | 201 | ||
4. Fazit und Stellungnahme | 203 | ||
III. Übertragung auf die Ad-hoc-Publizität | 205 | ||
1. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung einer fremden Tat aufgrund der Wissenszurechnung seitens einer an der Tat nicht beteiligten Person | 206 | ||
2. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung einer eigenen Tat aufgrund der Wissenszurechnung seitens einer an der Tat nicht beteiligten Person | 206 | ||
a) Betroffenheit des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 EMRK | 207 | ||
b) Kein vom Regelfall abweichendes Abwägungsergebnis wegen Besonderheiten der Ad-hoc-Publizität | 207 | ||
aa) Kein abweichendes Abwägungsergebnis wegen Pflicht zu öffentlicher Selbstbezichtigung | 208 | ||
bb) Kein abweichendes Abwägungsergebnis wegen Pflicht zu „unaufgeforderter“ Selbstbezichtigung | 209 | ||
3. Pflicht des Emittenten zur Veröffentlichung einer eigenen oder fremden Tat aufgrund der Zurechnung seitens des Täters | 212 | ||
a) Ausgangspunkt und Unterschiede zur Selbstbelastungsfreiheit des Emittenten | 212 | ||
b) Kein abweichendes Abwägungsergebnis wegen vom Emittenten nur abgeleiteter Informationspflicht | 213 | ||
c) Kein abweichendes Abwägungsergebnis auf Grundlage des „Opferrollen“-Gedankens | 216 | ||
4. Bebußung nach § 120 Abs. 15 Nr. 6 WpHG (i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) | 217 | ||
D. Fazit | 218 | ||
§ 6 Schluss | 219 | ||
A. Ausblick | 219 | ||
B. Zusammenfassung der Ergebnisse | 220 | ||
I. „Unverzüglich“ im Sinn des Art. 17 Abs. 1 MAR | 220 | ||
II. Der Kreis zurechnungsrelevanter Personen | 221 | ||
III. Die Organisationspflicht des Art. 17 Abs. 1 MAR | 222 | ||
IV. Die Zurechnung im Rahmen der Verschuldenshaftung nach § 97 WpHG | 223 | ||
V. Ad-hoc-Publizität im Unternehmensverbund | 223 | ||
VI. Ad-hoc-Publizität und Selbstbelastungsfreiheit | 225 | ||
Literaturverzeichnis | 226 | ||
Stichwortverzeichnis | 252 |