Koalitionsfreiheit und Crowdwork
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Koalitionsfreiheit und Crowdwork
Zur Kollektivierung der Beschäftigteninteressen soloselbstständiger Crowdworker
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht, Vol. 361
(2020)
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About The Author
Jan Armin Gärtner studierte Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität zu Göttingen und der National University of Ireland in Galway. Nach dem Studium promovierte er am Lehrstuhl für Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht von Prof. Dr. Rüdiger Krause in Göttingen und war dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Sein Referendariat absolvierte er im Bezirk des Oberlandesgerichts Braunschweig mit Stationen u.a. beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Berlin sowie bei einer Wirtschaftskanzlei in Hamburg. Seit 2021 ist er als Richter in Göttingen tätig.Abstract
Crowdwork im engeren Sinne meint die Erledigung rein digitaler, ortsungebundener Arbeitsaufgaben. Crowdworker erbringen ihre Arbeit in der Regel als Soloselbstständige auf werkvertraglicher Basis und damit außerhalb des klassischen Arbeitsrechts. Vor diesem Hintergrund wurden Möglichkeiten der Interessenkollektivierung als Mechanismus zur Herbeiführung angemessener Arbeitsbedingungen untersucht. Crowdworker partizipieren an der entwicklungsoffen formulierten Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG, weil sie, Arbeitnehmern vergleichbar, schutzbedürftig und in der Wahrnehmung ihrer Vertragsfreiheit stark eingeschränkt sind. Daraus folgt zwar kein Recht zum Abschluss normativ wirkender Tarifverträge, Crowdworker können die Koalitionsfreiheit gleichwohl durch den Abschluss schuldrechtlicher Kollektivvereinbarungen mit ihren Auftraggebern wahrnehmen. Diese sind durch atypische Arbeitskampfmaßnahmen erstreitbar und stehen im Einklang mit dem Kartellrecht sowie den europäischen Grundfreiheiten.»Freedom of Association and Crowdwork. On the Collectivisation of Interests of Self-Employed Crowdworkers without Employees«Self-employed without employees, crowdworkers are excluded from the scope of classic labour law. As a means for inducing adequate working conditions for crowdworkers, the freedom of association (Art. 9 Abs. 3 GG) is considered and, though it does not provide them with the right to conclude collective agreements under the TVG, they can conclude collective agreements under the BGB and employ atypical industrial disputes without contradicting competition law or the European fundamental freedoms.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 3 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Erster Teil: Grundlagen | 15 | ||
§ 1 Einführung | 15 | ||
A. Crowdwork als Erscheinungsform der digitalen Arbeitswelt | 15 | ||
B. Gang und Gegenstand der Untersuchung | 19 | ||
§ 2 Formen und Verbreitung von Crowdwork | 21 | ||
A. Plattformökonomie | 21 | ||
I. Plattformtypen | 22 | ||
II. Verbreitung | 25 | ||
III. Spannungsfelder der Plattformökonomie | 27 | ||
1. Tendenz zur Oligopolbildung | 28 | ||
2. Einseitige Gestaltung der Vertragsbeziehungen | 30 | ||
3. Reputationssysteme und Informationsasymmetrien | 33 | ||
4. Kommodifizierung von Arbeit | 37 | ||
B. Internes und externes Crowdwork | 40 | ||
C. Zusammenfassung | 41 | ||
Zweiter Teil: Crowdwork als rechtliches Phänomen | 43 | ||
§ 3 Rechtliche Einordnung von Crowdworkern | 43 | ||
A. Rechtsbeziehungen auf Crowdwork-Plattformen | 44 | ||
I. Rahmenvertrag | 44 | ||
II. Erledigung einzelner Arbeitsaufgaben | 46 | ||
1. Rechtsverbindlichkeit der Ausschreibung von Arbeitsaufgaben | 46 | ||
2. Begründung eines Schuldverhältnisses durch bindendes Versprechen nach § 657 BGB oder durch Vertrag | 50 | ||
3. Sonderfall: Wettbewerbsbasiertes Crowdwork | 53 | ||
4. Vertragsparteien | 54 | ||
a) Lehrmeinungen | 54 | ||
b) Rechtsprechung | 55 | ||
c) Bewertung | 58 | ||
III. Zusammenfassung | 60 | ||
B. Rechtliche Qualifikation von Crowdworkern | 61 | ||
I. Umgehung von Arbeitsverträgen durch Rahmenvertragsgestaltung | 61 | ||
II. Arbeitnehmereigenschaft | 63 | ||
1. Typologische Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs | 64 | ||
2. Anwendung der Grundsätze auf typische Crowdwork-Gestaltungen | 65 | ||
a) Weisungsgebundenheit | 66 | ||
aa) Dauer | 67 | ||
bb) Programmierung | 68 | ||
cc) Kontrolle | 69 | ||
b) Eingliederung in fremde Arbeitsorganisation | 70 | ||
c) Sonstige Kriterien | 71 | ||
d) Zusammenfassung | 71 | ||
3. Mikro-Arbeitsverträge? | 72 | ||
4. Alternativen bei der Ermittlung der Arbeitnehmereigenschaft | 73 | ||
a) Arbeitnehmerbegriff nach Wank | 74 | ||
b) Konzept des Arbeitgebers nach Prassl | 77 | ||
c) Unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff | 80 | ||
d) Vertragliche Drei-Personen-Konstellationen | 83 | ||
III. Arbeitnehmerähnlichkeit | 87 | ||
1. Begriff der Arbeitnehmerähnlichkeit | 88 | ||
2. Erweiterung des Begriffs der Arbeitnehmerähnlichkeit | 90 | ||
3. Anwendbarkeit des Heimarbeitsgesetzes | 91 | ||
IV. Selbstständigkeit | 95 | ||
1. Negativabgrenzung – Kriterien selbstständiger Arbeit | 95 | ||
2. Crowdwork als Spezialfall | 96 | ||
V. Zwischenfazit | 97 | ||
§ 4 Rechtsrahmen für soloselbstständige Crowdworker de lege lata | 98 | ||
A. Individualrechtlicher Schutzschirm | 98 | ||
I. AGB-Kontrolle – Auswahl der geprüften Klauseln | 98 | ||
1. Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich der §§ 305ff. BGB | 99 | ||
2. Auswirkungen der Vertragsparteien auf die Verwendereigenschaft | 101 | ||
3. Untersuchung einzelner Klauseln | 103 | ||
a) Leistungsablehnung | 103 | ||
b) Preisausschreiben | 106 | ||
c) Abtretung aller Rechte am Leistungsgegenstand | 111 | ||
d) Nacherfüllungsfristen | 112 | ||
e) Bindung an Plattformen, Exklusivitätsklauseln | 113 | ||
aa) Exklusivitätsklauseln | 114 | ||
bb) Begrenzung der Kontaktaufnahme | 118 | ||
II. Wettbewerbsrechtliche Schutzmechanismen | 119 | ||
III. Zusammenfassung | 121 | ||
B. Kollektivrechtlicher Schutz arbeitnehmerähnlicher Crowdworker | 122 | ||
I. Arbeitnehmerähnliche in der Betriebsverfassung | 122 | ||
II. Tarifautonomie und Arbeitnehmerähnliche § 12a TVG | 123 | ||
III. Sondervorschriften für Heimarbeiter | 123 | ||
IV. Zusammenfassung | 124 | ||
§ 5 Internationales Crowdwork | 124 | ||
A. Anwendungsbereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts | 125 | ||
I. Sachlicher Anwendungsbereich | 126 | ||
II. Persönlicher Anwendungsbereich | 126 | ||
B. Anwendbares Recht | 127 | ||
I. Eingriffsnormen Art. 9 Rom I-VO | 128 | ||
II. Öffentliche Ordnung Art. 21 Rom I-VO | 130 | ||
C. Gerichtliche Zuständigkeit | 131 | ||
I. Gerichtsstand nach der Brüssel Ia-VO | 131 | ||
II. Gerichtsstandsvereinbarung | 132 | ||
1. Formerfordernisse Art. 25 Abs. 1 lit. a–c, Abs. 2 Brüssel Ia-VO | 133 | ||
2. Materielle Wirksamkeit Art. 25 Abs. 1 S. 1 Brüssel Ia-VO | 133 | ||
D. Zusammenfassung | 134 | ||
§ 6 Ergebnisse des Zweiten Teils | 135 | ||
Dritter Teil: Interessenkollektivierung soloselbstständiger Crowdworker | 136 | ||
§ 7 Verfassungsrechtlicher Rahmen | 136 | ||
A. Soloselbstständige Crowdworker als Träger der Koalitionsfreiheit gem. Art. 9 Abs. 3 GG | 138 | ||
I. Systematischer Unterschied zur Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG | 138 | ||
II. Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG | 140 | ||
1. Jedermann-Grundrecht | 140 | ||
2. Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen | 141 | ||
III. Historische Auslegung der Koalitionsfreiheit | 142 | ||
1. Entwicklung bis zur WRV | 142 | ||
a) Koalitionsverbote und ihre Aufhebung in § 152 GewO 1869 | 143 | ||
b) Ambivalente Rechtsprechung des Reichsgerichts in Zivil- und Strafsachen | 143 | ||
c) Zwischenfazit | 147 | ||
2. Koalitionsfreiheit in der WRV | 147 | ||
3. Die Entstehung des Art. 9 Abs. 3 GG | 150 | ||
4. Implikationen der Entwicklungsgeschichte der Koalitionsfreiheit | 151 | ||
IV. Teleologische Auslegung des Art. 9 Abs. 3 GG | 153 | ||
1. Sinn und Zweck der Koalitionsfreiheit | 153 | ||
a) Verhältnis von Art. 9 Abs. 3 GG und dem Arbeitnehmerbegriff des einfachen Rechts | 153 | ||
b) Unterscheidung von Tariffähigkeit und Grundrechtsträgerschaft | 155 | ||
c) Schutzbereichsausweitung auf Arbeitnehmerähnliche | 155 | ||
d) Schutzbereichsausdehnung auf sonstige Selbstständige | 156 | ||
2. Zweckorientierte Schutzbereichsbestimmung: Vergleichbarkeit von Crowdworkern mit klassischen Arbeitnehmern | 162 | ||
a) Persönliches Tätigwerden | 162 | ||
b) Individuelle Verhandlungsschwäche | 163 | ||
c) Verschärfte Konkurrenz am Markt | 166 | ||
d) Beitrag zum Lebensunterhalt | 169 | ||
e) Zusammenfassung | 170 | ||
V. EU-rechtskonforme und völkerrechtsfreundliche Auslegung | 170 | ||
VI. Auslegungsergebnis | 173 | ||
B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für Soloselbstständigenkoalitionen | 173 | ||
C. Inhalt und Reichweite der Koalitionsfreiheit für soloselbstständige Crowdworker | 176 | ||
I. Individueller Gewährleistungsgehalt | 177 | ||
II. Kollektiver Gewährleistungsgehalt | 177 | ||
1. Normsetzungsbefugnis – Tarifautonomie | 178 | ||
a) Abwehrrechtliche Dimension | 181 | ||
b) Leistungsrechtliche Dimension | 182 | ||
aa) Differenzierung zwischen Eingriff und Ausgestaltung | 184 | ||
bb) Gewährleistungsreichweite der Normsetzungsbefugnis | 186 | ||
cc) Verfassungsrechtlicher Schutz des einfachgesetzlichen Tarifvertragssystems | 188 | ||
dd) Gewährleistungsgehalt im Crowdwork-Kontext | 189 | ||
2. Arbeitskampfrecht | 191 | ||
a) Konzeption des Arbeitskampfs in der Rechtsprechung | 192 | ||
aa) Entscheidungen des BVerfG | 193 | ||
bb) Entscheidungen des BAG | 195 | ||
b) Arbeitskampfbegriff | 200 | ||
c) Grundrechtsdimensionen | 202 | ||
aa) Natürliche oder normgeprägte Freiheit | 203 | ||
bb) Differenzierung zwischen Eingriff und Ausgestaltung | 206 | ||
cc) Einfluss des internationalen Rechts auf den Arbeitskampfbegriff | 210 | ||
dd) Gewährleistungsgehalt im Crowdwork-Kontext | 213 | ||
d) Kontrollmaßstab | 214 | ||
III. Zwischenergebnis | 214 | ||
§ 8 Kollektivmaßnahmen abseits klassischer Tarifverträge | 215 | ||
A. Mögliche Akteure im Kontext von Crowdwork | 215 | ||
I. Voraussetzung: Mobilisierung in der digitalen Arbeitswelt | 215 | ||
1. Beispiel: „Dynamo“ | 216 | ||
2. Solidarität vs. Konkurrenz | 218 | ||
3. Solidarität, Transparenz und Öffentlichkeit | 221 | ||
4. Zwischenergebnis | 223 | ||
II. Gewerkschaften | 223 | ||
III. Selbstständigenverbände | 224 | ||
IV. Internetforen, – portale und Tools | 226 | ||
V. Die Crowd – „Ad-hoc Koalitionen“ | 228 | ||
B. Handlungsmöglichkeiten | 230 | ||
I. Mittelbare Interessenvertretung | 231 | ||
II. Abschluss sonstiger Kollektivverträge | 234 | ||
1. Durchsetzungsschwäche schuldrechtlicher Vereinbarungen – Historische Gestaltungsmöglichkeiten | 234 | ||
2. Rechtliche Begründung der Einbindung in Individualverträge | 237 | ||
a) Tarifgemeinschaft | 238 | ||
b) Vertrag zugunsten Dritter | 239 | ||
c) Vertretungsmodell | 240 | ||
d) Differenzierungsmodell | 241 | ||
e) Leistungsbestimmung durch Dritte; Bezugnahme | 241 | ||
f) Offene Verpflichtungsermächtigung | 243 | ||
g) Bewertung | 244 | ||
3. Konkrete Gestaltung von Koalitionsverträgen | 247 | ||
a) Richtlinien- und Musterverträge; Empfehlungen | 248 | ||
b) Allgemeine Koalitionsverträge | 250 | ||
c) Anspruchsbegründende Koalitionsverträge | 250 | ||
d) Verbindliche Regelungen | 251 | ||
aa) Anknüpfung an bestehende gemeinsame Vergütungsfestsetzungen | 252 | ||
bb) Anknüpfung an verbindlich vorgegebene Vergütungsordnungen | 253 | ||
4. Zwischenergebnis | 254 | ||
III. Interessenbündelung auf Gegenplattformen | 254 | ||
IV. Arbeitskampfmaßnahmen | 255 | ||
1. Rechtmäßigkeitsprüfung und Rechtsfolgen | 255 | ||
2. Konkrete Kampfmaßnahmen | 264 | ||
a) Unterstützungsstreik durch Stammbelegschaften | 264 | ||
b) Störung der Vertragsbeziehungen – Digitaler Streik | 271 | ||
c) Digitaler Flashmob – Cyberattacken | 274 | ||
d) Boykott – Verruf, Shitstorm | 281 | ||
3. Zwischenergebnis | 291 | ||
§ 9 Kartellrechtliche Grenzen kollektiver Maßnahmen | 291 | ||
A. Verhältnis von nationalem und europäischem Kartellrecht | 295 | ||
B. Kartellkontrollprivileg für den Arbeitsmarkt | 297 | ||
I. Nationale Entwicklung und dogmatische Herleitung | 298 | ||
II. Privilegierung in der Rechtsprechung des EuGH | 299 | ||
III. Rezeption der jüngeren Rechtsprechung des EuGH | 303 | ||
1. Art der Vereinbarung | 303 | ||
a) Begriff der Scheinselbstständigkeit | 303 | ||
b) Begriff des Unternehmens bzw. der Unternehmensvereinigung | 305 | ||
c) Beurteilungsperspektive im Mehrebenensystem | 306 | ||
2. Gegenstand der Vereinbarung | 307 | ||
3. Rechtspolitische und internationale Forderungen | 308 | ||
IV. Stellungnahme | 311 | ||
C. Ausdehnung der Privilegierung auf Kollektivmaßnahmen soloselbstständiger Crowdworker | 315 | ||
D. Grenzen der Privilegierung | 321 | ||
E. Zwischenergebnis | 321 | ||
§ 10 Grenzziehung durch europäische Grundfreiheiten | 322 | ||
A. Grundsätze | 322 | ||
B. Relevanz für Crowdwork | 326 | ||
I. Potentielle Eröffnung des Anwendungsbereichs der Grundfreiheiten | 326 | ||
II. Beschränkung und Rechtfertigung | 327 | ||
1. Koalitionsverträge | 327 | ||
2. Kollektive Kampfmaßnahmen | 330 | ||
C. Zwischenergebnis | 334 | ||
Vierter Teil: Schluss | 335 | ||
§ 11 Zusammenfassung der Ergebnisse | 335 | ||
A. Rechtliche Einordnung und Rechtsrahmen von Crowdwork | 335 | ||
B. Trägerschaft und inhaltliche Reichweite der Koalitionsfreiheit | 336 | ||
C. Kollektivakteure und Kollektivmaßnahmen | 336 | ||
D. Einfluss des Kartellrechts und der europäischen Grundfreiheiten | 337 | ||
§ 12 Schlussbetrachtung | 337 | ||
Literaturverzeichnis | 339 | ||
Sachwortverzeichnis | 380 |