Der lukrative Schuldvertrag
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Der lukrative Schuldvertrag
Eine historisch-institutionelle Dekonstruktion seiner Physiognomie
Schriften zum Bürgerlichen Recht, Vol. 521
(2021)
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Manuel Gonzalo Casas studierte Rechtswissenschaften an der Universidad Nacional de Tucumán (Argentinien), anschließend Rechtsanwalt in Argentinien. Magister Legum an der Albrecht-Ludwigs-Universität zu Freiburg im Breisgau (2014). Dozent am Lehrstuhl für Vertragsrecht an der Universidad Nacional de Tucumán, Prof. Dr. Ernesto Wayar (2012 bis 2016). Promotionsstudium an der Universität Heidelberg (2020) und Promotionsstipendiat am Lehrstuhl von Prof. Dr. Marc-Philippe Weller. Derzeit Postdoktorand an der Università »Mediterranea« di Reggio Calabria (Italien) sowie ›Profesor Adjunto‹ am Lehrstuhl für Obligationenrecht an der Universidad San Pablo-Tucumán, Argentinien.Abstract
Zwei Menschen, unterschiedlicher Herkunft, begegnen sich zum ersten Mal in einer Wüste, fernab jeder Siedlung. Sie sind sich kulturell fremd. Einer hat Dörrfleisch dabei und ist durstig. Der andere ist hungrig und trägt Wassermelonen. Was würden sie tun? Würden sie einen Tauschvertrag abschließen? Intuitiv bejaht man dies. Das lehrt der gesunde Menschenverstand: Eine Vereinbarung sei ein Vertrag, der Mensch habe eine natürliche Neigung zum lukrativen Austausch und der Staat sei nur eine Stütze des Marktes. Auf dieser Prämisse ist der umstrittene globale Finanzmarkt aufgebaut.Diese Arbeit zeigt im Gegenteil - anhand einer historischen, philosophischen, wirtschaftlichen und anthropologischen Analyse - auf, dass der Staat keine reine Hilfsfunktion hat, sondern ein struktureller Bestandteil des gegenseitigen Schuldvertrags ist: Ohne einen institutionellen Rahmen wären Vereinbarungen nicht bindend und der lukrative Austausch wäre nicht notwendigerweise als Verhaltensmaxime eingeführt worden.»The Lucrative Contract. A Historical-Institutional Deconstruction of its Physiognomy«Today, it is common sense that an agreement is a contract and that human beings have a natural disposition to lucrative exchange. The questioned global financial market is built on these premises. Before this, this legal work - based on a historical, philosophical, economic and anthropological analysis - shows that without an institutional framework, agreements would not be binding, nor would lucrative exchange necessarily have been instituted as the pattern of socioeconomic behavior.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 15 | ||
A. Problemstellung | 15 | ||
I. Globales Vertragswesen | 15 | ||
II. Der Staat als reine Hilfe des Vertrages? | 17 | ||
B. Meinungsstand | 19 | ||
C. These | 22 | ||
D. Gang der Untersuchung | 22 | ||
E. Themeneingrenzung | 25 | ||
1. Kapitel: Der Vertrag auf dem globalen Finanzmarkt – Seine Verzerrung | 30 | ||
A. Der Wettbewerb der Rechtsprodukte | 32 | ||
B. Die Fragmentierung der Gerechtigkeit | 34 | ||
I. Die Kommerzialisierung der Gerichte | 36 | ||
1. Der Staatsanleihevertrag und der Kapitalmarkt | 36 | ||
2. Staatliche Gerichtsbarkeiten als Teil der Finanzplätze | 37 | ||
II. Mangelnde Transparenz bei der Gerichtsbarkeitsprivatisierung | 45 | ||
1. Der Kreditderivatemarkt | 45 | ||
2. Die großen Finanzakteure als Richter und Parteien | 48 | ||
C. Ursprung der globalen Dysfunktionalität der Vertragsstruktur: Der Marktpopulismus | 49 | ||
D. Ergebnisse | 54 | ||
2. Kapitel: Geschichte der Liberalisierung des gegebenen Wortes: Das Prinzip pacta sunt servanda | 55 | ||
A. Römisches Recht | 58 | ||
I. Der Grundsatz des Form- und Typenzwangs als Ausdruck des institutionellen Rahmens des römischen Vertrages | 58 | ||
II. Das pactum als unverbindliche, formfreie Vereinbarung | 61 | ||
B. Das Recht des Mittelalters | 63 | ||
I. Die Theorie der pacta vestita als Erbin vom römischen Prinzip des Form- und Typenzwangs | 63 | ||
II. Rechtfertigung der Vestitur | 65 | ||
III. Handelspraxis: die aequitas mercatoria als Korrektur der Unklagbarkeit der pacta nuda | 66 | ||
IV. Niedergang der Vestiturtheorie: ex nudo pacto actionem non nasci als Ausnahme | 67 | ||
C. Kanonisches Recht | 68 | ||
I. Pacta sunt servanda als Verbindlichkeit des gegebenen Wortes | 68 | ||
II. Kanonische Grundlage der Verbindlichkeit der pacta nuda | 70 | ||
III. Klagbarkeit der pacta nuda | 72 | ||
IV. Die causa-Lehre als Brücke zwischen dem Zivilrecht und dem kanonischen Recht | 74 | ||
D. Schule des Naturrechts: Die einfache Vereinbarung bindet | 76 | ||
I. Tatbestand des Vertrages: Vom angenommenen Versprechen zum beiderseitigen Konsens als Willensvereinbarung | 80 | ||
1. Hugo Grotius: Erster Schritt zum Vertragsprinzip | 80 | ||
2. Samuel Pufendorf: Der Vertrag als zwei consensus unius | 83 | ||
3. Christian Thomasius: Der Vertrag als mutuus consensus | 84 | ||
4. Christian Wolff: Die Gleichsetzung der Willensvereinbarung mit dem Schuldvertrag im deutschen Rechtsdenken | 86 | ||
5. Jean Domat: Das Weiterleben der causa als Entstehungsvoraussetzung der convention | 88 | ||
6. Robert Joseph Pothier: Der Konsensualvertrag in Frankreich | 90 | ||
II. Rechtsfolge des Vertrages: Der Grundsatz pacta sunt servanda als die Vertragstreue | 91 | ||
1. Hugo Grotius | 92 | ||
2. Samuel Pufendorf | 92 | ||
3. Christian Thomasius | 92 | ||
4. Christian Wolff | 93 | ||
5. Jean Domat | 93 | ||
6. Robert Joseph Pothier | 94 | ||
III. Naturrechtskodifizierungen: Positivierung der formfreien Vereinbarung | 94 | ||
1. Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis | 94 | ||
2. Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten | 95 | ||
3. Code Civil | 96 | ||
E. Die Kodifizierung in Deutschland: Die Gleichstellung der Willenseinigung mit dem obligatorischen und realen Vertrag | 98 | ||
I. Historische Rechtsschule: Das Vertragsmodell der Willenserklärungsvereinigung | 99 | ||
II. BGB: Die Kodifizierung des abstrakten Vertragsbegriffs | 104 | ||
F. Ergebnisse | 107 | ||
3. Kapitel: Der Ursprung der Bindungskraft der lukrativen Schuldvereinbarung | 111 | ||
A. Ethisches Postulat des Vertrages: Der Mensch mit Willensfreiheit | 115 | ||
I. Kategorische Struktur der Willensfreiheit | 116 | ||
1. Willensfreiheit als Fähigkeit zur Selbstbestimmung | 116 | ||
2. Die Selbstbindung als Voraussetzung und Folge der Selbstbestimmung | 118 | ||
3. Selbstverantwortung als Folge der Selbstbestimmung | 119 | ||
II. Vertragsabschließen und Vertragserfüllen als „ethisches Grundkönnen der Personen“ | 121 | ||
B. Das wirtschaftliche Postulat des Vertrages: Der homo oeconomicus | 122 | ||
I. Vertragsfreiheit als Motor der Marktwirtschaft | 122 | ||
II. Der Austausch der Marktwirtschaft als Austausch von Rechten | 129 | ||
III. Der Grundsatz pacta sunt servanda als Voraussetzung der Marktwirtschaft | 135 | ||
C. Von den ethisch-ökonomischen Postulaten zum Recht: Ist der lukrative Schuldvertrag ein vorstaatliches Phänomen? | 140 | ||
I. Terminologische Klärung: Vorstaatliche Vertragstheorie statt aprioristischer Vertragslehre | 141 | ||
II. Vorstaatliche allgemeine Vertragskonzeption | 145 | ||
III. Hilfsfunktion der Rechtsordnung | 148 | ||
IV. Verschiedene Ansätze der vorstaatlichen Vertragskonzeption | 149 | ||
1. Der Vertrag gemäß der Naturrechtsschule | 149 | ||
2. Der Vertrag aus der aprioristischen Rechtstheorie | 153 | ||
a) Die obligatorische Bindung als inhärentes Element im Konzept des „Versprechens“ | 155 | ||
b) Die obligatorische Bindung als inhärentes Element im Konzept des „Vertrages“ | 159 | ||
c) Das Privateigentum als aprioristisches Konnexinstitut des Vertrages | 160 | ||
3. Der Vertrag aus einem „voluntaristischen“ Ansatz | 160 | ||
a) Die voluntaristische Theorie von Immanuel Kant | 161 | ||
aa) Allgemeines Rechtsgesetz | 162 | ||
bb) Das Postulat des Privatrechts als Achse des intelligiblen Besitzes | 165 | ||
cc) Persönliches Recht: Der Vertrag als abgeleiteter Erwerbsmechanismus | 167 | ||
b) Die voluntaristische Theorie von Gerhart Husserl | 171 | ||
aa) Der Wille als Ursprung der Geltung des gesamten Rechts | 172 | ||
bb) Die Willensvereinbarung in der Wüste als wirksamer Vertrag | 173 | ||
4. Der Vertrag nach der liberalen Markttheorie | 176 | ||
a) Der lukrative Tauschvertrag als Teil der Natur des Menschen | 176 | ||
b) Eigeninteresse als Grundlage für die Erfüllung des Schuldvertrages | 181 | ||
c) Privatrechtsgesellschaft ohne Staat | 184 | ||
D. Die notwendige Institutionalisierung des lukrativen Schuldvertrages | 186 | ||
I. Das Gesetz des Stärkeren: Recht und Handel als Friedensprozess | 191 | ||
II. Die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung durch die Rechtsordnung als Voraussetzung für den Vertragsabschluss | 198 | ||
1. Die Vorteile des Monopolmechanismus der Vertragsdurchsetzung | 198 | ||
2. Die Unangemessenheit außerstaatlicher Sanktionen als Mechanismus zur Vertragsdurchsetzung | 202 | ||
3. Die Unverbindlichkeit des bloßen Willens | 205 | ||
III. Gleichstellung als Voraussetzung des Austauschs | 207 | ||
IV. Freiheit vor den institutionellen Spielregeln | 210 | ||
V. Das Geld als institutionelles Instrument | 214 | ||
1. Das Geld und seine Rolle auf dem Markt | 215 | ||
2. Der lukrative Schuldvertrag als monetärer Austausch | 220 | ||
3. Der Ursprung des Geldes | 224 | ||
a) Das Geld: Eine Konsequenz des lukrativen Tauschs? | 225 | ||
b) Das Geld als sozialpolitische Institution | 228 | ||
VI. Die kulturelle Relativität des lukrativen Tauschhandels | 235 | ||
1. Die Abwesenheit vom lukrativen Tauschhandel innerhalb der primitiven Gemeinschaft | 235 | ||
2. Der außergemeinschaftliche Austausch: Das System des primitiven Form- und Typenzwangs | 242 | ||
3. Der lukrative Tauschhandel innerhalb der Gesellschaft als post-monetäres Phänomen | 244 | ||
4. Schuldvertrag in primitiven Gesellschaften? | 246 | ||
a) Die Juristische Schule der Anthropologie | 247 | ||
b) Das Risiko der analytischen Blindheit der Juristischen Schule der Anthropologie | 249 | ||
E. Das Überleben des Form- und Typenzwangs | 253 | ||
I. Die Vertragsfreiheit als anerkannte Freiheit: Der Grundsatz pactum non obligat per se | 253 | ||
II. Der Schuldvertrag als allgemeiner Vertragstyp | 257 | ||
1. Das deutsche Rechtsmodell als Beispiel: Der bilaterale Rechtsakt als Begründer von Schuldverhältnissen | 258 | ||
2. Abweichungen des allgemeinen Vertragstyps als Bestätigung der rechtsgeschäftlichen Typizität | 260 | ||
F. Ergebnisse | 262 | ||
Schlussbetrachtungen: Zurück zu „der globalen Finanzwüste“ | 271 | ||
Literaturverzeichnis | 278 | ||
Personen- und Sachwortverzeichnis | 309 |