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Außergesetzliches in der mündlichen Urteilsbegründung des Strafrichters

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Holländer, F. (2021). Außergesetzliches in der mündlichen Urteilsbegründung des Strafrichters. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-58201-3
Holländer, Felix. Außergesetzliches in der mündlichen Urteilsbegründung des Strafrichters. Duncker & Humblot, 2021. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-58201-3
Holländer, F (2021): Außergesetzliches in der mündlichen Urteilsbegründung des Strafrichters, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-58201-3

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Außergesetzliches in der mündlichen Urteilsbegründung des Strafrichters

Holländer, Felix

Schriften zum Prozessrecht, Vol. 273

(2021)

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About The Author

Felix Kasimir Holländer studierte Rechtswissenschaften an der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster mit Aufenthalten in Oslo (Norwegen) und New York City (USA). Parallel absolvierte er die Fachspezifische Fremdsprachenausbildung für Juristen (Common Law). Nach seinem ersten Staatsexamen 2017 war er als Wissenschaftlicher Beschäftigter an der Professur für Öffentliches Recht der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Prof. Dr. Lothar Michael) tätig. Seine Promotion erfolgte 2020. Seit 2019 ist er Referendar am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg.

Abstract

»Außergesetzliches« bezeichnet drei verschiedene strafrichterliche Ausgestaltungen der mündlichen Urteilsbegründung: Erstens moralische Ausführungen, insbesondere moralischer Tadel am Angeklagten, zweitens die Verwendung einer plastischen Sprache und drittens Ausführungen, die dem Urteilstenor zuwiderlaufen. Die Arbeit geht der Zulässigkeit außergesetzlicher Ausgestaltungen nach und fragt nach Rechtsnatur und Funktionen der teils als »Freiraum« des Richters begriffenen mündlichen Urteilsbegründung. Sie nimmt dabei drei Perspektiven ein: Zunächst wird die Entwicklung methodischer Richterleitbilder nachvollzogen. Sodann wird eine straf(prozess)rechtliche Perspektive eingenommen. Im Vordergrund der sich anschließenden verfassungsrechtlichen Perspektive steht die Vereinbarkeit mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Zudem reflektiert die Arbeit das Verhältnis der Perspektiven und entwickelt Lösungsansätze auf dem Gebiet des Prozessrechts.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 7
Inhaltsverzeichnis 9
Einleitung 15
A. Die mündliche Urteilsbegründung als menschliches Antlitz der Justiz oder als Einfallstor für die Moral in die Rechtsprechung? 15
B. Außergesetzliches – Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes 18
I. Moralischer Tadel als Hauptfall 19
II. Plastische Sprache 21
III. Rechtlicher Tadel im Widerspruch zum freisprechenden Urteilstenor 22
C. Beispiele zur Illustration des Untersuchungsgegenstandes 22
I. Potentiell moralischer Tadel 23
II. Plastische Sprache 24
III. Widerspruch zum Urteilstenor 25
D. Bestandsaufnahme – Einführung in die Regelungen zur mündlichen Urteilsbegründung 25
I. Standort im Strafprozess 25
II. Inhalt, Funktion 27
III. Prozessuale Behandlung 30
E. Gang der Untersuchung 31
Erster Teil: Richterleitbilder 34
A. Auf der Suche nach dem Wesen richterlicher Tätigkeit – (Historische) Richterleitbilder der Methodenlehre als Fundgrube 34
I. Konzentration auf die Gesetzesbindung des Richters aus methodischer Sicht 34
II. Richterleitbilder – Normativität und Bildhaftigkeit 37
B. Richterleitbilder im Wandel 38
I. Rückblick auf „den Richter“ vor dem 18. Jahrhundert 39
1. Germanisch-fränkische Zeit: Wider die These der Rechtsoffenbarung 39
2. Hoch- und Spätmittelalter: Profilbildung des Richters und Grundsteinlegung richterlicher Unabhängigkeit durch das gelehrte Recht 41
a) Profilbildung im gelehrten (kirchlichen) Recht 41
b) Spuren richterlicher Unabhängigkeit im gelehrten weltlichen Recht 42
II. Der Richter als Subsumtionsautomat 43
1. Die frühe Neuzeit als Ausgangslage: vielfältiges Interesse an der Gesetzesbindung 43
2. Unechte und echte Vorbilder aus der französisch-italienischen Aufklärungsbewegung 46
a) Montesquieu 46
b) Beccaria 49
3. Etablierung der Strafgesetzesbindung durch Feuerbach 50
4. Gesetzesbindung und -auslegung im Fortlauf des 19. Jahrhunderts 52
5. Zwischenergebnis 54
III. Der Richter als Diener des Gesetzgebers im denkenden Gehorsam 55
1. Wegbereiter 55
2. Interessenjurisprudenz 56
IV. Der Richterkönig 58
1. Freirechtsbewegung 58
2. Reale Folgen: Die Kulmination der Entwicklung vor und während des Nationalsozialismus 61
a) Richterliche Praxis vor 1933 61
b) Richterliche Praxis von 1933 bis 1945 62
3. Zwischenergebnis 65
V. Der Richter als Sozialarzt 65
VI. Herrschendes Konzept und fortdauerndes Ringen um das Richterleitbild mit offenem Ausgang 68
1. Wertungsjurisprudenz 68
2. Spannungsfeld und Abwesenheit eines einheitlichen Leitbildes 69
VII. Gesamtbetrachtung: Wandelbarkeit als Wesensmerkmal 71
C. Richterleitbilder und Urteilsbegründung 72
I. Zur Aussagekraft der Richterleitbilder für den Untersuchungsgegenstand: Inhaltliche Parallelität zwischen Entscheidungsfindung und Entscheidungsbegründung 73
1. Weniger Freiheit bei der Entscheidungsbegründung? 73
2. Mehr Freiheit bei der Entscheidungsbegründung? 74
3. Gleiche Bindung 75
a) Skepsis hinsichtlich Andersbehandlung 75
b) Drohende Verzerrung der Entscheidung ohne Disziplinierung der Begründung 76
c) Akzeptanzgewinn – Akzeptanzverlust 78
d) Parallelität auch unter besonderer Berücksichtigung der plastischen Sprache 78
e) Zwischenergebnis 80
II. Richterleitbildspezifische Ausgestaltungen der mündlichen Urteilsbegründung 80
1. Der Richter als Subsumtionsautomat 80
2. Der Richterkönig 81
a) Freirechtsbewegung 81
b) Nationalsozialismus 81
3. Der Sozialarzt 84
4. Der Richter als Diener des Gesetzgebers im denkenden Gehorsam und Konzepte der Wertungsjurisprudenz 84
D. Zwischenfazit 85
Zweiter Teil: Straf‍(prozess)‌rechtliche Perspektive 87
A. Interpretation des § 268 Abs. 2 S. 2 Var. 2 StPO 87
I. Semantische Auslegung 87
II. Systematische Auslegung 88
III. Historische Auslegung 90
1. Das positivistische Richterleitbild der Strafprozessordnung 90
2. Gesetzgebungsprozess: Primär verfahrensökonomische Motive für die mündliche Urteilsbegründung 92
3. Zwischenergebnis 95
IV. Teleologische Auslegung 95
1. Vorläufige Unterrichtungsfunktion und Befriedigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit 96
2. (Weitere) Prinzipien des Strafverfahrens 96
3. Ziele des Strafverfahrens 97
a) Originäre Ziele des Strafverfahrens 98
aa) Rechtsfrieden 98
(1) Rechtsfrieden durch Beruhigung der Rechtsgemeinschaft 98
(2) Rechtsfrieden durch Aussöhnung 99
bb) Opferschutz 100
cc) Konsensprinzip 101
b) Strafzwecke als Verfahrensziele 102
aa) Einbeziehung der Strafzwecke 102
bb) Positive Generalprävention 104
(1) Die Öffentlichkeit als Adressatin 104
(2) Parallelfall Ehrenstrafen 104
(3) Differenzierung zwischen zulässigem rechtlichen Tadel mit moralischer Dimension und unzulässigem genuin moralischen Tadel 107
cc) Expressive Straftheorien 109
(1) Der Tadel als Teil der primär den Angeklagten adressierenden Strafe 109
(2) Mündliche Urteilsbegründung als Medium der Strafe 112
dd) Zusammenführung: Die mündliche Urteilsbegründung im Konzept der positiven Generalprävention und der expressiven Straftheorien 114
(1) Verhältnis der mündlichen Urteilsbegründung zur Strafe und moralischer Tadel 114
(2) Unschuldsvermutung 115
(3) Konkretisierung und Stärkung bestehender Leitlinien 116
(4) Einbeziehung des Opfers 117
ee) Spezialprävention 118
4. Gesamtbetrachtung der teleologischen Auslegung 121
V. Zwischenfazit 122
B. Entscheidungsinhalte in Abhängigkeit vom Verfahrensausgang 123
I. Gesinnungsmerkmale 123
II. Beweiswürdigung 125
III. Strafzumessung 126
IV. Kriminalprognose 129
V. Zwischenfazit 130
Dritter Teil: Verfassungsrechtliche Perspektive 133
A. Moralischer Tadel 134
I. Allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG 134
1. Schutzbereich 134
a) Recht der persönlichen Ehre 135
aa) Rechtlicher Tadel 137
bb) Genuin moralischer Tadel 137
b) Recht der Selbstdarstellung 138
2. Eingriff 139
a) Mündliche Urteilsbegründung als Akt öffentlicher Gewalt 139
b) Einordnung anhand der Eingriffsbegriffe 140
c) Kein Ausschluss der Zurechnung durch den (entthronten) Richterkönig 143
3. Verhältnis der Perspektiven: Ausgleich zwischen verfassungsrechtlicher Zurückhaltung vor dem einfachen Recht und verfassungsrechtlicher Effektivierung des einfachen Rechts 144
a) Keine Integration der Richterleitbilder per leitbildorientierter Verfassungsanwendung 144
b) Verfassungsrechtliche Zurückhaltung als Gebot der größeren Sachnähe anderer Quellen und der Entwicklungsoffenheit anderer Quellen 146
c) Zwischen Über- und Unterkonstitutionalisierung 147
d) Effektivierung einfachgesetzlicher Wertungen durch Wechselwirkungen 150
e) Verfassungsgespiegelte Systembildung und Zwischenfazit 152
4. Gesetzliche Grundlage 153
a) Art. 97 Abs. 1 GG: besonders strenge Gesetzesbindung 153
b) Charakterisierung im Lichte sonstiger richterlicher Tätigkeit und Verwaltungstätigkeit 155
c) Art. 97 Abs. 1 GG als Garantie autonomer Leitbildentwicklung? 157
5. Erwägungen auf Ebene der Verhältnismäßigkeit 159
a) Rechtlicher Tadel mit moralischer Dimension 159
aa) Gebot schuldangemessenen Strafens als Grenze 159
bb) Autorität durch Symbole 160
cc) Öffentlichkeitswirksamkeit 161
dd) Plastizität der Sprache als wichtiges Regulativ 162
b) Genuin moralischer Tadel 163
aa) Übertragbarkeit der Ergebnisse 163
bb) Spezifische belastende Faktoren 163
cc) Prinzipielle Unverhältnismäßigkeit 164
6. Zwischenergebnis 165
II. Grundsatz nulla poena sine lege aus Art. 103 Abs. 2 GG 166
1. Annäherungen an das Verhältnis zur Strafe und Unergiebigkeit herkömmlicher Begriffsbestimmungen 166
2. Missbilligung im Normrehabilitierungsprozess als spezifische Gefährdung staatlicher Strafmaßnahmen 168
3. Von Art. 103 Abs. 2 GG erfasste Fälle und spezifische Schutzrichtung 169
4. Strafähnlichkeit des genuin moralischen Tadels im Falle des Freispruchs 171
a) Vorliegen der spezifischen Gefährdung und Ähnlichkeit mit den erfassten Fällen 171
b) Erfüllter Schutzzweck der Norm 172
c) Gebotene Zuspitzung: Regelmäßige Bejahung in Fällen des Freispruchs 173
III. Zwischenergebnis 174
B. Rechtlicher Tadel im Widerspruch zum freisprechenden Urteilstenor 174
I. Differenzierung zwischen zulässiger Verdachtsbeschreibung und unzulässiger Schuldfeststellung als Folge des Verbots des Freispruchs zweiter Klasse 175
II. Übertragbarkeit und Übertragung auf die mündliche Urteilsbegründung 177
C. Zwischenfazit 179
Vierter Teil: Resümee und Lösungswege 181
A. Zentrales Deutungsmuster: Mündliche Urteilsbegründung als Medium der Strafe 181
B. Notwendigkeit der Reaktion bei Grenzüberschreitungen 183
C. Überblick über die Rechtsschutzmöglichkeiten in der gegenwärtigen Gerichtspraxis 184
I. Rechtsmittelverfahren 184
II. Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch vor den Verwaltungsgerichten 185
III. Dienstaufsichtsbeschwerde 186
D. Kritik und Lösungsansätze 187
I. Rechtsschutzdefizit, Rechtsschutzerfordernis 187
1. Belastungspotential der mündlichen Urteilsbegründung 187
2. Garantie auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG 187
3. Verfassungsbeschwerde 189
II. Probleme beim Rechtsschutz außerhalb des Instanzenzuges 191
III. Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch vor den Verwaltungsgerichten für formale Ehrenrührigkeiten 193
IV. Rechtsschutz bei genuin moralischem Tadel und bei rechtlichem Tadel im Widerspruch zum freisprechenden Tenor 195
1. Genuin moralischer Tadel im Falle der Verurteilung: Ausnahmsweise Beachtung der mündlichen Urteilsgründe im Revisionsverfahren 196
2. Genuin moralischer Tadel und rechtlicher Tadel im Falle des Freispruchs: Urteilsbereinigungsverfahren als Ausweg 197
V. Technische Realisierbarkeit 200
E. Schlussbetrachtung und Zusammenfassung der Lösungswege 201
Literaturverzeichnis 203
Sachwortverzeichnis 228