Der »Vollrausch« als Straftat (§ 323a StGB)
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Der »Vollrausch« als Straftat (§ 323a StGB)
Zur Legitimation der rechtlichen Missbilligung (abstrakt) gefährlicher Verhaltensweisen und ihrer Sanktionierung
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 300
(2021)
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Franziska Walther studierte von 2011 bis 2016 Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg. Seit Dezember 2016 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kriminalwissenschaften der Philipps-Universität Marburg, Professur für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Dr. h.c. dupl. Georg Freund. Den juristischen Vorbereitungsdienst absolvierte sie von März 2019 bis März 2021 im Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt/Main. Im Juni 2020 schloss sie ihre Promotion ab.Abstract
Die Arbeit widmet sich einer besonders umstrittenen Strafvorschrift - dem Vollrauschtatbestand (§ 323a StGB). Dieser erweist sich im Hinblick auf den verfassungsrechtlich verankerten Schuldgrundsatz (»nulla poena sine culpa«) als höchst problematisch. Das Hauptaugenmerk gilt den Legitimationsbedingungen staatlichen Eingriffshandelns. Insofern müssen nicht zuletzt die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowohl für die Legitimation von Schuldspruch und Strafe als auch bereits für die Legitimation der Freiheitsbeschränkung der Bürger durch Verhaltensnormen (in Form von Berauschungsverboten) beachtet werden. Insbesondere wird der Frage nachgegangen, unter welchen Bedingungen übermäßiger Alkoholgenuss zu einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen kann, wenn im Zustand nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit eine »rechtswidrige Tat« begangen wird.»The ›drunken stupor‹ as a criminal offense (§ 323a StGB). On the legitimation of the legal disapproval of (abstract) dangerous behavior and its sanctioning«: The study deals with a particularly controversial criminal provision - the offense of full intoxication (§ 323a StGB). This proves to be highly problematic with regard to the constitutionally enshrined principle of guilt (»nulla poena sine culpa«). Particular attention is devoted to the question as to wich conditions of excessive alcohol consumption can lead to criminal liability if an »unlawfull« act is committed in a state in which criminal incapacity cannot be ruled out.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Erster Teil: Einführung in die Problematik und historischer Hintergrund | 11 | ||
A. Einführung und Problemstellung | 11 | ||
B. Historischer Hintergrund | 14 | ||
Zweiter Teil: Grundlagen der Problemlösung | 16 | ||
A. Wann darf der Staat strafen? – Zur Legitimation von Strafe | 16 | ||
I. Der Beitrag der Straftheorien zur Legitimation und zum Zweck des Strafens | 19 | ||
II. Die Funktion von Strafe – Nach der Konzeption einer personalen Straftatlehre | 22 | ||
1. Die grundlegende Unterscheidung von Verhaltensnormen und Sanktionsnormen | 24 | ||
a) Verhaltensnormen und ihre Funktion | 25 | ||
b) Die Schutzfunktion der Sanktionsnorm | 26 | ||
2. Zusammenfassung | 27 | ||
B. Staatliche Maßnahmen im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes | 28 | ||
I. Verhältnismäßigkeit der Verhaltensnorm | 29 | ||
1. Legitimer Zweck | 29 | ||
2. Geeignetheit | 29 | ||
3. Erforderlichkeit | 30 | ||
4. Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit i.e.S.) | 31 | ||
II. Verhältnismäßigkeit der Sanktionsnorm | 31 | ||
III. Alternativkonzept einer Bewertungseinheit von Verhaltensnorm und entsprechender Sanktionsnorm? | 33 | ||
IV. Zusammenfassung | 36 | ||
C. Strafe als rechtlicher Vorwurf fehlerhaften Verhaltens (nebst dessen Folgen) und das Schuldprinzip | 37 | ||
Dritter Teil: Legitimationsprobleme des § 323a StGB | 42 | ||
A. Die Legitimation der Verhaltensnormen, auf die § 323a StGB Bezug nimmt | 44 | ||
I. Anforderungen an eine Verhaltensnorm: Prüfung anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes | 45 | ||
1. Legitimer Zweck und Geeignetheit | 45 | ||
a) Die Rauschtat als Anknüpfungspunkt für die Verhaltensnormlegitimation | 46 | ||
aa) Die Rauschtat – Begriffsbestimmung und ratio-orientierte Anforderungen | 46 | ||
bb) Zur Unmöglichkeit der Legitimation eines Verbots der Begehung der Rauschtat | 52 | ||
cc) Zurechnungskonzepte | 55 | ||
dd) Zusammenfassung der Ergebnisse | 56 | ||
b) Das Sichberauschen als Anknüpfungspunkt | 58 | ||
2. Erforderlichkeit | 60 | ||
3. Angemessenheit | 61 | ||
a) Zur Auffassung von der Angemessenheit eines pauschalen Berauschungsverbots | 61 | ||
b) Alkohol und Sozialadäquanz | 61 | ||
c) Nicht haltbare Beschränkung der Freiheit von Bürgern, die auch im Vollrausch nicht über Gebühr gefährlich sind | 63 | ||
d) Möglichkeit einer rückwirkenden Missbilligung der Herbeiführung des Vollrauschs nach begangener Rauschtat? | 64 | ||
e) Zusammenfassung und Ergebnis | 64 | ||
4. Der Rausch im Sinne des § 323a StGB – §§ 20, 21 StGB als Minimalbedingungen eines tatbestandsmäßigen Rauschs? | 66 | ||
a) Der Rausch im Sinne des § 323a StGB als Wirkung von Rauschmitteln | 66 | ||
b) § 20 StGB als Minimalbedingung für einen tatbestandsmäßigen Rausch? | 69 | ||
c) Der „sichere Bereich des § 21 StGB“ als quantitative Bestimmung des Rauschs? | 72 | ||
II. Der „zu gefährliche Rausch“ – Abschließende Bestimmung des Gefährdungspotentials und Konkretisierung der auf dessen Vermeidung bezogenen Verhaltensnormen | 74 | ||
B. Die Legitimation der Sanktionsnorm des § 323a StGB | 76 | ||
I. Legitimer Zweck der Sanktionierung wegen Vollrauschs nach § 323a StGB | 78 | ||
II. Geeignetheit der Sanktionierung wegen Vollrauschs nach § 323a StGB | 79 | ||
III. Erforderlichkeit der Sanktionierung wegen Vollrauschs nach § 323a StGB | 80 | ||
IV. Angemessenheit der Sanktionierung wegen Vollrauschs nach § 323a StGB | 82 | ||
C. Zusammenfassung | 85 | ||
Vierter Teil: Deliktstypus: Kritische Würdigung vorhandener Deliktszuordnungen und sachgerechte Einordnung | 86 | ||
A. Deliktstypus und Normzweck – Die im Wesentlichen vertretenen Ansichten zum Charakter des § 323a StGB in Literatur und Rechtsprechung | 86 | ||
I. Zur Deutung des § 323a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt – Die Rauschtat als sog. objektive Bedingung der Strafbarkeit | 87 | ||
1. Vereinbarkeit der Konzeption eines abstrakten Gefährdungsdelikts mit den Grundsätzen der Verhaltensnormlegitimation? | 90 | ||
2. Ablehnung eines abstrakten Gefährdungsdelikts über den Wortlaut des § 323a StGB | 93 | ||
3. Vergleich mit § 122 OWiG – Ein nicht schlüssiges Gefälle zwischen den angedrohten Rechtsfolgen | 94 | ||
4. Exkurs: Vereinbarkeit objektiver Strafbarkeitsbedingungen mit dem Schuldprinzip? | 97 | ||
5. Zusammenfassung der Ergebnisse | 98 | ||
II. § 323a StGB als Ausnahmevorschrift zu den §§ 20, 21 StGB | 99 | ||
1. Historie, Wortlaut und systematische sowie auch dogmatische Erwägungen | 101 | ||
2. Verstoß gegen das Schuldprinzip und die Grundsätze der Verhaltensnormlegitimation | 102 | ||
3. Zwischenfazit und Bewertung der vorgestellten Ansicht | 104 | ||
III. § 323a StGB als konkretes Gefährdungsdelikt | 105 | ||
1. Kritische Einwände im Hinblick auf die Einordnung als konkretes Gefährdungsdelikt | 108 | ||
a) Anwendbarkeitsbeschränkung – Keine Erfassung sog. Ersttäter | 108 | ||
b) Überschneidungen zur actio libera in causa? | 109 | ||
2. Kurze kritische Würdigung und Ergebnis | 109 | ||
IV. Zwischenfazit und kritische Gesamtwürdigung der vorgestellten Ansichten | 110 | ||
B. Sachgerechte Deliktseinordnung des § 323a StGB | 112 | ||
I. § 323a StGB als (fahrlässiges) Erfolgsdelikt – Die zwingende Konsequenz des Schuldprinzips | 112 | ||
1. § 323a StGB als Erfolgsdelikt – Zur Rauschtat als Verletzungs- oder Gefährdungserfolg | 112 | ||
2. Verhältnis des § 323a StGB zu § 122 OWiG | 113 | ||
3. Verhältnis des § 323a StGB zur actio libera in causa – Bleibt noch ein Anwendungsbereich? | 115 | ||
a) Voraussetzungen fahrlässigen Fehlverhaltens | 116 | ||
b) Die actio libera in causa im Allgemeinen | 117 | ||
c) Konkurrenzverhältnis zwischen § 323a StGB und der actio libera in causa – die sinnvolle Ergänzungsfunktion des § 323a StGB | 120 | ||
4. Erneut: Keine Erfassung von sog. „Ersttätern“? | 127 | ||
5. Notwendigkeit des hier vertretenen Ansatzes zur Wahrung des Grundsatzes nulla poena sine culpa | 129 | ||
II. Zusammenfassung und abschließende Deliktszuordnung | 129 | ||
Fünfter Teil: Konsequenzen für die Strafzumessung, den richtigen Schuldspruch, die Konkurrenzen und Erwägungen de lege ferenda | 131 | ||
A. Strafzumessung, richtiger Schuldspruch und Konkurrenzen | 131 | ||
I. Absolute Strafrahmenbegrenzung | 131 | ||
II. Relative Strafrahmenbegrenzung | 132 | ||
III. Richtiger Schuldspruch | 133 | ||
IV. Konkurrenzen | 134 | ||
B. Erwägungen zu § 323a StGB de lege ferenda | 134 | ||
I. Gesetzesvorschläge der vergangenen Zeit | 135 | ||
1. Gesetzesentwurf des Bundesrates von 1999 | 135 | ||
2. Gesetzesantrag des Freistaates Sachsen | 136 | ||
3. Gesetzesvorschlag von Hennig im Rahmen der Beratungen der „Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems“ | 137 | ||
4. Bewertung | 137 | ||
II. Eigene Gesetzesvorschläge de lege ferenda | 139 | ||
1. § 323a StGB als Tatbestand des Besonderen Teils | 139 | ||
2. § 323a StGB als Regelung des Allgemeinen Teils | 143 | ||
Sechster Teil: Schlussbetrachtung: Fazit und rechtspolitischer Ausblick | 146 | ||
Literaturverzeichnis | 149 | ||
Stichwortverzeichnis | 161 |