§§ 1149, 1229 BGB als Ausgangspunkt für ein allgemeines Rechtsprinzip des Verfallverbots
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§§ 1149, 1229 BGB als Ausgangspunkt für ein allgemeines Rechtsprinzip des Verfallverbots
Eine rechtshistorische, dogmatische und ökonomische Analyse der lex commissoria
Schriften zum Bürgerlichen Recht, Vol. 531
(2021)
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Sven Gunkel studierte von 2008 bis 2014 Rechtswissenschaft an der Universität Trier und der University of Reading (UK). Nach der Ersten juristischen Staatsprüfung lehrte und forschte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Deutsche Rechtsgeschichte von Prof. Dr. Franz Dorn an der Universität Trier. Im Anschluss absolvierte er sein Rechtsreferendariat im Bezirk des Oberlandesgericht Koblenz mit dem Wahlfach Arbeitsrecht. Im Jahr 2020 wurde Sven Gunkel promoviert. Er ist seit Juli 2020 zur Anwaltschaft zugelassen und ist derzeit als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main tätig.Abstract
Auch heute ist die Frage nach den Grenzen einer zulässigen Verwertung einer dinglichen Sicherheit durch den Gläubiger nicht abschließend geklärt. Darf dieser etwa bei Fälligkeit der Schuld den Gegenstand des Schuldners einfach behalten? Nach den §§ 1149, 1229 BGB ist dies nicht ohne weiteres der Fall. Wie weit reicht aber das hier zum Ausdruck kommende Verfallverbot? Neben einer Definition des tatbestandlichen Anwendungsbereichs, wird in dieser Arbeit der über die unmittelbare Anwendung im Hypotheken- und Pfandrecht hinausgehende Geltungsanspruch des Verfallverbots untersucht. Dabei wird etwa deutlich, dass der nach der Rechtsprechung gewählte Ansatz, das Verbot solle lediglich das Verwertungsverfahren einer Sicherheit schützen, auf einem Missverständnis der Gesetzesmaterialen der Ersten Kommission beruht. Auch ein Blick auf die Struktur des heutigen BGB bestätigt, dass der seit je her im Vordergrund stehende Schuldnerschutz auch wesentlicher Zweck des heute geltenden Verbots sein dürfte. Mit der Schule der Verhaltensökonomie lässt sich zudem nachweisen, dass sich hinter dem durch das Verbot entschiedenen Rechtskonflikt kognitive Verzerrungen verbergen, die für den in der schwächeren Position befindlichen Schuldner einen »Schutz vor sich selbst« notwendig machen. Auf dieser Grundlage wird ein Vorschlag für ein allgemeines Rechtsprinzip des Verfallverbots formuliert.»Sections 1149, 1229 of the German Civil Code as a Starting Point for a General Legal Principle of Prohibition of Forfeiture (Verfallverbot). A historical, dogmatic and economic analysis of the lex commissoria«This thesis focuses on the prohibition of forfeiture (Verfallverbot) expressed in sec. 1149, 1229 German Civil Code (BGB). The historical, dogmatic and economic analysis of the norms clarifies their scope and limits. As a result, it is shown that the purpose of the prohibition is to protect the debtor from himself. It prevents him from promising the pledged object to the creditor at the beginning in the hope of paying the debt in time after all. Contrary to the case law of the German Federal Supreme Court (BGH), the purpose of the norm is to be extended to other collateral security by means of a general principle of law. The legal structure of the principle is derived from the previous results and is presented at the end.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 13 | ||
Teil 1: Einführung | 15 | ||
A. Einführung | 15 | ||
1. Einführung und Problemaufriss | 15 | ||
2. Gang der Darstellung | 18 | ||
B. Das Rechtsprinzip in der Rechtsordnung | 19 | ||
1. Ein Überblick | 19 | ||
2. Die Verortung des Rechtsprinzips in der Rechtsordnung | 23 | ||
3. Die Wirkung des Rechtsprinzips in der Rechtsordnung | 30 | ||
a) Savigny als Wegweiser | 31 | ||
b) „Objektive“ und „subjektive“ Auslegung | 34 | ||
c) Schlussfolgerungen für das Rechtsprinzip | 39 | ||
Teil 2: Die rechtshistorische Analyse | 41 | ||
C. Die Entwicklung der lex commissoria und deren Verbot | 41 | ||
1. Das Recht der römischen Realsicherheiten | 41 | ||
a) Das römische pignus | 43 | ||
b) Die lex commissoria | 48 | ||
2. Das Verbot des Verfalls unter Kaiser Constantin im Jahre 320 bzw. 326 | 50 | ||
3. Wie wirkte sich das Verbot der lex commissoria aus? – Codex und Digesten | 57 | ||
a) Stellt das Fragment in Marcellus D. 13.7.34 eine Ausnahme dar? Geht es um die Personen, den Zeitpunkt oder das verwendete Rechtsinstitut? | 59 | ||
b) Blieb der Verkauf des Pfandes durch den Schuldner an den Gläubiger erlaubt? | 63 | ||
c) Worum ging es in Scaevola D. 18.1.81 pr.? | 67 | ||
d) Die datio in solutum als Ausnahme zum Verfallverbot? | 70 | ||
4. Zusammenfassung und Fortwirkung des Verbots im justinianischen Recht | 77 | ||
D. Der Verfall und sein Verbot in der mittelalterlichen und neuzeitlichen Dogmatik | 81 | ||
1. Die Rezeption der lex comissoria nach römischem Recht | 81 | ||
a) Die mittelalterliche Interpretation | 83 | ||
b) Die weiteren Entwicklungsschritte in der Neuzeit | 90 | ||
aa) DuMoulin und seine Nachfolger | 91 | ||
bb) Jacques de Godefroy | 94 | ||
cc) Die Ansichten der Pandektistik und die neue Auslegung inspiriert durch Adolph Dietrich Weber | 95 | ||
c) Der Geltungsgrund der lex commissoria | 100 | ||
aa) Begründung durch die „boni mores“ | 100 | ||
bb) Begründung mittels des christlichen Wucherverbots | 101 | ||
cc) Begründung mittels des Naturrechts | 102 | ||
dd) Begründung des Verbots durch das positive Recht | 103 | ||
d) Zusammenfassende Überlegung | 105 | ||
2. Das „deutsche“ Pfandrecht | 105 | ||
a) Das Fahrnispfandrecht | 106 | ||
b) Das Grundpfandrecht | 115 | ||
3. Der „Konflikt“ zwischen römischer und germanisch-deutscher Ausgestaltung | 119 | ||
E. Regelung des Verfallverbots im Partikularrecht | 120 | ||
1. Gab es eine historische Entwicklungslinie? | 120 | ||
a) Das Verfallverbot im Recht des alten Reiches: die Reichspolizeiordnung von 1577 | 121 | ||
b) Das ältere Partikularrecht | 122 | ||
c) Der Wandel vom älteren zum neueren Partikularrecht | 124 | ||
aa) Die Entwicklung vom CMBC 1754 zum Bayrischen Entwurf eines BGB von 1861 | 124 | ||
bb) Die Entwicklung vom Hochfürstlich Sachsen Weimar-Eisenachischen Pfand-Mandat von 1758 zum Weimarer Pfandgesetz von 1839 | 128 | ||
cc) Zwischenfazit | 129 | ||
2. Systematische Ausgestaltung im Partikularrecht | 130 | ||
a) Die abstrakte Norm am Beispiel des sächsischen BGB von 1865 | 130 | ||
b) Die Einzelregelung im Rahmen des Instituts am Beispiel des Württembergischen Pfandrechts von 1825 | 132 | ||
3. Inhaltliche Ausgestaltung des Verfallverbots im Partikularrecht | 135 | ||
a) Keine Äußerung zum Verfall | 135 | ||
b) Totalverbote des Verfalls | 135 | ||
c) Totalverbote des Verfalls unter ausdrücklicher Ablehnung der im römischen Recht entwickelten Ausnahmen | 136 | ||
aa) Das österreichische ABGB von 1811 | 136 | ||
bb) Das Hessische Pfandgesetz von 1858 | 137 | ||
d) Totalverbote mit Ausnahmevorbehalt einzelner uneigentlicher Verfallklauseln | 138 | ||
aa) Verkauf des Pfands an den Gläubiger – nach D. 20.5.12 pr. | 138 | ||
bb) Verkauf des Pfands an den Gläubiger zu einem gerechten Preis – nach D. 20.1.16.9 | 139 | ||
cc) Verfall des Pfands durch Überlassung an Zahlungs statt – nach D. 46.3.45 pr. | 140 | ||
dd) Die nachträgliche Verfallabrede – nach D. 13.7.34 – und die preußische Sonderregel zu D. 18.1.81 pr. | 141 | ||
4. Aussagen der Partikularrechte zum Regelungszweck | 143 | ||
5. Zusammenfassende Überlegung | 146 | ||
F. Das BGB und seine Materialien | 148 | ||
1. Ein Überblick der Gesetzgebungsgeschichte des BGB | 148 | ||
2. Die Materialien zum § 1149 BGB | 151 | ||
a) Teilentwurf Sachenrecht (TE) mit Begründung | 151 | ||
aa) Wurde das Verfallverbot durch das Gesetz des Norddeutschen Bundes aus dem Jahr 1867 abgeschafft? | 152 | ||
bb) Umfang und Bedeutung des Verfallverbots | 157 | ||
b) Protokolle der 1. Kommission und die Zwischenschritte bis zum Ersten Entwurf (E I) | 160 | ||
c) Die von den Redaktoren erstellten und veröffentlichten Motive zum E I | 162 | ||
d) Gutachterliche Äußerungen zum E I | 164 | ||
e) Vom E I bis zur Norm des BGB | 164 | ||
3. Die Materialien zum § 1229 BGB | 164 | ||
a) Teilentwurf Sachenrecht (TE) mit Begründung | 164 | ||
b) Protokolle der 1. Kommission und die Zwischenschritte bis zum Ersten Entwurf (E I) | 169 | ||
c) Die von den Redaktoren erstellten und veröffentlichten Motive zum E I | 174 | ||
d) Gutachterliche Äußerungen zum E I | 177 | ||
e) Vom E I bis zur Norm des BGB | 177 | ||
4. Wie stehen die Materialien zu einem Prinzip des Verfallverbots? | 178 | ||
a) Argumente, die gegen ein Prinzip sprechen | 178 | ||
b) Argumente, die für ein Prinzip sprechen | 179 | ||
c) Zwischenfazit | 181 | ||
Teil 3: Die dogmatische Analyse | 182 | ||
G. Die Normen §§ 1149, 1229 BGB | 182 | ||
1. § 1149 BGB | 182 | ||
a) Zum Zweck der Befriedigung | 183 | ||
aa) Rechtsprechung des RG in: RGZ 92, 101 | 185 | ||
bb) Urteil des KG vom 28. Juli 1932 I X 446/32 | 186 | ||
cc) Das Urteil in ROHG 7, 65f. und die Bestätigung durch das RG in RGZ 130, 227 | 186 | ||
b) Übertragung oder Veräußerung des Grundstücks | 189 | ||
c) Nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit | 192 | ||
d) Weitere direkte Anwendungsfälle | 194 | ||
e) Die analoge Anwendung von § 1149 BGB auf dinglich nicht gesicherte Gläubiger | 194 | ||
aa) Der Beschluss des LG Stuttgart vom 23.12.1971 – Az: 1 T 16/71 | 195 | ||
bb) Die Rechtsprechung des BGH in BGHZ 130, 101 | 197 | ||
(1) Inhalt und Problematik des Falls | 197 | ||
(2) Die Lösung des BGH | 198 | ||
(3) Kritik und Korrektur durch den Normzweck | 200 | ||
cc) Kann ein Schuldnerschutz über § 138 Abs. 1 BGB die Lösung sein? | 205 | ||
(1) Hintergründe zum § 138 BGB | 205 | ||
(2) Würdigung des BGH in BGHZ 130, 101 | 208 | ||
(3) Kritik an der Konzeption des BGH | 209 | ||
dd) Bewertung | 212 | ||
ee) Fortgesetzte Linie der Rechtsprechung | 213 | ||
(1) BGH V ZR 253/01 vom 25.10.2002 | 214 | ||
(2) BayObLG vom 07.11.1996 – 2Z BR 111/96 | 217 | ||
g) Zusammenfassung | 220 | ||
2. § 1229 BGB | 222 | ||
a) Falls der Gläubiger nicht oder nicht rechtzeitig befriedigt wird | 224 | ||
b) Vor Eintritt der Verkaufsberechtigung | 226 | ||
c) Vereinbarungen, nach welchen dem Gläubiger das Eigentum an der Sache zufallen oder übertragen werden soll | 226 | ||
aa) Dingliche und schuldrechtliche Verfall- und Übereignungsabreden | 227 | ||
bb) Zur Abgrenzung schuldrechtlicher und dinglicher Abreden: RG in SchlHolAnz 1924, S. 149ff. | 230 | ||
cc) Zur Anwendbarkeit und zum Entstehungszeitpunkt der Verfallklausel: RG in SeuffA Bd. 65, Nr. 244 | 231 | ||
dd) Erfasst die Nichtigkeit einer schuldrechtlichen Verfallklausel auch die Verfügung? | 233 | ||
d) Gesetzliche Ausnahmefälle zum Verbot des § 1229 BGB | 235 | ||
aa) Abtretung an Zahlungs statt beim Forderungspfand nach § 1282 Abs. 1 S. 3 BGB | 235 | ||
bb) Privatverkauf nach §§ 1245, 1246 BGB | 238 | ||
cc) Das gewerbliche Pfandrecht nach § 1259 BGB | 240 | ||
dd) Bewertung | 244 | ||
e) Weitere Problemfälle | 245 | ||
aa) Die Verfallklausel als Ausgangspunkt der Auslegung des Parteiwillens | 245 | ||
bb) Das irreguläre Pfandrecht | 247 | ||
3. Ergebnis der dogmatischen Analyse | 253 | ||
a) § 1149 BGB | 253 | ||
b) § 1229 BGB | 254 | ||
c) Abstraktheit, Akzessorietät und der innere Zusammenhang | 255 | ||
H. Ein Rechtsprinzip des Verfallverbots mit normativer Anwendung? | 257 | ||
1. Das deskriptive Element | 258 | ||
2. Das normative Element | 259 | ||
a) Was ist der Anknüpfungspunkt für ein Rechtsprinzip des Verfallverbots? | 259 | ||
b) Was ist der Inhalt des Verbots? | 260 | ||
c) Welche dinglichen Sicherheiten sind erfasst? | 261 | ||
3. Lösungsvorschlag für ein normatives Element | 261 | ||
4. Anwendung auf die Sicherungsübereignung? | 262 | ||
a) „Gibt es die Sicherungsübereignung?“ | 262 | ||
b) Gilt § 1229 BGB für das Innenverhältnis der Sicherungsübereignung? | 265 | ||
c) Die Anwendung der normativen Kriterien eines Rechtsprinzips des Verfallverbots | 269 | ||
d) Ergebnis für die Sicherungsübereignung | 270 | ||
5. Anwendung auf die Sicherungszession? | 272 | ||
a) Überblick über die Sicherungsabtretung | 272 | ||
b) Die geschichtliche Entwicklung der Sicherungsabtretung | 274 | ||
c) Die Diskussion um die Rechtsnatur | 276 | ||
d) Anwendung der normativen Kriterien eines Rechtsprinzips des Verfallverbots | 279 | ||
e) Ergebnis für die Sicherungsabtretung | 280 | ||
6. Anwendung auf die Vormerkung? | 280 | ||
a) Ein Überblick über das Institut der Vormerkung und seine Entstehung | 281 | ||
b) Die Vormerkung als Sicherung einer Verfallklausel | 284 | ||
c) Die Anwendung der normativen Kriterien eines Rechtsprinzips des Verfallverbots | 285 | ||
aa) Der Tatbestand des Rechtsprinzips des Verfallverbots | 285 | ||
bb) Gefährdungslage des Schuldners | 288 | ||
cc) Rechtsfolge einer Anwendung des Verfallverbots | 291 | ||
d) Ergebnis für die Vormerkung | 292 | ||
7. Die Anwendung auf das „Sale-and-lease-back“-Verfahren | 293 | ||
8. Abgrenzung gegenüber anderen Vertragskonstruktionen | 296 | ||
a) Das Strafversprechen | 296 | ||
b) Der Wiederkauf | 297 | ||
9. Ergebnis | 298 | ||
I. Die „Bestätigung“ des Verfallverbots? | 300 | ||
1. Ökonomische Analyse der §§ 1149, 1229 BGB und eines Rechtsprinzips | 300 | ||
a) Die ökonomische Analyse des Rechts | 300 | ||
b) Anwendung auf die Normen der §§ 1149, 1229 BGB | 307 | ||
aa) Kosten des Zustands „A“ – Kosten des Verfalls | 308 | ||
bb) Kosten des Zustands „B“ – Kosten der gesetzlichen Verwertung | 310 | ||
cc) Ergebnis des Vergleichs | 313 | ||
c) Kritik durch die Verhaltensökonomie | 313 | ||
d) Abschließendes Ergebnis der ökonomischen Analyse des Verfallprinzips | 320 | ||
2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein Prinzip des Verfallverbots | 321 | ||
a) Vereinbarkeit mit dem grundrechtlichen Eigentumsschutz (Art. 14 GG) | 322 | ||
aa) Die direkten Anwendungsfälle der §§ 1149, 1229 BGB | 323 | ||
bb) Die analogen Anwendungsfälle | 325 | ||
b) Bedeutung für ein Rechtsprinzip des Verfallverbots | 326 | ||
3. Der Verfall im Zusammenhang von Schuld und Haftung | 327 | ||
4. Schlusswort | 330 | ||
J. Zusammenfassung der Ergebnisse | 331 | ||
Literaturverzeichnis | 338 | ||
Sachwortverzeichnis | 367 |