Wucherähnliche Verbraucherdarlehens- und Arbeitsverträge
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Wucherähnliche Verbraucherdarlehens- und Arbeitsverträge
Analyse zweier Anwendungsfelder des § 138 Abs. 1 BGB unter besonderer Berücksichtigung vertragsspezifischer Schutzbedürftigkeit
Schriften zum Bürgerlichen Recht, Vol. 539
(2021)
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Andreas Lutz studierte Rechtswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und legte im Jahr 2015 das erste Staatsexamen ab. Es folgte ein einjähriges LL.M.-Studium am Trinity College Dublin, Irland. Ab 2016 war er Referendar am Landgericht Mainz mit weiteren Stationen unter anderem am Arbeitsgericht Mainz und bei einer Wirtschaftskanzlei in Kapstadt, Südafrika. Das zweite Staatsexamen absolvierte er Ende 2018. Ab Anfang 2019 war Andreas Lutz externer Doktorand bei Prof. Dr. Jürgen Oechsler an der Universität Mainz und wurde im Mai 2021 promoviert. Seit April 2019 ist er als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main tätig.Abstract
Maßgebliches privatrechtliches Instrument zur Äquivalenzkontrolle bei Austauschverträgen ist § 138 BGB. Wucher gemäß § 138 Abs. 2 BGB lässt sich jedoch nur selten beweisen. Das Reichsgericht, und ihm folgend der Bundesgerichtshof, griffen deshalb bereits früh auf das wucherähnliche Rechtsgeschäft als Fallgruppe des § 138 Abs. 1 BGB zurück. Insbesondere die Rechtsprechung zu Verbraucherdarlehensverträgen prägte das heutige Verständnis der Wucherähnlichkeit. Diese dogmatische Grundsteinlegung kann für die deutlich jüngere Diskussion um wucherähnliche Arbeitsverträge fruchtbar gemacht werden.Wucherähnliche Verbraucherdarlehens- und Arbeitsverträge setzen mindestens ein Merkmal neben dem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung voraus. Entgegen der herrschenden Auffassung ist dies nicht die verwerfliche Gesinnung des Übervorteilenden, sondern die vertragsspezifische Schutzbedürftigkeit des Übervorteilten. Diese ist für jeden Vertragstypus gesondert zu ermitteln.»Usury-Like Consumer Loan and Employment Contracts. Analysis of two Application Fields of Sec. 138 (1) BGB with Particular Regard to Contract-Specific Vulnerability«: Usury pursuant to Sec. 138 (2) of the German Civil Code (BGB) can rarely be proven. The case law on loan contracts therefore formed the usury-like transaction as a case group of Sec. 138 (1) BGB. The author analyses this dogmatic foundation and its transfer to usury-like employment contracts by the Federal Labour Court (BAG). Contrary to the predominant opinion, the decisive unwritten prerequisite of usury-likeness is the contract-specific vulner-ability of the overreached party.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Geleitwort | 5 | ||
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
§ 1 Einführung und Grundlagen | 15 | ||
A. Gegenstand und Gang der Untersuchung | 15 | ||
B. Historische Einführung | 17 | ||
I. Das kanonische Wucherverbot | 17 | ||
1. Kodifizierung des Wucherverbots | 18 | ||
2. Begründung des Wucherverbots | 19 | ||
3. Konflikt mit dem weltlichen Recht und Umgehung des Verbots | 25 | ||
4. Zusammenfassung | 28 | ||
II. Die laesio enormis | 29 | ||
1. Die laesio enormis im römischen Recht | 29 | ||
a) C.4.44.2 und C.4.44.8 | 30 | ||
b) Auslegung der Konstitutionen | 32 | ||
c) Motive für die Einführung der laesio enormis | 33 | ||
d) Praktische und theoretische Wirksamkeit | 34 | ||
2. Exkurs: Römische Zinshöchstsätze und laesio enormissima | 35 | ||
3. Zusammenfassung | 36 | ||
III. Zusammenfassung | 36 | ||
C. Grundlagen zu § 138 Abs. 1 BGB | 37 | ||
I. Funktion des § 138 BGB | 37 | ||
1. Äquivalenzstörungen aus Sicht des historischen Gesetzgebers | 38 | ||
2. Allgemeine Funktion des § 138 Abs. 1 BGB | 39 | ||
II. Die guten Sitten | 42 | ||
1. Anstandsformel | 42 | ||
2. (Keine) Berücksichtigung außerrechtlicher Wertungen | 43 | ||
III. Verhältnis des § 138 Abs. 1 BGB zu Abs. 2 | 45 | ||
IV. Zusammenfassung | 46 | ||
§ 2 Wucherähnliche Verbraucherdarlehensverträge | 48 | ||
A. Rechtsprechungsentwicklung | 50 | ||
I. Bemessungsgrundlagen | 50 | ||
1. Beurteilungszeitpunkt und Marktvergleich | 50 | ||
2. Der Vertragszins | 51 | ||
3. Der Marktzins | 52 | ||
II. Das auffällige Missverhältnis | 54 | ||
1. Grundregel: 100 Prozent relative oder 12 Prozentpunkte absolute Überschreitung | 54 | ||
2. Modifikationen bei Vorliegen besonderer Situationen | 57 | ||
3. Zusammenfassung | 59 | ||
III. Weitere objektive Umstände | 59 | ||
1. Beurteilungsgrundlage | 60 | ||
2. Die Leitentscheidung des BGH | 60 | ||
3. Sonstige belastende Vertragsbedingungen | 62 | ||
4. Gewichtung der sonstigen Vertragsbedingungen | 63 | ||
IV. Das subjektive Element und seine Vermutung | 64 | ||
1. Erfordernis und Inhalt eines subjektiven Elements | 64 | ||
2. Widerlegliche Vermutung des subjektiven Elements | 67 | ||
3. Zwischenergebnis | 69 | ||
4. Wandel der Rechts- und Sozialmoral | 70 | ||
V. Rechtsfolgen bei Nichtigkeit des Darlehensvertrages | 71 | ||
1. Herausgabeanspruch des Darlehensgebers hinsichtlich der Valuta | 71 | ||
2. Kein Anspruch des Darlehensgebers auf Zinsen oder sonstigen Nutzungsersatz | 75 | ||
3. Bereicherungsrechtliche Ansprüche des Darlehensnehmers sowie Verjährung | 76 | ||
VI. Zusammenfassung | 77 | ||
B. Rezeption in der Literatur | 78 | ||
I. Erforderlichkeit eines subjektiven Elements | 79 | ||
1. Die Kritik an der Rechtsprechung | 79 | ||
2. Stellungnahme | 82 | ||
II. Berücksichtigung der Schutzbedürftigkeit des Verbraucher-Darlehensnehmers | 83 | ||
1. Die Richtigkeitsgewähr des Vertrages | 84 | ||
2. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Ungleichgewichtslagen | 85 | ||
3. Die Schutzbedürftigkeit des Verbraucher-Darlehensnehmers | 86 | ||
a) Das Verbraucherschutzargument | 86 | ||
aa) Gründe für eine besondere Schutzbedürftigkeit von Verbrauchern | 86 | ||
bb) Rollenmodell versus vertragsspezifische Schutzbedürftigkeit | 89 | ||
cc) Stellungnahme | 90 | ||
b) Vertragsspezifische Gefahren des Verbraucherdarlehens | 91 | ||
aa) Wirtschaftliche Faktoren | 92 | ||
bb) Psychologische Faktoren | 95 | ||
cc) Zusammenfassung | 96 | ||
III. Tatbestandsdefinition wucherähnlicher Verbraucherdarlehensverträge | 97 | ||
1. Das auffällige Missverhältnis | 97 | ||
2. Die vertragsspezifische Schutzbedürftigkeit des Darlehensnehmers | 98 | ||
3. Die Kausaliät | 100 | ||
4. Die Kenntnis oder leichtfertige Unkenntnis | 101 | ||
5. Formulierungsvorschlag zur Tatbestandsdefinition | 104 | ||
IV. Zinsfreiheit des wucherähnlichen Darlehens? | 106 | ||
1. Telos des § 817 S. 2 BGB | 107 | ||
a) Strafe | 107 | ||
b) Generalprävention | 108 | ||
c) Rechtsschutzverweigerung | 110 | ||
d) Stellungnahme | 111 | ||
2. Zinsfreiheit des Darlehens? | 113 | ||
a) Meinungsstand | 113 | ||
b) Stellungnahme | 116 | ||
3. Zusammenfassung | 118 | ||
V. Zusammenfassung | 118 | ||
C. Zusammenfassung | 118 | ||
§ 3 Wucherähnliche Arbeitsverträge | 121 | ||
A. Rechtsprechungsentwicklung | 121 | ||
I. Bemessungsgrundlagen | 123 | ||
1. Der Beurteilungszeitpunkt | 123 | ||
2. Der vereinbarte Lohn | 125 | ||
3. Der Marktlohn | 127 | ||
a) Erste Fallgruppe: Übliche Vergütung entspricht dem Tariflohn | 127 | ||
aa) Bestimmung des Marktlohnes | 127 | ||
bb) Verfassungsmäßigkeit der Orientierung an Tarifverträgen | 130 | ||
b) Zweite Fallgruppe: Übliche Vergütung wird nicht durch Tarifvertrag definiert | 132 | ||
c) Zusammenfassung | 136 | ||
II. Das auffällige Missverhältnis | 137 | ||
III. Weitere objektive Umstände | 139 | ||
1. Allgemeines | 139 | ||
2. Die absolute Höhe der vereinbarten Vergütung | 141 | ||
3. Angestellte Rechtsanwälte | 144 | ||
4. An Privatschulen angestellte Lehrkräfte | 146 | ||
5. Zusammenfassung | 147 | ||
6. Exkurs: Angemessene Vergütung Auszubildender gemäß § 17 BBiG | 148 | ||
IV. Das subjektive Element und seine Vermutung | 154 | ||
1. Inhalt des subjektiven Elements | 155 | ||
2. Vermutung der verwerflichen Gesinnung | 156 | ||
a) Ansatz des BAG | 156 | ||
b) Berücksichtigung der Störung der Vertragsparität? | 159 | ||
c) Exkurs: Sittenwidrigkeit tarifvertraglicher Vergütungsregelungen | 162 | ||
V. Rechtsfolgen wucherähnlicher Entgeltabreden in Arbeitsverträgen | 166 | ||
VI. Zusammenfassung | 167 | ||
B. Rezeption in der Literatur | 169 | ||
I. Verhältnis zum Mindestlohngesetz | 170 | ||
1. Ausgangspunkte des Mindestlohngesetzes und der Sittenwidrigkeitskontrolle | 170 | ||
2. Rechtsfolge einer Unterschreitung des Mindestlohnes | 172 | ||
3. Verhältnis des Mindestlohngesetzes zur Sittenwidrigkeitskontrolle | 174 | ||
4. Zusammenfassung | 176 | ||
II. Beurteilungszeitpunkt der Sittenwidrigkeitskontrolle | 176 | ||
1. Beurteilungszeitpunkt | 177 | ||
a) Überwiegende Auffassung: Streitgegenständlicher Zeitraum | 177 | ||
b) Gegenansicht: Zeitpunkt des Vertragsschlusses | 178 | ||
c) Stellungnahme unter Berücksichtigung von Vertragsänderungen | 179 | ||
2. Anpassungsmöglichkeiten bei Vergütungsabreden | 181 | ||
a) Ergänzende Vertragsauslegung | 181 | ||
b) § 313 BGB: Störung der Geschäftsgrundlage | 182 | ||
c) § 826 BGB: Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung | 183 | ||
d) § 242 BGB i.V.m. § 612 Abs. 2 BGB analog: Treuwidrigkeit | 184 | ||
e) Stellungnahme: Enge Auslegung der Treuwidrigkeit gemäß § 242 BGB | 185 | ||
aa) Das Problem der automatischen Lohnanpassung | 185 | ||
bb) Lösung über eine Obliegenheit des Arbeitnehmers zur Forderung einer Anpassung | 186 | ||
III. Tatbestandsdefinition wucherähnlicher Arbeitsverträge | 189 | ||
1. Das auffällige Missverhältnis | 189 | ||
a) Keine Kompetenzüberschreitung durch festen Grenzwert | 189 | ||
b) Auffälliges Missverhältnis bei weniger als zwei Dritteln der üblichen Vergütung | 190 | ||
c) Bestimmung der üblichen Vergütung | 192 | ||
aa) Prägung des Marktwertes der Arbeitsleistung durch einen Tarifvertrag | 192 | ||
(1) Anforderungen an die Üblichkeit des Tariflohnes | 192 | ||
(2) Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Üblichkeit des Tariflohnes | 194 | ||
(3) Praktische Umsetzung der Darlegung unter Berücksichtigung der Datenlage | 194 | ||
(4) Übliche Vergütung höher als Tariflohn | 200 | ||
(5) Zusammenfassung | 201 | ||
bb) Bestimmung des Marktlohnes ohne Tarifvertrag | 202 | ||
(1) Einführung | 202 | ||
(2) Datenlage | 203 | ||
(a) Beispielhaft: Nordrhein-Westfalen | 204 | ||
(b) Andere Bundesländer | 205 | ||
(c) Weitere Erhebungen | 207 | ||
(d) Ausblick: Änderung des Verdienststatistikgesetzes | 208 | ||
(e) Interaktiver Gehaltsvergleich des Statistischen Bundesamtes | 210 | ||
(f) Zusammenfassung | 212 | ||
(3) Bestimmung der Anforderungen an die Vortragslast des klagenden Arbeitnehmers unter Berücksichtigung von § 287 Abs. 2, 1 ZPO | 213 | ||
(4) Vorgehen bei der Darlegung der üblichen Vergütung im Einzelfall | 216 | ||
(a) Primär: Verwendung hinreichend präziser Landesstatistiken | 216 | ||
(b) Derzeit keine Berücksichtigung des Interaktiven Gehaltsvergleiches | 218 | ||
(c) Sekundär: Berechnung des Marktlohnes anhand der Bundesstatistik | 220 | ||
(aa) Berechnungsweise | 221 | ||
(bb) Rechenbeispiel | 222 | ||
(cc) Zugrundeliegende Prämissen der Berechnung und Schätzabschläge | 222 | ||
(dd) Einschränkungen der Anwendbarkeit des Modells | 223 | ||
(ee) De lege ferenda: Anpassung des Verdienststatistikgesetzes | 224 | ||
(5) Zusammenfassung | 225 | ||
d) Zusammenfassung | 226 | ||
2. Berücksichtigung der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers | 226 | ||
a) Vertragsspezifische Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers | 227 | ||
aa) Existenzielle Abhängigkeit von Erwerbseinkommen | 227 | ||
bb) Besonderheiten des Anbietens von Arbeitskraft | 228 | ||
cc) Weitere Gründe | 229 | ||
b) Feststellung und Berücksichtigung der vertragsspezifischen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers | 230 | ||
3. Die Kausalität | 231 | ||
4. Das subjektive Element und seine Vermutung | 231 | ||
a) Das subjektive Element | 231 | ||
b) Vermutung des subjektiven Elements | 232 | ||
aa) Literatur | 232 | ||
bb) Stellungnahme | 233 | ||
(1) Vermutung bei üblichem Tariflohn | 233 | ||
(2) Vermutung ohne üblichen Tariflohn | 235 | ||
(3) Zusammenfassung | 236 | ||
5. Formulierungsvorschlag zur Tatbestandsdefinition | 236 | ||
6. Verbleibende Schutzlücken der Äquivalenzkontrolle bei Arbeitsverträgen | 237 | ||
IV. Rechtsfolgen der Wucherähnlichkeit von Arbeitsverträgen | 239 | ||
1. § 612 Abs. 2 BGB statt §§ 812ff. BGB | 239 | ||
2. § 612 Abs. 2 BGB: Anpassung auf übliche Vergütung | 241 | ||
3. Schadensersatz | 242 | ||
4. Keine Anwendbarkeit tarifvertraglicher Ausschlussfristen | 242 | ||
5. Zusammenfassung | 243 | ||
V. Zusammenfassung | 243 | ||
C. Zusammenfassung | 245 | ||
§ 4 Vergleichende und zusammenfassende Thesen | 247 | ||
Literaturverzeichnis | 255 | ||
Sachwortverzeichnis | 276 |