Die Legitimität der §§ 284, 285 StGB
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Die Legitimität der §§ 284, 285 StGB
Schriften zum Strafrecht, Vol. 385
(2022)
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Iryna Burd studierte Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. Nach dem Abschluss des Ersten Juristischen Staatsexamens 2013 absolvierte sie das Rechtsreferendariat am Landgericht Freiburg und legte 2015 das Zweite Juristische Staatsexamen ab. Anschließend war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am von Professor Dr. Dr. h.c. mult. Michael Pawlik, L.L.M. (Cantab.) geleiteten Institut für Strafrecht und Strafprozessrecht der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. tätig, wo sie 2021 durch die Juristische Fakultät promoviert wurde. Im August 2021 wurde Iryna Burd von der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main zur Rechtsanwaltschaft zugelassen.Abstract
Seit der Einführung der §§ 284, 285 in das deutsche StGB ist die Frage, ob der Gesetzgeber die in den§§ 284, 285 StGB beschriebenen Verhaltensweisen strafrechtlich verfolgen darf, stark umstritten. Besonders stark hinterfragt wird, welches Rechtsgut durch §§ 284, 285 StGB geschützt werden soll. Die Frage erscheint insbesondere im Hinblick auf die verwaltungsakzessorische Ausgestaltung dieser Strafnormen und die Tatsache, dass der Staat stark von den Einnahmen aus dem Glücksspielmarkt profitiert, interessant. Die Arbeit stellt zunächst die zu dem von §§ 284, 285 StGB geschützten Rechtsgut üblicherweise vertretenen Ansichten dar und arbeitet sodann Kriterien heraus, die für die Beurteilung der Legitimität einer Strafnorm von Bedeutung sind, wobei unter anderem auf die jeweilige Deliktsstruktur Wert gelegt wird. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend der Beurteilung der Legitimität der §§ 284, 285 StGB zugrunde gelegt, die zum Ergebnis kommt, dass diese Strafnormen nicht im vollen Umfang aufrechterhalten werden sollten.»Legitimacy of §§ 284, 285 StGB«: Since the introduction of §§ 284, 285 into the German Criminal Code, the question whether the legislator is allowed to prosecute the conduct described in §§ 284, 285 StGB has been highly controversial. After outlining the basic requirements for the legitimacy of a criminal norm, the author devotes herself to examining the legitimacy of §§ 284, 285 StGB and comes to the conclusion that the aforementioned criminal norms should not be upheld in their entirety.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einführung | 17 | ||
A. Problemstellung | 22 | ||
B. Gang der Untersuchung | 24 | ||
1. Teil: Rechtsgüter der §§ 284 und 285 StGB | 26 | ||
A. Rechtsgut des § 284 StGB | 28 | ||
I. Öffentliche Sittlichkeit und Moral | 28 | ||
II. Verfolgung fiskalischer Interessen des Staates | 30 | ||
1. Abschöpfung von Mitteln | 30 | ||
2. Sicherung der Steuereinnahmen | 31 | ||
III. Schutz der Erfüllung von Verwaltungsformalität; Verwaltungsverfahren als Rechtsgut? | 31 | ||
1. Rechtliche Einordnung der Voraussetzung „ohne behördliche Erlaubnis“ | 32 | ||
2. Behördliche Erlaubnis | 33 | ||
3. Muss die Erlaubnis materiell-rechtlich rechtmäßig sein oder genügt die formale Wirksamkeit? | 35 | ||
a) Nichtige Erlaubnis | 35 | ||
b) Eine durch Täuschung, Drohung oder Bestechung erlangte Erlaubnis | 35 | ||
4. Behördliche Duldung | 37 | ||
5. Ausländische Genehmigungen | 37 | ||
a) Allgemeines | 37 | ||
b) Genehmigungen aus EU-Mitgliedstaaten | 38 | ||
6. Fazit | 40 | ||
IV. Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und Schutz vor Beschaffungs-, Begleit- und Folgekriminalität | 42 | ||
V. Gesundheitsschutz | 44 | ||
1. Schutz der Gesundheit jedes einzelnen Spielers | 44 | ||
2. Jugendschutz | 48 | ||
3. Schutz der Volksgesundheit | 49 | ||
a) Kritik an dem Begriff der „Volksgesundheit“ | 49 | ||
b) Vergleich mit staatlichen Glücksspielen und Geldspielautomaten | 51 | ||
c) Exkurs: Geldspielautomat – Glücksspiel oder ein Unterhaltungsspiel? | 52 | ||
d) Der Begriff der „Volksgesundheit“ im Betäubungsmittelrecht und Kritik daran | 56 | ||
VI. Vermögensschutz | 58 | ||
1. Betroffenheit des Vermögens durch Glücksspiele im Allgemeinen | 58 | ||
a) Erfordernis eines Einsatzes | 59 | ||
b) Begriff und Form des Einsatzes | 59 | ||
c) Nicht ganz unbedeutender Vermögenswert | 61 | ||
aa) Absolute Theorien | 61 | ||
bb) Relative Theorien | 61 | ||
cc) Differenzierende Ansicht | 61 | ||
dd) Vermittelnde Ansicht | 62 | ||
ee) Kritik | 62 | ||
ff) Wertgrenze | 64 | ||
2. Wessen Vermögen soll geschützt werden? | 64 | ||
a) Schutz des eigenen Vermögens des Spielers | 65 | ||
b) Schutz des Vermögens des Veranstalters | 66 | ||
c) Schutz des Vermögens anderer Mitspieler | 66 | ||
d) Exkurs: Verletzung der Willensentschließungs- und der Willensbetätigungsfreiheit durch die Verleitung zur Teilnahme an einem Glücksspiel | 67 | ||
e) Schutz vor Beeinträchtigung des Vermögens des Spielers durch Spielmanipulation | 68 | ||
aa) Eingriff in den Spielablauf | 69 | ||
bb) Wechsel des Spieltempos | 71 | ||
f) Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung | 72 | ||
3. Ergebnis und Stellungnahme | 75 | ||
a) Zusammenfassende Feststellung denkbarer Rechtsgüter | 75 | ||
b) Verhältnis der Rechtsgüter zueinander | 77 | ||
B. Rechtsgut des § 285 StGB | 78 | ||
2. Teil: Bestimmung des Bereichs der strafbaren Handlungen | 81 | ||
A. Allgemeine Kriterien zur Bestimmung und Begrenzung des Bereichs der strafbaren Handlungen | 82 | ||
I. Aufgabe des Strafrechts | 82 | ||
II. Verfassungsrechtliche Anforderungen | 83 | ||
1. Bestimmtheitsgrundsatz und Schuldprinzip | 83 | ||
a) Strafbarkeitsbegrenzendes Potential des Bestimmtheitsgebots | 83 | ||
b) Strafbarkeitsbegrenzendes Potential des Schuldprinzips | 85 | ||
2. Der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz | 86 | ||
a) Bezugspunkt für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Strafgesetzes | 87 | ||
b) Legitimer Zweck | 91 | ||
c) Geeignetheit und Erforderlichkeit | 92 | ||
d) Angemessenheit | 93 | ||
e) Kritik | 94 | ||
III. Strafrechtsspezifische Konzepte | 95 | ||
1. Die Rechtsgutslehre | 95 | ||
a) Begriff des Rechtsguts | 95 | ||
b) Funktion des Rechtsguts | 96 | ||
aa) Systemimmanente Funktion | 96 | ||
bb) Systemkritische Funktion | 97 | ||
c) Verbindlichkeitsanspruch der systemkritischen Rechtsgutslehre | 97 | ||
2. Strafwürdigkeit | 98 | ||
a) Begriff | 98 | ||
b) Einwand gegen die Strafwürdigkeit | 99 | ||
c) Kriterien für die Bestimmung der Strafwürdigkeit | 99 | ||
3. Strafbedürftigkeit | 101 | ||
a) Begriff | 101 | ||
b) Selbstschutz des Opfers als ein die Strafbedürftigkeit ausschließendes Kriterium | 104 | ||
IV. Gemeinsame Kriterien der Rechtsprechung und der Strafrechtswissenschaft sowie das Verhältnis der verfassungsrechtlichen und strafrechtlichen Vorgaben zueinander | 107 | ||
B. Ergebnis | 111 | ||
3. Teil: Beurteilung des § 284 StGB anhand der allgemeinen Kriterien | 113 | ||
A. Bestimmtheit des § 284 StGB | 114 | ||
I. Erfüllung der Anforderungen des Bestimmtheitsgebots durch § 284 StGB | 114 | ||
1. Bestimmtheit des Begriffs „Veranstalten“ | 114 | ||
a) Begriffsbestimmung | 114 | ||
b) Vermitteln als Veranstalten? | 115 | ||
c) Vollendungszeitpunkt | 116 | ||
2. Bestimmtheit des Begriffs „Halten“ | 118 | ||
a) Begriffsbestimmung | 118 | ||
b) Ergebnis | 118 | ||
3. Bestimmtheit des Begriffs „Bereitstellen von Einrichtungen“ | 120 | ||
a) Bestimmung des Begriffs „Einrichtungen“ | 120 | ||
b) Bestimmung des Begriffs „Bereitstellen“: Strafbarkeit bei Unterlassen? | 121 | ||
4. Bestimmtheit des Begriffs „Werbung“ | 124 | ||
a) Gründe für die Einführung des Abs. 4 | 124 | ||
b) Begriffsbestimmung | 124 | ||
5. Ergebnis | 126 | ||
B. Verhältnismäßigkeit des § 284 StGB | 126 | ||
I. Legitimer Zweck | 126 | ||
II. Geeignetheit | 127 | ||
III. Erforderlichkeit | 128 | ||
1. Abschaffung der Kriminalisierung der unerlaubten Glücksspielveranstaltung als milderes Mittel | 129 | ||
2. Ausschluss der Erforderlichkeit durch zivilrechtliche Regelungen | 129 | ||
a) Zivilrechtliche Lage | 129 | ||
b) Gleichwertige Geeignetheit des zivilrechtlichen Schutzes im Allgemeinen | 132 | ||
c) Schutz privater Rechte durch Polizei- und Ordnungsrecht | 134 | ||
3. Erforderlichkeit im Hinblick auf die Strafbarkeit des Betrugs nach § 263 StGB | 136 | ||
a) Täuschung | 136 | ||
b) Irrtum | 136 | ||
c) Vermögensverfügung | 138 | ||
aa) Vermögensrelevanz der Gewinnchance | 138 | ||
bb) Auswirkung des § 762 BGB | 141 | ||
d) Vermögensschaden | 142 | ||
e) Ergebnis | 143 | ||
4. Ordnungswidrigkeit als Alternative zur Straftat | 143 | ||
a) Kurzer Überblick über die Entwicklung des Ordnungswidrigkeitenrechts | 144 | ||
b) Abgrenzung zwischen einer Straftat und einer Ordnungswidrigkeit | 146 | ||
aa) Formale Abgrenzung | 146 | ||
bb) Unterscheidung zwischen einer Straftat und einer Ordnungswidrigkeit im Gesetzgebungsverfahren | 146 | ||
cc) Prozessuale Unterschiede bei der Verfolgung von Verstößen | 148 | ||
c) Ordnungswidrigkeiten in den Landesgesetzen; Entwurf zum Glücksspielstaatsvertrag 2021 | 150 | ||
IV. Angemessenheit | 152 | ||
1. Das Rechtsgut des § 284 StGB aus verfassungsrechtlicher Sicht | 153 | ||
a) Rangordnung der Grundrechte in der Verfassung | 153 | ||
b) Ausstrahlung der Grundrechte auf das Zivilrecht | 154 | ||
2. Erfolgsunwert | 155 | ||
a) Deliktsnatur des § 284 StGB | 155 | ||
aa) § 284 StGB als ein Verletzungsdelikt | 155 | ||
(1) Verletzung der Verwaltungsformalität | 155 | ||
(2) Verletzung des Vertrauens | 155 | ||
(3) Bewertung | 156 | ||
bb) § 284 StGB als ein abstraktes Gefährdungsdelikt | 156 | ||
b) Legitimation abstrakter Gefährdungsdelikte | 157 | ||
aa) Verfassungsrechtliche Prüfung | 158 | ||
bb) Legitimation aus dem Rechtsgüterschutzgedanken | 158 | ||
(1) Theorie der generellen Gefährlichkeit | 158 | ||
(2) Theorie der abstrakten Gefährlichkeit | 159 | ||
(3) Kritik | 160 | ||
cc) Subjektivierung des Legitimationsansatzes | 163 | ||
(1) Gefährdungsdelikte geringerer Angriffsintensität | 163 | ||
(2) Theorie der Risikoerhöhung | 164 | ||
(3) Sorgfaltswidrigkeit als Legitimationsgrundlage der abstrakten Gefährdungsdelikte | 165 | ||
(4) Kritik | 168 | ||
dd) Loslösung vom unmittelbaren Rechtsgutsbezug | 171 | ||
(1) Bindingscher Ansatz | 171 | ||
(2) Der Ansatz von Kindhäuser: Sicherheit als Normzweck | 173 | ||
(3) Kritik | 174 | ||
ee) Ergebnis der bisherigen Diskussion um den Strafgrund abstrakter Gefährdungsdelikte | 176 | ||
ff) Ausdifferenzierung spezifischer Kriterien zur Unterscheidung zwischen legitimen und illegitimen abstrakten Gefährdungsdelikten statt einer einheitlichen Begründung der Legitimation | 176 | ||
(1) Maßstäbe zur Unterscheidung legitimer und illegitimer Gefährdungsdelikte nach Jakobs und Weber | 177 | ||
(a) Ansicht von Jakobs | 177 | ||
(b) Ansicht von Weber | 180 | ||
(2) Der Ansatz von Wohlers und Puschke: Ausdifferenzierung verschiedener Deliktstypen | 182 | ||
(a) Die Systematik von Wohlers | 182 | ||
(b) Die Systematik von Puschke | 186 | ||
(c) Stellung des § 284 StGB in dem System der verschiedenen Deliktstypen nach Wohlers und Puschke | 187 | ||
gg) Verwaltungsakzessorische abstrakte Gefährdungsdelikte | 189 | ||
(1) Kriterien der Bestimmung der Legitimation | 189 | ||
(2) Kritik | 193 | ||
hh) Zusammenfassung | 196 | ||
c) Vergleich des § 284 StGB mit weiteren Delikten zum Vermögensschutz im Kernstrafrecht | 197 | ||
aa) Wirtschaftsstraftaten | 197 | ||
(1) §§ 264, 264a, 265b StGB: Sinn und Zweck der Einführung dieser Tatbestände | 197 | ||
(2) Leitmotiv des Gesetzgebers bei der Einführung der §§ 264, 264a und 265b StGB | 198 | ||
(a) § 264 StGB | 198 | ||
(b) § 264a StGB | 198 | ||
(c) § 265b StGB | 199 | ||
(3) Rechtsgut der §§ 264, 264a, 265b StGB | 199 | ||
(a) § 264 StGB | 199 | ||
(b) § 264a StGB | 202 | ||
(c) § 265b StGB | 203 | ||
(4) Deliktsnatur der §§ 264, 264a und 265b StGB | 204 | ||
(a) § 264 StGB | 204 | ||
(b) § 264a StGB | 205 | ||
(c) § 265b StGB | 206 | ||
bb) Versicherungsmissbrauch, § 265 StGB | 206 | ||
(1) Entstehungsgeschichte | 206 | ||
(2) Rechtsgut des § 265 StGB | 206 | ||
(3) Deliktsnatur des § 265 StGB | 207 | ||
cc) Wucher, § 291 StGB | 208 | ||
(1) Sinn und Zweck der Norm | 208 | ||
(2) Rechtsgut des § 291 StGB | 208 | ||
(3) Deliktsnatur des § 291 StGB | 209 | ||
d) Vergleich des § 284 StGB mit weiteren verwaltungsakzessorischen abstrakten Gefährdungsdelikten am Beispiel des § 327 StGB | 209 | ||
aa) Zweck der Verlagerung der §§ 324ff. in das StGB | 209 | ||
bb) Rechtsgut des § 327 StGB | 210 | ||
cc) Deliktsnatur des § 327 StGB | 211 | ||
e) Zusammenfassung und Auswertung zum Erfolgsunwert | 212 | ||
aa) Ergebnisse aus dem Vergleich mit den Wirtschaftsstraftaten, dem Versicherungsmissbrauch und dem Wucher | 212 | ||
bb) Folgen der Verwaltungsakzessorietät für die Legitimität des § 284 StGB | 213 | ||
3. Handlungsunwert | 216 | ||
a) Tathandlung der Wirtschaftsstrafnormen | 216 | ||
aa) Tathandlung des § 264 StGB | 216 | ||
bb) Tathandlung des § 264a StGB | 217 | ||
cc) Tathandlung des § 265b StGB | 217 | ||
b) Tathandlung des § 265 StGB | 217 | ||
c) Tathandlung des § 291 StGB | 218 | ||
d) Tathandlung des § 327 StGB | 218 | ||
e) Zusammenfassung und Auswertung zum Handlungsunwert | 219 | ||
4. Gesamtbeurteilung der Angemessenheit des § 284 StGB | 222 | ||
C. Vorschlag zur Gesetzesänderung | 229 | ||
Literaturverzeichnis | 231 | ||
Stichwortverzeichnis | 246 |