Der Sperrgrund der Tatentdeckung im Sinne von § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO
BOOK
Cite BOOK
Style
Format
Der Sperrgrund der Tatentdeckung im Sinne von § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO
Schriften zum Strafrecht, Vol. 404
(2023)
Additional Information
Book Details
Pricing
About The Author
Elena Neumüller studierte von 2009 bis 2015 Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsrecht an der Universität Mannheim. Sie absolvierte zunächst den Bachelorstudiengang Unternehmensjurist und legte anschließend das Erste Juristische Staatsexamen ab. Das Zweite Juristische Staatsexamen legte sie 2017 im Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe ab. Seit 2017 arbeitet sie als Rechtsanwältin in einer auf Wirtschaftsrecht spezialisierten Kanzlei im Bereich des Steuerrechts. Unter Betreuung von Herrn Prof. Dr. Jens Bülte erfolgte 2021 die Promotion.Abstract
Der Sperrgrund der Tatentdeckung findet sich - wenn auch nicht exakt in dem heutigen Gesetzeswortlaut - bereits seit 1952 im Gesetz. Zu seiner Auslegung liegt in nicht geringem Umfang Rechtsprechung und zahlreiche Literatur vor. Daraus könnte man schlussfolgern, die Anwendung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO sei in der Praxis klar und ausdiskutiert. Tatsache ist jedoch, dass kaum ein Fall und auch nicht die in der Arbeit aufgezeigten Beispielsfälle zu einem unumstrittenen Ergebnis führen. Unklar ist etwa nach wie vor, wie der Begriff der Tatentdeckung auszulegen und insbesondere, wer tauglicher Tatentdecker ist und ob und gegebenenfalls welche Bedeutung heute noch der subjektiven Komponente des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beizumessen ist. In dieser Arbeit werden die Schwierigkeiten bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des Sperrgrunds der Tatentdeckung erörtert, indem die seitens der Rechtsprechung und Literatur entwickelten Auffassungen kritisch hinterfragt werden mit dem Ziel, mehr Rechtssicherheit in der Handhabung des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO für den Rechtsanwender zu gewinnen.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
A. Einführung | 15 | ||
I. Einleitung | 15 | ||
II. Gang der Untersuchung | 17 | ||
B. Sperrtatbestand der Tatentdeckung im System des Selbstanzeigerechts | 19 | ||
I. Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO | 19 | ||
II. Selbstanzeige nach § 371 AO | 22 | ||
1. Entstehungsgeschichte der Selbstanzeige | 22 | ||
a) Vorläuferregelungen | 22 | ||
b) Novellierungen seit 2011 | 23 | ||
aa) Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.04.2011 | 23 | ||
bb) Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 22.12.2014 | 24 | ||
cc) Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz vom 23.06.2017 | 24 | ||
2. Voraussetzungen einer wirksamen Selbstanzeige | 24 | ||
3. Strafrechtsdogmatische Stellung der Selbstanzeige | 25 | ||
III. Abgrenzung von anderen Normen | 27 | ||
1. Abgrenzung von der Anzeige- und Berichtigungspflicht gemäß § 153 AO | 27 | ||
2. Abgrenzung von der Fremdanzeige gemäß § 371 Abs. 4 AO | 28 | ||
3. Abgrenzung vom Rücktritt gemäß § 24 StGB | 30 | ||
C. Systematik und Auslegung der Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 AO | 32 | ||
I. Negative Wirksamkeitsvoraussetzungen der Selbstanzeige | 32 | ||
II. Auslegung der Sperrgründe | 34 | ||
1. Schlussfolgerungen aus einer (vermeintlichen) Ausnahmestellung des § 371 AO | 34 | ||
2. Auslegung nach den klassischen Auslegungsmethoden | 36 | ||
a) Grammatikalische Auslegung | 36 | ||
b) Systematische Auslegung | 36 | ||
c) Historische Auslegung | 37 | ||
aa) Entwicklungsgeschichte der Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 AO | 37 | ||
bb) Zwischenergebnis | 40 | ||
d) Teleologische Auslegung | 42 | ||
aa) Fiskalpolitische Begründung | 42 | ||
bb) Kriminalpolitische Begründung | 43 | ||
cc) Strafrechtliche Begründung | 44 | ||
dd) Zwischenergebnis | 45 | ||
3. Stellungnahme: Sperrgründe sind restriktiv auszulegen | 48 | ||
D. Objektiver Tatbestand des Sperrgrundes der Tatentdeckung im Einzelnen | 49 | ||
I. Begriff der Entdeckung | 50 | ||
1. Entdeckung einer Tat als objektive Voraussetzung | 50 | ||
2. Gesetzesmaterialien | 51 | ||
3. Auslegung durch die Rechtsprechung | 52 | ||
a) Untergerichtliche Rechtsprechung | 52 | ||
b) Obergerichtliche Rechtsprechung | 52 | ||
c) Höchstrichterliche Rechtsprechung | 53 | ||
aa) Erstmalige Definition im BGH-Urteil vom 13.05.1983 – 3 StR 82/83 | 53 | ||
bb) Konkretisierung des Begriffs der Entdeckung im „Selbstanzeigebeschluss“ vom 20.05.2010 – 1 StR 577/09 | 54 | ||
d) Exkurs: Begriff der Entdeckung nach Auffassung des Reichsgerichts | 56 | ||
4. Auslegung durch die Literatur | 57 | ||
a) Vorstufe des Anfangsverdachts | 57 | ||
b) Mehr als ein Anfangsverdacht | 58 | ||
c) Hinreichender Tatverdacht im Sinne der §§ 170 Abs. 1, 203 StPO | 59 | ||
5. Stellungnahme: Tatentdeckung liegt vor, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit eines verurteilenden Erkenntnisses gegeben ist | 59 | ||
II. Begriff der Tat | 64 | ||
1. Meinungsstand | 65 | ||
2. Stellungnahme: Die Tat ist nach Steuerart, Besteuerungszeitraum und Steuerpflichtigem zu bestimmen | 67 | ||
III. Erforderlichkeit der Entdeckung der subjektiven Seite des Täters | 69 | ||
1. Auslegung durch die Rechtsprechung | 69 | ||
a) Frühere Rechtsprechung | 69 | ||
b) BGH-Beschluss vom 20.05.2010 – 1 StR 577/09 | 70 | ||
c) Aktueller Stand: BGH-Urteil vom 09.05.2017 – 1 StR 265/16 | 71 | ||
2. Auslegung durch die Literatur | 71 | ||
3. Stellungnahme: Die Entdeckung der subjektiven Seite des Täters ist erforderlich | 72 | ||
IV. Erforderlichkeit der Entdeckung des Täters | 75 | ||
1. Auslegung durch die Rechtsprechung | 75 | ||
2. Auslegung durch die Literatur | 76 | ||
3. Stellungnahme: Nicht die Person des Täters, aber die des Steuerpflichtigen muss identifizierbar sein | 77 | ||
V. Begriff der Teilentdeckung | 80 | ||
1. Allgemeines | 80 | ||
2. Teilentdeckung durch Entdeckung von Vorbereitungshandlungen | 80 | ||
a) Problemaufriss | 80 | ||
b) Rechtsprechung | 81 | ||
c) Literatur | 81 | ||
d) Stellungnahme: Entdeckung von Vorbereitungshandlungen ist nicht ausreichend | 82 | ||
VI. Person des Tatentdeckers | 83 | ||
1. Finanzbehörden | 84 | ||
2. Andere Behörden | 84 | ||
a) Inländische Behörden | 84 | ||
aa) Anzeige von Straftaten nach § 116 AO | 85 | ||
bb) Legalitätsgrundsatz, §§ 152 Abs. 2, 160, 163 Abs. 1 StPO | 87 | ||
cc) Zwischenergebnis: Inländische Behörden sind grundsätzlich aufgrund der Pflicht zur Weiterleitung ihrer Kenntnisse von einer Steuerstraftat taugliche Tatentdecker | 87 | ||
dd) Außerdienstliches Erfahren von Steuerstraftaten | 88 | ||
b) Ausländische Behörden | 89 | ||
aa) Rechtsprechung des BGH | 89 | ||
bb) Literatur | 90 | ||
cc) Stellungnahme: Ausländische Behörden sind keine geeigneten Tatentdecker | 91 | ||
3. Tatentdeckung durch Privatpersonen | 93 | ||
a) Generelle Möglichkeit der Tatentdeckung durch Privatpersonen | 93 | ||
b) Entwicklung der Rechtsprechung | 95 | ||
aa) Rechtsprechung des RG zum Tatentdecker im Sinne des § 46 Nr. 2 RStGB 1871 | 95 | ||
bb) Obergerichtliche Rechtsprechung | 96 | ||
cc) BGH und heutige Literatur | 96 | ||
dd) Zwischenergebnis | 97 | ||
c) Probleme bei der Bestimmung des tauglichen Tatentdeckers unter Privatpersonen | 98 | ||
aa) Begriff der nahestehenden Personen und Vertrauenspersonen | 98 | ||
bb) Zerrüttetes Vertrauensverhältnis | 100 | ||
cc) Zwischenergebnis: Fehlende Bestimmtheit mangels Anknüpfung an gesetzliche Normen | 102 | ||
d) Ermittlung des tauglichen Tatentdeckers unter Privatpersonen anhand einer Pflicht zur Mitteilung der Kenntnis von einer Steuerstraftat | 104 | ||
aa) Tatbeteiligte als Tatentdecker | 104 | ||
bb) Angehörige als Tatentdecker | 106 | ||
cc) Steuerberater und Rechtsanwälte als Tatentdecker | 108 | ||
dd) Mitgesellschafter als Tatentdecker | 111 | ||
(1) Problemaufriss | 111 | ||
(2) Umgehung des Sperrgrundes der Tatentdeckung durch die Fremdanzeige | 112 | ||
(3) Gesetzgeberische Motive | 116 | ||
(4) Relevanz der gesetzgeberischen Motive des § 371 Abs. 4 AO bei der Frage nach der Tatentdeckung durch Mitgesellschafter | 117 | ||
(a) Die Frage des „Ob“ | 117 | ||
(b) Die Frage des „Inwieweit“ | 117 | ||
e) Stellungnahme: Privatpersonen sind (auch) nur bei einer Pflicht zur Weiterleitung ihrer Kenntnisse von einer Steuerstraftat taugliche Tatentdecker | 119 | ||
f) Tatsächliche Weitergabe von Informationen durch untauglichen Tatentdecker | 120 | ||
E. Subjektiver Tatbestand des Sperrgrundes der Tatentdeckung im Einzelnen | 123 | ||
I. Entwicklung und heutige Bedeutung der subjektiven Komponente | 123 | ||
II. Kenntnis von der Tatentdeckung | 125 | ||
III. Rechnenmüssen mit der Tatentdeckung | 126 | ||
1. Anforderungen an das Rechnenmüssen | 126 | ||
a) Meinungsstand | 126 | ||
b) Stellungnahme: Weder Vermutungstatbestand noch Beweisregel | 127 | ||
2. Begriff des Rechnenmüssens | 129 | ||
a) Meinungsstand | 129 | ||
b) Stellungnahme: Leichtfertiges Verkennen der Tatentdeckung erforderlich | 131 | ||
3. Verständige Würdigung der Sachlage | 133 | ||
a) Meinungsstand | 134 | ||
b) Stellungnahme: Maßgeblichkeit der persönlichen Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit des Täters auf Basis einer objektiven Wertung | 135 | ||
4. Bezug der subjektiven Komponente | 137 | ||
F. Umfang der Sperrwirkung | 140 | ||
I. Persönlicher Umfang der Sperrwirkung | 140 | ||
1. Persönlicher Umfang der Sperrwirkung bei den Sperrgründen nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO | 140 | ||
2. Meinungsstand zur persönlichen Sperrwirkung im Rahmen des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO | 142 | ||
3. Stellungnahme: Keine Sperrung der Selbstanzeige des Teilnehmers gemäß § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO | 144 | ||
II. Sachlicher Umfang der Sperrwirkung | 146 | ||
1. Sachlicher Umfang der Sperrwirkung bei den Sperrgründen nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO | 146 | ||
2. Meinungsstand | 147 | ||
3. Stellungnahme: Sperrwirkung umfasst sämtliche noch nicht verjährten Steuerstraftaten der betroffenen Steuerart | 149 | ||
4. Konsequenzen der Entdeckung einer verjährten Steuerstraftat | 150 | ||
III. Zeitlicher Umfang der Sperrwirkung – Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit? | 152 | ||
1. Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit bei den übrigen Sperrgründen nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO | 153 | ||
2. Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit beim Sperrgrund der Tatentdeckung | 154 | ||
a) Entkräftung eines Tatverdachts | 155 | ||
aa) Wiederaufleben dem Grunde nach | 155 | ||
bb) Zeitpunkt des Wiederauflebens | 155 | ||
(1) Problemaufriss | 155 | ||
(2) Meinungsstand | 156 | ||
(3) Stellungnahme | 157 | ||
b) Wiederaufleben nach Tatentdeckung | 161 | ||
aa) Ausgangspunkt der Untersuchung | 161 | ||
bb) Wiederaufleben dem Grunde nach | 162 | ||
(1) Meinungsstand | 162 | ||
(2) Stellungnahme | 164 | ||
cc) Zeitpunkt des Wiederauflebens | 165 | ||
G. Sperrgrund der Tatentdeckung in der Praxis | 167 | ||
I. Steuerdaten-CDs | 167 | ||
1. Objektive Voraussetzungen | 168 | ||
a) Tatentdeckung durch Abgleich der Steuerakte | 168 | ||
b) Tatentdeckung bereits nach Sichtung des Steuerdatenmaterials | 168 | ||
2. Subjektive Voraussetzungen | 170 | ||
II. Tatentdeckung durch Medien | 174 | ||
III. Gruppenanfragen | 175 | ||
IV. Grenzüberschreitender Bargeldverkehr und Grenzkontrollen | 177 | ||
V. Kontrollmitteilungen und darauf basierendes Schreiben an Steuerpflichtigen | 181 | ||
1. Kontrollmitteilung | 181 | ||
2. Schreiben des Finanzamts an Steuerpflichtigen | 184 | ||
VI. Geldwäscheverdachtsmeldung | 185 | ||
1. Objektive Tatentdeckung | 187 | ||
2. Subjektive Tatentdeckung | 190 | ||
VII. Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen gemäß § 138d AO | 192 | ||
H. Zusammenfassung und Gesamtergebnis | 194 | ||
Literaturverzeichnis | 201 | ||
Stichwortverzeichnis | 216 |