Der Gemeinsame Ausschuss im verfassungsrechtlichen System der Gewaltenteilung
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Der Gemeinsame Ausschuss im verfassungsrechtlichen System der Gewaltenteilung
Eine Einordnung des besonderen Verfassungsorgans in die rechtsstaatliche Dogmatik der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1498
(2023)
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Lara Gräwe studierte Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht an der Universität zu Köln. Nach dem Ersten juristischen Staatsexamen im Jahr 2019 arbeitete sie bis 2022 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Völkerrecht, Europarecht, Europäisches und Internationales Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln. Ihre dortige Tätigkeit umfasste die Durchführung von Seminaren zum aktuellen Verfassungsrecht sowie Forschung und Lehre insbesondere im Staatsorganisationsrecht. Seit Oktober 2021 ist Lara Gräwe Rechtsreferendarin am Oberlandesgericht Köln.Abstract
48 Vertreter aus Bundestag und Bundesrat formen gem. Art. 53a GG den Gemeinsamen Ausschuss, dem im Verteidigungsfall sämtliche Kompetenzen beider Verfassungsorgane zuteilwerden, die sonst in den Händen von hunderten, v. a. gewählten Vertretern liegen. Durch diese personelle Komprimierung soll eine flexible Entscheidungsfindung herbeigeführt werden. Der Gemeinsame Ausschuss als Gegenmodell zum Weimarer Notstand als »Stunde der Exekutive« liegt konzeptionell zwar auf der Linie der Gewaltenteilung, bewegt sich aber auf schmalem Grat zwischen Gewaltentrennung und -verschränkung, Missbrauchsverhütung und Effizienz, Sekurität und Kontrolle etc. Diese Spannungsfelder stellt die Arbeit heraus und löst sie am Maßstab der Gewaltenteilung zu Gunsten des Gemeinsamen Ausschusses als Kompromisslösung im missbrauchsanfälligen Verteidigungsfall auf. Auf dieser Grundlage zieht die Arbeit auch Parallelen zum Pandemiefall, soweit die Interessenlage mit der des Verteidigungsfalls vergleichbar ist.»The Joint Committee in the Constitutional System of Separation of Powers. A Classification of the Special Constitutional Body in the Constitutional Dogmatics of the Separation of Powers under Article 20 para. 2 sentence 2 GG«: The thesis deals with the 48-member Joint Committee, which replaces the Bundestag and Bundesrat in the defense case, and with the question of whether it satisfies the constitutional requirements of the separation of powers. In this sense, the work develops a standard of separation of powers and creates an understanding of the tensions between separation and intertwining of powers and between control and effectiveness, in which the Joint Committee acts as a compromise solution.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Inhaltsverzeichnis | 5 | ||
Abkürzungsverzeichnis | 11 | ||
Einleitung | 13 | ||
1. Kapitel: Die Bedeutsamkeit des Prinzips der Gewaltenteilung für den Gemeinsamen Ausschuss nach Art. 53a GG | 18 | ||
I. Die Entstehungsgeschichte von Art. 53a GG im Lichte der Gewaltenteilung | 18 | ||
1. Das Weimarer Verständnis von Gewaltenteilung und Notstand | 19 | ||
2. Die neue Notstandsverfassung: Der Verteidigungsfall als Stunde der Exekutive? | 22 | ||
a) Die Idee des Ersten Regierungsentwurfes von 1960 | 23 | ||
b) Die Gefahr der Einebnung der Gewalten i.H.a. die Vergleichbarkeit mit Art. 48 Abs. 2 WRV | 26 | ||
c) Die Etablierung eines echten Notparlaments | 27 | ||
3. Zusammenfassung | 31 | ||
II. Die historische Rolle des Gemeinsamen Ausschusses im System der Gewaltenteilung | 32 | ||
1. Der Gemeinsame Ausschuss als eigenständiges Verfassungsorgan | 32 | ||
a) Die Voraussetzungen für Verfassungsorgan-Qualität | 33 | ||
b) Die Verfassungsorganqualität des Gemeinsamen Ausschusses | 34 | ||
c) Die begriffliche Fehlbezeichnung als „Gemeinsamer Ausschuss | 35 | ||
2. Seine Einordnung in die verfassungsmäßige Gesetzgebung | 36 | ||
a) Die Reservefunktion des Gemeinsamen Ausschusses | 37 | ||
b) Der Gemeinsame Ausschuss als Organ der Gesetzgebung | 38 | ||
3. Zusammenfassung | 39 | ||
III. Warum Art. 53a GG unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung problematisch sein könnte | 39 | ||
IV. Zusammenfassung | 41 | ||
2. Kapitel: Die Gewaltenteilung als tradiertes Ordnungsprinzip – Ein Überblick von der Antike bis zur Gegenwart | 42 | ||
I. Zum Sinn und Zweck der Teilung staatlicher Gewaltausübung | 43 | ||
II. Die Grundlagen der Gewaltenteilung aus der Antike | 45 | ||
III. Die französisch-englische Uridee der Gewaltenteilung: Legislative, Exekutive und richterliche Gewalt | 46 | ||
1. Die Gewaltenteilung nach John Locke | 47 | ||
2. Die Gewaltenteilung nach Charles de Montesquieu | 48 | ||
a) Die legislative Befugnis | 49 | ||
b) Die exekutive Befugnis | 50 | ||
c) Die richterliche Befugnis | 51 | ||
d) Zusammenfassung | 52 | ||
3. Zusammenfassung | 52 | ||
IV. Die Bedeutung der Lehre Montesquieus für den modernen Verfassungsstaat | 53 | ||
1. Der Wesensgehalt der Lehre Montesquieus | 53 | ||
2. Die Kodifikation von Dreiteilung sowie Gewaltentrennung und -verschränkung in modernen Verfassungsstaaten | 55 | ||
a) Die US-amerikanische Verfassung als Vorreiter | 55 | ||
b) Die verspätete Durchsetzung in der französischen Verfassung | 56 | ||
c) Die Gewaltenteilung im Grundgesetz und im deutschen Sprachgebrauch | 57 | ||
3. Zusammenfassung | 58 | ||
V. Zusammenfassung | 59 | ||
3. Kapitel: Die Gewaltenteilung des Grundgesetzes nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG und ihr Maßstab | 61 | ||
I. Die verfassungsrechtliche Anknüpfung der Gewaltenteilung am Grundgesetz | 62 | ||
1. Die Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip | 62 | ||
2. Die Einordnung der Gewaltenteilung in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG | 63 | ||
a) Der Gesetzeswortlaut nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG | 63 | ||
aa) Die Staatsgewalt | 64 | ||
bb) Die Staatsfunktionen | 65 | ||
cc) Die besonderen Organe | 66 | ||
b) Erstes Problem: Die Systematik von funktionaler und organisatorischer Gewaltenteilung | 67 | ||
c) Zweites Problem: Das Verhältnis von Gewaltentrennung und -verschränkung zu funktionaler und organisatorischer Gewaltenteilung | 68 | ||
d) Drittes Problem: Das Verhältnis zur geschriebenen Kompetenzordnung | 70 | ||
e) Zusammenfassung | 71 | ||
3. Exkurs: Die sog. vertikale Gewaltenteilung | 71 | ||
4. Zusammenfassung | 73 | ||
II. Die Erforderlichkeit der Herausbildung eines Maßstabs – Die Anwendungsbereiche des Prinzips der Gewaltenteilung | 74 | ||
1. Was bedeutet „Maßstab der Gewaltenteilung“? | 74 | ||
2. Die Gewaltenteilung als Element Allgemeiner Staatslehre und des Staatsrechts | 75 | ||
3. Die Gewaltenteilung als allgemeiner Auslegungs- und Prüfungsgrundsatz | 77 | ||
4. Die Gewaltenteilung als Maßstab verfassungswidrigen Verfassungsrechts | 78 | ||
5. Zusammenfassung | 80 | ||
III. Die zwei Grundpfeiler der Gewaltenteilung: Gewaltentrennung und Gewaltenverschränkung | 81 | ||
1. Zum ersten Grundpfeiler: Die Gewaltentrennung | 82 | ||
a) Die materielle Theorie: Strenge Kernbereichslehre | 83 | ||
b) Die rein formale Theorie | 88 | ||
c) Die Theorie von materiellen und formellen Funktionen | 90 | ||
d) Die Theorie der Funktionenadäquanz | 93 | ||
e) Der legitimationstheoretische Ansatz | 97 | ||
f) Zusammenfassung | 100 | ||
2. Zum zweiten Grundpfeiler: Die Gewaltenverschränkung | 101 | ||
a) Die Verfassungsmäßigkeit der Gewaltenverschränkung | 102 | ||
b) Die Gewaltenverschränkungen des Grundgesetzes | 103 | ||
aa) Die parlamentarischen Kontrollrechte | 103 | ||
bb) Die Kontrollrechte der Bundesregierung | 105 | ||
cc) Die Kontrollmechanismen der Rechtsprechung | 106 | ||
dd) Zusammenfassung | 108 | ||
c) Der schmale Grat zwischen Gewaltenverschränkung und Gewaltendurchbrechung | 109 | ||
d) Zusammenfassung | 111 | ||
3. Fazit: Die Bedeutung von Gewaltentrennung und -verschränkung für den Maßstab | 112 | ||
IV. Die Bedeutung des Spannungsverhältnisses zwischen dem klassischen Dualismus von Parlament und Regierung und dem Wechselspiel von Opposition und Mehrheit für die Gewaltenteilung und ihren Maßstab | 115 | ||
1. Ein neuer Dualismus von Opposition und Mehrheit? | 116 | ||
a) Die Ursachen für die Relativierung des klassischen Dualismus | 117 | ||
b) Das Verhältnis von Opposition und Mehrheit | 119 | ||
c) Fazit: Ein neuer Dualismus? | 120 | ||
2. Die Einordnung des Wechselspiels von Opposition und Mehrheit in das klassische Prinzip der Gewaltenteilung | 123 | ||
3. Zusammenfassung | 125 | ||
V. Der gestufte Maßstab der Gewaltenteilung – Eine praktikable Lösung? | 125 | ||
1. Die vier Stufen des Maßstabs der Gewaltenteilung | 126 | ||
a) Die Ausgangsfrage | 127 | ||
b) Stufe I: Materielle Unterscheidung funktionaler Hauptteile | 127 | ||
c) Stufe II: Kompetenzzuordnung qua Legitimationsmodus | 131 | ||
d) Stufe III: Funktionsadäquate Organstruktur | 133 | ||
e) Stufe IV: Vereinbarkeit mit dem Telos der Gewaltenteilung – Abwägung | 134 | ||
f) Fazit: Der gestufte Maßstab – Eine praktikable Lösung? | 135 | ||
2. Der Maßstabsumfang i.H.a. den Grundsatz-Schutz nach Art. 79 Abs. 3 GG | 137 | ||
3. Zusammenfassung | 139 | ||
VI. Fazit: Die Gewaltenteilung des Grundgesetzes nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG und ihr Maßstab | 140 | ||
4. Kapitel: Die Einordnung des Gemeinsamen Ausschusses in das verfassungsrechtliche System der Gewaltenteilung auf Grundlage des Maßstabs | 144 | ||
I. Der Maßstab und Prüfungsgegenstand für die verfassungsrechtliche Einordnung | 145 | ||
II. Die Zusammensetzung und Verfahrensweise des Gemeinsamen Ausschusses, Art. 53a Abs. 1 GG | 146 | ||
1. Der Zeitpunkt seiner Bildung | 146 | ||
2. Die zahlenmäßige Zusammensetzung | 147 | ||
3. Der Ausschluss der Regierungsmitglieder | 148 | ||
4. Die rechtliche Stellung seiner Mitglieder | 149 | ||
5. Die Verfahrensweise im Gemeinsamen Ausschuss | 150 | ||
6. Zusammenfassung | 152 | ||
III. Die Kompetenz des Gemeinsamen Ausschusses in Friedenszeiten, Art. 53a Abs. 2 GG | 153 | ||
1. Die Begrenzung der Haupttätigkeit auf den Verteidigungsfall | 153 | ||
2. Das Informationsrecht gegenüber der Bundesregierung | 154 | ||
3. Zur Unberührbarkeit der Rechte nach Art. 43 Abs. 1 GG | 156 | ||
4. Die Bewertung des Informationsrechts am Maßstab der Gewaltenteilung | 156 | ||
a) Stufe I: Materielle Unterscheidung funktionaler Hauptteile | 157 | ||
aa) Die Vereinbarkeit mit der Gesetzgebung des Bundestages | 157 | ||
bb) Die Vereinbarkeit mit dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung | 158 | ||
cc) Zusammenfassung | 159 | ||
b) Stufe II: Informationsprivilegierung qua Legitimationsmodus | 160 | ||
aa) Individuelle oder kollektiv-demokratische Legitimation? | 161 | ||
bb) Das Informationsprivileg als faktisches Problem | 162 | ||
cc) Die legitimatorische Rechtfertigung der Privilegierung | 164 | ||
dd) Zusammenfassung | 166 | ||
c) Stufe III: Funktionsadäquate Organstruktur in Friedenszeiten | 167 | ||
d) Stufe IV: Vereinbarkeit des Informationsanspruches mit dem Telos der Gewaltenteilung – Abwägung | 168 | ||
e) Zusammenfassung | 170 | ||
IV. Die Kompetenzen des Gemeinsamen Ausschusses im Verteidigungsfall, Art. 53a Abs. 1 i. V. m. Art. 115a ff. GG | 170 | ||
1. Die Feststellung des Verteidigungsfalles | 171 | ||
2. Die Funktionsübernahme von Bundestag und Bundesrat | 172 | ||
3. Die Beendigung der Funktionsübernahme des Gemeinsamen Ausschusses | 174 | ||
4. Die Bewertung der Kompetenzen am Maßstab der Gewaltenteilung | 176 | ||
a) Stufe I: Materielle Unterscheidung funktionaler Hauptteile | 177 | ||
b) Stufe II: Weitreichende Notstandsbefugnisse qua Legitimationsmodus | 179 | ||
aa) Die (Schein-)Legitimation der Notstandsbefugnisse | 180 | ||
bb) Die ungleichen Legitimationsmodi als Bänkespalter? | 181 | ||
cc) Zusammenfassung | 183 | ||
c) Stufe III: Funktionsadäquate Organstruktur im Verteidigungsfall | 184 | ||
aa) Die personelle Eignung von 48 Funktionsträgern | 184 | ||
bb) Die verfahrensmäßige Eignung nach den Regeln der GO GA | 186 | ||
cc) Die instrumentelle Eignung bzw. Digitalisierung des Verfahrens | 190 | ||
dd) Zusammenfassung | 192 | ||
d) Stufe IV: Vereinbarkeit der Notstandsbefugnisse mit dem Telos der Gewaltenteilung – Abwägung | 193 | ||
aa) Kein legislatives Machtübergewicht | 194 | ||
bb) Keine de facto Stunde der Exekutive | 195 | ||
cc) Missbrauchsverhütung durch Regierungsinkompatibilität | 197 | ||
dd) Missbrauchsverhütung trotz Verschiebung parlamentarischer Stärkeverhältnisse | 199 | ||
ee) Rechtfertigung des Legitimationsdefizits der zweiten Stufe | 202 | ||
ff) Rechtfertigung der verfahrensmäßigen Defizite der dritten Stufe | 203 | ||
gg) Zusammenfassung | 206 | ||
e) Zusammenfassung | 208 | ||
V. Gesamtbewertung | 209 | ||
5. Kapitel: Der Gemeinsame Ausschuss als universales Notparlament im sog. Pandemiefall? | 218 | ||
I. Die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten zur Auslegung von Art. 53a GG als universales Notparlament | 219 | ||
II. Die Corona-Pandemie und die Erforderlichkeit eines verkleinerten Notparlaments | 220 | ||
III. Die Verfassungsmäßigkeit einer Grundgesetzänderung unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung | 224 | ||
IV. Zusammenfassung | 226 | ||
Schluss | 229 | ||
Literaturverzeichnis | 236 | ||
Sachwortverzeichnis | 245 |