Der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht
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Der Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht
Eine verfassungsrechtliche Analyse
Schriften zum Strafrecht, Vol. 413
(2023)
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Lena Maria Gumnior; Studium der Rechtswissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und in Palma; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie zunächst an der Leibniz Universität Hannover und später an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder); wissenschaftliche Mitarbeiterin am Schreibzentrum der Europa-Universität Viadrina; 2022 Promotion, zurzeit Rechtsreferendarin am Kammergericht Berlin mit Stationen im Bundesministerium des Innern und Heimat und dem Auswärtigen Amt; Mitglied der Strafrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes.Abstract
Um Entscheidungsspielraum der Gerichte zu erweitern, werden im Strafrecht sog. Öffnungsklauseln verwendet. Diese erlauben es, Verhaltensweisen unter einen Straftatbestand zu subsumieren, die im Tatbestand nicht näher bezeichnet sind. Die Arbeit setzt sich sowohl mit der Frage auseinander, ob die gewählten Begründungsansätze für den Einsatz von Öffnungsklauseln legitim sind, als auch inwieweit mit der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit dieser konkreten Art der Gesetzgebung. Im Fokus steht die Frage, ob und wieweit die Entscheidung über die Strafbarkeit bestimmter Verhaltensweisen von der Legislative auf die Judikative übertragen werden darf. Im Ergebnis begegnen bereits die vom Gesetzgeber beim Einsatz von Öffnungsklauseln verwendeten Begründungsansätze verfassungsrechtlichen Bedenken. Außerdem sind Öffnungsklauseln durch ihre gesetzliche Befugnis zur innertatbestandlichen Analogiebildung nicht mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung und dem Grundsatz der Gesetzesbindung vereinbar»The Use Of Opening Clauses In Criminal Law - A Constitutional Law Analysis«: Opening clauses in criminal law are intended to enable constant adaptation of existing laws to changing circumstances. However, they raise constitutional concerns. This dissertation approaches the question of constitutionality in two ways: First, it examines whether the justificatory approaches to the use of opening clauses are viable. Second, it analyses the concrete compatibility of opening clauses with the constitutional principles of german penal legislation.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
A. Einleitung | 13 | ||
B. Begriffsbestimmung | 17 | ||
I. Definition Öffnungsklausel | 17 | ||
II. Abgrenzung von Öffnungsklauseln zu Generalklauseln | 19 | ||
C. Legitimität der Begründungsansätze zum Einsatz von Öffnungsklauseln | 22 | ||
I. Mit Öffnungsklauseln verfolgte Ziele | 22 | ||
1. Schließung von Strafbarkeitslücken | 24 | ||
a) Vermeidung von Gesetzesumgehungen | 25 | ||
aa) Gesetzesumgehung im Strafrecht | 26 | ||
bb) Öffnungsklauseln als verschleierte Umgehungsgesetze | 28 | ||
b) Schaffung von Flexibilität in Bezug auf die Rechtsprechung | 30 | ||
aa) Verengter Entscheidungsspielraum der Judikative im Strafrecht | 31 | ||
bb) Erweiterung des Entscheidungsspielraums durch Öffnungsklauseln | 32 | ||
c) Opferschutz und Wahrung von Opferinteressen | 34 | ||
2. Schaffung absoluter Gerechtigkeit | 35 | ||
II. Tragfähigkeit der gewählten Begründungsansätze | 36 | ||
1. Schließung von Strafbarkeitslücken | 37 | ||
a) Schließung von Strafbarkeitslücken und der fragmentarische Charakter des Strafrechts im Allgemeinen | 37 | ||
b) Strafbarkeitslücken und Wirksamkeit des Strafrechts im Allgemeinen | 40 | ||
aa) Generelle Wirksamkeit von Strafrecht | 41 | ||
(1) Empirische Befunde zur Spezialprävention | 43 | ||
(2) Empirische Befunde zur Generalprävention | 44 | ||
bb) Verlust der Wirksamkeit durch den Einsatz von Öffnungsklauseln | 46 | ||
cc) Zwischenergebnis | 47 | ||
c) Vermeidung von Gesetzesumgehungen | 47 | ||
d) Schaffung von Flexibilität als Begründungsansatz | 48 | ||
e) Schließung von Strafbarkeitslücken zur Förderung des Opferschutzes | 50 | ||
aa) Begriff des Opfers | 51 | ||
bb) Opferinteressen | 52 | ||
(1) Interessen des potenziellen Tatopfers | 52 | ||
(2) Interessen tatsächlicher Tatopfer | 53 | ||
cc) Zwischenergebnis | 54 | ||
2. Schaffung absoluter Gerechtigkeit als Begründungsansatz | 55 | ||
a) Begriffsbestimmung „Gerechtigkeit“ | 55 | ||
aa) Politische und soziale Gerechtigkeit | 56 | ||
bb) Gerechtigkeitsverständnis des Gesetzgebers | 56 | ||
b) Möglichkeit der Schaffung absoluter Gerechtigkeit | 58 | ||
c) Gerechtigkeit als Argumentationstopos | 60 | ||
d) Zwischenergebnis | 61 | ||
III. Zwischenergebnis | 61 | ||
D. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln | 63 | ||
I. Historische Entwicklung des Gesetzlichkeitsprinzips | 64 | ||
1. Entscheidung für das geschriebene Recht und daraus resultierende Konsequenzen | 65 | ||
2. Historische Entwicklung bis zur Kodifikation im Grundgesetz | 66 | ||
3. Entstehungsgeschichte des Art. 103 Abs. 2 GG | 70 | ||
II. Heutiger Sinn und Zweck des Gesetzlichkeitsprinzips | 71 | ||
1. Verfassungsrechtliche Herleitung des Gesetzlichkeitsprinzips | 72 | ||
2. Tatsächliche Bedeutung des Gesetzlichkeitsprinzips | 75 | ||
III. Zwischenergebnis | 78 | ||
IV. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Bestimmtheitsgrundsatz | 79 | ||
1. Begriff „Bestimmtheit“ | 80 | ||
a) Sinn und Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes | 84 | ||
aa) Schutz der Bürger*innen vor willkürlichen Entscheidungen | 86 | ||
bb) Sicherung des Grundsatzes der Gewaltenteilung | 88 | ||
b) Sprachliche Grenzen der Gesetzesbestimmtheit | 90 | ||
c) Handhabung des Bestimmtheitsgrundsatzes durch die Gerichte | 94 | ||
aa) Präzisierung durch das BVerfG | 96 | ||
(1) Gefestigte Rechtsprechung | 98 | ||
(2) Präzisierungsgebot | 99 | ||
(3) Anforderungen abhängig von Schwere des Eingriffs | 100 | ||
bb) Kritische Würdigung | 101 | ||
(1) Abhängigkeit von Schwere der Straftat | 101 | ||
(2) Präzisierung durch die Gerichte | 103 | ||
(3) Rechtsfolgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts | 107 | ||
(4) Praktikabilität der Auslegung durch die Gerichte | 108 | ||
cc) Zwischenergebnis | 110 | ||
d) Zwischenergebnis | 111 | ||
2. Konsequenzen für Öffnungsklauseln im Strafrecht | 111 | ||
3. Gesamtergebnis | 118 | ||
V. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Analogieverbot | 120 | ||
1. Analogien im Strafrecht | 120 | ||
a) Verbot entsprechender Rechtsanwendung | 121 | ||
b) Adressat des Analogieverbotes | 122 | ||
c) Sinn und Zweck des Analogieverbotes | 123 | ||
d) Keine eingeschränkte Geltung bei unbewussten Lücken | 124 | ||
2. Abgrenzung von Auslegung und Analogie | 125 | ||
a) Abgrenzung anhand der Ratio des Gesetzes | 126 | ||
b) Abgrenzung anhand des Wortlautes des Gesetzes | 129 | ||
c) Handhabung des Analogieverbotes durch die Gerichte | 135 | ||
d) Konsequenzen für den Einsatz von Öffnungsklauseln | 138 | ||
3. Analogieverbot als Handlungsanweisung an den Gesetzgeber | 139 | ||
a) Analogieverbot ausschließlich Handlungsanweisung an Judikative | 139 | ||
b) Analogieverbot auch als Handlungsanweisung an Legislative | 140 | ||
4. Öffnungsklauseln als innertatbestandliche Analogien und Umgehungsgesetze | 142 | ||
a) Vereinbarkeit einer innertatbestandlichen Analogie mit dem Analogieverbot | 143 | ||
b) Konsequenz für den Einsatz von Öffnungsklauseln im Strafrecht | 148 | ||
5. Gesamtergebnis | 150 | ||
VI. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Rückwirkungsverbot | 152 | ||
1. Sinn und Zweck des Rückwirkungsverbotes | 152 | ||
2. Adressat*innen des Rückwirkungsverbotes | 154 | ||
3. Geltung des Rückwirkungsverbots für die Rechtsprechung | 155 | ||
a) Direkte Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG | 156 | ||
b) Analoge Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG | 157 | ||
aa) Planwidrige Regelungslücke | 157 | ||
(1) Hinreichende Regelung über § 17 StGB | 158 | ||
(2) Planwidrigkeit | 160 | ||
bb) Vergleichbare Interessenlage | 161 | ||
(1) Vergleichbarkeit aufgrund Überschneidung der Kompetenzbereiche | 161 | ||
(2) Unvergleichbarkeit der legislativen und der judikativen Tätigkeit | 164 | ||
(3) Rechtsprechung zu rückwirkenden Rechtsprechungsänderungen | 167 | ||
(4) Stellungnahme zur analogen Anwendung des Art. 103 Abs. 2 GG | 168 | ||
c) Übertragbarkeit der für die Rechtsprechung geltenden Grundsätze auf Öffnungsklauseln | 171 | ||
d) Rechtsfolge der Anwendung des Rückwirkungsverbotes auf die Rechtsprechung: Übertragung der „von-nun-an“-Theorie auf die Anwendbarkeit von Öffnungsklauseln im Strafrecht | 173 | ||
aa) Allgemeines zur „von-nun-an“-Rechtsprechung | 174 | ||
bb) Anwendung auf die erstmalige Verwendung von Öffnungsklauseln | 178 | ||
4. Gesamtergebnis | 180 | ||
VII. Vereinbarkeit mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts | 182 | ||
1. Ebenen des fragmentarischen Charakters | 183 | ||
2. Feststellung der strafwürdigen Verhaltensweisen | 183 | ||
3. Abgrenzung zur Subsidiarität des Strafrechts | 185 | ||
4. Verfassungsrechtliche Herleitung des fragmentarischen Charakters des Strafrechts | 186 | ||
a) Gesetzlichkeitsprinzip | 186 | ||
b) Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG | 187 | ||
c) Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG | 188 | ||
5. Erforderlichkeit des fragmentarischen Charakters | 189 | ||
a) Fragmentarischer Charakter als Manko der Strafrechtsordnung | 189 | ||
b) Gerechtigkeit, Freiheitssicherung und Strafökonomie | 190 | ||
6. Fragmentarischer Charakter als Handlungsanweisung an die Legislative | 192 | ||
7. Vereinbarkeit des fragmentarischen Charakters mit Öffnungsklauseln | 194 | ||
a) Fragmentarität auch innerhalb einzelner Tatbestände | 194 | ||
b) Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts | 195 | ||
8. Gesamtergebnis | 198 | ||
VIII. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung | 198 | ||
1. Historische Entwicklung des Grundsatzes der Gesetzesbindung | 199 | ||
2. Gesetzesbindung zwischen Wunsch und Wirklichkeit | 203 | ||
a) Gesetzesbindung und Grundsatz der Gewaltenteilung | 204 | ||
b) Gesetzesbindung und Demokratieprinzip | 204 | ||
c) Gesetzesbindung und Rechtstaatsprinzip | 205 | ||
d) Verhältnis des Grundsatzes „nulla poena sine lege“ zur Gesetzesbindung | 206 | ||
e) Bindung durch den Inhalt des Gesetzes oder an den Inhalt des Gesetzes | 207 | ||
aa) Können Normen eine Bindungswirkung entfalten? | 208 | ||
(1) Gesetzesbindung als Utopie | 209 | ||
(2) Gesetzesbindung durch Normtext und Anwendung | 210 | ||
bb) Konkretisierung der Gesetzesbindung | 211 | ||
(1) Objektive Theorie | 215 | ||
(2) Subjektive Theorie | 216 | ||
(3) Gesetzesauslegung im Strafrecht | 217 | ||
f) Zwischenergebnis | 219 | ||
g) Durchbrechung des Grundsatzes der Gesetzesbindung | 219 | ||
h) Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung im Strafrecht | 221 | ||
aa) Begriff der richterlichen Rechtsfortbildung | 221 | ||
bb) Vereinbarkeit von richterlicher Rechtsfortbildung mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung | 222 | ||
cc) Generalklauseln und richterliche Rechtsfortbildung im Strafrecht | 224 | ||
i) Grundsatz der Gesetzesbindung als Auftrag an die Gesetzgebung | 225 | ||
3. Gewaltenteilung als solche | 226 | ||
a) Überschneidung der Aufgabenbereiche | 226 | ||
b) Kernbereichslehre | 229 | ||
4. Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung und dem Grundsatz der Gewaltenteilung | 230 | ||
5. Gesamtergebnis | 232 | ||
IX. Ergebnis der Vereinbarkeit von Öffnungsklauseln mit den dargelegten Grundsätzen | 233 | ||
E. Konsequenz für Strafgesetze | 236 | ||
F. Praktische Konsequenzen der Nichtanwendung von bestehenden Öffnungsklauseln | 239 | ||
I. § 238 Abs. 1 Nr. 8 StGB | 239 | ||
II. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB | 240 | ||
G. Gesamtergebnis | 243 | ||
I. Begründungen zum Einsatz von Öffnungsklauseln | 243 | ||
II. Verfassungsgemäßheit von Öffnungsklauseln | 245 | ||
Literaturverzeichnis | 248 | ||
Sachverzeichnis | 285 |