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Ahlfeld, G. (2024). Die Nebenklage im Lichte spätmoderner Herausforderungen. Vorschlag für einen Funktionswandel. Duncker & Humblot. https://doi.org/10.3790/978-3-428-59030-8
Ahlfeld, Gesa. Die Nebenklage im Lichte spätmoderner Herausforderungen: Vorschlag für einen Funktionswandel. Duncker & Humblot, 2024. Book. https://doi.org/10.3790/978-3-428-59030-8
Ahlfeld, G (2024): Die Nebenklage im Lichte spätmoderner Herausforderungen: Vorschlag für einen Funktionswandel, Duncker & Humblot, [online] https://doi.org/10.3790/978-3-428-59030-8

Format

Die Nebenklage im Lichte spätmoderner Herausforderungen

Vorschlag für einen Funktionswandel

Ahlfeld, Gesa

Schriften zum Prozessrecht, Vol. 296

(2024)

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About The Author

Gesa Ahlfeld studierte von 2013 bis 2018 mit dem Schwerpunkt Kriminologie und Strafrecht Rechtswissenschaften an der Universität in Münster. Nach Absolvierung des Ersten Staatsexamens widmete sie sich ihrer Dissertation. Seit 2022 ist sie als Referendarin am OLG Oldenburg tätig und engagiert sich parallel als ehrenamtliche Mitarbeiterin des Weißen Rings.

Abstract

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Erwartungen an den Umgang mit dem Verletzten im Strafverfahren grundlegend geändert. Gleichzeitig zeigt sich der Rechtsstaat angesichts eines weiterhin erstarkenden Populismus so verletzlich wie lange nicht. Diese beiden Herausforderungen machen es erforderlich, das Konzept der offensiven Verletztenbeteiligung in der StPO zu überdenken. Die derzeitige Ausgestaltung der Nebenklage wird dem selbstgesteckten Ziel, effektiven Schutz und eine Verringerung der Belastungen durch das Verfahren zu erreichen, nur eingeschränkt gerecht und gerät insbesondere mit dem Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren in Konflikt. Auch systematisch weist das 5. Buch der StPO Unzulänglichkeiten auf. Ein Vorschlag für eine Neustrukturierung der Verfahrensrollen des aktuell und potentiell Verletzten soll einen besseren Ausgleich zwischen den gesellschaftlichen Bedingungen und den verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten schaffen und gleichzeitig den anhaltenden Konflikt des Verletztenbegriffs in der StPO mit der Unschuldsvermutung umgehen.»The German ›Nebenklage‹ in the Light of Late Modern Societal Challenges. A Suggestion for a Rearrangement«: As a result of a fundamental change in social expectations with regard to the question how to deal with victims of crime on the one hand and a continuing threat to a criminal procedure code governed by the rule of law due to increasing populism on the other, the participation of the victim in the German criminal procedure code (Strafprozessordnung) needs to be restructured. By creating new procedural roles for the victim, both, psychological needs and constitutional requirements can be balanced in a better way.

Table of Contents

Section Title Page Action Price
Vorwort 7
Inhaltsverzeichnis 9
Einführung: Herausforderungen 15
A. Die Nebenklage im gegenwärtigen Strafverfahren 17
I. Kreis anschlussberechtigter Nebenkläger 19
II. Die Rechtsstellung des Nebenklägers 21
III. Die Nebenklageregelungen im System der strafprozessualen Verletztenbeteiligung 22
IV. Statistische Entwicklung der Nebenklagebeteiligung 26
B. Der Umgang mit den Begriffen des „Opfers“ und des „Verletzten“ im Rahmen dieser Arbeit 28
I. Im begrifflichen Spannungsfeld von Unschuldsvermutung und Verletzteneigenschaft 30
II. Zum Wert der systematischen Unabhängigkeit von Schuldigen- und Verletztenstatus 32
III. § 373b StPO als geeigneter Ausweg? 34
IV. Vorschlag für eine Vermeidung des Verletztenbegriffs 36
1. Teil: Nebenklage und Gesellschaft 39
A. Überblick über die historische Entwicklung der Nebenklage im sozialen Kontext – die Geschichte einer (Wieder-)‌Entdeckung des Individuums im Strafverfahren? 39
I. Die Befriedung zwischenmenschlicher Konflikte: Aus einem privaten Interesse wird eine öffentliche Angelegenheit 41
1. Das Kollektiv der Sippe als Opfer oder Täter im germanischen Zeitalter 42
2. Ein neues Kollektiv entsteht und fühlt sich durch Normübertretungen verletzt 44
3. Der zweite Individualisierungsimpuls im Hoch- und Spätmittelalter trifft auf die nun nachhaltige Etablierung eines öffentlichen Strafrechtsverständnisses 48
4. „Man soll jn fragen, auß was vrsachen er die thatt gethan“ – die Constitutio Criminalis Carolina versucht den Blick ins Innere des Menschen 53
II. „Der Ausgang des Opfers aus der Unmündigkeit“ – aufklärerisches und liberales Gedankengut ebnen den Weg zu mehr Verletztenbeteiligung in der RStPO 58
1. Individualisierung im Privaten und im Politischen: Die Rolle des Einzelnen in der aufgeklärten Gesellschaft 59
2. Die Individualisierung erreicht das Strafprozessrecht 62
a) Das verletzte Individuum klagt an – die Entstehung der prinzipalen Privatklage 64
b) Der „liberale () Teilerfolg“ der Einführung des Klageerzwingungsverfahrens 68
c) Die Nebenklage als Annex von Privatklage und Klageerzwingungsverfahren 70
aa) Von der Unterstützung der Staatsanwaltschaft bis zu ihrer Kontrolle – die vielfältigen Intentionen des Gesetzgebers bei der Einführung der Nebenklage 72
bb) Weitergehende Diskussion des Für und Wider der Einführung eines Nebenklagerechts 73
cc) Die Bedeutung der Genugtuungsinteressen des Verletzten im Gesetzgebungsverfahren – Wie weit reichte der Einfluss der Individualisierung? 74
dd) Die Nebenklage der RStPO – letztlich nicht mehr als ein Zufallsprodukt ohne zugrundeliegendes Konzept? 78
III. Moderner Kollektivismus und Verletztenbeteiligung im Strafverfahren 79
1. Das Individuum in Gesellschaft und Strafverfahren bis 1945 80
a) Der Verletzte bleibt Teil der Debatte 81
b) „Die Schranken unseres Ich durchbrachen“ – Der Weg in die nationalsozialistische Diktatur aus individualisierungsgeschichtlicher Perspektive 83
c) Aktive Verfahrensbeteiligung des Verletzten und nationalsozialistische Ideologie 88
2. Verletztenrechte im Strafverfahren der DDR 91
3. Kollektivistisches deutsches Strafverfahren im 20. Jahrhundert – nicht ohne Widersprüche 96
IV. Resümee: Nebenklage und historische Gesellschaft 97
B. Rahmenbedingungen für eine zeitgemäße Ausgestaltung der Rolle des Verletzten im Strafverfahren 100
I. Vom Rande der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit in deren Mittelpunkt – das Opfer in der Bundesrepublik 100
1. Spätmoderne Individualisierung und viktimäre Gesellschaft 100
a) Ein letzter möglicher Herauslösungsprozess 101
b) Neue Abhängigkeiten 102
c) Die Umdeutung der Opferschaft 104
2. Das Strafverfahren verändert seinen Charakter 107
II. Rechtsstaat unter Druck – Gefahr populistischer Politik mit dem Opfer 112
C. Ergebnis: Nebenklage und Gesellschaft bis heute 116
2. Teil: Nebenklage als Problem 119
A. Die Nebenklage im Lichte der Ansprüche der individualisierten Gesellschaft 119
I. Erwartungen 120
1. Erwartungen an die Ausgestaltung des Strafverfahrens 121
2. Erwartungen an den Ausgang des Verfahrens 123
3. Kompatibilität individueller und sozialer Erwartungshaltungen 126
II. Die Nebenklage als Schutzfaktor im psychologischen Bewältigungsprozess? 128
1. Bewältigung krimineller Viktimisierungen 130
a) Psychische Auswirkungen einer Viktimisierung 131
b) Voraussetzungen der Bewältigung 132
2. Potentiell schützende Wirkungen der Nebenklage 138
a) Schutz durch emotionalen Beistand 138
b) Schutz vor Schuldzuweisungen und abwertenden Reaktionen 139
c) Schutz durch das Gewähren einer Stimme 141
d) Schutz vor sekundärer Viktimisierung 141
3. Selbst‍(un)‌wirksamkeitswahrnehmung stärken? – Anhaltspunkte für negative Wirkungen einer Beteiligung als Nebenkläger 142
a) Selbstwirksamkeit und Freispruch 142
b) Erhöhte Belastung durch eine langfristige Aufrechterhaltung der Schuldfra‍ge 143
c) Erkenntnisse über die Wirkungen realisierter Rachebedürfnisse 144
d) Risikoerhöhung durch eine Emotionalisierung des Strafverfahrens 145
4. Resümee: Als Schutzfaktor im Bewältigungsprozess überschätzt, aber nicht untauglich 145
III. Genugtuung, Zufriedenheit und Wiederbelebung des Vertrauens in die Rechtsordnung für Nebenkläger: Der Verfahrensausgang entscheidet 147
B. Die Nebenklage im Rechtsstaat 151
I. Verfassungs- und Europarechtskonformität eines Strafverfahrens mit und ohne Nebenklage 152
1. Untergrenze zwingend zu gewährender Verletztenrechte 152
a) Ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf effektive Strafverfolgung? 152
aa) Anspruch auf effektive Strafverfolgung erheblicher Delikte, deren Nichtverfolgung das gesellschaftliche Klima schädigen kann 156
bb) Anspruch auf effektive Strafverfolgung im Rahmen besonderer Gewaltverhältnisse 159
cc) Anspruch auf effektive Strafverfolgung von Amtsträgern 160
dd) Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als Grundlage 161
ee) Zwischenergebnis: Zukünftige statt aktuelle Opfer im Fokus des Bundesverfassungsgerichts 164
b) Gebote des Rechtsstaatsprinzips 166
aa) Recht des Verletzten auf Gehör 166
(1) Art. 103 I GG: Rechte und Berechtigte 167
(2) Übertragung der Grundsätze auf die Person des Verletzten 170
bb) Verfahrensfairness für Verletzte? 172
(1) Bedingungen für die Herleitung eines Rechts auf ein faires Verfahren in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung 173
(2) Übertragung der Grundsätze auf die Person des Verletzten 175
(a) Verletzte als Inhaber eines Rechts auf ein faires Verfahren 175
(aa) in ihrer Eigenschaft als Zeuge 175
(bb) jenseits ihrer Zeugeneigenschaft 176
(b) Reichweite eines Rechts auf Verfahrensfairness für Verletzte 177
(aa) als Zeugen 177
(bb) unabhängig von ihrer Zeugenrolle 178
cc) Gerechtigkeit und Rechtsfrieden – nicht mehr ohne den Verletzten 180
c) Verletzte im Sozialstaat – staatliche Fürsorge genügt jenseits des Strafverfahrens 183
d) Unionsrechtliche Grenzen 184
aa) Grenzen hinsichtlich der Teilnahme am Strafverfahren 185
bb) Schutz des Verletzten nach der Opferschutzrichtlinie 186
cc) Zwingend zu gewährende Informationsrechte 188
dd) Resümee: Allenfalls das Unionsrecht fordert Rechte primär offensiven Charakters 188
2. Obergrenze der Verletztenbeteiligung 189
a) Grenzziehung durch die Unschuldsvermutung 189
b) Das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren – „Die Rechtslage wird zur Schieflage“ 190
aa) Verfahrensbalance im Verhältnis zu dem Gegenüber der Staatsanwaltschaft 193
bb) Wirkungen der Ausweitung der Strafverfolgungsposition durch den Anschluss eines Nebenklägers 198
cc) Exkurs: Verfahrensbalance in Großverfahren mit zahlreichen Nebenklägern 205
c) Nebenklageanschluss und Wahrheitsfindung 206
II. Die Nebenklage im Kontext der Ziele des Straf‍(verfahr)‌ens 211
1. Strafverfahrensziele 211
2. Bestrafen für das Opfer? 214
III. Systematische Qualität der Nebenklageregelungen 217
C. Ergebnis: Unzulänglichkeiten in der derzeitigen Ausgestaltung der Nebenklage 220
I. Individualistischer Anspruch und psychologische Realität 221
II. Die Nebenklage als Schwachstelle eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens 223
Schluss: Neue alte Nebenklage 229
A. Grenzen 229
B. Jenseits der „Nullsummenspiele“ 232
I. Effektiver Opferschutz ohne Nebenklage 233
1. Der schutzberechtigte Zeuge 233
2. Der Nebenbeteiligte – Elemente einer neuen Verfahrensrolle 234
a) Erklärung 235
b) Information 236
c) Rechtsanwaltlicher Beistand 237
d) Beweisanregung 238
e) Emotionaler Beistand 239
3. Allgemeiner gesetzgeberischer Handlungsbedarf 239
II. Stabilisierung statt Schwächung des Rechtsstaates durch eine Wiederbelebung der Kontrollfunktion von Klageerzwingungsverfahren und Nebenklage 240
1. Der Beschwerde- und Antragssteller nach § 172 StPO 241
2. Der Bürgerkläger 243
Literaturverzeichnis 246
Stichwortverzeichnis 274