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Außergerichtliche Regulierung strafrechtlicher Konflikte
Schriften zum Strafrecht, Vol. 425
(2024)
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Die Autorin studierte von 2014 bis 2019 Rechtswissenschaften an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo sie anschließend am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Politik promovierte. Nachdem sie ihr Rechtsreferendariat am Kammergericht Berlin von 2021 bis 2023 absolvierte, nahm sie ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin auf.Abstract
Die Arbeit setzt sich mit dem Phänomen strafrechtlich relevanter Konflikte auseinander, die nicht entlang dafür vorgesehener staatlicher Verfahren, sondern innerhalb kulturell homogener Gruppen reguliert werden. Sie nähert sich dem Thema, indem sie zunächst die - im Ergebnis engen - Grenzen zulässiger außergerichtlicher strafrechtlicher Konfliktregulierung herausarbeitet, den bisherigen Stand der empirischen Forschung darstellt und sodann die soziologischen und religiösen Hintergründe der Praktiken interner Regulierung im Umfeld von Großfamilien mit türkisch-kurdischer und arabischer Provenienz erörtert. Weiterhin handelt sie die Voraussetzungen des Täter-Opfers-Ausgleiches ab, welchen die Regulierungspraktiken im Ergebnis nur selten gerecht werden. Sie prüft die Strafbarkeit von Beteiligten in diversen typischen Konstellationen wegen Delikten, die die Strafrechtspflege als Schutzgut haben. Zuletzt wendet sich die Arbeit Reaktionsmöglichkeiten des Rechtsstaates auf das Phänomen zu.»Extrajudicial Regulation of Conflicts Subject to Criminal Law«: The dissertation deals with the phenomenon of criminally relevant conflicts that are not regulated by state procedures but within culturally homogeneous groups. It identifies the limits of lawful extrajudicial criminal conflict regulation, analyses the practices of internal regulation in the environment of extended families of Turkish-Kurdish and Arab provenance and examines possible reactions of the state under the rule of law.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 15 | ||
I. Einführung | 15 | ||
II. Gang der Darstellung | 17 | ||
Erster Teil: Grundlegung – Strafrechtliche Einordnung außergerichtlicher Konfliktregulierung und Stand der Forschung | 20 | ||
A. Die staatliche Gewalt und außergerichtliche Konfliktregulierung im Strafrecht | 20 | ||
I. Die Strafgewalt des Staates | 21 | ||
1. Vorbeugung privater Gewalt durch das staatliche Gewaltmonopol und Bürgerpflichte | 21 | ||
2. Das Strafrecht als Garant sozialen Friedens | 22 | ||
3. Die Sicherung rechtsstaatlicher Verfahren durch den staatlichen Strafanspruch | 22 | ||
4. Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung | 23 | ||
5. Strafverfolgung grundsätzlich von Amts wegen – das Offizialprinzip | 24 | ||
6. Fazit | 25 | ||
II. Möglichkeiten privaten Handelns im Strafverfahre | 25 | ||
1. Täter-Opfer-Ausgleich und Schadenswiedergutmachung | 26 | ||
2. Antragsdelikte | 28 | ||
3. Privatklagedelikte | 31 | ||
4. Nebenklage | 33 | ||
5. Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte | 34 | ||
6. Zusammenfassung | 37 | ||
III. Die Grenze von gewünschter bzw. geduldeter privater Konfliktregulierung und der Gefährdung des staatlichen Gewaltmonopols | 38 | ||
B. Eine Auseinandersetzung mit den Begriffen „Paralleljustiz“ und „außergerichtliche Konfliktregulierung“ | 42 | ||
I. Verschiedene Definitionsansätze für „Paralleljustiz“ | 42 | ||
II. „Paralleljustiz“ als untaugliche Begriffswahl | 45 | ||
III. Alternative Begriffswahl zu „Paralleljustiz“ | 46 | ||
IV. Fazit | 49 | ||
C. Empirischer Kenntnisstand zum Ablauf außergerichtlicher Konfliktregulierung | 50 | ||
I. Populärwissenschaftliche Beiträge | 51 | ||
1. Kirsten Heisigs „Das Ende der Geduld“ | 51 | ||
2. Joachim Wagners „Richter ohne Gesetz“ | 51 | ||
3. Thomas Heises und Claas Meyer-Heuers „Die Macht der Clans“ | 53 | ||
II. Stimmen aus dem Umfeld | 54 | ||
1. „Friedensrichter“ Hassan Allouche | 54 | ||
2. Nader Khalil – Betreuer straffälliger Jugendliche | 55 | ||
3. Rechtsanwalt Erol Özkaraca | 56 | ||
III. Kathrin Bauwens „Religiöse Paralleljustiz“ | 56 | ||
IV. Der Kenntnisstand von Bund und Länder | 57 | ||
1. „Paralleljustiz“ in Berli | 59 | ||
2. „Paralleljustiz“ in Baden-Württemberg | 61 | ||
3. „Paralleljustiz“ Lagebild Nordrhein-Westfale | 64 | ||
4. Forschungsprojekt „Konfliktregulierung in Deutschlands pluraler Gesellschaft“ | 67 | ||
V. Fazit | 68 | ||
Zweiter Teil: Kontext und Ursachen außergerichtlicher Konfliktregulierung | 69 | ||
A. Migration und Integratio | 70 | ||
I. Herkunft – Migrationsgeschichte und -politik | 70 | ||
II. Integrationsgrade und -faktore | 74 | ||
III. Die Bildung großfamiliärer „Clanstrukturen“ in Deutschland | 76 | ||
B. Kollision sozialer Normen mit dem deutschen Rechtssystem | 80 | ||
I. Kollektivistische Gesellschafte | 81 | ||
II. Das Ehrverständnis der Herkunftsregionen und dessen Auswirkung | 83 | ||
1. Ehrbegriffe und deren Bedeutung | 84 | ||
2. Auswirkung auf die soziokulturelle Gesellschaftsstruktu | 86 | ||
3. Der Umgang mit Konflikten in einer Schamkultu | 87 | ||
4. Tatsächliche Verbreitung der Ehrauffassung aus den Herkunftsregionen unter in Deutschland lebenden Mensche | 89 | ||
III. Konflikt von Eigenheiten des Ehrverständnisses mit dem deutschen Straf- und Strafprozessrecht | 90 | ||
1. Kein hinreichender Ehrschutz durch das deutsche Strafrecht aufgrund einer divergierenden Ehrauffassung | 90 | ||
2. Die Bedeutung des Schuldausgleichs als Zweck von Bestrafung | 93 | ||
3. Kollektivistische Schamkultur versus individualistische Schuldkultu | 98 | ||
a) Art und Weise der Rechtsanwendung | 98 | ||
b) Strafrechtlich relevante Konflikte sind keine Privatangelegenheit | 99 | ||
c) Gefährdung des Ansehens durch Öffentlichkeit deutscher Strafprozesse | 99 | ||
d) Langwierigkeit der Gerichtsverfahren – zügige „Ehrwiederherstellung“ nicht möglich | 100 | ||
4. Fazit | 101 | ||
IV. Die Schlichtungstradition „Ṣulḥ“ | 101 | ||
1. Ablauf der „Ṣulḥ“ bei strafrechtlichen Konflikte | 102 | ||
2. Einfluss von „Ṣulḥ“ auf praktizierte Konfliktregulierung | 103 | ||
3. Fazit | 105 | ||
V. Einfluss von Religion auf außergerichtliche Konfliktregulierung | 105 | ||
1. Exkurs: „Der Islam“ in Deutschland | 106 | ||
a) Wahrnehmung in der Öffentlichkeit | 106 | ||
b) Muslimisches Leben in Deutschland | 107 | ||
c) Integrationsfaktor Religio | 108 | ||
2. Streitschlichtung nach islamischem Recht | 113 | ||
a) Grundzüge islamischen Strafrechts | 114 | ||
b) Der Einfluss islamischen Strafrechts auf außergerichtliche Konfliktregulierung | 116 | ||
c) „Ṣulḥ“ als kulturelle Tradition oder islamisch-religiöse Schlichtung? | 118 | ||
d) Die Rolle religiöser Autoritäten als Schlichtungspersone | 120 | ||
e) Fazit | 121 | ||
3. Mittelbarer religiöser Einfluss auf außergerichtliche Konfliktregulierung? | 121 | ||
a) Verankerung des verbreiteten Ehrverständnisses im Islam | 122 | ||
b) Islamischer Einfluss auf die Bildung patriarchalischer Gesellschaftsstrukturen? | 126 | ||
4. Fazit | 129 | ||
VI. Vergleich mit empirischen Erkenntnissen über Gesellschaftsgruppen mit ähnlichen soziokulturellen Strukture | 130 | ||
C. Zusammenfassung | 134 | ||
Dritter Teil: Rechtmäßigkeit außergerichtlicher Konfliktregulierung und staatliche Reaktionsmöglichkeite | 136 | ||
A. Vereinbarkeit außergerichtlicher Konfliktregulierungspraktiken mit dem deutschen Straf- und Strafprozessrecht | 137 | ||
I. Täter-Opfer-Ausgleich | 137 | ||
1. Ein hypothetischer Fall | 138 | ||
2. Die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs | 138 | ||
a) Kommunikation zwischen Täter und Opfe | 139 | ||
b) Wiedergutmachung der Folgen der Tat | 140 | ||
3. Einordnung des Ergebnisses | 142 | ||
II. Die Grenzen des materiellen Strafrechts bei außergerichtlicher Konfliktregulierung | 144 | ||
1. Ein hypothetischer Fall | 146 | ||
a) Strafbarkeit des Täters | 147 | ||
b) Strafbarkeit des Verletzte | 148 | ||
aa) Rücknahme des Strafantrags durch den Verletzte | 148 | ||
bb) Falschaussage des Verletzten vor Gericht | 148 | ||
cc) Pflichtwidriges Schweigen des Verletzten vor Gericht | 148 | ||
dd) Rücknahme des Strafantrages infolge einer Drohung | 150 | ||
c) Strafbarkeit der Zeugi | 151 | ||
d) Strafbarkeit von Schlichtungspersonen und sonstigen Dritte | 151 | ||
aa) Strafbarkeit des Vaters des Verletzten der Vortat | 152 | ||
(1) Strafvereitelung durch den Rat zur Rücknahme des Strafantrages | 152 | ||
(2) Strafbarkeit durch den Rat zur Falschaussage | 153 | ||
(3) Strafvereitelung durch den Rat zum pflichtwidrigen Schweige | 153 | ||
(4) Strafvereitelung durch die Nötigung zur Rücknahme des Strafantrages | 157 | ||
(5) Zwischenergebnis | 158 | ||
bb) Strafbarkeit des Vaters des Täters und der Zeugi | 159 | ||
(1) Einwirkung auf den Vortäte | 159 | ||
(2) Nötigung der Zeugin zur Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechtes zugunsten des Sohnes | 159 | ||
(3) Anstiftung des Vaters des Opfers | 160 | ||
e) Ergebnis | 161 | ||
2. Bezugnahme auf die Umstände im untersuchten Umfeld | 162 | ||
a) Innerfamiliäre Konflikte | 162 | ||
b) Soziale Konvention als Durchsetzungsmittel | 163 | ||
c) Verfolgungsprobleme aufgrund vorherrschender Rechtsunkenntnis | 164 | ||
III. Fazit und Stellungnahme | 164 | ||
B. Reaktionsmöglichkeiten des Staates | 165 | ||
I. Möglichkeiten der wahldeutigen Verurteilung | 167 | ||
1. Wahlfeststellung zwischen § 164 Abs. 1 StGB und § 153 StGB | 168 | ||
a) „Rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit“ | 169 | ||
b) Lehre vom identischen Unrechtsker | 174 | ||
c) Zwischenergebnis | 175 | ||
2. Wahlfeststellung zwischen § 164 Abs. 1 StGB und § 258 Abs. 1 StGB | 175 | ||
a) „Rechtsethische und psychologische Vergleichbarkeit“ | 176 | ||
b) Lehre vom identischen Unrechtsker | 179 | ||
c) Stellungnahme und Zwischenergebnis | 181 | ||
3. Fazit | 182 | ||
II. Strafschärfende Berücksichtigung einer versuchten Umgehung der Strafjustiz bei der Strafzumessung? | 182 | ||
1. Duldung und Hervorrufung von Falschaussage | 185 | ||
2. Einflussnahme auf Zeugen zur Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht | 186 | ||
3. Einflussnahme auf Zeugen zum pflichtwidrigen Schweigen im Strafprozess | 187 | ||
4. Zurechenbarkeit des Nachtatverhaltens | 188 | ||
5. Fazit | 189 | ||
III. Weitere Möglichkeiten der Unterbindung und Verhinderung – rechtspolitischer Ausblick | 191 | ||
1. Handlungsmöglichkeiten zur Eindämmung der Auswirkung illegitimer Konfliktregulierung auf das Strafverfahren im Einzelfall | 191 | ||
a) Zeugenvernehmung | 192 | ||
b) Schutz von Zeuge | 195 | ||
c) Sicherung von Sachbeweise | 197 | ||
d) Maßnahmen gegen Hintergrundpersone | 197 | ||
2. Einzelfallunabhängige Präventionsmaßnahme | 199 | ||
a) Staatliche Akteure betreffende Maßnahme | 200 | ||
b) Auf das Umfeld der Großfamilien bezogene Maßnahme | 203 | ||
aa) Aufweichung hierarchisch-patriarchalischer Gesellschaftsstrukture | 203 | ||
bb) Schaffung von Zugängen zum Rechtsstaat | 204 | ||
IV. Ausblick | 207 | ||
Ergebnisse der Arbeit | 209 | ||
Literaturverzeichnis | 218 | ||
Stichwortverzeichnis | 238 |