Objektive Zurechnung – Urteilsakt oder Urteilsgegenstand?
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Objektive Zurechnung – Urteilsakt oder Urteilsgegenstand?
Von der Ambiguität der objektiven Zurechnung (am Beispiel des Vorsatzes) zur Revision des Zurechnungsbegriffs
Schriften zum Strafrecht, Vol. 427
(2024)
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Martin Heuser studierte u. a. Rechtswissenschaft als Stipendiat des Landes Nordrhein-Westfalen an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Im Anschluss daran war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Regensburg tätig. 2019 wurde er an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn promoviert. 2020 folgte die Zweite Juristische Staatsprüfung. Im Sommersemester 2023 fungierte er als Vertreter eines strafrechtlichen bzw. rechtsphilosophischen Lehrstuhls an der Leipziger Juristenfakultät; im Sommersemester 2024 als Vertreter eines strafrechtlichen Lehrstuhls an der Universität Konstanz.Abstract
Die »objektive Zurechnung« im Strafrecht, d.h. die normative Zuschreibung eines tatbestandsmäßigen Erfolgs zu einem rechtlich missbilligten Verhalten, weist eine Zwittergestalt auf: Einerseits fügt sie sich als objektives Tatbestandsmerkmal in die strafrechtlich zu beurteilende Handlung ein; andererseits beansprucht sie, ein normatives Urteil über einen bestimmten Straftatausschnitt zu liefern. In erstgenannter Hinsicht fungiert sie als Objekt der strafrechtlichen Beurteilung (Urteilsgegenstand), in zweitgenannter als ein Akt derselben (Urteilsakt). Die Untersuchung erklärt diese logische Ambiguität begriffsgeschichtlich. Strafrechtsdogmatisch wird sie sodann exemplarisch anhand des Vorsatzerfordernisses erörtert. Anlass zu dieser Erörterung bietet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (4 StR 200/21; 1 StR 474/19) im Nachgang zum Göttinger Organallokationsfall (5 StR 20/16). Abschließend stellt die Arbeit thesenartig eine neuerliche »Neubesinnung auf den Zurechnungsgedanken« in Aussicht.»Objective Imputation: Act or Object of Judgment? From the Ambiguity of Objective Imputation to the Revision of the Concept of Imputation«: The »objective imputation« in criminal law has a hybrid form: On the one hand, it functions as a feature of the offense (object of judgment), on the other hand as a normative judgment (act of judgement). The study explains this logical ambiguity in terms of conceptual history. It then discusses it on the basis of the requirement of intent in the most recent case law of the Federal Court of Justice (4 StR 200/21). It concludes with some theses on a revision of the concept of imputation.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Teil I: Problemexposition | 13 | ||
A. Gesprächsbedarf | 16 | ||
I. Vorgriff auf den subjektiven Tatbestand? | 17 | ||
II. Vorgriff auch im objektiven Tatbestand? | 18 | ||
III. Straftatsystem und Zurechnung | 20 | ||
B. Begriffsgeschichtlicher Problemhorizont | 22 | ||
I. Zurechnung als (ex post) gesetzesanwendendes Urteil | 23 | ||
II. Zurechnung als (ex post/ex ante) gesetzesanwendendes Urteil? | 24 | ||
III. Zurechnung (ex post) als in der Handlung (ex ante) enthalten? | 26 | ||
IV. Handlungslehre (ex ante) als Zurechnungslehre (ex post)? | 27 | ||
C. Konfusion von Urteilsgegenstand und Urteilsakt | 28 | ||
Teil II: Problemerörterung | 30 | ||
A. Der inkongruente Vorsatzgegenstand & das „normative Urteil“ der objektiven Zurechnung | 33 | ||
I. Inkongruenzthese der h.M./Rechtsprechung: Aussparung der rechtlichen Bewertung | 33 | ||
II. Risikotheoretische Inkongruenzthese: Aussparung des Kausalverlaufs (Roxin) | 36 | ||
1. Aussparung der unerlaubten Risikorealisierung | 36 | ||
2. Berufung auf den bloßen Urteilscharakter der objektiven Zurechnung | 38 | ||
3. Straftatsystematische Kritik der Aussparung des Kausalverlaufs | 39 | ||
4. Straftatsystematische Kritik der Aussparung der unerlaubten Risikorealisierung | 39 | ||
III. Normtheoretische Inkongruenzthese: Aussparung des Erfolges (Frisch) | 41 | ||
1. Aussparung von Teilen des objektiven Tatbestandes | 41 | ||
2. Berufung auf den bloßen Urteilscharakter der objektiven Erfolgszurechnung | 42 | ||
3. Straftatsystematische Kritik der Aussparung des Erfolges | 42 | ||
B. Der kongruente Vorsatzgegenstand & das „Tatbestandsmerkmal“ der objektiven Zurechnung | 44 | ||
I. Die unerwünschte Erhöhung der Vorsatzanforderungen | 45 | ||
II. Exemplarisch: Der Vorsatz in Bezug auf den Pflichtwidrigkeitszusammenhang | 46 | ||
1. Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang im objektiven Tatbestand des vorsätzlichen Begehungsdelikts | 47 | ||
a) Vermeidbarkeitstheorie | 47 | ||
b) Risikoerhöhungstheorie | 48 | ||
2. Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang im subjektiven Tatbestand des vorsätzlichen Begehungsdelikts | 49 | ||
a) Vermeidbarkeitstheorie | 49 | ||
aa) Nachweislicher Vorsatzausschluss | 49 | ||
bb) Kein nachweislicher Eventualvorsatz | 50 | ||
cc) Zwischenfazit | 50 | ||
b) Risikoerhöhungstheorie | 51 | ||
aa) Nachweislicher Vorsatzausschluss | 51 | ||
bb) Kein nachweislicher Eventualvorsatz | 52 | ||
cc) Zwischenfazit | 52 | ||
3. Die relative Inkongruenz als systemstabilisierende Inkonsequenz | 53 | ||
C. Der in-/kongruente Vorsatz & die jüngste Rechtsprechung des BGH | 54 | ||
I. Die Rechtsprechung des BGH zum (Unterlassungs-)Vorsatz infolge 5 StR 20/16 | 55 | ||
1. Die Irrungen und Wirrungen des 5. Strafsenats im Göttinger Organallokationsfall | 56 | ||
a) Kausalität der Manipulationshandlung? | 58 | ||
aa) Keine Kausalität der Manipulationshandlung | 58 | ||
bb) Keine Kausalität der Nichtzuteilung eines Spenderorgans | 58 | ||
cc) Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe? | 59 | ||
(1) Kausalität und Pflichtwidrigkeitszusammenhang beim Begehen | 59 | ||
(2) Kausalität und Pflichtwidrigkeitszusammenhang beim Unterlassen | 60 | ||
(3) „Normative Kausalität“ oder „Kausalität des Unterlassens normativ gebotener Handlung“? | 61 | ||
(4) Die voraussichtliche Konfusion des 5. Strafsenats im subjektiven Tatbestand | 62 | ||
dd) Ein erster Hinweis – Der Fall Oury Jalloh | 62 | ||
b) Vorsatz der Manipulationshandlung? | 64 | ||
aa) These: Das Beweismaß der Kausalität des pflichtwidrigen Unterlassens als Vorsatzgegenstand | 65 | ||
bb) Befund: Das Beweismaß der Kausalität des pflichtwidrigen Unterlassens als Vorsatzgegenstand | 67 | ||
cc) Befundsicherung: Das Beweismaß der Kausalität des pflichtwidrigen Unterlassens als Vorsatzgegenstand | 68 | ||
2. Die versuchte Aufhebung der Vorsatzbeschränkung infolge 5 StR 20/16 | 71 | ||
a) 1 StR 474/19 | 72 | ||
b) 4 StR 200/21 | 73 | ||
c) 5 ARs 34/22 | 74 | ||
d) Zwischenergebnis | 74 | ||
II. „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen/Den Vorhang zu und alle Fragen offen“ | 75 | ||
Teil III: Problemperspektiven | 78 | ||
A. Zusammenfassung der bisherigen Problemskizze | 78 | ||
I. Die Vorsatz-Antinomie der Lehre von der objektiven Zurechnung | 80 | ||
II. Die unsystematische Konfusion von Satz (Urteilsakt) und Gegen-Satz (Tatbestandsmerkmal) | 80 | ||
III. Die systematische Selbstaufhebung der Lehre von der objektiven Zurechnung | 80 | ||
IV. Die Aufhebung des Ausgangspunktes der Lehre von der objektiven Zurechnung | 81 | ||
B. Eine neue „Neubesinnung auf den Zurechnungsgedanken“? | 82 | ||
I. Das Strafurteil als gesetzesanwendendes Zurechnungsurteil | 83 | ||
II. Schuldspruch – Straftatzurechnung – Straftatlehre | 83 | ||
C. Zum guten (Zurechnungs-)Schluss | 90 | ||
Rechtsprechungsverzeichnis | 92 | ||
Literaturverzeichnis | 94 | ||
Sachwort- & Personenregister | 110 |