Die strafrechtliche Resonanz auf Verhaltensnormverstöße und deren Folgen
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Die strafrechtliche Resonanz auf Verhaltensnormverstöße und deren Folgen
Zur Legitimation konkret-individueller Sanktionsnormen und deren Bildung im freiheitlichen Rechtsstaat
Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Vol. 322
(2024)
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Annika Bünzel studierte Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität in Marburg. Von 2020 bis 2022 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsphilosophie von Prof. Dr. Dr. h.c. dupl. Georg Freund an der Philipps-Universität Marburg. Seit 2022 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung von Prof. Dr. Dr. Frauke Rostalski an der Universität zu Köln. Sie ist seit 2023 Rechtsreferendarin am Landgericht Gießen. Außerdem ist sie Mitglied im Arbeitskreis Rechtslinguistik sowie im Arbeitskreis Normentheorie.Abstract
Jede strafrechtliche Reaktion muss aufgrund des damit verbundenen staatlichen Eingriffs den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen. Der legitime Strafzweck ist freiheitlich-rechtsstaatlich zu konkretisieren: Durch strafrechtliche Reaktionen soll der Ausgleich der unberechtigten Freiheitsanmaßung des Täters nach dem Maß der dahingehenden Verantwortlichkeit und dadurch die Bestätigung des Täters in seiner Rechtsposition als auch weiterhin gleiche Rechtsperson bewirkt werden. Im Sinne des in dieser Arbeit dargestellten Konzepts einer freiheitlich-legitimatorischen Normentheorie wird die Rolle des Strafgesetzes als abstrakt-generelle Ermächtigungsgrundlage präzisiert und auf freiheitlich-rechtsstaatlicher Basis zu den konkret-individuellen rechtlichen Normtypen der Verhaltensnorm und der Sanktionsnorm ins Verhältnis gesetzt. Unter Rückgriff auf die juristischen Methoden wird dieses abstrakte Modell außerdem im Hinblick auf die wichtigsten Straftatelemente konkretisiert.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
A. Einführung – Aktualität und Bedeutung eines normentheoretischen Legitimationsansatzes | 13 | ||
B. Normative Grundlagen der Straftat im freiheitlich-legitimatorischen Straftatkonzept | 19 | ||
I. Begriff und Regelungsgehalt einer Norm | 20 | ||
II. Normentheoretisches Stufenverhältnis: Verhaltensnormen und an entsprechende Verstöße anknüpfende Sanktionsnormen auf abstrakt-genereller strafgesetzlicher Ermächtigungsgrundlage | 27 | ||
III. Bildung konkret-individueller Verhaltensnormen unter Rückgriff auf gesellschaftliche Grundentscheidungen als Orientierungshilfen | 32 | ||
1. Grundlagen und Entstehungsbedingungen der rechtlich verfassten Gesellschaft – Anerkennung bestimmter Werte und deren Funktion als Orientierungshilfen für die Bildung von (Verhaltens-)Normen | 33 | ||
a) Überwindung des Naturzustands hin zu einer rechtlich verfassten Gesellschaft – Verzicht auf die (nur scheinbar) unbegrenzte Freiheit als Entscheidung der vernunftbegabten Individuen | 34 | ||
b) Freiheitlicher und demokratischer Rechtsstaat – die Vereinbarkeit des Strebens nach Freiheit und Sicherheit | 43 | ||
c) Freiheitliche demokratische Grundordnung – gesellschaftliche Grundentscheidungen als Orientierungshilfen für die Bildung konkret-individueller Normen | 50 | ||
2. Verfassungsrechtliche Legitimationsanforderungen an Verhaltensnormen | 56 | ||
a) In concreto festzustellende Vernunftfähigkeit – Fähigkeit zur Bildung und Befolgung der in Frage stehenden Verhaltensnorm | 58 | ||
b) Legitimer Zweck von Verhaltensnormen als maßgebliche Grundlage der entsprechenden Eignung und Erforderlichkeit | 62 | ||
c) Angemessenheit einer Verhaltensnorm – Prozess der Verhaltensnormbildung unter Abwägung der kollidierenden Interessen | 63 | ||
IV. Herstellung konkret-individueller Sanktionsnormen auf der Grundlage abstrakt-genereller Strafgesetze | 69 | ||
1. Sanktionsnormen als strafrechtliche Instrumente der angemessenen Resonanz auf Verstöße gegen Verhaltensnormen – das Strafrecht als Rechtsinstitut im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat | 69 | ||
2. Verfassungsrechtliche Legitimation von Sanktionsnormen | 72 | ||
a) Formelle Legitimationsvoraussetzungen – formal-gesetzliche, hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage | 74 | ||
b) Materielle Legitimationsvoraussetzungen | 80 | ||
aa) Legitimer Zweck einer Sanktionsnorm mit ihren Rechtsfolgen – Legitimationsgründe des Einsatzes von Schuldspruch und Strafe im freiheitlichen Rechtsstaat | 80 | ||
(1) Freiheitlich-kompensatorische Straftheorie: Ausgleich der Freiheitsüberschreitung gemäß der Qualität und dem Gewicht des diese begründenden Verhaltensnormverstoßes als kommunikative Resonanz auf den Verhaltensnormverstoß sowie etwaige Fehlverhaltensfolgen | 80 | ||
(2) Einordnung des freiheitlich-kompensatorischen Strafzwecks in das Gefüge der traditionellen Straftheorien | 91 | ||
(a) Präventive Ansätze – Einsatz von Schuldspruch und Strafe allein zum Zweck der Verhinderung künftiger Straftaten | 91 | ||
(b) Sog. absolute Straftheorien – retributive Ansätze des (reinen) Schuldausgleichs ohne Zukunftsbezug | 96 | ||
(c) Vereinigende Theorien | 98 | ||
(d) Freiheitliche Strafzweckbegründung – Schuldspruch und Strafe zum Zweck der Wiederherstellung des intersubjektiven Gleichheitsverhältnisses und damit zugleich zur Aufrechterhaltung und Sicherung des geordneten Rechtszustands im Sinne einer Anerkennung des Täters als vernunftbegabte und gleichberechtigte Rechtsperson | 100 | ||
bb) Konkretisierung der Anforderungen des allgemeinen verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als Basis der Legitimation strafrechtlicher Reaktionen – die Bildung einer legitimierbaren Sanktionsnorm mithilfe der im freiheitlichen Rechtsstaat verankerten juristischen Methoden | 105 | ||
(1) Vorgang der Herstellung einer konkret-individuellen Sanktionsnorm auf der Basis eines abstrakt-generellen Strafgesetzes | 107 | ||
(2) Konkretisierung der vom Gesetz postulierten abstrakt-generellen und der zusätzlichen ungeschriebenen Voraussetzungen mithilfe der juristischen Methodik | 110 | ||
(3) Entscheidungsfindung im Sinne des Rechts bei der Herstellung einer konkret-individuellen Sanktionsnorm – normative Entscheidung unter Berücksichtigung empirischer Erkenntnissätze als richterliche Verhaltenspflicht | 118 | ||
cc) Die angemessenen (und damit richtigen) Rechtsfolgen einer legitimierbaren Sanktionsnorm | 126 | ||
C. Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzungen einer konkret-individuellen Sanktionsnorm – Zur angemessenen Verortung strafrechtsrelevanter Problemstellungen im Straftatsystem der freiheitlich-legitimatorischen Normentheorie | 129 | ||
I. Das (vollendete) Erfolgsdelikt als mindestens fahrlässige Straftat | 131 | ||
1. Tatbestandsspezifisch strafrechtsrelevantes Verhalten als unverzichtbarer Anknüpfungspunkt der Prüfung einer konkreten „Tat“ | 134 | ||
a) Feststehendes Verhalten als essentielles Grundkriterium der einzelfallbezogenen konkret-individuellen Sanktionsnorm | 135 | ||
b) Konkretisierung des tatbestandsspezifisch strafrechtsrelevanten Verhaltens in den oben genannten Beispielsfällen mit Sachverhaltsunsicherheiten | 139 | ||
aa) Der LKW-Radfahrer-Fall | 139 | ||
bb) Der Bottroper Apotheker-Fall | 140 | ||
2. Tatbestandsspezifisches erfolgsverursachendes Geschehen als zusätzliche Sanktionsnormvoraussetzung eines vollendeten Delikts; Feststellung der tatbestandsspezifischen Schädigungsmöglichkeit als dessen Auslösemoment | 141 | ||
a) Konkretisierung des tatbestandsspezifischen erfolgsverursachenden Geschehens und der entsprechenden tatbestandsspezifischen Schädigungsmöglichkeit | 143 | ||
b) Konkretisierung des Erfolgsgeschehens bei Sachverhaltsunsicherheiten | 155 | ||
aa) Der LKW-Radfahrer-Fall | 156 | ||
bb) Der Bottroper Apotheker-Fall – Anwendungsbeispiel zur Problematik der sog. „statistischen Kausalität“ | 158 | ||
3. (Quasi-)Kausalität – der Zusammenhang zwischen dem Verhalten und dem tatbestandsspezifischen Erfolgsgeschehen | 162 | ||
a) Konkretisierung des erforderlichen (Quasi-)Kausalzusammenhangs in Bezug auf beide Verhaltensformen | 163 | ||
b) Konkretisierung der Kausalität in den genannten Beispielen zum Umgang mit Sachverhaltsunsicherheiten | 166 | ||
aa) Der LKW-Radfahrer-Fall | 166 | ||
bb) Der Bottroper Apotheker-Fall | 167 | ||
4. Verhaltensmissbilligung – Legitimationsvoraussetzungen der zugrundeliegenden Verhaltensnorm, gegen die verstoßen worden sein muss | 167 | ||
a) Legitimationsbedingungen der Verhaltensnorm als maßgebliche Voraussetzung der konkret-individuellen Sanktionsnorm | 168 | ||
aa) Endgültiger (und damit mindestens fahrlässiger) Verstoß gegen eine legitimierbare kontext- und adressatenspezifische Verhaltensnorm | 169 | ||
bb) Legitimationsbedingungen einer kontext- und adressatenspezifischen Verhaltensnorm als eigenständiges Sanktionsnormkriterium der Verhaltensmissbilligung | 171 | ||
b) Konkretisierung der Verhaltensmissbilligung in den genannten Beispielen zum Umgang mit Sachverhaltsunsicherheiten | 175 | ||
aa) Der LKW-Radfahrer-Fall | 175 | ||
bb) Der Bottroper Apotheker-Fall | 176 | ||
5. Tatbestandsspezifische Fehlverhaltensfolge – sog. „Zurechnung“ | 177 | ||
a) Zurechnung als notwendiges Sanktionsnormkriterium? | 177 | ||
b) Klarstellende Nennung der tatbestandsspezifischen Fehlverhaltensfolge in den genannten Beispielen zum Umgang mit Sachverhaltsunsicherheiten | 179 | ||
aa) Der LKW-Radfahrer-Fall | 179 | ||
bb) Der Bottroper Apothekerfall | 179 | ||
6. Unrechtsvollform bei vorsätzlichem Verhaltensnormverstoß | 180 | ||
a) Nicht mehr steigerungsfähige Vollform des Verhaltensunrechts – Maximalmaß an Verantwortlichkeit hinsichtlich der unberechtigten Freiheitsanmaßung | 181 | ||
aa) Konkrete Anforderungen an das Vorsatzerfordernis als Sanktionsnormkriterium | 182 | ||
bb) Auflösung der „Irrtumsprobleme“ im Strafrecht als bloßer Kehrseite einer angemessenen Vorsatzdogmatik | 186 | ||
b) Konkretisierung des Vorsatzerfordernisses in Bezug auf die genannten Beispiele zum Umgang mit Sachverhaltsunsicherheiten | 191 | ||
aa) Der LKW-Radfahrer-Fall | 191 | ||
bb) Der Bottroper Apothekerfall | 191 | ||
7. Hinreichendes Gewicht des tatbestandsspezifischen Verhaltensnormverstoßes | 192 | ||
a) Positive Feststellung des hinreichenden Gewichts als Inhalt der herkömmlichen Prüfungsebene der „Schuld“ | 192 | ||
b) Konkretisierung im Hinblick auf die gewählten Anwendungsbeispiele | 194 | ||
II. Fazit zu C. und Ausblick | 194 | ||
D. Gesamtfazit | 196 | ||
Literaturverzeichnis | 205 | ||
Register | 222 |