Rechtsfortbildungsgleichheit
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Rechtsfortbildungsgleichheit
Richterliche Rechtsfortbildung als Gebot des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG)
Schriften zum Öffentlichen Recht, Vol. 1552
(2024)
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Felix Thrun studierte Rechtswissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Von März 2018 bis September 2020 war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Staatsrecht an der Universität zu Köln (Institutsleitung: Prof. Dr. Wolfram Höfling, M. A.) und danach am Seminar für Staatsphilosophie und Rechtspolitik (Institutsleitung: Prof. Dr. Christoph Schönberger) beschäftigt. Im November 2021 nahm er das Rechtsreferendariat am LG Köln mit Stationen in Berlin und Tel Aviv auf. Seine Promotion am Institut für Staatsrecht schloss er im Januar 2023 ab.Abstract
Die Weiterentwicklung des Rechts (und nicht bloß seine zeitgemäße Konkretisierung) wird seit jeher als Aufgabe der Rechtsprechung begriffen. Dazu bedient sie sich vor allem des Instrumentariums der Rechtsfortbildung. Unklar ist, ob diese überkommene Funktion den Vorgaben des Grundgesetzes entspricht, insbesondere der strengen Bindung an das Gesetz. Wenn das Gericht zugleich dem Gesetz unterworfen und an dessen Wandlungsprozess beteiligt sein soll, erscheint diese Bindung paradox. Zugleich findet der in erster Linie rechtspolitische Modifikationsbedarf über den allgemeinen Gleichheitssatz eine verfassungsrechtliche Ausgestaltung. Bisher ungeregelte, geregelten hinreichend ähnliche Fälle sind entsprechend gleich zu behandeln. Diese Gleichheitsbindung liefert eine bisher wenig beachtete Grundlage für richterliche Modifikationen. Die Arbeit legt ein Rechtsfortbildungskonzept vor, welches weniger auf Traditionsargumenten und mehr auf diesen komplexen verfassungsrechtlichen Bindungen fußt.»Judicial Law Development under the Principle of Equal Treatment«: The further development of the law through judicial law-making has long been understood as a responsibility of the judiciary. However, it remains uncertain whether this role can be reconciled with the rule of law. The general principle of equality, to which the courts are bound under constitutional law, provides a legal foundation for judicial modifications that has thus far received little attention. This work presents a concept of judicial law development that relies less on traditional arguments and more on the complex constitutional obligations binding the courts.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
A. Einleitung | 13 | ||
B. Begriff und verfassungsrechtlicher Problemaufriss | 25 | ||
I. Begriffsprobleme und Annäherung | 25 | ||
1. Mehr als Auslegung | 32 | ||
a) Abgrenzung von Auslegung und Rechtsfortbildung als verfassungsrechtliche Notwendigkeit? | 33 | ||
b) Ergebnisbezogene Zuordnung | 35 | ||
c) Begründungsbezogene Zuordnung und verfassungsrechtlicher Rechtsfortbildungsbegriff | 36 | ||
d) Mehr als Interpretation | 41 | ||
e) Mehr als Konkretisierung | 44 | ||
f) Rechtsfortbildung als Rechtsveränderung | 47 | ||
2. Weniger als Rechtssetzung | 50 | ||
3. Gebundenheit des fortbildenden Rechtsanwenders | 52 | ||
4. Vorläufige Definition für die nachfolgende Untersuchung | 53 | ||
II. Verfassungsrechtliche Problemlagen | 55 | ||
1. Richterliche Gesetzesbindung | 57 | ||
a) Die Paradoxie von Modifikation und Bindung | 57 | ||
b) Anknüpfungspunkte richterlicher Gesetzesbindung | 61 | ||
c) Widersprüchlichkeit in der Gesetzesbindung | 62 | ||
2. Rechtsstaatliches Rückwirkungsverbot und Vorhersehbarkeit | 64 | ||
a) Rechtsfortbildung als rückwirkende Modifikation | 64 | ||
b) Beispiel: Rechtsfortbildung im Fall der positiven Vertragsverletzung | 69 | ||
c) Rechtsfortbildung als unvorhersehbare staatliche Handlung | 70 | ||
d) Rechtsfortbildung und Zumutbarkeit | 71 | ||
3. Demokratische Legitimität und politische Verantwortung | 76 | ||
a) Rechtsfortbildung als legitimationsbedürftige Rechtsveränderung | 79 | ||
b) Textkorrektur und Gesetzeskorrektur als zwei unterschiedlich problematische Modifikationen | 82 | ||
c) Verantwortungsvakuum bei richterlicher Inhaltskorrektur am Beispiel des Versammlungsrechts | 84 | ||
d) Legitimationsprobleme bei richterlicher Rechtsfortbildung am Beispiel des Werkvertragsrechts | 88 | ||
4. (Verfassungs)gerichtliche Kontrolle | 93 | ||
a) Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG | 93 | ||
b) Dysfunktionalitäten im verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem | 95 | ||
c) Urteils- und Gesetzesverfassungsbeschwerde als unzureichende Kategorien | 97 | ||
d) Kontrolldefizite am Beispiel der Verständigung im Strafverfahren | 98 | ||
e) Dysfunktionale Übertragung reduzierter Kontrollmaßstäbe | 100 | ||
f) Die Methodenlehre als unzureichendes Kontrollinstrument | 102 | ||
g) Modifikationsbedarf hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs bei der Verfassungsbeschwerde | 103 | ||
C. Verfassungsmäßigkeit richterlicher Rechtsfortbildung | 105 | ||
I. Bisherige Legitimierungs- und Begrenzungsansätze | 106 | ||
1. Verfassungsrechtliche Legitimität | 106 | ||
a) Argument des gesetzgeberischen Willens | 107 | ||
b) Argument der einfachrechtlichen Ermächtigung | 108 | ||
c) Traditionsargument | 109 | ||
d) Argument der Rechtsbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG | 112 | ||
e) Argument der Rechtsverweigerung | 118 | ||
2. Verfassungsrechtliche Begrenzung | 121 | ||
a) Herkömmliche externe Begrenzung durch entgegenstehendes Verfassungsrecht | 122 | ||
b) Herkömmliche interne Begrenzung durch subjektive Interpretationsmittel | 125 | ||
c) Kombination von subjektiven und objektiven Aspekten | 128 | ||
3. Beispiel: Willenserklärungen von beschränkt Geschäftsfähigen und Geschäftsunfähigen | 133 | ||
a) Rechtsfortbildung bei beschränkter Geschäftsfähigkeit | 133 | ||
b) Möglichkeit weiterer Rechtsfortbildungen bei Geschäftsunfähigkeit | 138 | ||
c) Mangelnde Begrenzungswirkung von gesetzgeberischem Willen und Konzept | 141 | ||
d) Widersprüchlichkeiten bei Willen und Konzeption | 142 | ||
4. Zwischenergebnis: Schwächen der bisherigen Ansätze | 143 | ||
II. Rechtsfortbildung als Gleichheitsgebot | 145 | ||
1. Gleichheit als verfassungsrechtlich legitimer Zweck der Rechtsfortbildung | 145 | ||
a) Keine Lockerung der Gesetzesbindung | 145 | ||
b) Fehlende Verbindung von Rechtsfortbildungsdogmatik und Verfassungsrecht | 148 | ||
c) Analogieschluss als Gleichbehandlung | 151 | ||
2. Rechtsfortbildungskompetenz durch den Gleichheitssatz | 156 | ||
a) Begrenzte Wirkungen der Rechtsanwendungsgleichheit | 156 | ||
b) Zurechnung der gesetzlichen (Un)Gleichbehandlung | 159 | ||
c) Informationsasymmetrie | 161 | ||
d) Differenzierung verschiedener Ebenen des Modifikationsbedarfs | 165 | ||
e) Normkonflikt innerhalb der Gesetzesbindung als Legitimationsquelle | 167 | ||
f) Judikative Modifikationskompetenz oder reine Verwerfungskompetenz? | 168 | ||
g) Besonderheiten der Modifikationsbedarfe bei gleichheitswidrigen Gesetzen | 170 | ||
h) Zwischenergebnis: Gleichheitsbindung als Grundlage der Rechtsfortbildung | 179 | ||
3. Fachgerichtliche Rechtsfortbildung und Art. 100 GG | 187 | ||
a) Konkurrenz von Rechtsfortbildung und Normverwerfung | 187 | ||
b) Umfang der Monopolisierung | 188 | ||
c) Unterschiedliche Wirkungen und Bedingungen von Verwerfung und Rechtsfortbildung | 191 | ||
4. Differenzierende Rechtsfortbildung | 194 | ||
a) Geringe praktische Relevanz des Ungleichbehandlungsgebots | 194 | ||
b) Überschneidungen mit freiheitsrechtlichen Gewährleistungen | 195 | ||
c) Der Gleichheitssatz als Adäquanzsatz | 198 | ||
d) Reformulierung als vergleichsfeindliche Individualisierung | 200 | ||
e) Argument gesetzgeberischer Überforderung | 201 | ||
f) Symmetrischer Gleichheitssatz und symmetrische Rechtsfortbildung | 203 | ||
III. Grenzen vergleichender Rechtsfortbildung | 204 | ||
1. Primat gesetzgeberischer Entscheidung | 204 | ||
2. Begrenzung auf die Wirksamkeit im Einzelfall | 206 | ||
3. Begrenzung auf den Vergleich | 207 | ||
4. Keine Rechtsfortbildungsgleichheit im Unrecht | 210 | ||
5. Bindung an höherrangiges Recht | 211 | ||
D. Zusammenfassung in Thesen | 213 | ||
Literaturverzeichnis | 218 | ||
Stichwortverzeichnis | 233 |