Die Strafbarkeit von Schockschäden
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Die Strafbarkeit von Schockschäden
Zur Beeinträchtigung Angehöriger durch die Tat und ihrer Zurechenbarkeit im Strafrecht
Schriften zum Strafrecht, Vol. 436
(2024)
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About The Author
Nick Heinrichs studierte Rechtswissenschaft mit dem Schwerpunkt Strafrechtspflege an der Humboldt-Universität zu Berlin. Dort promovierte er nach seinem ersten Staatsexamen bei Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D. Prof. Dr. Günther M. Sander. Während seiner Promotionszeit war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Berliner Wirtschaftskanzlei im Bereich Datenschutz- und IT-Recht tätig. Im Anschluss absolvierte er von 2022 bis 2024 sein Rechtsreferendariat im Bezirk des Kammergerichts Berlin.Abstract
Der Autor nimmt sich mit der strafrechtlichen Bewertung von Schockschäden eines Themas an, das jedenfalls in strafrechtlichen Fachpublikationen bislang kaum vertieft diskutiert und dem in der strafprozessualen Praxis fast keine Beachtung geschenkt worden ist. Die angesprochenen Fragen sind auf unterschiedlichen dogmatischen Ebenen relevant. Durch Analyse der Sach- und Rechtslage unter Heranziehung einschlägiger juristischer und medizinischer Literatur sowie maßgeblicher Judikate schlägt die Arbeit Antworten zum Umgang mit psychisch vermittelten Schäden Angehöriger des Opfers vor. Dabei erarbeitet der Autor, warum die bislang in der Literatur vorgebrachten Einwände gegen die Zurechnung von Schockschäden nicht durchgreifen. Sodann befasst er sich mit der virulent gewordenen Frage, wie die grundsätzlich als möglich erachtete Zurechenbarkeit dogmatisch tragfähig begrenzt werden kann, und entwickelt ein um Ausgleich der Interessen bemühtes Zurechnungsmodell.»Criminal Liability for Nervous Shock«: The thesis offers an in-depth examination of the imputability of nervous shocks. It elaborates on the medical and legal foundations and outlines the range of conceivable scenarios. On this basis, the various objections put forward against imputation are analyzed. Finally, possibilities for limiting imputation are examined and brought together in a proposal for an imputation model.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
Einleitung | 17 | ||
I. Anlass der Arbeit | 17 | ||
II. Gegenstand der Arbeit | 20 | ||
III. Ziele, Aufbau, Methoden und Terminologie | 22 | ||
1. Kapitel: Grundlagen | 25 | ||
A. Medizinische Grundlagen (unter Beachtung rechtlicher Aspekte) | 25 | ||
I. Begriffsklärungen | 25 | ||
1. Schock | 26 | ||
2. Seele, Psyche und Geist | 28 | ||
3. Krankheit, Störung und Neurose | 31 | ||
a) Krankheit und Störung | 31 | ||
b) Neurose | 32 | ||
II. Auswirkungen einer Schocksituation auf den Organismus | 33 | ||
1. Die verschiedenen Dimensionen eines Schockereignisses | 34 | ||
2. Auswirkungen auf den Organismus | 37 | ||
a) Physische Auswirkungen eines Schocks | 38 | ||
b) Psychische Auswirkungen eines Schocks | 42 | ||
c) Psychopathologische Erfassung des Schockschadens | 45 | ||
d) Auswirkungen auf Minderjährige, insbesondere Kinder | 47 | ||
III. Die Erfassung von Schockschäden im Sachverständigengutachten | 49 | ||
1. Probleme in der gutachterlichen Praxis | 49 | ||
2. Lösungsansätze | 51 | ||
IV. Fazit | 53 | ||
B. Rechtliche Grundlagen | 54 | ||
I. Zivilrechtliche und sozialrechtliche Bewertung von Schockschäden | 55 | ||
1. Historie | 55 | ||
2. Geltende Anforderungen für zivilrechtlichen Schadensersatz | 59 | ||
a) Der klassische Schockschadensersatz | 59 | ||
b) Der neue Anspruch auf Hinterbliebenengeld | 61 | ||
3. Geltende Anforderungen für sozialrechtliche Entschädigung | 62 | ||
a) Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz | 62 | ||
b) Das neue soziale Entschädigungsrecht | 64 | ||
II. Strafrechtliche Bewertung von Schockschäden | 64 | ||
1. Überblick Meinungsstand | 64 | ||
2. Begriffsannäherung | 69 | ||
a) Schockdelikt, situativer Konnex und zusätzliches Unrecht | 70 | ||
aa) Schockdelikt | 70 | ||
bb) Situativer Konnex | 73 | ||
cc) Zusätzliches Unrecht | 74 | ||
b) Strafrechtliche Relevanz der psychischen Auswirkungen eines Schocks | 77 | ||
aa) Körperverletzungsdelikte | 78 | ||
(1) Körperverletzung | 78 | ||
(2) Gefährliche Körperverletzung | 80 | ||
(3) Schwere Körperverletzung | 82 | ||
(4) Misshandlung von Schutzbefohlenen | 84 | ||
(5) Beteiligung an einer Schlägerei | 86 | ||
bb) Delikte mit Wortlautbezug zur Psyche | 87 | ||
(1) Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht | 87 | ||
(2) Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern | 88 | ||
(3) Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch | 88 | ||
cc) Delikte mit Sinnbezug zur Psyche | 89 | ||
(1) Straßenverkehrsdelikte | 89 | ||
(2) Delikte mit dem Tatbestandsmerkmal „Gesundheitsschädigung“ | 89 | ||
(3) Weitere Delikte | 90 | ||
c) Strafrechtliche Relevanz der physischen Auswirkungen eines Schocks | 91 | ||
aa) Körperverletzungsdelikte | 92 | ||
bb) Tötungsdelikte und Delikte mit Todesfolge | 93 | ||
d) Beschränkung auf Drei-Personen-Verhältnisse | 94 | ||
3. Weitere Konturierung | 97 | ||
a) Mitteilungsfälle | 98 | ||
aa) Schockschaden aufgrund unwahrer Mitteilung | 99 | ||
(1) Enger und weiter Schockschadensbegriff | 99 | ||
(2) Zurechnung lediglich bei unwahrer Mitteilung? | 101 | ||
bb) Schockschaden aufgrund der Mitteilung/Relevanz von Sorgfaltspflichten | 103 | ||
cc) Schockschaden aufgrund medialer Berichterstattung | 104 | ||
b) Miterlebensfälle | 106 | ||
aa) Qualitative Abstufung? | 107 | ||
bb) Schockschaden aufgrund Anblicks der Tatfolgen | 111 | ||
cc) Schockschaden aufgrund unverschuldeter Verwicklung in ein Schockereignis | 113 | ||
dd) Schockschaden aufgrund Belastung im Einsatz | 115 | ||
ee) Schockschaden durch Hinrichtungsvideos und Live-Übertragungen der Tat | 116 | ||
III. Zwischenfazit: Untauglichkeit des klassischen Begriffs und Ansatz Sowadas | 120 | ||
1. Szenarien ohne Tötung oder schwere Verletzung als Schockereignis | 123 | ||
a) „Lösegeld-Fall“ | 123 | ||
b) „Juwelier-Fall“ | 123 | ||
c) „Schockanruf-Fall“ | 124 | ||
d) „Missbrauch-Fall“ | 124 | ||
2. Szenarien mit Tötung oder schwerer Verletzung als Schockereignis | 125 | ||
a) „Bahnspringer-Fall“ und „Opernsänger-Fall“ | 125 | ||
b) „Spielstraßen-Fall“, „Liebhaber-Fall“ und „Polizeianruf-Fall“ | 126 | ||
c) „Rachemord-Fall“ | 126 | ||
d) „Massenpanik-Fall“, „Weihnachtsmarkt-Fall“ und „Livestream-Fall“ | 127 | ||
2. Kapitel: Strafrechtsdogmatische Bestandsaufnahme | 128 | ||
A. Kriminalpolitische und verfassungsrechtliche Einwände | 128 | ||
I. Unzulässige Ausdehnung des Strafrechts? | 128 | ||
1. Fehlendes Sanktionierungsbedürfnis | 128 | ||
a) Strafrecht als ultima ratio | 128 | ||
b) Gründe für ein Sanktionierungsbedürfnis | 132 | ||
2. Einschränkung der Handlungsfreiheit | 135 | ||
3. Wiederbelebung einer Versari-Haftung | 137 | ||
II. Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz | 139 | ||
1. Drohende Unbestimmtheit von Verhaltensnormen? | 139 | ||
2. Mögliche Haftung für Schockschaden erkennbar | 141 | ||
III. Psyche als untaugliches oder jedenfalls problembehaftetes Rechtsgut | 142 | ||
1. Praktische Unmöglichkeit einer hinreichenden Kausalitätsanalyse? | 142 | ||
2. Praktische Probleme bei der Begutachtung | 145 | ||
a) Gefahr von Simulation und Aggravation | 145 | ||
b) Stützen auf Diagnosemanual problematisch | 147 | ||
c) Staatliche Aufklärungspflicht und Opferinteressen | 148 | ||
IV. Zwischenfazit | 152 | ||
B. Untersuchung einzelner als zurechnungsausschließend beurteilter Topoi | 152 | ||
I. Allgemeines Lebensrisiko | 152 | ||
II. Atypischer Kausalverlauf | 156 | ||
1. Schockschäden als Zufallsprodukt eines unkontrollierbaren Kausalverlaufs | 157 | ||
2. Vorhersehbarkeit von Schockschäden | 161 | ||
3. Vorhersehbarkeit nur bei Tod Angehöriger? | 164 | ||
4. Schockschäden in aller Regel keine atypischen Tatfolgen | 165 | ||
III. Schutzzweckzusammenhang | 165 | ||
1. Vorgebrachte Argumente | 166 | ||
a) Roxin | 167 | ||
b) Schünemann | 169 | ||
c) Hoyer | 171 | ||
d) Zwischenfazit | 172 | ||
2. Widersprüche zu und mangelnde Berücksichtigung von tangierten Rechtsgebieten | 172 | ||
a) Zivil- und Sozialrecht | 173 | ||
b) Verfassungsrecht | 176 | ||
c) Strafprozessrecht | 180 | ||
d) Zwischenfazit | 182 | ||
3. Gesetzessystematik | 183 | ||
a) Anhaltspunkte im systematischen Wortlautvergleich? | 183 | ||
b) Verkehrsdelikte und andere gemeingefährliche Straftaten | 185 | ||
c) Parallelen zum gemeingefährlichen Mord | 187 | ||
d) Beteiligung an einer Schlägerei | 189 | ||
e) Delikte mit Nötigungskomponente und Einbeziehung Dritter in den Tatkomplex | 190 | ||
aa) Wertungen zum personellen Schutzzweck in §§ 239a, 239b, 249, 253 StGB? | 190 | ||
bb) Hineinziehen Dritter in den Tatkomplex | 192 | ||
f) Zwischenfazit | 193 | ||
4. Normative und teleologische Erwägungen | 194 | ||
a) (Un-)Mittelbare Betroffenheit des Schockopfers | 195 | ||
b) Erwägungen zum Schutzzweck der Tötungsdelikte über den Lebensschutz hinaus | 198 | ||
aa) Der umfassende und effektive Schutz des Lebens | 198 | ||
bb) Tötung geht zwingend mit Beeinträchtigung Angehöriger einher | 199 | ||
cc) Anhaltspunkte für die Berücksichtigung durch den Gesetzgeber und Doppelverwertungsverbot | 202 | ||
c) Ungleichbehandlung gleichartiger Fälle? | 205 | ||
d) Noch einmal: Tötung als bloßes Mittel zum Zweck | 208 | ||
e) Zwischenfazit | 212 | ||
IV. Gesamtbetrachtung | 213 | ||
C. Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse und vorläufiges Fazit | 213 | ||
3. Kapitel: Eingrenzung der Zurechnung und weitere Konturierung | 217 | ||
A. Ableitung sachgerechter Kriterien zur Zurechnungseingrenzung | 218 | ||
I. Orientierung am Status quo – Grenzen und Modifizierung zivil- und sozialrechtlicher Zurechnungsschranken | 218 | ||
1. Begriffskontinuität | 218 | ||
2. Besondere Anforderungen an die Gesundheitsverletzung | 220 | ||
3. Zurechnungsbeschränkung auf nahe Angehörige | 221 | ||
a) Konflikt mit Legaldefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB | 222 | ||
b) Bedarf weitergehender Eingrenzung/Zurechnungsausuferung durch Großfamilie? | 223 | ||
c) (Beschützer-)Garantenstellung als Surrogat? | 225 | ||
d) Flexible Handhabung des Angehörigenkriteriums | 228 | ||
4. Begehrensneurosen im Strafrecht relevant? | 229 | ||
5. Mitverschulden als Zurechnungsschranke | 230 | ||
a) Mitverschulden des Handlungsopfers | 230 | ||
b) Mitverschulden des Schockopfers | 231 | ||
II. Weitere Ansätze zur Eingrenzung aus der Literatur | 233 | ||
1. Situative Besonderheiten | 233 | ||
2. Qualität des Schockdeliktserfolgs | 235 | ||
a) Orientierung an § 226 Abs. 1 StGB | 236 | ||
b) Orientierung an medizinischen Klassifizierungen | 237 | ||
3. Erfolgserfordernis? | 239 | ||
4. „Harte“ und „weiche“ Kriterien | 241 | ||
5. Abschichtung anhand subjektiver Kriterien | 244 | ||
a) Können subjektive Aspekte die Zurechnung beeinflussen? | 245 | ||
aa) Strengere Zurechnungsmaßstäbe beim Fahrlässigkeitsdelikt | 245 | ||
bb) Systembruch? | 248 | ||
b) Unrechtsabstufung innerhalb der Vorsatz- und Fahrlässigkeitsformen | 250 | ||
aa) Vorsatz | 251 | ||
bb) Fahrlässigkeit | 253 | ||
c) Berücksichtigung von Nebenmotiven | 255 | ||
d) Vorschlag für ein Zurechnungssystem nach subjektiver Abstufung | 256 | ||
III. Entwicklung eines eigenen Zurechnungsmodells | 258 | ||
1. Zurechnungseinschränkung anhand der objektiven Handlungsqualität | 259 | ||
a) Nachvollziehbarer Anlass | 259 | ||
b) Differenzierung nach Intensität der Wirkung auf das Schockopfer | 259 | ||
2. Zurechnungseinschränkung anhand der subjektiven Handlungsqualität | 260 | ||
3. Zurechnungseinschränkung anhand opferbezogener Kriterien | 261 | ||
a) Angehörigeneigenschaft beibehalten, jedoch situationsbezogen | 261 | ||
b) Ausnahme: Schockschäden bei Kindern | 262 | ||
B. Typologisierung und Exemplifizierung | 263 | ||
I. Weitere Konturierung | 263 | ||
1. Mitteilungsfälle | 263 | ||
a) Schockschaden aufgrund sorgfaltswidriger Mitteilung | 263 | ||
aa) Exkurs: Schockschaden aufgrund der Mitteilung | 263 | ||
bb) Übertragung auf die Konstellation „Täter als Überbringer“ | 266 | ||
cc) Sorgfaltspflichtverstöße Dritter | 267 | ||
b) Schockschaden aufgrund medialer Berichterstattung | 268 | ||
c) Schockschaden aufgrund sexuellen Missbrauchs eines Angehörigen | 270 | ||
2. Miterlebensfälle | 273 | ||
a) Schockschaden aufgrund Anblicks der Tatfolgen | 273 | ||
b) Schockschaden aufgrund Belastung im Einsatz | 276 | ||
c) Schockschaden durch Hinrichtungsvideos und Live-Übertragungen der Tat | 279 | ||
II. Exemplifizierung | 283 | ||
1. „Lösegeld-Fall“ und „Juwelier-Fall“ | 283 | ||
a) Vorüberlegungen | 284 | ||
b) Falllösung | 286 | ||
2. „Schockanruf-Fall“ | 288 | ||
3. „Missbrauch-Fall“ | 290 | ||
4. „Opernsänger-Fall“ und „Bahnspringer-Fall“ | 292 | ||
a) „Opernsänger-Fall“ | 293 | ||
b) „Bahnspringer-Fall“ | 294 | ||
5. „Spielstraßen-Fall“, „Liebhaber-Fall“ und „Polizeianruf-Fall“ | 295 | ||
a) „Spielstraßen-Fall“ | 295 | ||
b) „Liebhaber-Fall“ | 297 | ||
c) „Polizeianruf-Fall“ | 298 | ||
6. „Rachemord-Fall“ | 298 | ||
7. „Massenpanik-Fall“, „Livestream-Fall“ und „Weihnachtsmarkt-Fall“ | 299 | ||
a) „Massenpanik-Fall“ | 299 | ||
b) „Livestream-Fall“ | 300 | ||
aa) Schockschäden durch den Stream | 300 | ||
bb) Schockschäden der Einsatzkräfte | 301 | ||
cc) Schockschäden von Passanten | 302 | ||
c) „Weihnachtsmarkt-Fall“ | 302 | ||
aa) Schockschäden der Weihnachtsmarktbesucher | 303 | ||
bb) Schockschäden besorgter Angehöriger zuhause | 303 | ||
cc) Schockschäden der Einsatzkräfte | 303 | ||
C. Fazit | 304 | ||
Ergebnisse | 306 | ||
Anhang: Verzeichnis Gerichtsentscheidungen | 309 | ||
Literaturverzeichnis | 311 | ||
Stichwortverzeichnis | 326 |