Funktionale Selbstverwaltung der gewerblichen Wirtschaft und EU-Recht: Die Unionsrechtskonformität des IHKG
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Funktionale Selbstverwaltung der gewerblichen Wirtschaft und EU-Recht: Die Unionsrechtskonformität des IHKG
Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht, Vol. 106
(2025)
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Abstract
Die funktionale Selbstverwaltung ist in Deutschland eine altüberkommene und tiefverwurzelte Form der staatlichen Organisation. Zu beobachten ist eine weitgespannte Vielfalt von Erscheinungsformen der funktionalen Selbstverwaltung. Die Organisationsform der funktionalen Selbstverwaltung kann sowohl der Interessenrepräsentation (nach innen und nach außen) als auch der Förderung und Unterstützung der Mitglieder dienen; sie kann schließlich auch für die Wahrnehmung und Erledigung von Verwaltungsaufgaben geschaffen werden. Die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft in der funktionalen Selbstverwaltung ist mit normativen Erwartungen und Pflichten verbunden. Die Regelungen des IHKG sind deshalb schon seit Jahrzehnten Gegenstand rechtlicher Kontroversen. Nachdem das BVerfG in einer Grundsatzentscheidung 2017 die Verfassungskonformität des IHKG bestätigt hat, konzentrierte sich die jüngere Diskussion auf dessen Vereinbarkeit mit dem EU-Recht. Die Studie zeigt die Vereinbarkeit des Gesetzes mit dem EU-Recht auf.»Chambers of Industry and Commerce and EU Law«: Chambers of industry and commerce are a traditional and deeply rooted form of economic organization in Germany. A wide variety of forms of so called ›functional self-government‹ can be observed. The study examines the compatibility of the relevant legal foundations with European Union law.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
A. Einleitung und Fragestellung | 11 | ||
I. Verkammerung von Berufs- und Wirtschaftssektoren | 11 | ||
II. Das Beispiel der Industrie- und Handelskammern und der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) | 15 | ||
1. Die institutionelle Struktur | 15 | ||
2. Aufgaben und Handlungsbefugnisse | 16 | ||
a) Industrie- und Handelskammern | 16 | ||
aa) Wahrnehmung/Repräsentation des Gesamtinteresses | 16 | ||
bb) Wirtschaftsförderung und Beratung | 16 | ||
cc) Durchsetzung normativer Standards | 17 | ||
dd) Berufsbildung | 17 | ||
ee) Verwaltungsaufgaben ohne Eingriffsbefugnisse | 18 | ||
b) Deutsche Industrie- und Handelskammer | 18 | ||
c) Gemeinwohlorientierung | 19 | ||
3. Voraussetzungen der gesetzlichen Mitgliedschaft | 20 | ||
a) Personeller Anwendungsbereich | 20 | ||
b) Sachlicher Anwendungsbereich | 21 | ||
III. Der Streit um die Pflichtmitgliedschaft | 23 | ||
1. Funktionale Selbstverwaltung, Pflichtmitgliedschaft und Verfassungsrecht | 23 | ||
2. Funktionale Selbstverwaltung, Pflichtmitgliedschaft und Unionsrecht | 25 | ||
3. Funktionale Selbstverwaltung, Pflichtmitgliedschaft und EMRK | 29 | ||
IV. Struktur der Untersuchung | 30 | ||
B. Unionsverfassungsrechtlicher Schutz mitgliedstaatlicher Strukturen funktionaler Selbstverwaltung (Art. 2 i.V.m. Art. 10 Abs. 3 EUV, Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV) | 33 | ||
I. Funktionale Selbstverwaltung als Bestandteil demokratischer „governance“ (Art. 2 EUV, Art. 10 Abs. 1 EUV) | 33 | ||
1. Demokratisches Regieren als Wert der EU | 33 | ||
2. Funktionale Selbstverwaltung als Forum für öffentliche Autonomie | 35 | ||
3. Besondere Effektivität funktionaler Selbstverwaltung | 37 | ||
II. Funktionale Selbstbestimmung als Teil der verfassungsmäßigen Strukturen und nationaler Identität (Art. 4 Abs. 2 S. 1 EUV) | 39 | ||
C. Binnenmarktrecht | 42 | ||
I. Überblick | 42 | ||
1. Anwendungsbereiche der unterschiedlichen Regelungskomplexe | 42 | ||
2. Abgrenzung der tatbestandlich einschlägigen Regelungskomplexe | 44 | ||
3. Anwendungsprimat des Sekundärrechts | 45 | ||
II. Unionsrechtliche Vorgaben im Fall der mitgliedstaatlichen Anknüpfung an einen Niederlassungsvorgang | 45 | ||
1. Kennzeichen und Wesen einer unternehmerischen Niederlassung | 46 | ||
2. Berufsqualifikationsrichtlinie | 46 | ||
a) Ziel und Anwendungsbereich | 47 | ||
b) Keine Anwendbarkeit der Berufsqualifikationsrichtlinie im IHK-Bereich | 48 | ||
c) Jedenfalls kein Konflikt | 48 | ||
d) Reichweite der Sperrwirkung gegenüber Primärrecht | 49 | ||
3. Dienstleistungsrichtlinie | 50 | ||
a) Anwendungsbereich | 51 | ||
b) Einschlägige Sachregelungen | 53 | ||
c) Vereinbarkeit der IHK-Pflichtmitgliedschaft mit der Dienstleistungsrichtlinie | 54 | ||
d) Sperrwirkung der DL-RL hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV? | 55 | ||
4. Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV | 57 | ||
a) Schutzgegenstand und Telos | 57 | ||
aa) Freiheit der Wahl eines unternehmerischen Standorts | 57 | ||
bb) Niederlassungsfreiheit, Marktzugang und Marktbedingungen | 59 | ||
cc) Verdrängung von Art. 16 GRCh | 60 | ||
b) Anwendungsbereich | 61 | ||
aa) Berechtigte | 61 | ||
bb) Verpflichtete | 61 | ||
cc) Sachlicher Gewährleistungsbereich | 62 | ||
(1) Grundsätze | 62 | ||
(2) Art. 49 AEUV als umfassendes Diskriminierungsverbot | 64 | ||
(3) Art. 49 AEUV als Beschränkungsverbot? | 66 | ||
(a) Dogmatische Unklarheiten | 66 | ||
(b) Die Abgrenzungskriterien des EuGH | 67 | ||
(aa) Relevanz der Belastungswirkung | 67 | ||
(bb) Existenz einer Abschreckungswirkung | 68 | ||
(cc) Unternehmerische Bedeutung | 70 | ||
(dd) Ungewissheit oder Mittelbarkeit des Wirkungszusammenhangs | 70 | ||
(c) Fazit: Beschränkte Anwendbarkeit des Art. 49 AEUV auf Regelungen für „Unternehmen im Markt“ | 71 | ||
c) Fehlende Beschränkungswirkung des IHKG | 73 | ||
aa) Keine Diskriminierungswirkung | 73 | ||
bb) Keine Beschränkungswirkung | 73 | ||
(1) Keine Marktzutrittsregelung | 73 | ||
(2) Keine Beeinträchtigungswirkung im Sinne der EuGH-Kriterien | 74 | ||
cc) Fazit: IHKG als Teil der Standortbedingungen in Deutschland | 75 | ||
d) Jedenfalls: Vorliegen einer Rechtfertigung | 76 | ||
aa) Dogmatik der Rechtfertigung einer Beeinträchtigung | 76 | ||
bb) Funktionale Selbstverwaltung als Teil der öffentlichen Ordnung | 77 | ||
cc) IHKG wird von zwingenden Allgemeinwohlerfordernissen getragen | 80 | ||
dd) Verhältnismäßigkeit | 81 | ||
ee) Keine Beeinträchtigung unionaler Grundrechte | 82 | ||
(1) Keine sachliche Einschlägigkeit von Art. 12 GRCh | 83 | ||
(2) Keine Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit nach Art. 16 GRCh | 83 | ||
(a) Rechtsprechung zu Art. 16 GRCh | 83 | ||
(b) Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft keine Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit | 85 | ||
(3) Keine Beeinträchtigung der Eigentumsfreiheit (Art. 17 GRCh) | 85 | ||
(4) Keine Beeinträchtigung des Rechts auf Gleichbehandlung (Art. 18 AEUV, Art. 20 GRCh) | 86 | ||
III. Unionsrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Beschränkung eines Dienstleistungsvorgangs | 87 | ||
1. Kennzeichen und Wesen eines Dienstleistungsvorgangs | 88 | ||
2. RL 2005/36/EG über die Berufsqualifikationen | 91 | ||
a) Überblick | 91 | ||
b) Anwendungsbereich: reglementierte Berufe | 93 | ||
c) Wertungen der Richtlinie mit Relevanz für die unionsrechtliche Beurteilung des IHK-Rechts | 93 | ||
3. Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG | 94 | ||
a) Übersicht | 95 | ||
b) Anwendungsbereich von Art. 16 Abs. 2 lit.b) RL 2006/123/EG | 96 | ||
c) Tatbestandsmerkmale | 96 | ||
aa) Pflichtmitgliedschaft schon nicht eine spezifisch dienstleistungsbezogene „Anforderung“ | 96 | ||
bb) Pflichtmitgliedschaft keine Belastung im Sinne von Art. 16 Abs. 2 lit.b) RL 2006/123/EG | 98 | ||
d) Jedenfalls: Rechtfertigung durch hinreichend gewichtige Allgemeinwohlgründe | 100 | ||
aa) Einschränkbarkeit von Art. 16 Abs. 2 RL 2006/123/EG? | 100 | ||
bb) Vorliegen von zwingenden Gründen des Allgemeinwohls | 101 | ||
4. Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV | 105 | ||
a) Anwendungsbereich | 105 | ||
b) Vorliegen einer Beeinträchtigung | 106 | ||
aa) Schutz vor diskriminierenden Regelungen | 106 | ||
bb) Schutz vor unverhältnismäßigen Beschränkungen | 106 | ||
(1) Stand der Rechtsprechung | 106 | ||
(2) Implikationen für die Begründung einer Pflichtmitgliedschaft in Institutionen der funktionalen Selbstverwaltung | 109 | ||
c) Rechtfertigung | 110 | ||
5. Rechtsfolgen für die Auslegung und Handhabung von § 2 IHKG | 110 | ||
D. Wettbewerbsrecht (Art. 101 AEUV) | 112 | ||
I. Gesetzliche Anordnung einer Pflichtmitgliedschaft | 113 | ||
II. Gebrauch der Satzungsgewalt durch die IHK | 114 | ||
1. IHK als Unternehmensvereinigungen im Sinne des Art. 101 AEUV? | 115 | ||
2. Keine unverhältnismäßige Wettbewerbsbeschränkung | 117 | ||
3. Erfüllung der Vorgaben aus Art. 14 AEUV und Art. 106 Abs. 2 AEUV | 119 | ||
E. Beihilfeaufsicht (Art. 107f. AEUV) | 121 | ||
I. Das Regelungsziel des Beihilferechts (Art. 107f. AEUV) | 121 | ||
1. Überblick | 121 | ||
2. Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen | 122 | ||
II. Notwendigkeit der unternehmerischen Tätigkeit im Markt | 123 | ||
1. Maßstäbe nach Kommissionspraxis und der Rechtsprechung | 123 | ||
2. Keine unternehmerische Tätigkeit der IHKs im Markt | 126 | ||
3. Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen | 128 | ||
4. Beachtlichkeit der Wertungen aus Art. 14 AEUV, Art. 106 Abs. 2 AEUV | 129 | ||
5. Konsequenz der Anwendbarkeit von Art. 107 Abs. 1 AEUV | 129 | ||
F. Ergebnisse | 131 | ||
Ergebnisse der Studie in Thesen | 131 | ||
English Summary | 134 |