Sanierungsgewinne im Einkommensteuerrecht

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Sanierungsgewinne im Einkommensteuerrecht
Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips und des europäischen Beihilfeverbots
Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht, Vol. 114
(2025)
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About The Author
Joel Straub studierte von 2010 bis 2015 Rechtswissenschaften an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Er war studienbegleitend und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referendar bei einer renommierten Großkanzlei in Stuttgart im Bereich Steuerrecht und Vermögensnachfolge tätig. Das Zweite Staatsexamen legte er im Jahr 2017 ab. Sodann war Joel Straub Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Christian Seiler in Tübingen. Seine Promotion wurde durch die Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) gefördert. Von 2020 bis 2023 war er Notarassessor und zuletzt Notariatsverwalter in Baden-Württemberg. Joel Straub wurde 2023 zum Notar bestellt.Abstract
Die steuerliche Behandlung von Sanierungsgewinnen ist ein Themenkomplex, dem sich Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum bereits seit mehr als hundert Jahren mit unterschiedlichen Ergebnissen und Begründungen widmen. Mit der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs zum »Sanierungserlass« im Jahr 2016 und der hierauf antwortenden Einführung gesetzlicher Neuregelungen hat diese Entwicklung zunächst ein Ende gefunden.Die praxisrelevante, vor allem wirtschaftspolitisch motivierte Steuerbefreiung sanierungsbedingter Gewinne durch § 3a EStG wirft gleichwohl zahlreiche europa-, verfassungs- und einfachrechtliche Fragen auf, mit denen sich die vorliegende Arbeit eingehend beschäftigt. Aufgrund seiner Ausgestaltung kehrt § 3a EStG als Sozialzwecknorm trotz der Steuerbefreiung in erheblichem Umfang zum Regelmaß einer leistungsfähigkeitsgerechten Besteuerung zurück und kann im Ergebnis durch außersteuerliche Gemeinwohlzwecke gerechtfertigt werden. Die Arbeit zeigt auf, dass europa- und beihilferechtlich eine Rechtfertigung indes nicht gelingen kann.»Restructuring Gains in Income Tax Law. An Investigation with Special Consideration of the Ability-to-Pay Principle and the European ban on State Aid«: The tax implications of restructuring gains have been a topic of debate in legislation, jurisprudence and literature for more than a hundred years, with varying results and justifications. The Federal Fiscal Court's decision on the »reorganisation decree« in 2016 and the subsequent introduction of new legal regulations, this development has come to an end so far. The tax exemption of restructuring-related profits under Section 3a of the German Income Tax Act (EStG), which is relevant in practice and primarily motivated by economic policy, nevertheless raises numerous questions under European, constitutional and ordinary law.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
Einleitung | 13 | ||
1. Kapitel: Sanierung von Unternehmen und Sanierungsgewinne | 19 | ||
A. Die Unternehmenskrise als tatsächlicher Ausgangspunkt | 19 | ||
B. Das Verhältnis von Steuer- und Insolvenzrecht | 20 | ||
C. Sanierungsmaßnahmen, -konstellationen und -gewinne | 23 | ||
I. Forderungserlass als typisches Sanierungsinstrument | 24 | ||
1. Bilanzierende Gewinnermittlung (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) | 24 | ||
2. Einnahmen-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) | 25 | ||
3. Forderungsverzicht durch Gesellschafter als Einlage | 26 | ||
II. Besondere Formen des Forderungserlasses | 27 | ||
1. Forderungserlass mit Besserungsabrede | 27 | ||
2. Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO) und Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO) | 28 | ||
III. Rangrücktritt als Alternative zum Forderungsverzicht | 29 | ||
IV. Weitere wichtige Sanierungsmaßnahmen | 31 | ||
1. Debt-Equity-Swap | 31 | ||
2. Debt-Buy-Back | 32 | ||
3. Befreiende Schuldübernahme | 33 | ||
D. Zwischenergebnis | 33 | ||
2. Kapitel: Entwicklung der Besteuerung von Sanierungsgewinnen und der Verlustberücksichtigung | 34 | ||
A. Die Rechtslage vor dem Zweiten Weltkrieg | 34 | ||
I. Die Verrechnung steuerfreier Gewinne mit steuerlichen Verlusten | 34 | ||
II. Alternativer Ansatz auf dem Gebiet der Körperschaftsteuer | 36 | ||
III. Zwei konkurrierende Ansätze und die legislative Reaktion | 37 | ||
B. Die Nachkriegszeit und die Rechtsprechung des BFH | 39 | ||
I. Trennung der Bindung zwischen Sanierungsgewinn und Verlusten | 40 | ||
II. Erstmalige Kodifizierung im Einkommensteuergesetz | 41 | ||
III. Aufhebung der Steuerbefreiung | 43 | ||
C. Der „Sanierungserlass“ und die Mindestbesteuerung | 44 | ||
D. Die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 28. 11. 2016 | 46 | ||
E. Die Einführung von § 3a EStG durch Gesetze vom 27. 06. 2017 und vom 11. 12. 2018 sowie spätere Änderungen | 47 | ||
F. Exkurs: Geltung der Neuregelung und formelle Verfassungswidrigkeit? | 48 | ||
I. Beihilferechtliche Genehmigung als Voraussetzung des Inkrafttretens | 48 | ||
II. Keine „Heilung“ durch Bekanntmachung des Bedingungseintritts | 51 | ||
III. Fehlerfolge der unwirksamen Bestimmung des Inkrafttretens | 51 | ||
IV. Ergebnis des Exkurses | 52 | ||
3. Kapitel: Die gesetzliche Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen nach § 3a EStG | 53 | ||
A. Steuerfreiheit des „Sanierungsertrags“ | 53 | ||
B. Tatbestand: Unternehmensbezogene Sanierung | 54 | ||
I. Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens | 54 | ||
II. Sanierungsfähigkeit des Unternehmens und Sanierungseignung des Schuldenerlasses | 55 | ||
III. Sanierungsabsicht der Gläubiger | 56 | ||
IV. Betrieblich begründeter Schuldenerlass | 57 | ||
1. Betriebliche Begründung | 57 | ||
2. Der steuerrechtliche Begriff des Schuldenerlasses | 59 | ||
V. Nachweispflicht: „faktisches“ Wahlrecht des Steuerpflichtigen? | 60 | ||
C. Rechtsfolgen: Steuerfreiheit, verpflichtende Ausübung steuerlicher Wahlrechte, Abzugsverbot und Verlustverrechnung | 63 | ||
D. Sonderfall: Unternehmerbezogene Sanierung (§ 3a Abs. 5 EStG) | 64 | ||
4. Kapitel: Besteuerung oder Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen? Verfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen | 66 | ||
A. Sanierungsgewinne im Lichte des Gleichheitssatzes, Art. 3 Abs. 1 GG | 68 | ||
I. Allgemeiner Gleichheitssatz als Ausgangspunkt | 68 | ||
II. Leistungsfähigkeitsprinzip als konkretisierungsbedürftiges Fundamentalprinzip | 69 | ||
1. Leistungsfähigkeit und Belastungsgegenstand der Einkommensteuer | 72 | ||
2. Folgerichtigkeit als flankierendes Gebot | 73 | ||
3. Prinzipienbedingte Aussagenschwäche des Leistungsfähigkeitsprinzips und Konkretisierungsauftrag des Gesetzgebers | 74 | ||
4. Zwischenergebnis: Zweifache Dimension des Leistungsfähigkeitsprinzips | 75 | ||
III. Bereichsspezifische Konkretisierung: Gewinn und Leistungsfähigkeit | 76 | ||
1. Reinvermögenszugang als materielles Gewinnkonzept | 76 | ||
2. Freiwerden von einer Verbindlichkeit als systembedingte Vermögensmehrung | 79 | ||
3. Keine Maßgeblichkeit von Zahlungsfähigkeit im engeren Sinne oder Liquidität | 81 | ||
4. Bestätigender Blick auf die Gewinnermittlungstechnik | 84 | ||
5. Keine interpersonelle Leistungsfähigkeit im Sinne einer Korrespondenz | 87 | ||
IV. Zwischenergebnis und Schlussfolgerung | 88 | ||
B. Freiheitsrechtliche Grenzen der Sanierungsgewinnbesteuerung | 89 | ||
I. Von erdrosselnder Steuer zur Verhältnismäßigkeit | 90 | ||
II. Erdrosselnde Wirkung der Sanierungsgewinnbesteuerung? | 93 | ||
1. Gesetzliche Wirkung und typisierende Betrachtung | 94 | ||
a) Typische Sanierungskonstellation | 95 | ||
b) Disponibilität der Steuerbelastung und Ausweichoptionen | 96 | ||
c) Steuerbelastung als lediglich (weiterer) wirtschaftlicher Umstand | 98 | ||
d) Zwischenergebnis: Keine generell erdrosselnde Wirkung | 99 | ||
2. Erdrosselnde Wirkung in atypischen Einzelfällen? | 100 | ||
a) Atypische Sanierungskonstellationen | 100 | ||
b) Billigkeitsrecht zur Vermeidung der erdrosselnden Wirkung | 101 | ||
c) Keine sachliche, allenfalls persönliche Unbilligkeit | 102 | ||
3. Zwischenergebnis | 103 | ||
C. Zusammenfassung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und Grenzen | 103 | ||
5. Kapitel: Rechtfertigung einer Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen | 105 | ||
A. Die Steuerbefreiung nach § 3a EStG als Sozialzwecknorm | 105 | ||
I. Steuerbefreiende Fiskal- und Sozialzwecknormen | 105 | ||
II. Sanierungsprivilegierung des § 3a EStG als Sozialzweck | 106 | ||
III. Bestätigender Blick auf die Vorgängerregelung des § 3 Nr. 66 EStG a. F. | 107 | ||
B. Verringerte Rechtfertigungslast durch teilweise Rückkehr zur Gleichbehandlung | 108 | ||
I. Verbrauch von Verlustverrechnungspotenzialen (§ 3a Abs. 3 S. 2 Nr. 1–13 EStG) | 109 | ||
1. Wirtschaftlich zweifelsfrei mit dem Unternehmen zusammenhängende Verluste | 110 | ||
2. Verluste mit möglicher und ohne Bindung zum sanierenden Unternehmen | 111 | ||
3. Schlussfolgerung: nur scheinbar „überschießende“ Verlustberücksichtigung | 115 | ||
4. Sonderfall: Zugriff auf Verluste des Ehegatten? | 116 | ||
a) Technisch-systematischer Ansatz | 118 | ||
b) Vollständige Einbeziehung der Ehegattenverluste | 120 | ||
5. Interpersoneller Verlustuntergang als Missbrauchsbekämpfung (§ 3a Abs. 3 S. 3 EStG) | 121 | ||
II. Verpflichtende Ausübung steuermindernder Wahlrechte (§ 3a Abs. 1 S. 2–3 EStG) | 122 | ||
1. Sachliche Reichweite | 123 | ||
2. Betragsmäßige Reichweite: Beschränkung der Höhe nach? | 124 | ||
3. Folgen einer unterlassenen Wahlrechtsausübung | 125 | ||
4. Als Folge lediglich zeitliche Verschiebung | 126 | ||
III. Abzugsverbot für und Berücksichtigung von Sanierungsaufwendungen | 127 | ||
1. Abzugsverbot von Sanierungsaufwendungen (§ 3c Abs. 4 EStG) | 127 | ||
2. Berücksichtigung der nicht abziehbaren Sanierungsaufwendungen (§ 3a Abs. 3 S. 1 EStG) | 129 | ||
IV. Zwischenergebnis: Partielle Rechtfertigungsbedürftigkeit | 130 | ||
C. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der verbleibenden Ungleichbehandlung der Steuervergünstigung | 130 | ||
I. Schutzgüter des Gemeinwohls als Rechtfertigungsgründe | 131 | ||
II. Verhältnismäßigkeit der Steuerbefreiung? | 132 | ||
1. Bloße Willkürkontrolle nach dem BVerfG | 132 | ||
2. Verhältnismäßigkeit | 133 | ||
a) Geeignetheit | 134 | ||
b) Erforderlichkeit | 135 | ||
c) Angemessenheit | 136 | ||
III. Ergebnis der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung | 137 | ||
6. Kapitel: Beihilferechtliche Aspekte der (gesetzlichen) Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen | 138 | ||
A. Die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen als mögliche Beihilfe | 141 | ||
I. Beihilferechtliche Einordnung durch die Kommission | 141 | ||
II. Beihilfebegriff des Art. 107 Abs. 1 AEUV | 143 | ||
1. Vorteil und Selektivität: Die selektive Begünstigung als Schlüsselmerkmal | 143 | ||
a) Gewährung eines Vorteils | 144 | ||
b) Fremdvergleich mit privaten Akteuren: „Kriterium des privaten Gläubigers“ | 145 | ||
c) Selektivität | 147 | ||
aa) Dreistufige Prüfung | 149 | ||
bb) Bestimmung des Referenzrahmens: Die Suche nach der „normalen“ Besteuerung | 150 | ||
cc) Abweichung vom definierten Referenzrahmen durch Ungleichbehandlung bei Vergleichbarkeit von begünstigten und nicht begünstigten Unternehmen | 152 | ||
(1) Steuerfreiheit nach § 3a EStG als Abweichung vom Referenzsystem | 153 | ||
(2) Fraglicher Bezugspunkt der Vergleichbarkeitsprüfung | 154 | ||
(3) Das Referenzsystem als zutreffender Bezugspunkt | 155 | ||
(4) Minderung des beihilferechtlichen Vorteils durch die Verlustverrechnung | 156 | ||
dd) Rechtfertigung der selektiven Begünstigung | 156 | ||
(1) Rechtfertigung nur durch steuersystemimmanente Gründe | 157 | ||
(2) Rechtfertigungsschwierigkeiten als Sozialzwecknorm? | 158 | ||
(3) Leistungsfähigkeitsprinzip und Übermaßverbot | 158 | ||
(4) Steuerstaatsprinzip | 159 | ||
ee) Zwischenergebnis | 159 | ||
2. Staatliche oder staatlich finanzierte Maßnahme | 160 | ||
3. Wettbewerbsverfälschende Wirkung und Gefahr der Beeinträchtigung des Binnenhandels | 160 | ||
III. Zwischenergebnis | 162 | ||
B. Keine Genehmigungsfähigkeit nach Art. 107 Abs. 3 AEUV | 163 | ||
C. Folgen der materiellen Beihilfeneigenschaft | 165 | ||
I. Keine unmittelbaren Rechtsfolgen materiell rechtswidriger Beihilfen | 166 | ||
II. Schwebezustand bis zum Tätigwerden der Kommission oder des EuGH | 167 | ||
III. Die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen als Altbeihilfe? | 168 | ||
1. Mangelnde gesetzliche Identität und maßgebliche Wirkung | 171 | ||
2. Zeitliche Unterbrechungen der Anwendbarkeit | 171 | ||
3. Umgestaltung der Verlustberücksichtigung als Änderung des materiellen Kerngehalts | 172 | ||
IV. Folgen einer abweichenden EuGH-Entscheidung | 172 | ||
1. Verhältnismäßigkeit auch bei drohender Insolvenz | 173 | ||
2. Vertrauensschutz durch „Comfort Letter“ | 173 | ||
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Arbeit | 176 | ||
Literaturverzeichnis | 185 | ||
Sachverzeichnis | 210 |