Recht – Wissen – Kultur
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Recht – Wissen – Kultur
Die fragmentierte Ordnung
Schriften zur Rechtstheorie, Vol. 282
(2016)
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Karl-Heinz Ladeur ist em. Professor für öffentliches Recht an der Universität Hamburg, von 2008–2012 Distinguished Bremen Professor an der Bremen International Graduate School of Social Sciences, 1994–2002 Professor am Europäischen Hochschulinstitut, Florenz. zuletzt erschienen: »Das Recht der Netzwerkgesellschaft«, 2013; »Die Textualität des Rechts«, 2015; Buch- und Aufsatzveröffentlichungen zur Rechtstheorie, zum Verfassungs- und Verwaltungsrecht sowie zum Medienrecht.Abstract
Das Buch zeigt an einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Beispiele, wie sehr das Recht von gesellschaftlichen Wissenssystemen abhängig ist und diese im Gegenzug strukturiert und ordnet. Wissen ist keine passive Sammlung von Fakten oder Werten, die vom Recht nur aufgenommen werden. Dabei geht es nicht nur um wissenschaftliches und technisches Wissen, sondern auch um praktisches wirtschaftliches, religiöses und kulturelles Wissen, das durch Lebensformen »instituiert« wird und sich der theoretischen Beobachtung weitgehend entzieht. Das Recht stützt durch »Fiktionen« ein praktisches Weltverhältnis ab, das die Welt ordnet und umgekehrt die dem Wandel unterliegende Binnenstruktur des Subjekts darauf einstellt. Dadurch wird jeweils die andere Seite einer Unterscheidung auf der primären Ebene ausgeschlossen, aber auf einer sekundären Ebene durch die Rechte der Kunst, der Wissenschaft, der Religion und der Literatur wieder eingeführt. Dadurch wird eine Oszillation erzeugt, die immer wieder neues Wissen, aber auch neue theoretische Möglichkeiten eines ganz Anderen hervorbringt.The book is focused on the relationship between law and knowledge in different social fields, such as technology, science, religion. It takes into consideration knowledge as a structured order that allows for a practical attitude towards the world - and at the same time informs and transforms the subject. The law establishes a »fictitious« order that enables action in a world beyond the »given«.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 5 | ||
Inhaltsverzeichnis | 7 | ||
I. Vorbemerkung | 13 | ||
II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft ‒ und deren Beobachtung | 17 | ||
1. Was ist Recht? | 17 | ||
a) Die Grenzen von H. L. A. Harts Rechtsbegriff | 17 | ||
aa) Das Recht und sein begrenzter Kontrollverlust durch Selbstorganisation | 19 | ||
bb) Die Vagheit der Sprache – diesseits der Souveränität | 21 | ||
b) Der Aufstieg des „Spezialwissens“ und dessen Einfluss auf die Fassung des Rechtsbegriffs | 23 | ||
2. Von der Rechtsanwendung zur Selbstbeobachtung der „Rechtsfortbildung“ im Rechtssystem und zum Aufstieg der „operativen“ Seite des Rechts | 25 | ||
3. Die Abschwächung der Bedeutung der Gesetzesbindung | 29 | ||
a) Vorüberlegung: Wandel der Funktion des Rechts? | 29 | ||
b) Insbesondere: Dynamische „grundrechtliche Ausgleichspflichten“ und die Veränderung der Gewaltenteilung (zwischen Justiz und Legislative) | 31 | ||
c) Die rechtschöpferische Kraft der Verwaltung | 33 | ||
4. Verantwortung im „Gewährleistungsstaat“ | 35 | ||
5. Die Dynamisierung der Technik und der Wandel der kognitiven Infrastruktur des Rechts | 37 | ||
a) Der Aufstieg der technischen Standards | 37 | ||
b) Das Recht und seine kognitive Infrastruktur – zur Verknüpfung von Normativität und Normalität | 39 | ||
6. Rechtsbindung ist nicht gleich Rechtszwang! | 43 | ||
7. Privatisierung des Rechts und der Rechtsdurchsetzung (Schiedsgerichte) | 46 | ||
III. „Law as Culture“ | 48 | ||
1. Das Recht und seine „soziale Epistemologie“ – die Konstruktion von Wirklichkeit durch Recht | 48 | ||
a) Die „soziale Epistemologie“ der Subjektivität | 48 | ||
b) Kausalitätskonstruktionen als objektive, auf Veränderung angelegte „soziale Epistemologie“ | 49 | ||
2. Die Neukonstruktion des Subjekts | 50 | ||
3. Die Auseinandersetzung um „das Subjekt“ und die Verrechtlichung des Schulverhältnisses | 53 | ||
4. Der Wandel der Realitätskonstruktion des Rechts | 55 | ||
a) „Recht als Kultur“ ‒ Die Ordnung der „Realität“ durch Recht | 55 | ||
b) Die Konstruktion der „Realität“ des Sozialstaats | 57 | ||
c) Braucht das Recht die „Rechtskraft“ der Gefühle? | 59 | ||
d) „Rechtsästhetik“ (Fischer-Lescano) als Denken des Rechts vom „Ereignis“ her? | 61 | ||
5. Der Zerfall der „Einheit der Rechtsordnung“ als Problem der gesellschaftlichen Selbstorientierung | 64 | ||
6. Die „Historisierung“ der Grundrechte | 65 | ||
7. „Zerfaserung“ des Staates? | 66 | ||
Exkurs: Die „Kritik der Rechte“ (C. Menke) | 68 | ||
IV. Die Evolution des Rechts seit dem Ende des 19. Jahrhunderts | 75 | ||
1. Die Transformation des Rechtssystems und seiner kognitiven Infrastruktur von der „Gesellschaft der Individuen“ bis zur „Netzwerkgesellschaft“ | 75 | ||
2. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Organisationen“ | 76 | ||
a) Der Wandel der kognitiven Infrastruktur: Die Dynamisierung des Expertenwissens | 76 | ||
b) Der Aufstieg der „Steuerungsgesetze“ | 78 | ||
c) Die gruppenbasierte Reflexion der Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit durch Recht – die Beispiele des Rundfunks, des Sozialrechts und des Planungsrechts | 80 | ||
d) Umstellung des Rechts von der „Rechtsschutz- auf die Steuerungsperspektive“? | 82 | ||
e) Das Bundesverfassungsgericht als Gruppengericht | 84 | ||
3. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Netzwerke“ | 88 | ||
a) Die neue Transformation der Wissensordnung und die Bedeutung der Netzwerke | 88 | ||
b) Nichtwissen: Paradigmen der Beziehung Wissen/Nichtwissen im Prozess der Selbsttransformation der Gesellschaft | 90 | ||
c) Reflexivität der Beobachtung des Wissens | 91 | ||
4. Die Regeln der Netzwerkgesellschaft im Einzelnen | 92 | ||
a) Vorbemerkung | 92 | ||
b) Wissen im Netzwerk | 92 | ||
c) Die Verflüssigung der Wirklichkeit | 95 | ||
d) Exempel: Finanzmarktkrise | 96 | ||
aa) Kaskadeneffekte des Wissens | 96 | ||
bb) Der Aufstieg der epistemischen Gemeinschaften und „high knowledge“ | 97 | ||
e) Exempel: Die Veränderung des Wissenssystems durch die Nanotechnologie | 97 | ||
f) Die Ethisierung der Wissenschaft und des Technikrechts | 98 | ||
5. Insbesondere: Die Verschleifung von Wissenschaft und Technologie ‒ nochmals das Exempel der Nanotechnologie | 102 | ||
6. Veränderung des Kausalitätsmodells | 103 | ||
a) Riskante Nebeneffekte | 103 | ||
b) Zur Notwendigkeit eines „Wissensmanagements zweiter Ordnung“ | 104 | ||
c) Gesundheitsrecht – Wissenstypen – grundrechtliche Implikationen | 105 | ||
7. Technikrecht und die staatliche/gerichtliche Bewertung von Technologien | 107 | ||
a) Die BVerfG-Entscheidung zum GenTG | 107 | ||
b) Die Rolle des Einschätzungsspielraums des Staates im Angesicht von Ungewissheit | 109 | ||
8. Datenschutz neuer Art und technologische Risiken | 110 | ||
a) Datenschutz – öffentlich-rechtlich: Beobachtung von „Avataren“ | 110 | ||
b) Datenschutz – privatrechtlich: die Daten-GEMA | 111 | ||
9. Social media | 112 | ||
a) Netzvertrag als weiterführende Konstruktion? | 112 | ||
b) Normsetzung in Netzverträgen | 114 | ||
c) Cyber Court für social media? | 115 | ||
10. Die Religion als Lebensform und ihr Recht | 116 | ||
11. Zwischenüberlegung: Recht und Management von Regeln | 119 | ||
V. Wirtschaftsrecht | 121 | ||
1. Paradigmenwechsel im Vertragsrecht: Der Aufstieg der „Netzverträge“ im High Tech-Recht | 121 | ||
2. Neue Institutionen für die „Gesellschaft der Netzwerke“ | 123 | ||
3. Zwischenresümee: Die Verflüssigung der Grenzbegriffe | 125 | ||
VI. Neukonstruktion der Theorie der Grundrechte unter Bedingungen von Komplexität | 127 | ||
1. „Impersonale Grundrechte“? | 127 | ||
2. Der Vorrang des Verfahrens vor dem substantiellen Recht – das Beispiel des griechischen Rechts | 130 | ||
3. Zur Notwendigkeit eines Kollisionsrechts für die Abstimmung von gesellschaftlichen und rechtlichen Normen | 134 | ||
a) Verweisungszusammenhang von Recht und sozialen Normen und Praktiken | 134 | ||
b) Entstehung und Funktion von methodischen Regeln | 135 | ||
4. „Historisierung“ der Grundrechte: Das Beispiel der Medienfreiheiten | 136 | ||
VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der globalisierten Rechtsordnung | 138 | ||
1. Die EG als „Staatenverbund“ und das Erfordernis eines „Kollisionsrechts“ neuer Art | 138 | ||
2. Grenzen der Europäisierung – Warum die EU kein Superstaat sein kann | 139 | ||
a) Die Illusion der Einheit des transformierten Europarechts | 139 | ||
b) „Recht als Kultur“ – die Grenze der Europäisierung des Rechts | 143 | ||
c) „Prinzipien“ als lockere Form der Erhaltung der Einheit des Europarechts? | 144 | ||
3. Kollisionsrechtliches Denken gegen den europäischen Superstaat | 145 | ||
4. Europäisches Kollisionsrecht – nicht territorial sondern funktional! | 148 | ||
5. Exempel: Nationale und europäische Grundrechte | 151 | ||
a) Das ungeeignete staatsfixierte Prinzip des Schutzes des „margin of appreciation“ | 151 | ||
b) Differenzierter Grundrechtsschutz nach staatlicher Leistungsfähigkeit in der Rechtsprechung des EGMR | 152 | ||
c) Ein neues Netzwerk des Fallrechts | 155 | ||
d) Von der Rechtsvergleichung zum „Netzvergleich“? | 156 | ||
6. Grenzen der Konstitutionalisierung des „Mehrebenensystems“ | 157 | ||
VIII. Globalisierung des Rechts | 158 | ||
1. Völkerrecht in einer globalen Rechtsordnung | 158 | ||
2. Schiedsgerichtsbarkeit und transnationale Expansion des nationalen Rechts | 159 | ||
a) Schiedsgerichtsbarkeit als Institut der Hybridisierung des Rechts jenseits des Staates | 159 | ||
b) Exterritoriale (Schutz-)Wirkung nationaler Grundrechte? | 160 | ||
c) Konstitutionalisierung als Gegenstand rechts- und politikwissenschaftlicher Beobachtung | 161 | ||
3. Kritik der Figur der „Selbstkonstitutionalisierung“ fragmentierter Regime des „Weltrechts“ | 163 | ||
a) Neugründung eines nichtstaatlichen Rechts? | 163 | ||
b) Die „Selbstkonstitutionalisierungsthese“ und das Problem der Beteiligung des Staates an der globalen Normbildung | 164 | ||
4. Globales Verwaltungsrecht | 165 | ||
a) Ein eigenständiges Verwaltungsrecht? | 165 | ||
b) oder doch „internationales Verwaltungsrecht“? | 167 | ||
c) Vergleich zwischen dem globalen und dem europäischen Recht | 168 | ||
5. Die Verknüpfung von transnationalem und nationalem Recht | 169 | ||
6. Globales Recht als „fuzzy set“ von Normen | 170 | ||
IX. Über die Systemtheorie hinaus? | 174 | ||
1. Die Leistung einer Medientheorie des Rechts | 174 | ||
2. Was ist ein „Medium“? | 175 | ||
3. Prozeduralisierung jenseits der „Legitimation durch Verfahren“ (N. Luhmann) | 179 | ||
4. Die bewegliche Infrastruktur des Rechts | 181 | ||
5. Die Schwächung der Textualität des Rechts durch den unmittelbaren Durchgriff auf die „Situation“ und ihre Wiedergewinnung | 182 | ||
6. Ein vergleichender Blick auf das islamische Recht: Die Verschließung gegen die Fragmentierung der Gesellschaft | 185 | ||
a) Offenheit und Geschlossenheit des Rechts | 185 | ||
b) Recht ohne Eigenrationalität | 187 | ||
c) Das Subjekt „im Westen“ und im Islam | 190 | ||
d) Zwei Alternativen der künftigen Entwicklung | 193 | ||
e) Resümee | 195 | ||
Ausblick: Lernen vom jüdischen Gesetzesbegriff? | 196 | ||
Literaturverzeichnis | 202 | ||
Sachverzeichnis | 242 |