Unionsrechtliche Vorgaben für eine zivilrechtliche Haftung bei Marktmissbrauch
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Unionsrechtliche Vorgaben für eine zivilrechtliche Haftung bei Marktmissbrauch
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, Vol. 129
(2018)
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Micha Cless studierte Rechtswissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg mit Schwerpunkt Deutsches und Europäisches Verwaltungsrecht. Sein Referendariat absolvierte er im OLG-Bezirk Karlsruhe mit Auslandsstation in Rom. Danach war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht von Herrn Prof. Dr. Klaus Ulrich Schmolke an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg tätig. Dort verfasste er auch seine Dissertationsschrift.Abstract
Die Arbeit untersucht, ob das primäre Unionsrecht in der Ausprägung, die es durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erfahren hat, die Mitgliedstaaten verpflichtet, eine zivilrechtliche Haftung für Marktmanipulation und Insiderdelikte am Kapitalmarkt (Marktmissbrauch) vorzuhalten, obwohl die Marktmissbrauchsverordnung ihnen explizit nur eine öffentlich-rechtliche Sanktionierung vorgibt. In Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung unter besonderer Berücksichtigung des Effektivitätsgrundsatzes und des institutionellen Gleichgewichts entwickelt der Autor einen Maßstab, anhand dessen eine mitgliedstaatliche Pflicht zur Haftungsbewehrung anerkannt oder zurückgewiesen werden kann. Darauf aufbauend wird die Marktmissbrauchsverordnung unter Einbeziehung rechtsökonomischer Ansätze auf ein solches Haftungspostulat hin überprüft. Zur Sprache kommen auch die Implikationen für eine deliktische Haftung nach deutschem Recht.»EU Law and Private Enforcement of the Market Abuse Regulation«The thesis analyses whether primary EU law obliges Member States to implement private liability for market manipulation and insider dealings (market abuse). Considering landmark decisions of the CJEU, the author proposes a framework which forms the basis for acknowledging or refusing an unwritten duty of the Member States to implement private enforcement. The framework is then applied to the EU Market Abuse Regulation.
Table of Contents
Section Title | Page | Action | Price |
---|---|---|---|
Vorwort | 7 | ||
Inhaltsverzeichnis | 9 | ||
A. Einleitung | 15 | ||
I. Die Einführung der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) | 15 | ||
II. Gegenstand und Gang der Untersuchung | 16 | ||
III. Einbettung der Arbeit in allgemeinere Entwicklungen und Diskussionen | 19 | ||
1. Funktionale Subjektivierung – Unionsbürger als „Hüter des Unionsrechts“ | 19 | ||
2. Das Paradigma des Private Enforcement | 20 | ||
a) Grundgedanke und Herkunft | 20 | ||
b) Exkurs: Private Enforcement im deutschen Recht | 21 | ||
3. Regulierungsprivatrecht aus Unions- und mitgliedstaatlicher Perspektive | 22 | ||
B. Sanktionsregime des reformierten Marktmissbrauchsrechts | 24 | ||
I. Öffentlich-rechtliche Sanktionsvorgaben der MAR | 24 | ||
II. Strafrechtliche Sanktionsvorgaben der CRIM-MAD | 25 | ||
III. Verhältnis beider Sanktionssysteme zueinander | 27 | ||
IV. Reaktionen auf das Schweigen der MAR zur zivilrechtlichen Haftung | 28 | ||
V. Deutsche Umsetzung durch Erstes und Zweites FiMaNoG | 29 | ||
1. Aufgaben und Befugnisse der BaFin | 29 | ||
2. Erweiterte und angepasste Bußgeldtatbestände | 30 | ||
3. Erweiterte und angepasste Straftatbestände | 31 | ||
4. Bewertung der deutschen Umsetzung | 32 | ||
VI. Ergebnis | 32 | ||
C. Schweigen des Gesetzgebers zur privaten Haftung – Sperrwirkung? | 34 | ||
I. Problemaufriss | 34 | ||
II. Allgemeiner negativer Satz? | 35 | ||
III. Regelungslücke als Kriterium einer Sperrwirkung? | 36 | ||
IV. Europaweit einheitliche Anwendung der MAR | 37 | ||
V. Parallelen im angelsächsischen Rechtskreis | 38 | ||
1. USA | 38 | ||
2. Vereinigtes Königreich | 40 | ||
VI. Ergebnis | 40 | ||
D. Status quo privater Haftung für Marktmissbrauch in anderen EU-Mitgliedstaaten | 42 | ||
E. Mitgliedstaatliche Pflicht zur zivilrechtlichen Haftungsbewehrung von MAR-Verstößen aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes? | 45 | ||
I. Objektive primärrechtskonkretisierende Vorgaben des EuGH zur Durchsetzung von Unionsrecht mittels Sanktionen | 45 | ||
1. Verhältnismäßigkeit der Sanktion | 47 | ||
2. „Abschreckende“ Sanktionen | 48 | ||
3. Zivilrechtliche Haftung als Sanktion | 49 | ||
4. Subsidiarität mitgliedstaatlicher Sanktionierungspflicht | 49 | ||
5. Freiwilligkeit der Einführung zusätzlicher Rechtsbehelfe | 50 | ||
6. Ergebnis | 51 | ||
II. Subjektive Rechte als Voraussetzung zivilrechtlicher Haftung | 51 | ||
III. Haftungspostulat aus Übertragung der Courage-Entscheidung des EuGH? | 53 | ||
1. Sachverhalt | 53 | ||
2. Modifikationen in der Folgerechtsprechung: Rs. Manfredi | 54 | ||
3. Erste Lehren aus der Kartellschadensersatzrichtlinie für die MAR | 55 | ||
4. Überlegungen zur Übertragbarkeit | 56 | ||
a) (Abgeleitete) sachlich-gegenständliche Kompetenz des EuGH | 57 | ||
b) Reichweite und Wesentlichkeit | 58 | ||
c) Vergleich der Rechtsdurchsetzung | 59 | ||
d) Effet-Argument | 59 | ||
e) Bewertung des Entdeckungsarguments und die Lösung der MAR | 61 | ||
aa) Vergleich mit der Anlageberatung | 61 | ||
bb) Lösungsansatz der MAR | 61 | ||
cc) Weitere Meldepflichten im EU-Kapitalmarktrecht | 63 | ||
dd) Umsetzung in Deutschland | 65 | ||
ee) Zwischenergebnis | 66 | ||
f) Konvergenz der Sanktionierungsregime | 66 | ||
g) Folgefragen | 67 | ||
5. Ergebnis | 68 | ||
IV. Haftungspostulat aus Übertragung der Muñoz-Entscheidung des EuGH? | 68 | ||
1. Sachverhalt | 68 | ||
2. Vergleich mit Courage | 70 | ||
3. Überlegungen zur Übertragbarkeit | 71 | ||
a) Reichweite und Wesentlichkeit | 72 | ||
b) Vergleich der Rechtsdurchsetzung | 72 | ||
c) Effet-Argument und subjektives Recht | 73 | ||
d) Rechtsfolge und Pflichtinhalt | 75 | ||
4. Ergebnis | 75 | ||
V. Bewertung von Courage und Muñoz und Maßstabsbildung für die Auslegung der MAR | 76 | ||
1. Keine direkte Übertragbarkeit | 76 | ||
2. Dogmatik des subjektiven privaten Rechts? | 76 | ||
3. Revision des effet-Gedankens als relatives Optimierungsgebot | 77 | ||
4. Kritik der Rechtsverleihungspraxis des EuGH | 80 | ||
5. Exkurs: Nachteile richterlicher Rechtsfortbildung | 82 | ||
6. Vorschlag ausdrücklicher Kriterien für die Aufstellung eines Haftungspostulats | 82 | ||
a) Keine abschließende unionsrechtliche Sanktionsordnung | 84 | ||
b) Vereinbarkeit einer funktionalen Subjektivierung mit Konzept und Regelungszielen des Unionsgesetzgebers | 84 | ||
c) Geeignetheit einer zivilrechtlichen Haftung zur Regelungszielerreichung | 85 | ||
d) Erforderlichkeit: Unerwünschtes Durchsetzungsdefizit | 85 | ||
VI. Vereinbarkeit einer funktionalen Subjektivierung mit Konzept und Regelungszielen des Unionsgesetzgebers | 86 | ||
1. Wortlaut-Erwägungen | 87 | ||
a) Erwägungsgründe | 87 | ||
b) Art. 1 MAR als programmatischer Grundstein | 88 | ||
c) Ergebnis | 89 | ||
2. Systematische Erwägungen | 89 | ||
a) Rechtsform-Argument | 90 | ||
b) Regelungskonzept der MAR bei der Aktivierung Privater | 91 | ||
c) Überprüfungsprärogative des Verordnungsgebers aus Art. 38 MAR | 92 | ||
d) Rechtsaktübergreifender Vergleich | 92 | ||
aa) Richtlinien | 93 | ||
bb) Verordnungen | 95 | ||
cc) Ergebnis | 97 | ||
3. Historisch-genetische Erwägungen | 98 | ||
4. Teleologische Erwägungen | 99 | ||
a) Ökonomische Hintergründe der Verbotsnormen | 99 | ||
aa) Manipulationsverbot | 99 | ||
bb) Insiderhandelsverbot | 100 | ||
b) Anlegerschutz | 101 | ||
aa) Begriffliche Annäherung | 102 | ||
(1) Offenheit des Begriffs „Anlegerschutz“ | 102 | ||
(2) Offenheit des Begriffs „Individualschutz“ | 103 | ||
bb) Anlegerschutz im Sinne der MAR | 104 | ||
(1) Anlegerschutz als Regelungsziel der MAR | 104 | ||
(2) Präzisierung des Anlegerschutzes im Rahmen von Art. 14 MAR | 104 | ||
(3) Präzisierung des Anlegerschutzes im Rahmen von Art. 15 MAR | 105 | ||
(4) Zwischenergebnis | 106 | ||
(5) Erklärungsansatz: „Schadensdiffusion“ bei Individualschutz durch Haftung | 106 | ||
cc) Gegenbeispiel eines klar intendierten Vermögensindividualschutzes | 107 | ||
5. Gesamtergebnis der Auslegung der MAR | 108 | ||
VII. Geeignetheit einer zivilrechtlichen Haftung | 108 | ||
1. In Bezug zu nehmendes Regelungsziel | 109 | ||
2. Empirischer Befund zum kapitalmarktrechtlichen Enforcement | 109 | ||
3. (Mehr) Prävention durch private Haftung? | 111 | ||
a) Theoretisches Für und Wider einer Abschreckungswirkung | 111 | ||
b) Voraussetzungen der Geltendmachung privater Ansprüche | 113 | ||
aa) Aufdeckbarkeit marktmissbräuchlichen Verhaltens für Private | 113 | ||
(1) Bei Marktmanipulationen | 114 | ||
(2) Bei Insiderhandel | 116 | ||
(3) Zwischenergebnis | 117 | ||
bb) Vorliegen eines (bestimmbaren) Schadens | 117 | ||
(1) Bei Marktmanipulation | 117 | ||
(2) Bei Insiderhandel | 118 | ||
(3) Zwischenergebnis | 121 | ||
cc) Keine gegenläufigen wirtschaftlichen Interessen | 122 | ||
dd) Anlegerfreundliche Ausgestaltung der Haftungsvoraussetzungen | 123 | ||
c) Ergebnis | 124 | ||
4. Gefahr der Überabschreckung? | 125 | ||
5. Haftung als Beitrag zum Meta-Ziel der Kapitalmarkteffizienz | 126 | ||
6. Spillover-Effekte für die repressive Marktmissbrauchsbekämpfung | 127 | ||
7. Zwischenergebnis | 128 | ||
VIII. Erforderlichkeit: Durchsetzungsdefizit | 128 | ||
1. Bedürfnis nach empirischer Überprüfung des Durchsetzungsdefizits | 129 | ||
2. Definition und Maßstab des Durchsetzungsdefizits | 132 | ||
3. Durchsetzungsdefizit vor der Reform des Marktmissbrauchsrechts | 133 | ||
a) Einschätzung der Kommission | 134 | ||
b) Stimmen in der Literatur | 135 | ||
c) Ergebnisse empirischer Studien zum Durchsetzungsdefizit vor der MAR? | 135 | ||
4. Zukünftige Durchsetzung der Art. 14, 15 MAR | 140 | ||
a) Erkenntnisse aus der Umsetzung der MAD 2003 | 140 | ||
b) Weitere Plausibilisierung | 141 | ||
c) Insbesondere: Abschreckung durch Kriminalisierung | 143 | ||
aa) Empirische Erkenntnisse zur strafrechtlichen Abschreckung | 143 | ||
bb) „Der kalkulierende Täter“ | 144 | ||
cc) Freiheitsstrafen | 145 | ||
dd) Subjektive Einflussgrößen | 146 | ||
ee) Expressive function of law | 147 | ||
ff) Durchsetzung | 147 | ||
d) Einschätzungsprärogative des EU-Gesetzgebers | 148 | ||
5. Mildere Alternativen zum Haftungspostulat | 149 | ||
6. Zwischenfazit | 149 | ||
IX. Ergebnis | 149 | ||
F. EU-Recht auf Schadensersatz? | 151 | ||
I. Grundlinie der Francovich-Rechtsprechung | 151 | ||
II. Zur Übertragbarkeit von Francovich auf Unionsrechtsverstöße durch Private | 153 | ||
1. Schlussanträge zur Rs. Banks | 153 | ||
2. Stimmen im Schrifttum | 154 | ||
3. Bewertung | 155 | ||
a) Proprium der Staatshaftung | 155 | ||
b) Kompetenz des EuGH für ein EU-Recht auf Schadensersatz | 156 | ||
c) Verknüpfung der Rechtsprechungslinien | 157 | ||
4. Ergebnis | 158 | ||
G. Konstitutionelle Überprüfung des Befunds | 159 | ||
I. Recht des Geschädigten auf einen Schadensersatzanspruch? | 159 | ||
1. Art. 47 GRCH | 159 | ||
2. Zulässigkeit eines nur fragmentarischen Vermögensschutzes | 160 | ||
II. Schadensersatzhaftung als rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die Sphäre des Schädigers | 161 | ||
III. Ergebnis | 162 | ||
H. Blick auf die deutsche Rechtslage und Äquivalenzgrundsatz | 163 | ||
I. Zivilrechtliche Haftung nach deutscher Rechtslage | 163 | ||
1. Haftung gemäß §§ 97, 98 WpHG | 163 | ||
a) Erfassung verbotenen Insiderverhaltens | 164 | ||
b) Erfassung marktmanipulativen Verhaltens | 165 | ||
c) Zwischenergebnis | 167 | ||
2. Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB | 167 | ||
a) Marktmanipulationsverbot | 168 | ||
aa) Vorläuferregelung des § 20a WpHG | 168 | ||
bb) Neuregelung des Art. 15 MAR | 169 | ||
b) Insiderverbot | 171 | ||
3. Haftung gemäß § 826 BGB | 172 | ||
4. Ergebnis | 173 | ||
II. Haftungspostulat oder sonstige Vorgaben aus dem Äquivalenzgrundsatz? | 173 | ||
1. Äquivalenz | 173 | ||
2. Relevanz für ein Haftungspostulat hinsichtlich der Art. 14, 15 MAR | 175 | ||
III. Vorlage nach Art. 267 AEUV | 176 | ||
J. Überlegungen de lege ferenda | 178 | ||
I. Kompensation | 178 | ||
1. Kompensation durch Haftung und Fairnessgedanke | 178 | ||
2. Alternativer Ausgleichsmechanismus | 179 | ||
II. Alternativen zur Marktmissbrauchsbekämpfung durch Haftung | 180 | ||
1. Verstärkter Ausbau von Hinweisgebersystemen | 180 | ||
2. Big Data | 183 | ||
III. Ergebnis | 185 | ||
K. Ausblick | 186 | ||
L. Zusammenfassung der Ergebnisse | 188 | ||
Literaturverzeichnis | 193 | ||
Stichwortverzeichnis | 215 |